nach: Paul Langhans, Nr. 7. Deutsche Kolonisation im Osten. II. Auf Slavischem Boden.; Justus Perthes Gotha, 1897

Die Einwanderung der Mennoniten nach Russland begann mit der Aufforderung des russischen Abgesandten, Collegien-Assessor George von Trappe, dem Ruf der Zarin Katharina II. Folge zu leisten und die Steppe urbar zu machen.

Die Anhänger der nach ihrem Gründer Menno Simons benannten Glaubensrichtung lehnen die Taufe ihrer Kinder ab, sie sollten sich erst als Erwachsene durch die Taufe bewußt zu ihrer Religion bekennen. Durch ihre Ablehnung jeglicher Gewalt verweigern sie auch jeden Kriegs – oder Militärdienst, Staatsdienst und die Eidesleistung. Bereits im 16. Jahrhundert flüchteten die Mennoniten auf Grund dieser Haltung und religiöser Verfolgung  in das Mündungsgebiet der Weichsel. Hier erhielten sie 1780 von Friedrich II. ein Gnadenprivileg, das sie vom Militärdienst befreite. Ihnen wurde Schutz bei der Ausübung ihres Gewerbes zugesagt,  vor allem in der Textilherstellung und –verarbeitung, jedoch durften sie nur mit Genehmigung des Königs Land erwerben.

König Friedrich Wilhelm II. war nicht bereit, dieses Gnadenprivileg nach dem Tod seines Onkels 1786 anzuerkennen und verschärfte das Verbot des Landerwerbs. So wurde die Landnot enorm, dazu kamen nun Zwangsabgaben für protestantische Schulen und Kirchen, die ihre Kinder nicht besuchten und für die Befreiung vom Militärdienst, die mangels Wehrdienst erfolgen musste. Die ständigen Überflutungen der Deiche brachten Ernteausfälle mit sich, die der ständig wachsenden Mennonitengemeinschaft zusätzliche Probleme bereiteten. So war die Verlockung, weites Siedlungsland zu erhalten, gross.

Die Danziger Mennoniten entsandten zwei Deputierte, Jakob Höppner und Johann Bartsch, Ende September des Jahres 1786 nach Russland, um geeignetes Siedlungsland zu finden. Ihr Reiseweg führte sie zunächst per Schiff nach Riga, von dort aus nach Dubrowna/Weissrussland. Dem Generaladjutanten von Taurien, Generalleutnant Baron von Stahl empfohlen, brachen sie nach Krementschug auf und von dort nach Cherson.

Hier war nicht nur ihr Winterlager, sie bereisten den Cherson, ehe sie am 13. Mai 1787 der Zarin in Krementschug vorgestellt wurden. Diese sicherte ihnen folgende Privilegien zu:

  • Religionsfreiheit
  • als Reisekosten in das Siedlungsgebiet erhält jeder Erwachsene  25, jedes Kind unter 14 Jahren 12 Kopeken und freies Quartier
  • bei Ankunft für jede Kolonistenfamilie 65 Desjatinen Land
  • die russische Regierung verpflichtete sich, Holz für den Hausbau und Baumaterial für zwei Mühlen zu Verfügung zu stellen
  • bis zu ersten Ernte soll eine Unterstützung von 10 Kopeken pro Person und Tag gezahlt werden
  • für den Kauf landwirtschaftlicher Geräte und Saatgut erhält jede Familie ein Darlehen von 500 Kopeken, welches nach 10 Jahren in drei Raten zurückzuzahlen wäre
  • in den ersten 10 Jahre nach der Ansiedlung erhalten die Kolonisten eine Steuerbefreiung, danach wären pro Desjatine und Jahr 15 Kopeken zu zahlen
  • Befreiung von Militärdiensten, Fuhrdiensten, öffentlichen Arbeiten und Einquartierungen, im Gegenzug sind die Kolonisten verpflichtet, Brücken und Wege in ihrem Siedlungsgebiet zu pflegen und instand zu halten

Die Abgesandten begleiteten nach dieser Unterredung die Zarin auf die Krim. Im September des Jahres wurden auf ihr Bitten hin diese Zusicherungen durch Fürst Potjomkin fixiert. Höppner und Bartsch kehrten danach über Krementschug, Sankt Petersburg, Riga und Warschau zurück in die Heimat. Noch in Riga trafen sie auf die Familien des Hans Hamm, Kornelius Willins, Peter Rogese, Jakob Harder und Dietrich Isaak. Bei ihnen war auch der ledige Abram Krahn, Schwager des Isaak. Sie hatten sich bereits auf den Weg nach Russland machen wollen, als ihnen das Geld aus ging. Nun konnten sie Reisekosten im Hauptbüro beantragen zur Weiterreise.

Reiseweg der Danziger Mennoniten

In Warschau mussten Hoppner und Bartsch den König von Polen, Stanislaus II. August, über den Wunsch zur Auswanderung der Danziger Mennoniten und ihr Abkommen mit der russischen Zarin unterrichten. Mit ihrem Eintreffen in Danzig wurde am 19. Januar 1788 eine Versammlung der Auswanderungswilligen einberufen. Wer auswandern wollte, musste nun einen Pass beantragen und zehn Prozent seines Vermögens als Abzugsgeld an den preußischen Staat zahlen.

Am Ostersonntag, den 22. März 1788, brachen 7 Familien mit 50 Personen unter Höppners Führung von Bohnsack aus nach Stutthoff auf. Am nächsten Tag setzten sie sich mit Schlitten über das tauende Eis in Richtung Riga in Bewegung. Um ihren Pferden Schonung zu geben, blieben sie vier Wochen, ehe sie  nach Dubrowna aufbrachen, das sie am 24. Juni 1788 erreichten.

Eine Weiterreise war zunächst nicht möglich, da sich Russland im Krieg mit der Türkei befand. Bis zum Frühjahr 1789 lagerten sie, während nach und nach weitere 228 Familien eintrafen. In der ersten Maiwoche 1789 brachen 6 Familien mit Höppner auf, um eine Vorhut zu bilden. Über Orscha und Krementschug reisten sie nach Jekaterinoslaw, wenig später weiter in das Tal der Chotitza, welches sie im Juli 1789 erreichten.

Das Entsetzen der Kolonisten bei Ankunft war groß, ein verlassenes zerstörtes Dorf lag vor ihnen, kein Baum, kein Strauch, kein Tier war in der Umgebung zu finden. Das ihnen versprochene Land war nicht hier, doch nun mussten sie sich allen widrigen Umständen zu trotz einrichten.

Während Höppner, Bartsch und einige andere auf die Dneprinsel Chortyzja zogen, wo ein verlassenes Wohnhaus ihr Quartier wurde, begannen die anderen Familien mit der Errichtung von Unterkünften, zumeist Erdhütten, um sich auf den herannahenden Winter vorzubereiten.

aus: Paul Langhans, Nr. 7. Deutsche Kolonisation im Osten. II. Auf Slavischem Boden.; Justus Perthes Gotha, 1897

So wurde die Kolonie Chortitza ( Chortyzja, Хортиця, Хортица), nordwestlich der Insel Chortyzja, durch Flamen gegründet. Die Friesen ließen sich im von ihnen gegründeten Dorf Kronsweide nieder. Zwischen 1793 und 1796 kamen weitere 118 Familien, welche auf die bereits bestehenden Kolonien Chortiza verteilt wurden. Ingesamt entstanden zwischen 1789 und 1797 elf mennonitische Kolonien.

Eine erneute Bestätigung ihrer Privilegien erhielten die Mennoniten 1800 durch einen Gnadenbrief des russischen Zaren Paul I.

Ab 1803 erfolgte eine erneute Auswanderungswelle, die nun ankommenden 342 Familien aus dem Elbinger und Marienburger
Gebiet lagerten bei ihren Brüdern und Schwestern der Chortitzer Kolonien, ehe sie in die Molotschna weiter zogen.

Die Aufhebung aller Privilegien der Russlanddeutschen durch den russischen Zaren Alexander III. im Jahr 1871 zwang auch die Mennoniten zum Militärdienst, trotzdes von ihnen durchgesetzten Ersatzdienstes entschlossen sich tausende nach Übersee auszuwandern. Vor allem zwischen 1874 und 1879 zog es sie vor allem nach Nordamerika, etwa 18.000 ließen sich in Canada nieder.

Ab 1899 verließen viele Familien die Kolonien auch in Richtung Sibirien, ab 1907 sogar planmäßig. So entstanden bis 1914 rund 100 Siedlungen durch 200 Chortitzer und 1000 Familien aus der Molotschna um Omsk, Slawgorod, Pawlodar und Minussinsk.

Die russische Regierung unterband diese Auswanderungswelle ab 1929 radikal. Die Entkulakisierung seit 1928 betraf auch die Mennoniten, deren Geistliche und Lehrer, sowie viele weitere Menschen verschleppt, verbannt oder erschossen wurden. Die Kirchen wurden, wie überall, geschlossen. Insgesamt wurden zwischen 1929 und 1941 aus den Chortitzer Kolonien 1144 Männer, 162 Frauen und 150 Jugendliche verschleppt. Der Verbleib von 973 Personen ist ungewiss, 332 kamen in den Ural , 66 in den hohen Norden, 50 in den Süden, 18 nach Sibirien, jeweils sechs in die Zentralgebiete und den Fernen Osten, vier nach Kasachstan und eine Person in den Kaukasus.

Am 28. August 1941 wurde die Umsiedlung aller Russlanddeutschen durch Stalin befohlen, nun wurden die meisten verbliebenen Einwohner deportiert, das betraf 1438 Männer, 367 Frauen und 482 Jugendliche.

Etwa 35.000 Mennoniten gelang es, nach der Kapitulation in Stalingrad am 2. Februar 1943 mit auf den deutschen Tuppen in Richtung Westen zu ziehen, da die deutsche Armee aufgefordert wurde, die restliche deutsche Bevölkerung mitzunehmen, etwa 350.000 Deutsche, die in der Sowjetunion lebten.

Der geordnete Abzug betraf zunächst die Mennonitenkolonie Molotschna am 12. September 1943, danach folgte die Mennoniten-Siedlung Chortitza und Ende Oktober die Mennoniten-Siedlung Zagradovka. Anfänglich mit Zügen in den Warthegau unterwegs, setzte man nun auf Pferdewagenkolonnen, um die Steppe zu verlassen.Im März 1944 trafen die Evakuierten ein und blieben ebenso, wie die Bessarabier, die nach der Umsiedlung zur Ansiedlung auf dortige Bauernhöfe verteilt wurden. Auch die Mennoniten durchliefen den Einbürgerungsprozess der Einwanderungszentrale (EWZ), um die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Teil des Melderegisters von Plattkow Kreis Beeskow, Nr. 222-255 sind Angehörige des Trecks1

Der Aufenthalt im Wartheland sollte nicht einmal ein Jahr dauern, da erreichte die Front am 17. und 18. Januar 1945 Polen und Ostpreußen. Auf der Flucht in Richtung Westen schlossen sich auch polnischen und Danziger Mennoniten an, einige versuchten über die Ostsee nach Norden zu fliehen. Am 2. Februar 1945 erreichte ein Teil von ihnen den kleinen Ort Plattkow (Błotko), ein Dorf rund 40 km westlich der Oder im Spreewald, heute Ortsteil der Gemeinde Märkische Heide im Landkreis Dahme-Spreewald (Brandenburg). Sie blieben, wie aus den Melderegistern1 ersichtlich, bis zum 24. Februar, dann hatte die Front sie erneut eingeholt.

Es folgten erbitterte Kämpfe beiderseits der Oder auf dem Vormarsch nach Berlin. Vielen Flüchtlingen war nicht bewußt, das sie auf der westlichen Seite der Oder nicht in Sicherheit waren. Die Elbe war die Trennungslinie zwischen Ost und West, die in Jalta vereinbart wurde, so wurden viele von ihnen gefangen genommen und in die Sowjetunion deportiert. Doch auch in der westlichen Zone wurden viele gefangen und gewaltsam zurück geschickt (repatriiert).

Nach Schätzungen sind von den ~ 35.000 mennonitischen Flüchtlingen, etwa 23.000 auf diese Weise zurück geschafft worden und überwiegend nach Sibirien in Lager gekommen. Die verbliebenen 12.000 wanderten nach Aufenthalten in deutschen Flüchtlingslagern zur Hälfte nach Kanada und zur Hälfte nach Südamerika aus (Paraguay , Uruguay, Argentinien). Dort trafen viele von ihnen auf Angehörige der Auswanderungswellen nach den Erlassen von 1871, die sich inzwischen in ihren Kolonien ein neues Leben geschaffen hatten.


GründungsjahrNameukrainischer Namerussischer Name
1789ChortitzaChortyzja/ Хортиця (ehemaliger Stadtteil von Saporischschja)Chortitza/ Хортица
1789Insel Chortitzazerstört 1917, heute Ostriw Chortyzja/ Острів Хортиця (im Stadtgebiet von Saporischschja)Ostrow Chortitza/ Остров Хортица
1789Alt-Kronsweideauch Bethania, Welykyj Luh/ Великий Луг (Stadtteil von Saporischschja)Weliki Lug/ Великий Луг
1789EinlageKitschkas/ Кічкас (im Norden von Saporischschja, Rajon Lenin)Kitschkas/ Кичкас
1789NeuenburgMalyschiwka/ МалишівкаMalyschewka/ Малышевка
1789NeuendorfSchyroke/ ШирокеSchirokoje/ Широкое
1789RosentalKanzeriwka/ Канцерівка (teilweise im Stadtgebiet von Saporischschja)Kanzerowka/ Канцеровка
1789SchönhorstRutschajiwka/ РучаївкаRutschajewka/ Ручаевка
1797Schönwiese(südlicher Stadtteil von Saporischschja)Schenwise
1803BurwaldeBaburka/ БабуркаBaburka/ Бабурка
1809KronsthalKronstal/ Кронсталь, Dolynsk/ДолинскDolinsk/ Долинск
1812OsterwickPawliwka/ Павлівка (Teil von Dolynske)Pawlowka/ Павловка
1816SchönebergSmoljane/ СмолянеSmoljanoje/ Смоляное
1823Alt RosengartNowoslobidka/ НовослобідкаNowoslobodka/ Новослободка
1824BlumengartKapustjane/ Капустяне (auch Kapustjanka/ Капустянка; existiert nicht mehr als Ort)Kapustjanka/ Капустянка
1824NeuhorstSelenyj Haj/ Зелений Гай (früher Ternuwate/ Тернувате)Selenyj Gaj/ Зеленый Гай (Ternuwatoje/ Тернуватое)
1833Neu-KronsweideWolodymyriwske/ ВолодимирівськеWladimirowkskoje/ Владимировское
1860Gerhardstalnach Überfall 1919 flöhen die Bewohner, existiert nicht mehr als Ort, nahe Tscherwonyj JarTschernoglasowka/ Черноглазовка
1867Petersdorfnach Überfall zerstört 
1869AdelsheimTochterkolonie von Chortiza 
1869EichenfeldTochterkolonie von Chortiza, nach Überfall 1919 zerstört 
1869FranzfeldTochterkolonie von Chortiza 
1869HochfeldTochterkolonie von Chortiza 
1869NikolaifeldTochterkolonie von Chortiza 
1878/1880Neu RosengartSchmeryne/ ЖмеринеSchmerino/ Жмерино
1880KronsfeldUdilenske/ УділенськеUdelenskoje/ Уделенское (auch Chutor Udelnenskij)
1889Paulheim1919 nach Überfall zerstört 
1889Reinfeld1919 nach Überfall flohen alle Bewohner 
 MarientalLandgut, auch Lutschinowo/ Strahlendorf, nach  1918 untergegangen 


Quellen:

Dr. Karl Stumpp: Zusammenfassender Bericht über die 19 deutschen Siedlungen des Chortitza Gebietes auf der Westseite des Dnjepr, Gen. Bez. Dnjepropetrowsk, vom 5. November 1942

Verschwundene deutsche Dörfer im Rayon Chortitza, Kreisgebiet Sapososhje, Generalbezirk Dnjepropetrowsk; Der Reichsminister für die besetzten Ostengebiete. Kommando Dr. Stumpp. Kreisbeauftragter Gerhard Fast; Chrortitza den 5. Oktober 1942

Dialektologie. 2. Halbband; herausgegeben von Werner Besch,Ulrich Knoop,Wolfgang Putschke,Herbert E. Wiegand; Walter de Gruyter, 2008

Huebert, Helmut T. and Susan Huebert. „Great Trek, 1943-1945.“ Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online

wikipedia

1 LDS Film Nr. 007996397, Aufnahme 264ff