Martha

Mir ist, als würde ich gleich aus einem Traum erwachen und alles wäre gut.



Schreiend und weinend fand sie sich, nur mit einer Kittelschürze bekleidet, auf der Straße wieder, die Haare zerzaust, ihre nackten Füße spürten die Kälte des Dezembertages nicht ….

…. eben war sie noch mit der Wäsche beschäftigt, es war Mittagszeit. Ihr Mann war seit Wochen beim Ausbau des Hauses, heute fühlte er sich nicht wohl und wollte nur fünf Minuten ruhen bis sie zusammen Mittag essen würden. Da drang ein Seufzer an ihr Ohr – diesen Atemzug kannte sie noch von ihrer Mutter Martha. Sie ließ alles fallen und lief ins Nebenzimmer – er konnte sie doch nicht einfach allein gelassen haben …

… und nun stand sie mitten auf der Dorfstraße, laut um Hilfe rufend und doch wissend, es gab keine mehr.

Hatte denn keiner ein Telefon ? Ein Krankenwagen musste doch kommen …

Schon einmal hatte sie dieses tiefe Gefühl des Verlassenseins gefühlt, damals, als ihr Vater nicht mehr heim kehrte.

Die Mutter lief, so wie sie jetzt, hinaus in die Nacht, als man ihr mitteilte, man hätte ihren Mann am Bahnübergang gefunden.

Gott – wo hatte er seine Gedanken? Wie konnte er den Zug nur übersehen?

Sie lief die 300 m zum Bahndamm hinunter, als könnte sie mit ihrem Erscheinen alle Worte Lügen strafen….

Lange zermarterte sie ihren Kopf, was in jener Nacht geschehen war. Als dann im Sommer des Jahres darauf wieder jemanden an der Bahn gefunden wurde und es hieß, man habe ihm den Schädel eingeschlagen, ließ sie der Gedanke, ihm könnte noch Schlimmeres zugestoßen sein, nicht mehr los….

Doch Martha hatte keine Zeit, sich mit diesem Geschehenen auseinander zu setzen. Vier Kinder hatte sie nun allein zu ernähren.

Bisher hatte sie ihrem Mann in der Schusterwerkstatt geholfen, doch nun musste eine Anstellung her. Sie versuchte sich in dem, was sie einst gelernt hatte. Doch wer benötigte eine Weberin? Oder Aushilfe in der Landwirtschaft? Es gelang ihr nur ein Jahr der Selbständigkeit, dann wurde ihr klar, eine Lösung auf Dauer musste her.

Als es hieß, die Melioration benötigt Arbeitskräfte, meldete sie sich im Tiefbau. Hart war die Arbeit, aber das war sie gewohnt, sie konnte zupacken wie ein Mann.

Am 23. November 1951 begann sie als Arbeiterin für den Wasser- und Bodenverband Baruther Urstomtal zu arbeiten. Im April 1953 für den VEB Wasserwirtschaft Plane-Nuthe im Betriebsteil Trebbin, ab Januar 1954 bis August 1958 im Betriebsteil Luckenwalde.

Zunächst war harte Handarbeit erforderlich, um die Kanäle zur Entwässerung zu bauen. Diese Meliorationsmaßnahmen sollten landwirtschaftliche Flächen entstehen lassen, die nach dem Ende des Krieges dringend zur Ernährung der Bevölkerung benötigt wurden.

Baubrigade

Baubrigade

Bau des Hermenau Kanals, Paplitz (Baruth), Juli 1956

Martha beim Bau des Hermenau Kanals, Paplitz (Baruth), Juli 1956

Fortsetzung

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