Diakonissenhaus Schwäbisch Hall um 19391

Am 1. Februar 1886 wurde die Evangelische Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall gegründet. Sie unterhielt für Versicherte der Bezirkskrankenkasse 30 Betten im Diakonissenkrankenhaus, ein vom Leiter und seiner Familie sowie einigen Diakonissen bewohntes Stammhaus und das Johanniter-Krankenhaus zur Betreuung von Kindern.

Unter der Leitung von Pfarrer Gottlob Weißer ab 1899 entstand ein größerer Neubau im Jahre 1911, der die Pflegekapazität im Bereich geistig behinderter Frauen und Kinder auf etwa 500 erhöhte. In den Jahren des Ersten und Zweiten Weltkrieges diente das Krankenhaus zudem als Lazarett.

Zeugenaussage – Gottlob-Weiser-Haus in Schwäbisch Hall, Pfarrer Wilhelm Breuning 4

Am 14. November 1940 erschienen der Heilbronner NSDAP-Ortsgruppenleiter und Kommissar der Volksdeutschen Mittelstelle Richard Drautz2, sowie der Haller NSDAP-Kreisleiter Otto Bernhard Bosch (*8.2.1894 in Truchtelfingen) in der Diakonissenanstalt, beide ließen sich die Baupläne des „Gottlob-Weißer-Hauses“ und des Feierabendhauses geben und besichtigten die Gebäude. Danach erfolgte die Beschlagnahmung und es wurde die vollständige Räumung beider Häuser innerhalb von acht Tagen für die Unterbringung von 1.400 „Volksdeutschen“ aus Bessarabien angeordnet.

Bereits zwischen dem 19. und 21. November wurden 33 Betreute in die Heilanstalt Christophsbad Göppingen und 240 nach Weinsberg verlegt, unter ihnen 51 Kinder.3 Die Kinder wurden direkt im Rahmen des Euthanasieprogramms „Aktion T4“ von Weinsberg nach Grafeneck geschickt, andere nach Hadamar, insgesamt wurden 184 Menschen ermordet, nur 265 weitere Frauen konnten vor der Verlegung gerettet werden. Die ersten Pflegekräfte kehrten am 1. Dezember, die letzten am 1. März 1941 nach Schwäbisch Hall zurück, da es „nichts mehr zu pflegen gab“.

Am 22. November 1940 wurden die Gebäude in bestem, sauberen Zustand zur Belegung mit den Bessarabiendeutschen übergeben. Da das Haus leer blieb, wurden zunächst Umsiedler aus dem Baltikum untergebracht, ab 1942 erfolgte die Nutzung als Lehrerbildungsanstalt.

1945 wurde Otto Bosch auf der Flucht gefasst und von den Amerikanern in Schwäbisch Hall auf dem Marktplatz öffentlich zur Schau gestellt. In den Jahren 1948–1949 während des „Synagogenprozesses“ wurde er zu einer Haftstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, da er die Anweisung zur Brandstiftung der Schwäbisch Haller Synagoge in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 und anschließend der Feuerwehr den Befehl gab, ihre Löschversuche einzustellen. Da er bereits 3 Jahre und 3 Monate im Interniertenlager Ludwigsburg, sowie einige Wochen in Untersuchungshaft im Heilbronner Gefängnis gesessen hatte, musste er diese Strafe nicht absitzen.6

Ab 1952 arbeitete Otto Bosch wieder als Geschichts- und Erdkundelehrer, 1957 wurde er als Beamter übernommen und ging 1959 als Rektor a.D. in Rente.6

Otto Bosch war Vater des Lt. z. S., dem Ersten Wachoffizier von U 634, Eberhard Bosch. Ein Teil der Baukosten von U634 wurde durch eine U-Boot-Spende der Stadt Schwäbisch Hall aufgebracht, weshalb das Boot am Turm das Stadtwappen führte. Das U-Boot wurde am 30. August 1943 im Nordatlantik versenkt, niemand überlebte.


  1. Fotograf Willh. Gerling Darmstadt, Verlag Robert Schweizer Schwäbisch Hall, Nr. 3039
  2. Martin Grasmannsdorf: Die Umsiedlungslager der Volksdeutschen Mittelstelle im Gau Württemberg-Hohenzollern 1940-1945: Eine Bestandsaufnahme Frank & Timme 2013, S. 19,29f, 102
  3. Gedenkstättenportal zu Orten der Erinnerung in Europa
  4. Zeugenaussagen – Anstalt Tempelhof, Otto Knöll; Gottlob-Weiser-Haus in Schwäbisch Hall, Pfarrer Wilhelm Breuning; Landessarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 29/3 T 1 Nr. 1756/02/01
  5. Christine Arbogast: Herrschaftsinstanzen der württembergischen NSDAP. Funktion, Sozialprofil und Lebenswege einer regionalen NS-Elite 1920–1960. Oldenbourg, München 1998