Der Kreis Johannisburg, ehemals zu polnisch Natangen gehörig, war ein Landkreis in Masuren, dem südlichen Teil Ostpreußens. Er bestand von 1818 bis 1945. Der Deutsche Orden hatte das Kreisgebiet ab 1428  planmäßig mit Prußen und Deutschen besiedelt, nachdem bereits 1345 die  Johannisburg und gegen 1360 die Burg Eckersberg zur Grenzbefestigung errichtet wurden. Im 14. Jahrhundert wanderten aus Masowien zudem zahlreiche Siedler ein.


Im Jahre 1716 wurde Turoscheln als Schatullsiedlung gegründet. Der Begriff leitet sich von der Schatullkasse ab, in die private Einkünfte des Kurfürsten flossen. Diese Einkünfte kamen unter anderem aus den Einnahmen der landesherrlichen Forsten. Um an weitere Einnahmen zu gelangen, die den Kurfürst Friedrich Wilhelm in die Lage versetzten, sein Heer unabhängig von den Adligen, Ämtern und Behörden zu finanzieren, entschloss er sich, freie Flächen auf landesherrlichem Grund und Boden  gegen einen jährlich an die Schatulle zu entrichteten Grundzins zur Siedlung frei zu geben.

Da es auf Grund der zahlreichen Pechöfen und Aschbuden viele gerodete Flächen in den Wäldern gab,  war es naheliegend, diese als Siedlungsfläche zu nutzen. Als man begonnen hatte, eine Forstverwaltung aufzubauen, waren Wildnisbereiter (Oberförster) und Waldwarte  (Förster) ab Mitte des 17. Jahrhunderts entscheidend, um die Besiedlung voranzubringen. Sie kannten sich in den Wäldern aus, setzten die Verträge (Berahmung) auf und wiesen den entsprechenden Bewerber die gerodeten Flächen zu.

Die Schatullköllmer bekamen für den ersten Bau der Wohnhäuser, Stallungen und Scheunen meist kostenfreies Bauholz. Sie waren von Scharwerksdiensten und der Unterbringungspflicht für das Militär befreit, Schatull-Bauern mussten nur gelegentlich bei Forstarbeiten und Jagdfuhren helfen. Je nach den Bodenbedingungen waren die „Schatuller“ zudem bis zu 7 Jahre von Steuerlasten befreit und entrichteten ansonsten nur einen jährlichen Grundzins.

Die Sonderverwaltung der Schatullsiedlungen wurde 1713/1714 durch Friedrich Wilhelm I. aufgehoben, die Bezeichnungen und die Rechtsstellung blieben jedoch zum Teil erhalten.

Turoscheln, im Jahre 1938 zu Mittenheide umbenannt, hatte seit 1846 eine einfache Holzkirche, der Patron der Kirche war der preußische König. Es wurde berichtet, die Kronleuchter waren aus Hirschgeweihen. Das Kirchspiel wurde 1848 gegründet, im selben Jahr erhielt Turoscheln seine Schule, später entstanden ein Forstamt, Feuerwehr, Landjägerei, Post  und Gasthäuser. Der Pfarrer, der auch Masurisch sprach, führte ab 1848 Kirchenbücher. In Berliner evangelischen Zentralarchiv (EZA) liegen die erhaltenen Duplikate der Taufen, Trauungen,  und Bestattungen von 1848 – 1874. Die katholischen Bewohner gehörten zum Kirchspiel Johannisburg.

Zum Kirchspiel gehörten im Jahre 1912 die Orte Turoscheln mit Klein Turoscheln und Oberförsterei Turoscheln, Dziatken mit Forsthaus Dziatken und Eichenwalde, Annussewen, Erdmannen mit Hirschtal, Grünheide, Heydick, Karpa, Forsthaus Jegliak, Przyroscheln, Kolonie Samordey, Sdunowen mit Zielonygrond, Klein Spalienen und Forsthaus Klein Spalienen, Tannenheim und Forsthaus Tannenheim, Neu-Uszanny und Forsthaus Neu-Uszanny, sowie Zymna mit dem Forsthaus Zymna.

Neben Turoscheln gab es Schulen in Erdmannen, Grünheide, Heydick, Karpa, Sdunowen und Klein Spalienen. Das Kirchspiel hatte 13 Lehrer, 3.000 Einwohner, davon 1.500 Masuren

Die Bahnstation Johannisburg war 21 km, die von Kurwien 17 km entfernt.

Klein Turoscheln, (Klein Mittenheide, Kleinmittenheide, Turośl Mała) war die Heimat einer Familie, die viele Rätsel aufgibt. Woher sie kam, liegt ihm Nebel der Vergangenheit, ebenso ihre Familienverbindungen.

Es gab nur einige interessante Anfragen, wie sie wohl zusammen gehören, all die Rzadkowski, Rzadkowsky, Radkowski und Ratkowski. Wobei Rzadkowski die ursprüngliche Schreibweise darstellt.

Wer war der Metzger Max Emil Rzadkowski 22.9.1907-26.7.1946? Geboren in Klein Turoscheln, gestorben im Kriegsgefangenenlager Brest? Wer waren seine Eltern? Warum verließ er seine Heimat vor 1930? Er hatte zahlreiche Geschwister, wer waren sie? Wohin gingen sie? Leben Nachkommen?

Max Rzadkowski, geboren etwa 1912, wohl gefallen am 21.3.1944 in Frankreich, von Beruf Fleischer und Koch, wie war er mit ihm verwandt? Ist es vielleicht sogar die selbe Person, da es hieß, sein Bruder traf ihn im Wald in Frankreich 1940, danach wurde der Max vermisst?

Friedrich Rzadkowski, geboren etwa 1875, war sein Vater, auch Vater des Samuel geboren 1877? Das Dorf war klein.

Die Namen Samuel, Otto, Emil, Albert, Friedrich und Max waren in allen Familien beliebt, war es eine „Modeerscheinung“, waren es Geschwisterlinien, die die Söhne gleich benannten?

All das liegt im Nebel der Vergangenheit und wartet darauf, enthüllt zu werden.


In den Sagen der Region fand sich diese Geschichte:

Die verräterischen Krähen1

Im Kriege 1812 wurde auch der Kreis Johannisburg von den Franzosen heimgesucht. Das Jahr zuvor war eine große Mißernte gewesen, so herrschte überall Mangel und Not. Und nun kamen noch die Franzosen dazu. – In Dietrichswalde lebte damals eine sehr wirtschaftliche und sparsame Frau mit Namen Rzadkowski. Als die Franzosen anrückten, brachte sie schnell alle Nahrungsmittel in Sicherheit. Nur mit dem Mehl wußte sie nicht wohin. Weil sich aber Brot besser verstecken läßt als Mehl, so backte sie aus allem Mehl Brote, die sie im Stroh des Dachfirsts versteckte. Als nun die Franzosen ins Dorf waren, kamen sie auch zu Frau Rzadkowski. Sie durchsuchten alles nach Nahrungsmitteln, fanden aber nichts. Als sie sich schon darein ergeben hatten, auch hier ohne Brot zu bleiben, bemerkte ein Franzose, wie eine Schar Krähen auf dem Dache saß und immer ins Dachstroh hackte. Der Franzose stieg mit einer Leiter aufs Dach, und fand erst ein angehacktes Brot und danach alle versteckten Brote.
Einige Männer des Dorfes Dietrichswalde hatten vor den Franzosen alles Vieh in eine Waldschlucht zwischen Dietrichswalde und Nieden gebracht.
Als die Frau Rzadkowski die Krähen zum Wald fliegen sah, da schickte sie in ihrer Wut über die verräterischen Vögel einen geheimen Boten zu dem Viehwächter, er möchte alle Krähen im Wald totschießen. Dieser tat es auch. Die Franzosen aber gingen dem Schall der Schüsse nach, und fanden zu dem Brot der Frau Rzadkowski auch noch das Vieh des Dorfes.

Auch wenn in der Geschichte nicht unbedingt die „hellste“ Frau verewigt wurde, so belegt sie doch den räumlichen Zusammenhang und die Schreibweise des Nachnamens. Die ausgiebige Diskussion mit polnischen Namensträgern, die versicherten, der Nachname Rzadkowski steht nicht in Verbindung mit dem Namensträger Jan Rządkowski , jedoch sollte man die Verbindung zwischen Seltenberg und Rzadkowski prüfen, da es in einzelnen Akten zu Umbenennungen des Namens gekommen sein soll, führte zu der Frage, woher kamen diese Namensträger dann.

Dabei stieß ich auf den Ort Seltenberg2:

Im Jahre 1272 als Selderberg erstmals erwähnt, ging der kleine Ort Ende des 16. Jahrhunderts ein und war um 1595 wüst. Das Amt Reifenberg verpfändete die Wüstung 1681 an Kurmainz. Der Kurmainzer Rentmeister ließ 1696 Seelenberg mit zehn Siedlerfamilien aus dem Taunus, dem bergischen Land und der Gegend um Lüttich neu besiedeln. Ab 1806 wurde das Dorf Teil von Nassau-Usingen und damit später des Herzogtums Nassau.

Nun stellt sich die Frage, ob hier einen Zusammenhang besteht, da nach der großen Pestepidemie in Ostpreußen, der rund 240.000 Menschen zu Opfer fielen, der Wiederaufbau (Rétablissement) des Landes zwischen 1709 und 1740 vorangetrieben wurde.

„Preußen ruiniert mich total, das frißt mir auf“, wird der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. zu den Kosten des Wiederaufbaus zitiert. Er ließ daher teilweise unter Zwang „Siedlungswillige“ aus dem Westerwald, Nassau, der Pfalz, der Schweiz, wegen ihres Glaubens aus Salzburg vertriebene Protestanten (Salzburger Exulanten), Lothringer, Waldenser, weiterer deutscher Stämme, aber auch Litauer und Masowier in Ostpreußen ansiedeln. Diese Siedler kamen auch in den Kreis Johannisburg.

Die ersten mir bekannten Rzadkowski in Klein Turoscheln waren die Altsitzerin Catharina (1793-20.11.1866), der Altsitzer Michael (1798-15.5.1862) und der Altsitzer und Schäfer Christian (1799-3.4.1862). Ob Catharina die Ehefrau eines der beiden war, ist mir nicht bekannt.


Schatulle (vom mittellat. Scatola = Schachtel, Schatzkästchen) hieß privater Grundbesitz eines Landesherrn. Es gab Schatullgüter und Schatulldörfer. Im Gegensatz zu Staats- und Hausvermögen (Familienfideikommiss) unterlag das Privatvermögen des Landesherrn der freien Verfügung des Eigentümers sowohl unter Lebenden als von Todes wegen nach den allgemeinen Regeln des Privatrechts, die weder durch staatsrechtliche noch durch privatfürstenrechtliche Sätze modifiziert waren. Jedoch bestimmten viele Hausgesetze landesherrlicher Familien, dass unbewegliche, zum Schatullgut gehörende Sachen, über die der Erwerber bei Lebzeiten (auch testamentarisch) nicht verfügt hatte, bei seinem Tode dem Hausfideikommiß für immer zuwuchsen. Dagegen galt in Preußen für diesen Fall der Rechtssatz, dass solche Güter dem Domänenbesitz des Staates einverleibt wurden. In Preußen beruhte das Finanzsystem des Staates bis 1713 auf dem Unterschied zwischen Domänen- und Schatullgütern, den Friedrich Wilhelm I. zugunsten einer einheitlichen Gestaltung der Domänen aufhob.

  • F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894–1896Seite 391: von Schattenvögel bis Schaube
  • Altpreußische Forschungen. 16. Jahrgang 1939, Heft 2 mit den Aufsätzen: Die Schatullsiedlung in Preußen bis zum Jahre 1714. Teil II. (H. Rieckenberg); Kronprinz Friedrich Wilhelm I., Ostpreußen und der Sturz Wartenbergs (C. Hinrichs); Buchbesprechungen; Bibliographie der Geschichte von Ost- und Westpreußen für das Jahr 1938 (Ernst Wermke). Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung: Verlag: Gräfe und Unze Kommissionsverlag, Königsberg i.Pr., 1939

1Erich Pohl: Die Volkssagen Ostpreussens Edition 3,Georg Olms Verlag, 1994, p56/57
2Philipp Gerstfeldt: Städtefinanzen in Preußen: Statistik und Reformmvorschläge, Duncker & Humblot 1883, p214 (29)