Eine der grössten Siedlungen der Krim war das etwa 30 Werst (~25 km) von Simferopol gelegene Kronental (Bulganak/ Bulğanaq/ Koltschuhyne/ Кольчугине/ Kolchugino/ Кольчугино).

Zur Ansiedlung waren 3.300 Deßjatinen Ernte- und Heuland, zwei Steinmühlen und eine Scheune für Schafe des Landgutes des Edelmannes S. Kromida am 1. März 1810  auf beiden Seiten des Flüßchen Bulganak, in der Nähe der Ak-Moschee, durch Samuel Kontenius (1749-1830) für 15.000 Rubel erworben worden. Geplant waren etwa 100 Kolonisten.

Am 27. Juni 1810 informierte der Landvermesser Tschugutow von Simferopol den Woiwodschaftsvermesser Muchin, das er die deutsche Kolonie angelegt hatte: „Das Dorf ist tatsächlich in vier Viertel geteilt, jeder enthält 15 Höfe, 180 Klafter1 Länge, 20 Klafter in der Breite …“ Aber die Häuser mussten erst noch gebaut, das Land bestellt und die Ernte geerntet werden.

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Der einstige Bewohner, Johann Weidner, zeichnete aus seiner Erinnerung einen Ortsplan, der mir dankenswerter Weise durch seinen Enkel R. Masur zur Verfügung gestellt wurde.

Die eine Hälfte der angesetzten Kolonisten waren Lutheraner und Reformierte, die andere Katholiken, vor allem aus dem Elsaß, Bayern, Baden, Württemberg und der Schweiz. Beim Anblick des Tales, in welches sie 1810 ankamen, gaben sie ihm den Namen „Коронованная долина“ – Kronental und gründeten die gleichnamige Siedlung.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, die durch Missernten verursacht wurden, war das Klima der Halbinsel ideal für den Anbau von Wein, Obst und Weizen. Bis heute hat sich eine rote Rebsorte erhalten, die den Namen Kronental trägt. Die Kolonie hatten eine günstige Lage zu Sewastopol, Koslow und Simferopol, um Absatz für ihre Erzeugnisse zu finden, jedoch waren die 58 Deßjatinen Land, die jede Familie erhielt, zum Ackerbau teilweise ungeeignet, da mit Felsen und Steinen übersät. Viele bearbeiteten daher nur zwei Drittel und vermieteten ein Drittel ihres Landes an Tataren.

Der steinige Boden war zum Teil mergelartig, es gab etliche Salzquellen, sodass man mit Düngung den Ertrag durchaus verdoppeln konnte, jedoch hatte Kronental großen Weideplätze und hinreichende Mittel zur Schafzucht, daher kauften die Kolonisten bereits 1817 zwei spanische Widder zur Verbesserung der Schafzucht, und 1818 hatte man auf gemeinschaftliche Kosten eine Schäferei gebaut.

Aus Mangel an Holz bauten die Kronentaler ihre Häuser aus Erdbatzen, bedeckt mit Erde, andere aus Stein, alle mit Stroh gedeckt. Die 1818 vorhandenen beiden Wassermühlen der Kolonie, jede mit zwei Rädern, waren verpachtet an Moses Morozov. Es entstanden im Laufe der Jahre neben den zwei Kirchen der lutherischen und katholischen (1868) Gemeinde auch zwei Schulen.

links die katholische, rechts die evangelische Kirche Kronentals um 1907

Im Jahre 1904 besuchte der estnische Schriftsteller Eduard Vilde (1865 – 1933) die Kolonie. Da Kronental für die 1861 errichtete estnische Siedlung Samruk als Vorbild diente, berichtete er ausführlich:

„Die große deutsche Siedlung, die diesen Namen trägt, bietet mit ihren hübschen dickbauchigen Steinhäusern und ihren breiten Straßen vielmehr die Aussicht einer kleinen Stadt oder einer größeren Ortschaft als eines Dorfes. Die Obstgärten um die Häuser und die breiten Weinberge an den Berghängen und Anhöhen um die Siedlung herum verleihen Kronental das Aussehen und den Teint einer schwäbischen oder rheinischen Ortschaft. Hier wohnen wohlhabende Menschen – dies war bald festzustellen, nachdem wir in der Hauptstraße entlang in der Ortschaft angekommen waren. Nicht nur große, oft zweistöckige Steinhäuser mit hübschen Veranden und Treppen, zahlreiche geräumige Geschäfte und massive öffentliche Gebäude gaben das zu verstehen, sondern auch das gepflegte Aussehen der Gebäude sowie die Überall herrschende Sauberkeit und Ordnung. Die deutsche Art und Weise der Ortschaft ist gleich zu spüren – wegen der Bauweise der Häuser und auch der Gestaltung von Türen, Fenstern und wegen des Тorschmucks, der Ladenschilder und der mit Ranken wilden Weines umgebenen Vorplätze und Treppenhäuser. Auch in den Einwohnern kann ein geübtes Auge gleich Deutsche erkennen, Süddeutsche nämlich. Wer in Württemberg, Baden, Bayern gewesen ist, findet den dort angetroffenen Menschenschlag hier wieder vor.“2

Die Einwohnerzahl stieg beträchtlich und soll 1918 bereits mehr als 1.500 Personen betragen haben. Es gab vor der Oktoberrevolution 1918 gab es eine Veterinärstation, Reitplatz, Einkaufsmöglichkeiten, Amtrsgericht und Dorfwachtmeister im Ort. Die russische Landwirtschaftszählung 1917 wies 148 Hausbesitzer auf, zu den Namen gehörten: Ehrreiser, Zeissler, Morast, Beser, Köhler, Hoffmann, Walzer, Fischer, Miller, Reinhard, Weiss und  Schneider.

Die Familie Schneider war die reichste Familie des Ortes, Franz Schneider besaß drei Güter, eine Bäckerei und Hotels in Simferopol, Nicholas Schneider baute Datschen auf seinem eigenen Land am Schwarzen Meer  Ufer, in der Nähe von Eupatoria, und vermietet sie an die Touristen. Die Schneider waren nicht nur Großgrundbesitzer, sondern für ihre soziales Angenement und ihre Nächstenliebe bekannt.

Nachdem im November 1920  das sowjetische Regime den russischen Bürgerkrieg für die Halbinsel Krim durch Machtübernahme endete, wurde die Krim 1921 zur Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (ASSR) innerhalb Sowjetrusslands ausgerufen. Sie blieb vom Festland, der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, verwaltungstechnisch getrennt. Die Jahre 1921 und 1922 brachten eine schreckliche Hungersnot. Auch die Kronentaler litten unerträglich. In seiner Korrespondenz mit den sowjetischen Behörden erwähnte Ivan S. Schneider: „Im Besitz meines Hauses im Dorf Bulganak … Ich verkaufte es im Februar 1922 an Zeissler …, aber aufgrund der Tatsache, dass der Verkauf des Hauses von mir unter dem Einfluss des Hungers gemacht wurde, wurde diese Abmachung vom Gericht als nicht verbindlich betrachtet …. „3 Auf der Krim starben 51.612 Menschen an Hunger, darunter waren 1.506 Deutsche.

Nun folgte die allgemeine Kollektivierung, 212 Haushalte vereinigten ihr Land in der Kolchose „Deutsche Kameraden“. Im Jahre 1926 verließen 16 der Hausbesitzer von Kronental das Dorf und gründeten in der Nähe ihres Heimatdorfes ein anderes Dorf, das auf Wunsch der Zentralen Wahlkommission der Autonomen Republik Krim den Namen Neufeld erhielt.

Da die Bauern der Krim sehr erfolgreich wirtschafteten, bekamen auch sie die repressiven Maßnahmen gegen die vermeindlichen Kulaken zu spüren. So wird über den 63-jährigen Nikolaus Birn im Jahre 1930 berichtet, ihm wurde sein Wahlrecht wegen „Ausbeutung von Lohnarbeit in den Vorjahren“ als Kulak genommen, sein Hof wurde „individuell besteuert“. Daraufhin versteckte sich N. I. Birn mit seiner Frau und seinen Töchtern, ihr Haus und ihr Eigentum wurden der Kolchose übertragen.4

Im Jahr 1931 war die Bevölkerung von Kronental  bereits gemischt, die Bevölkerung des Dorfes bestand aus  771 Deutschen, 111 Russen, 5 Griechen und 41 andere. Die Kolchose der „Deutschen Kameraden“ vereinigte Landwirte mehrerer Ortschaften und galt als großflächig, daher wurde beschlossen, sie in die Kolchose „Thelmann“ und in die Kolchose „Engels“ zu teilen. Die Bewohner von Kronental gehörten der letzten an.

Im Jahr 1933 wurde der stellvertretende Vorsitzende der Kolchose Nikolai I. Schweiger verhaftet (die neue Welle der Repressionen kam), der ehemalige Grundbesitzer V.M. Schneider ebenfalls, der Lagerhalter und ehemalige Mitarbeiter der Schneiders, A.V. Gordok, der Müller und ehemalige Großgrundbesitzer N.N. Beser, der Kraftfahrer und ehemaliger Grundbesitzer N.M. Schneider, N.M. Neigum, T.T. Hoffmann und S.A. Schneider. Die Anklageschrift lautet: „In einer eng verbundenen Gruppe vereint mit dem Ziel, die Macht der Kolchose zu untergraben, um ihren Zusammenbruch zu erzielen“.  A. V. Gordok wurde zum Tode verurteilt und nach einem Wiederaufnahmeverfahren wurde die Strafe durch 10 Jahre in einem Lager ersetzt. N. M. Schneider wurde für 5 Jahre zur Deportation in den Norden verurteilt, der Rest zu Haftstrafen in einem Konzentrationslager von 5 bis 2 Jahren.5

Im Jahre 1934 beschloß das regionale Parteikomitee, seine Führung in dem deutschen Kollektiv der Kolchose zu verstärken, da die Kontrolle von politischen und pädagogischen Arbeiten ergab, es gab außer einem agrotechnischen Trainingszirkel keine Aktivitäten im Dorf. Der Kolchosenclub wurde kaum besucht, ganz im Gegensatz zum Club im Bethaus, auch tanzten die jungen Leute kaum. Zudem war der sozialistische Wettbewerb während der Winterzeit weder entwickelt noch organisiert. Daher wurde die Absetzung des Vorsitzenden Fust angeraten.

Auf dem 4. Kongress der Krim-Bauern 1937 zeigte jedoch ein anders Bild,  die Kolchose „Engels“ wurde vertreten durch ihren Vorsitzenden A. Morast, den Laborleiter I. Bezel und den Schäfereivorarbeiter S. Nagel. Der Delegierte A. Morast berichtete „Dank der guten Organisation der Arbeit, der rechtzeitigen Bestellung von Feldern, wurde eine erhöhte Ernte erzielt, die Weinberge von 32 Hektar brachten 45 Doppelzentner pro Hektar Ertrag und die Schäferei hatte 711 Tiere.“ 6

Im Frühjahr 1938 traf Pastor Witt, der zu Besuch in der Kolonie war, mit einer Gruppe von Gläubigen zusammen. Daraufhin wurden Aktivisten der Kirche verhaftet, da sie sich der „Beteiligung an anti-sowjetischer Sabotage und in der Nazi-Organisation der ehemaligen Pfarrer Witt und Priester Frison“ schuldig gemacht hätten. M.I. Neigum, A.P. Neigum, P.S. Neigum, S.M. Hoffman, S.I. Müller, A.M. Hoffman, G.A. Weidner, A.N. Hermes, I.G. Wiedrich, I.I. Walzer, V.G. Grunewald, A.I. Zeissler und K.D. Weigum wurden zuerst verhaftet. Der 82-jährige S.M. Hoffmann starb am 12. Mai 1938 im Gefängniskrankenhaus, die übrigen am 28. August 1938 erschossen. Insgesamt gab es 80 fälschlicherweise angeklagte Dorfbewohner aus Bulganak, Temesh und Ulan-Eli, alle wurden nach der Verhaftung und Anklage zur Erschießung am 28. September 1938 verurteilt.

Erst in einem weiteren Prozess 1958 wurde festgestellt, dass diese Verurteilungen aufgrund gefälschter Fakten zustande kam.8

Mit der Deportation der Deutschen vom 17. bis 20. August 1941 verfielen die Gebäude und Friedhöfe und nur wenige Spuren erinnern heute an die deutsche Bevölkerung von Kronental. Der Ort wurde 1945 umbenannt in Kolchugino (Кольчугино).

veröffentlicht von RusDeutsch auf youtube am 28.9.2014


The 200th Anniversary of the Founding of the German Colony of Kronental, L. P. Kravtsova, 2011
1 Ott Kurs, Universität Tartu, DEUTSCНE AUF DER КRIM I. 19. JAНRНUNDERT (ТEIL2), S. 69ff
2 1 Klafter (сажень) = 2,13 Meter
3 GAARK, f. P-114, op. 2, d. 217, n. 4.
4 GAARK, f P-1164, op. 1, d. 1234, n. 12.
5 GAARK, f. P-4808, op. 1, d. 16534, pp. 156-159
6 GAARK, there, d. 386, pp. 131-132, 267
7 GAARK, f. P-4808, op. 1, dd. 7466, 7468, 11318
8 GAARK, dort, d. 11639

Lied: Kommt ihr Brüder, wir wollen ziehen → Edition C: Krim 1926