Hotel „Schützenhaus“ Asch
Ansichtskarte von 1938, Kunstverlag Georg Philipp, Nr. 26
Asch ist eine Stadt in Nordwestböhmen im heutigen Tschechien, im 11. Jahrhundert kamen Kolonisten aus Bayern, so erhielt sich bis ins 20. Jahrhundert, ebenso wie im südlich angrenzenden Egerland, der nordbayerische Dialekt. Auch im nördlich angrenzenden Vogtland wurde diese Mundart in etlichen Ortschaften nahe der tschechischen Grenze gesprochen.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 gehörte Asch zur Tschechoslowakei, eine Angliederung an Bayern wurde abgelehnt. Nach dem Münchner Abkommen gehörte die Stadt von 1938 bis 1945 zum Landkreis Asch im Reichsgau Sudetenland, weshalb zahlreiche Umsiedler hier in Umsiedlerlagern untergebracht wurden.
Am 14.10.1940 wurden die Bewohner Kisils zum Donauhafen Kilia gebracht und fuhren mit dem Donaudampfer „Schönbrunn“ am Abend des 15.10.1940 Donau aufwärts durch das „Eiserne Tor“ bis Semlin bei Belgrad, wo sie am 18.10.1940 vormittags von einer Musikkapelle empfangen wurden.
Nach kurzer Rast in einem Zeltlager ging es am 20.10.1940 abends, mit Bussen zum Bahnhof Belgrad und per Zug über Graz, Wien, Prag und Eger nach Asch.
Alle, die mit dem Treck fuhren, Väter gemeinsam mit ihren ledigen Söhnen oder auch kinderlose jüngere Ehepaare, lenkten ihre Gespanne am 17.10.1940 von Kisil bis Galatz. Bei Ankunft wurde das Gepäck auf die Schiffe verladen und die Pferde für das Militär gemustert. Von Galatz ging an Bord der Schiffe bis Prahowo in Jugoslawien und von dort mit der Bahn bis Asch, wo sie am 10. November 1940 eintrafen.
In Asch wurden die Kisiler mit den eintreffenden Umsiedlern aus Manscha (Annowka) und Raskajetz auf drei Lager verteilt.
Das Hauptlager war das Schützenhaus, hier waren unter anderem Renate Manske (1922–1945, sie starb zusammen mit ihren Eltern auf der Flucht beim Überqueren der Weichsel), Ida (*1924) und Anna Maria (*1921) Heller, Elfriede Winter (*1924), Gertrud Härter(*1924), Harald Mantz (*1937) und Klara Klaudt (*1921) untergebracht.
Neue Turnhalle des Turnvereins Jahn in Aš (Asch) aus dem Jahr 19331.
In der Jahnhalle waren die Familien Artur Flöther (*1908), Eduard Haas (*1914), Gotthilf Kehrer (1900–1945), Rudolf Kehrer (*1899), Rudolf Böpple (1909–1984), Oskar Schoon (1899–1946) und Oskar Witt (*1902, Cousin des Großvaters von Katharina Witt) untergebracht. Mütter mit Säuglingen bekamen einen eigenen Schlafsaal.
Weitere bekannte Namen der Umsiedler in der Jahnhalle waren Adolf, Gerber, Merz, Rauch, Schneck und Wirth. Außerdem gab es noch das Jägerhaus.
Für die Speisezubereitung in der Lagergroßküche waren die bessarabische Frauen zuständig, schulpflichtige Kinder hatten das Glück, in die Bürgerschule gehen zu können, das war nicht immer möglich, vor allem im Warthegau war es mit dem Schulunterricht nicht so gut bestellt. Die Kinder ab 10 Jahren kamen zum Jungvolk, ab 14 Jahren zur Hitlerjugend bzw. zum Bund deutscher Mädel (BDM).
Den Schulunterricht erteilten die bessarabischen Lehrer Robert Deiß und Oskar Mantz (*1910) aus Kisil, Robert Brenner aus Manscha und Heinrich Sonderegger aus Raskajetz.
Zudem wurden die Umsiedler zur Arbeit in Fabriken und Betrieben herangezogen, Asch war ein Zentrum der Textilindustrie, das war nicht in allen Lagern so und führte dort durch Herumsitzen und Langeweile zu Frust. Junge Männer wurden direkt eingezogen zum Wehrdienst.
Am 17.10.1941 ging es per Zug über Eger, Karlsbad, Dresden, Görlitz und Breslau in den Warthegau, in Freihaus (Stunska Wola) wartete auf die Umsiedler noch einmal ein Durchgangslager vor der Ansiedlung im Warthegau.
Asch wurde am 20. April 1945 durch US-amerikanische Truppen besetzt. Im November 1945 kam Asch nach der Übergabe an sowjetische Besatzungstruppen unter sowjetische Militärverwaltung und wurde danach tschechisch.
Quelle: 1 Overview of the development of various streams of German physical education in the Czech lands – Scientific Figure on ResearchGate. Available from: https://www.researchgate.net/figure/Abbildung-6-Neue-Turnhalle-des-Turnvereins-Jahn-in-As-Asch-aus-dem-Jahr-1933-Figure_fig4_354658790 [accessed 6 Jul, 2023] Creative Commons Attribution 4.0 International
2 Kisil, ein Schwabendorf in Bessarabien, Schriften des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien Nr. 36, herausgegeben von Ingo Rüdiger Isert, Stuttgart 1999
Für die Umsiedler wurde in Löbau die Kaserne genutzt. Ob noch andere Gebäude belegt wurden, ist nicht bekannt.
Etwa 1915: Jäger-Kaserne Löbau, erbaut 1912-14. In der DDR Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“. Kasernen-Außenansicht von SSW (GMP: 51.105785,14.681745)1
Das Umsiedlerlager Löbau in Sachsen wurde von Borodinoer Umsiedlern zwischen dem 30. Oktober 1940 und dem 3. Dezember 1940 belegt. Diese Daten kann man dem noch vorhandenen Lagerpass der Familie Scheurer2 entnehmen.
Bessarabiendeutsche im Lager Löbau, Foto: Privatarchiv M. Scheuer, welcher das Bild freundlicherweise zur Verfügung stellte.
1) Wikimedia: Etwa 1915: Jäger Kaserne Löbau, erbaut 1912-14. In der DDR Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“. Kasernen-Außenansicht von SSW (GMP: 51.105785,14.681745). Fotograf unbekannt – 19770427050AR.JPG/Repro Blobelt CC BY-SA 4.0
Mein herzlicher Dank für die Dokumententexte, Zeitungsartikel und das Lagerlied geht an Herrn Friedrich Wimmer, Waxenberg. Ohne ihn hätte ich diesen Artikel in dieser Form nicht realisieren können.
Das Schloss Waxenberg liegt im Ortszentrum von Waxenberg in der Gemeinde Oberneukirchen im oberösterreichischen Mühlviertel.
Bereits im17. Jahrhundert unterhalb der Burgruine Waxenberg errichtet, diente es zwischen 1756 und 1848 als Sitz der Herrschaft Waxenberg und ist heute in Privatbesitz der Familie Starhemberg.
Neues Schloss Waxenberg 1)
Das heutige „Neue Schloß“, erbaut 1908 bis 1914, diente seit 1938 der Volksfürsorge, nachdem es durch die Nationalsozialisten enteignet wurde.
Mietvertrag 1938 3)
Im September 1940 richtete man nach Beschlagnahme der Gebäude ein Umsiedlerlager ein.
Beschlagnahme 1940 3)
Beschäftigte im Umsiedlerlager und Mietangebot Saal als Schulzimmer 1940 3)
Der „Heimatbrief für die Soldaten aus dem Kreis Freistadt, O. D.“3
berichtete im Brief Nr. 6 September/Oktober 19403 :
Als Neuigkeit muss ich euch noch sagen, dass wir dieser Tage 370 Bessarabien Deutsche erwarten. Wir wollen sie alle in den Waxenberger Schlösser unterbringen, da gibt es natürlich noch viel vorzubereiten, damit wir diesen braven Menschen wenigstens vorübergehend eine Heimat ersetzen können. Schon durch ihr Kommen zeigen sie uns ja, welche Liebe sie zu unserem Volk und zu unserem Führer haben. Sie, die ihre Heimat und ihren schwer erkämpften Boden verlassen, um Seite an Seite mit uns am Kampf und am Neuaufbau unseres Vaterlandes mitzuarbeiten, zeigen uns so recht, wie wir heute an der Geburt eines Reiches stehen, dessen Größe und innere Geschlossenheit das erste Mal in der Geschichte alles in seinen Bannkreis zieht, was bluts- und willensmäßig zu unserem Volke gehört. So entsteht Stein auf Stein das herrliche soziale deutsche Volksreich von dem zu allen Zeiten die Besten unseres Volkes geträumt haben und das Jahr jetzt durch Euren höchsten Einsatz für immer begründen helft.
Zeitgleich erhielten die Marienfelder ihren Umsiedlerpass, Mitte September 1940 wurden alle Frauen und Kinder, ebenso die arbeitsunfähigen und älteren Männer auf LKW verladen und nach Galatz ins Sammellager gebracht. Nach etwa einer Woche Lageraufenthalt setzten sie ihre Reise mit dem Schiff Donau aufwärts in das Sammellager Semlin in Jugoslawien fort. Wieder erwartete sie rund eine Woche Lageraufenthalt, ehe die Weiterreise mit der Bahn angetreten wurde. Nach der Ankunft in Wien wurden alle verteilt auf die Umsiedlungslager Eschelberg, Waxenberg und Schloß Riedegg bei Gailneukirchen (Linz/Oberdonau).
Näheres über die Vorbereitungen zur Aufnahme der Marienfelder in Waxenberg erfahren wir aus dem 7. Brief November 19403 :
Oberneukirchen empfing die Bessarabien Deutschen.
Wie wir im letzten Heimatbrief angekündigt haben, sind nun die Bessarabien-Umsiedler mit Kind und Kegel hier eingetroffen. Die Ortsgruppe Oberneukirchen hat das Möglichste getan, um ihnen schon von Anfang an zu zeigen, wie sehr wir bemüht sind, ihre Lage nach Möglichkeit zu erleichtern. Tage vorher schon wurde Jung und Alt mobilisiert, welche Tag und Nacht arbeiten mussten, um das Lager Waxenberg in einen Zustand zu setzen, der den gestellten Anforderungen gerecht wird. Es galt bei 400 Strohsäcke zu stopfen, Zimmer und Betten in Ordnung zu bringen und verschiedene andere kleine Arbeiten zu verrichten, die zur wohnlichen Ausgestaltung notwendig sind. Besonders in den letzten Tagen wurde oft bis 11 und 12 Uhr nachts mit Liebe und Fleiß gearbeitet, und als schließlich der Tag kam, wo das Eintreffen der Umsiedler gemeldet wurde, da konnten ihnen alle Beteiligten mit dem Bewusstsein entgegen blicken, ihre Pflicht als Volksgenossen den tapferen Heimwanderern gegenüber restlos nachgekommen zu sein.
Schnell wurde noch alles Notwendige zur Verpflegung heran geholt, Kartoffel und Kraut eingelagert, Brennmaterial besorgt und dann die Vorbereitung zum Empfang getroffen.
Um 4 Uhr nachmittags kam dann unser umsichtiger Kreisleiter, um noch alles zu überprüfen und die Umsiedler persönlich in ihrer vorübergehenden Heimat zu begrüßen. Inzwischen hatten die Gliederungen der Partei und der Reichskriegerbund Aufstellung genommen, auch die Ortsmusik von Oberneukirchen fehlte nicht, um den Empfang durch schneidige Märsche zu verschönern. Als dann um halb 8 Uhr abends die lange Autokolonne einfuhr und nach und nach die Familien, insgesamt 310 Personen, in das Schloss geleitet wurden, da ist wohl jedem von uns die Größe des Vaterlandes klar geworden, die diese Familien für Deutschland und für unseren geliebten Führer darbringen. Alte Leute, rüstige Männer, brave Mütter und viele, viele Kinder gingen an uns vorüber. Eine gute Organisation der Lagerführung sorgte dafür. Dass schon eine Stunde später alles in den zu geteilten Räumen untergebracht war. Die rührige Frauenschaft von Oberneukirchen und Warenberg verteilte sich sodann in den Räumen und hatte für jedes Kind und für jede Mutter ein besonderes Päckchen guter Sachen. Dankbare Blicke und Worte der bescheidenen Menschen belohnten reichlich die aufgewendeten Mühen.
So wurde auch diese Arbeit in gemeinschaftlichem Zusammenwirken geschaffen. Für Arbeit und Beschäftigung der Rückgeführten muss natürlich auch Sorge getragen werden. Um Arbeit sind wir ja in Oberneukirchen nicht verlegen. Es wurde deshalb sofort ein neuer Güterweg nach der Ortschaft Reindlsödt projektiert und sind die Vorbereitungen bereits so weit gediehen, dass wir hoffen, alle arbeitsfähigen Männer in Kürze beschäftigen zu können. Ein schöner Herbst wäre natürlich wie bei allen anderen Arbeiten auch hier dringend notwendig.
Die zurückgebliebenen Marienfelder Männer mussten ihr Vieh versorgen und das Getreide auf den Bahnhöfen Comrad oder Skinosse abliefern. Die meisten hatten seit der Abfahrt der Familien ihre Schweine geschlachtet, das Fleisch gebraten und mit Schmalz übergossen in verschlossenen Gefäßen verpackt.
Diese Art der Haltbarkeitsmachung kannte ich noch von den Schlachtetagen meiner Schwiegereltern – „Gselchtes“.
Das Schweinefleisch wurde nach dem Schlachten zunächst gepöckelt. Während die Spitz- und Eisbeine in einer Salzlake im Steintopf zogen, wurden die besseren Stücken mit einer Mischung aus Salz und Gewürzen eingerieben und in einem Steintopf gestapelt, dann kühl im Keller gelagert. Der austretende Saft wurde so zur Lake, nach einiger Zeit wurde umgestapelt. So zog die Salz-Gewürzmischung etwa 3 Wochen durch das Fleisch. Anschließend wurde alles abgespült, das Fleisch etwas gewässert, dann zum Trocknen aufgehängt. Das dauerte etwa einen Tag. Danach kam es in die Räucherkammer und wurde heiß geräuchert, meist nur 2-3 Stunden. Kalt geräuchertes, wie Schinken oder Salami dauerte deutlich länger und wurde zumeist mehrfach geräuchert und blieb hängen in der Räucherkammer.
Im nächsten Schritt wurden die gepöckelten und geräucherten Fleischstücken gekocht und angebraten. Das abfließende Fett wurde als Schmalz aufgefangen.
Wieder kamen Steintöpfe zum Einsatz. Alle waren peinlich sauber geschrubbt und wurden mit Schmalz ausgegossen, es befand sich also im Topf ein 1-2 cm dicke Schicht an den Wänden und dem Boden. Das Fleisch wurde Schicht um Schicht in den Topf gelegt und mit flüssigem Schmalz bedeckt. Es durfte nirgends Luft eingeschlossen werden, da hier das Fleisch zu schimmeln beginnt. Obenauf ein dicker Abschluss aus Schmalz, dann wurde der Topf mit Deckel zugebunden und kam in den Keller. So konnte das Fleisch durchaus bis zu einem halben Jahr stehen.
Wenn Gehacktes verarbeitet wurde, haben sie es ebenfalls für ein paar Tage roh in Schmalz eingegossen und in den Keller gestellt, so konnte es nach und nach verarbeitet werden. In der Regel wurde es eingeweckt.
Uns mag das heute abenteuerlich erscheinen, aber man hatte früher wenig Möglichkeiten, seine Nahrung zu konservieren und für den Transport war diese Methode sehr geeignet, zudem waren die Winter in Bessarabien ungleich kälter als in Deutschland, so war der Keller der beste Kühl- gar Gefrierschrank.
Anfang bis Mitte Oktober 1940 hatten auch die zurückgebliebenen Männer in Marienfeld ihre Pferdegespanne beladen und machten sich mit zwei Stopps in Jekaterinovka und Albota auf den Weg nach Galatz.
Dort nahm man ihnen allerdings die Pferdegespanne, einschließlich aller aufgeladener Güter, ab. Ihre ganze Mühe war umsonst.
Nach einer Woche Lageraufenthalt nahmen sie den Reiseweg ihrer Familien und kamen von Wien aus in das Auffanglager Kremsmünster in Österreich. Erst von dort wurden sie auf die Lager verteilt, in denen ihre Familien untergebracht waren.
Unter den im Schloss Waxenberg befindlichen Marienfeldern waren auch die Familie Samuel Grieb, denen ein Kind hier geboren und getauft wurde und die Familie Jacob Beierle, die später nach Amerika auswanderte..
Der 8. Brief Weihnachten 19403 berichtete erneut aus Waxenberg an die Front:
Es ist nicht immer leicht, von der engsten Heimat Neuigkeiten zu berichten, doch einiges gibt es auch diesmal wieder zu erzählen. Wie Euch bekannt ist, sind im Schloss Warenberg zirka 450 Volksdeutsche aus Bessarabien vorläufig über den Winter einquartiert. Es gelang der Gemeinde bereits, einem Teil der Männer entsprechende Arbeitsstellen zuzuweisen, so dass sie nun zum Unterhalt ihrer Familien schon selbst zum Teil beitragen können. Es sind meist recht kinderreiche Familien, durchwegs willige und fleißige Arbeitskräfte, die überall zupacken. Und Arbeit gibt es trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit bei uns immer noch genug. So wird zum Beispiel derzeit die Wasserzuleitung zu unserem Marktbrunnen repariert. Eine Steinquetsche steht ferner zum Gaudium unserer Schuljugend hinter dem Schulhaus in Betrieb. Auch unsere Schuljugend zeigt wieder ihren bewährten Sinn für Arbeitseinsatz in jeder Form. So werden derzeit für die Kinder der Bessarabien Deutschen zirka 150 Stück Spielwaren als Weihnachtsgeschenk in gar vielen Bastelstunden hergestellt. Da geht’s oft recht lustig zu. Autos, Puppenküchen, Bettchen, Wiegen, Hampelmänner, Schlachtschiffe, Flieger, und vor allem Puppen entstehen in Serienerzeugung.
Aus dem Umsiedlerlager Waxenberg
Aus dem Umsiedlerlager Waxenberg
9. Brief – Jänner Februar 19413
Für die Bessaraber, die auf ihrer Zwischenstation in Wagenberg das Weihnachtsfest im Lager feiern mussten, wurde alles getan, was in unseren Kräften stand. Die Schulkinder von Oberneukirchen haben in mühseliger Arbeit einen vollen Monat gebastelt, so dass mit Hilfe der NSV ein reicher Gabentisch gedeckt werden konnte.
10. Brief – März 19413
Liebe Soldaten- Für diesmal gibt es in unserem Ort fast keine Neuigkeiten. Trotzdem sich die Sonne nach Kräften bemüht, uns zu helfen, umgeben uns noch unwahrscheinlich große Schneemassen nur mit dem Unterschied, dass das blendende Weiß der Gegend einem unfreundlichen, schmutzigen Grau gewichen ist. Wir sind dabei, die Straße Oberneukirchen-Waxenberg-Traberg frei zu legen, und wenn auch noch Schneepflüge mit Raupen helfen, hoffen wir doch, den Frühling auch in unserem Land mit Gewalt auf die Beine zu bringen.
Eine besondere Belebung erfährt Oberneukirchen durch den ständigen Besuch aus dem Umsiedlerlager in Waxenberg, dessen 450 Einwohner sowohl der Gemeinde, als auch dem Standesamt ständig zu tun geben.
11. Brief – April 19413
Liebe Soldaten! Die Heimat grüßt Euch. Endlich ist der harte Winter, der heuer besonders grimmig sich zeigte, gewichen, und sonnige Tage lassen uns den Frühling ahnen. Noch verunzieren allerdings schmutzige, oft meterhohe Schneehaufen den lieben Markt, doch Straßen und Wege sind schneefrei. Ab 9. März verkehrt endlich das Helfenberger Auto wieder nach langer Winterpause.
Fleischhauer Dunzendorfer hat zum Leidwesen der „Sonntag=Bürgertag=Besucher“ das Gastgewerbe aufgeben. Das Gasthaus Kafka hat einen neuen Pächter aus Enns bekommen.
12. Brief – Mai Juni 19413
An Ortsneuigkeiten gibt es diesmal nicht viel zu berichten.
Am 1. Mai setzte die Jugend den üblichen Maibaum an der Stelle, wo früher das »Park-Bründel« stand; dieses und der Park sind verschwunden Letzterer harrt einer neuen, schöneren Wiederanlage.
Im Bessarabienlager in Waxenberg erweckte das „Eierlesen“ viel Heiterkeit
Für die Marienfelder sollte sich die Zeit des Lagerlebens in Waxenberg nach etwa eineinhalb Jahren dem Ende zuneigen. Nachdem sie ihre Einbürgerungsunterlagen erhielte und nun offiziell „Deutsche“ waren, wurde ihre Ansiedlung auf Bauernhöfe in Polen vorbereitet.
Marienfelder Senioren 1941, links mit der Knickerbockerhose Lagerleiter Führlinger, ganz rechts Andreas Schaal (1879-1966), 5. von rechts Andreas Kraft (1873-1967)2)
Herr H. Grieb, im Lager Waxenberg geboren, hat 2006 den Ort und Herrn Wimmer besucht und einiges aus Familienerzählungen berichtet, Herr Wimmer schreibt am Heimatbuch Waxenberg und betreut zudem das Online-Archiv Waxenberg. Wer zu Waxenberg noch weitere Informationen und Familienerinnerungen teilen kann, den bitte ich, sich an Herrn Wimmer zu wenden.
Im Jahre 1942 zogen neue Bewohner in das Lager ein.
14. Brief – September Oktober 19413
Eine Schar Holländer-Kinder, welche zu einem sechswöchigen Aufenthalt teils bei Eckerstorfer in Oberneukirchen, teils bei Rader in Waxenberg lagermäßig untergebracht waren, wurden dieser Tage vom Ortsgruppenleiter in ihre Heimat zurückgebracht.
19. Brief – Juli August 19423
Die Erdäpfel, Kraut und Rüben sind auch recht schön. Obst zeigt sich auch so halbwegs eins. Und die Froschau hat Menschenzustrom wie ein kleiner Wallfahrtsort, da es ja heuer mehr Kirsche dort gibt als in vergangenen Jahren. Nur bei manchem Haus werden die ,,Kerschenbrocker vermisst. Sie stehen als Soldaten im Osten.
Denkt Euch; die ersten Ukrainer Landarbeiter sind eingetroffen. Es sind lauter Ehepaare, die wir haben. Wie sie bei der Arbeit sind, kann ich Euch noch nicht sagen, da sie erst ein paar Tage hier sind.
Leihvertrag Kindergarten und Schulgebäude 1943 3)
25. Brief – Juli August 19433
…das Land zu gehen und die Haferfelder anzusehen. Trotz des Leutemangels ist die Heuernte eigentlich sehr rasch eingebracht worden. Es hat alles, ob klein-, groß, Jung und Alt, fleißig mitgeholfen. Die Frauen aus den Westgebieten haben zum Teil sehr stramm mitgeholfen und werden uns auch bei weiteren Ernten sicherlich gern mithelfen.
In unsere Ortsgruppe sind schon über 130 Volksgenossen aus Westdeutschland gekommen Obwohl sie sehr viel mitgemacht haben, haben sie eine stolze Haltung an den Tag gelegt Mancher kann sich da ein Beispiel nehmen.
26. Brief September/ Oktober 19433
Am 31. Juli fand im Umsiedlerlager in Warenberg eine Namensgebung statt. Außer der Sippe nahmen auch Vertreter der volksdeutschen Mittelstelle und Ehrengäste der Partei und Gemeinde teil. Der Obersturmbannführer.
Die Arbeit beim Güterwegbau in Oberneukirchen (Mitterfeld) geht unentwegt vorwärts
29. Brief – März April 19443
Liebe Soldaten! Die herzlichsten Grüße sendet Euch die Heimat. Der Winter hat zwar kalendermäßig sein Ende genommen, aber in Wirklichkeit denkt er noch an dein Gehen. Diese Schneemassen hat Oberneukirchen mehrere Jahrzehnte nicht gesehen. Seit drei Wochen verkehrt bei uns kein Auto (Die Post wird wieder wie zu Zeiten des alten Vrenner von ZwettI geholt).
Seit einigen Tagen können doch die Fuhrwerke wieder fahren. Zwettl ist seit Wochen der Umschlagplatz von Waren, Lebensmittel und Kohlen. Der Postkraftwagen wird kaum vor Mitte April verkehren können. Nun könnt Ihr Euch ein Bild von diesem Winterende machen. hoffen wir, dass ein gutes Jahr für die Feldfrüchte folgen wird, an Feuchtigkeit für die Wiesen und Felder fehlt es nicht, nur die liebe Sonne muss ums viele warme Tage bescheren, dann ist auch in diesem Jahr für Ernährung wieder gesorgt Die Arbeiten werden durch den Einsatz aller verfügbaren Arbeitskräfte geschafft werden.
32. Brief – September Oktober 19443
Die Gauwehrmannschaften hielten am Sonntag den 17. September auf der Schießstätte in Waxenberg ein Schießen ab.
Aber in diesem Jahre denkt nicht nur ihr Söhne unserer Heimat unser liebes Oberneukichen. Mit euch gehen die Gedanken vieler Kameraden aus den Städten der Ostmark und der des Altreichs, die ihre Frauen und Kinder zu uns in Sicherheit brachten. Mit Euch gehen jetzt auch die Herzen der Siebenbürger SS-Kameraden, deren Familien in Gedanken sich bei einem Muehlviertler Fichtenbäumchen kreuzen. Ihnen allen aber, die Haus und Hof verloren haben, wollen wir zeigen, dass sie nie heimatlos sein können, solange es ein Deutschland gibt. Unsere Herzen aber sind immer bei Euch. Ihr kämpft für uns, wir arbeiten für Euch, damit wir uns am Ende den Sieg des Vaterlandes verdienen.
33. Brief – November Dezember 19443
Der Volkssturm unserer Ortsgruppe zählt 256 Mann, welche in den Wintermonaten ihre militärische Ausbildung erhalten. Am Montag den 13. November kam hier der erste Treck Siebenbürger Deutschen mit Pferd und Wagen an und wurden vorläufig in die Auffanglagern bei Eckerstorfer und in zwei Klassen der Volksschule gegeben. Diese Woche werden sie in die Quartiere eingeführt. Es sind durchwegs Bauern, große stattliche Menschen heute, Sonntag-, konnten sich die Frauen in ihrer malerischen Tracht sehen lassen. Die meisten Männer müssen in nächster Zeit zur SS einrücken.
2 Foto (p. 111) aus: Marienfeld, Kreis Bender – Bessarabien 1910-1940 Zusammengestellt von Artur Schaible, Kreisamtsrat a. D. Herausgeber: Christian Fiess, Vorsitzender des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien e. V., 1990
3 von mir nachbearbeitete Dokumententexte und Zeitungsartikel mit freundlicher Überlassung durch Herrn Friedrich Wimmer, Waxenberg. Autor von „Waxenberg hat Geschichte – hat Kultur“, Waxenberg 2008, 104 S. (Gem. Oberneukirchen)
Auspitz war ein kleiner südmährischer Ort mit einer überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung, der nach dem Ersten Weltkrieg und dem Friedensvertrag von Saint Germain 1919 Bestandteil der Tschechoslowakischen Republik wurde. Nach dem Münchner Abkommen 1938 wurde Auspitz in den Reichsgau Niederdonau eingegliedert und gehörte nun zum Deutsche Reich. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam die Gemeinde am 8. Mai 1945 wieder zur Tschechoslowakei zurück.
Im Oktober 1940 trafen die deutschen Umsiedler aus Bessarabien ein, diese Umsiedler waren Mathildendorfer, die als ganzes Dorf mit 502 Erwachsenen und 246 Kindern eintrafen. Die Gemeindemitglieder hatten auch die Bewohner der Tochtersiedlungen Neu-Mathildendorf, Perowka und Mansyr in ihrer Mitte. Sie verließen 40.000 Hektar Grund und Boden, um sich jetzt auf die Ansiedlung vorzubereiten. Als Namen wurden genannt: Follmer, Zeh, Ruf, Kronwald, Motz, Wahl, Keller, Scheurer, Adam, Haas, Hildenbrand, Gießler, Weippert, Borg, Altinger und Suls (Sulz).
Die Auspitzer mussten feststellen, dass das Gemeinschaftsgefühl sehr stark vorhanden war, der Kinderreichtum überraschte sie ebenfalls. Zudem wurde ein ausgesprochenes „Herrengefühl“ festgestellt, was Dr. Leopold Baierl (Nikolsburg)2 darauf zurückführte, das die Kolonisten seit ihrer Ankunft in Bessarabien als „Jugune“ (Herren) von den Rumänen angesprochen wurden.
Um seine Darstellung der Persönlichkeit der Umsiedler abzurunden, veröffentlichete der Autor Dr. Baierl ein Gedicht, welches ihm aus der Überlieferung von den Umsiedlern erzählt wurde:
Tagesbote 29.12.1940 S. 32
J wenn i Göld gnug häd (:no wißt i wos i täht:,) Heisa, Juchhe! No mißt a Haisla her, (:dos nou mai aiga wär:) No dos wär schen.
Droba am Berg mischt´s soi (:mittla im Sunaschoi:) eisa, Juchhe! Mittla in Kleebluma sovül da guade Wid (:uf jed´n Fenschter brid:) No do war schen.
No mischt a Waibla noi (:schwoazhorig mischt se soi:) Heisa, Juchhe! Mit scheene weiße Zähn´ Grod so wie Schulsa Gred (:wonn die mi nehma täht:) No dos wär schen.
Brächt uns da Schtorch afs´ Johr (: a Bua mit rolla (gelockt) Hoar:) Heisa, Juchhe! Schpäter noch meh Kend Au dazwischa dona noi (:konns au a Medla soi:) Do dos wär foi.
Aber i hon holt koi Göld (:s´ gibt af da gonza Wölt:) Heisa, Juchhe! Ärmeres nix meh J glab i schtirb no dron (:s` guckt mi holt keine an:) Oh, des tuat weh.
Die Mathildendorfer blieben bis zum Herbst 1941, ehe sie zur Ansiedlung nach Westpreussen verbracht wurden. An ihrer Stelle kamen Umsiedler aus Bulgarien, sie blieben von Dezember 1941 bis November 1942, im September 1944 trafen Flüchtlinge aus dem Banat, Riga, Tschenstochau und Warschau (Rumänen, Deutsche aus der Ukraine, lettische Staatsangehörige), sowie evakuierte Einwohner des Gaus Wien ein.
1wikimedia, Hustopeče – pohled na město 1941, Anonym – https://www.fotohistorie.cz/, Gemeinfrei 2Tagesbote, 29.12.1940, Jahrgang: 90, Nummer: 312, Brünn, 1851-1945 (1940-1945 Mährischer Zeitungsverlag)
Am 1. Februar 1886 wurde die Evangelische Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall gegründet. Sie unterhielt für Versicherte der Bezirkskrankenkasse 30 Betten im Diakonissenkrankenhaus, ein vom Leiter und seiner Familie sowie einigen Diakonissen bewohntes Stammhaus und das Johanniter-Krankenhaus zur Betreuung von Kindern.
Unter der Leitung von Pfarrer Gottlob Weißer ab 1899 entstand ein größerer Neubau im Jahre 1911, der die Pflegekapazität im Bereich geistig behinderter Frauen und Kinder auf etwa 500 erhöhte. In den Jahren des Ersten und Zweiten Weltkrieges diente das Krankenhaus zudem als Lazarett.
Zeugenaussage – Gottlob-Weiser-Haus in Schwäbisch Hall, Pfarrer Wilhelm Breuning 4
Am 14. November 1940 erschienen der Heilbronner NSDAP-Ortsgruppenleiter und Kommissar der Volksdeutschen Mittelstelle Richard Drautz2, sowie der Haller NSDAP-Kreisleiter Otto Bernhard Bosch (*8.2.1894 in Truchtelfingen) in der Diakonissenanstalt, beide ließen sich die Baupläne des „Gottlob-Weißer-Hauses“ und des Feierabendhauses geben und besichtigten die Gebäude. Danach erfolgte die Beschlagnahmung und es wurde die vollständige Räumung beider Häuser innerhalb von acht Tagen für die Unterbringung von 1.400 „Volksdeutschen“ aus Bessarabien angeordnet.
Bereits zwischen dem 19. und 21. November wurden 33 Betreute in die Heilanstalt Christophsbad Göppingen und 240 nach Weinsberg verlegt, unter ihnen 51 Kinder.3 Die Kinder wurden direkt im Rahmen des Euthanasieprogramms „Aktion T4“ von Weinsberg nach Grafeneck geschickt, andere nach Hadamar, insgesamt wurden 184 Menschen ermordet, nur 265 weitere Frauen konnten vor der Verlegung gerettet werden. Die ersten Pflegekräfte kehrten am 1. Dezember, die letzten am 1. März 1941 nach Schwäbisch Hall zurück, da es „nichts mehr zu pflegen gab“.
Am 22. November 1940 wurden die Gebäude in bestem, sauberen Zustand zur Belegung mit den Bessarabiendeutschen übergeben. Da das Haus leer blieb, wurden zunächst Umsiedler aus dem Baltikum untergebracht, ab 1942 erfolgte die Nutzung als Lehrerbildungsanstalt.
1945 wurde Otto Bosch auf der Flucht gefasst und von den Amerikanern in Schwäbisch Hall auf dem Marktplatz öffentlich zur Schau gestellt. In den Jahren 1948–1949 während des „Synagogenprozesses“ wurde er zu einer Haftstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, da er die Anweisung zur Brandstiftung der Schwäbisch Haller Synagoge in der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 und anschließend der Feuerwehr den Befehl gab, ihre Löschversuche einzustellen. Da er bereits 3 Jahre und 3 Monate im Interniertenlager Ludwigsburg, sowie einige Wochen in Untersuchungshaft im Heilbronner Gefängnis gesessen hatte, musste er diese Strafe nicht absitzen.6
Ab 1952 arbeitete Otto Bosch wieder als Geschichts- und Erdkundelehrer, 1957 wurde er als Beamter übernommen und ging 1959 als Rektor a.D. in Rente.6
Otto Bosch war Vater des Lt. z. S., dem Ersten Wachoffizier von U 634, Eberhard Bosch. Ein Teil der Baukosten von U634 wurde durch eine U-Boot-Spende der Stadt Schwäbisch Hall aufgebracht, weshalb das Boot am Turm das Stadtwappen führte. Das U-Boot wurde am 30. August 1943 im Nordatlantik versenkt, niemand überlebte.
Fotograf Willh. Gerling Darmstadt, Verlag Robert Schweizer Schwäbisch Hall, Nr. 3039
Martin Grasmannsdorf: Die Umsiedlungslager der Volksdeutschen Mittelstelle im Gau Württemberg-Hohenzollern 1940-1945: Eine Bestandsaufnahme Frank & Timme 2013, S. 19,29f, 102
Zeugenaussagen – Anstalt Tempelhof, Otto Knöll; Gottlob-Weiser-Haus in Schwäbisch Hall, Pfarrer Wilhelm Breuning; Landessarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 29/3 T 1 Nr. 1756/02/01
Christine Arbogast: Herrschaftsinstanzen der württembergischen NSDAP. Funktion, Sozialprofil und Lebenswege einer regionalen NS-Elite 1920–1960. Oldenbourg, München 1998
Das barocke Schloss Werneck, zwischen Würzburg und Schweinfurth gelegen, wurde ab 1853 nach Plänen des Königlichen Regierungs- und Kreismedizinalrats Dr. Schmidt und des Königlichen Bauinspektors Mack zu einer Heil- und Pflegeanstalt für psychisch Kranke umgebaut. Am 1. Oktober 1855 konnte die Heil- und Pflegeanstalt Werneck unter ihrem ersten Direktor, Dr. Bernhard von Gudden ihre Arbeit aufnehmen. Werneck ist damit Sitz einer der ältesten psychiatrischen Kliniken Deutschlands.
Als von Januar 1940 bis August 1941 die deutschlandweite Aktion „T 4“ der Nationalsozialisten durchgeführt wurde, war auch Werneck betroffen.
Die Volksdeutsche Mittelstelle benötigte für die Unterbringung der „Volksdeutschen“ dringend Platz, so plante man, aus den vorhandenen 850 Pflegebetten eine Belegung für 1.750 Bessarabiendeutschen zu schaffen.3
Betraut mit der Aktion wurde der Gauleiter Otto Hellmuth, welcher am 23. September 1940 die Örtlichkeiten besichtigte, beschlagnahmte und die sofortige Räumung verfügte.
Otto Hellmuth (1896-1968)2
Zwischen dem 3. und 6. Oktober 1940 wurden insgesamt 777 Patienten aus Werneck mittels der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH Berlin“, einer Tarnorganisation, in die Heil- und Pflegeanstalt Lohr am Main bzw. über Zwischenstationen wie die Pflegeanstalt Reichenbach und Anstalt Karthaus-Prüll/Regensburg in die Tötungsanstalten Schloss Sonnenstein bei Pirna und Schloss Hartheim bei Linz verbracht, wo sie vergast wurden.4
Beim Abtransport sicherte Otto Hellmuth zu, dass die Patienten nach Abschluss der Umsiedlungsaktion der Volksdeutschen wieder nach Werneck zurückverlegt würden, eine eiskalte Lüge, rund zwei Monate nach ihrem Abtransport waren alle Patienten, die die Region Mainfranken verlassen hatten, tot.
Am 24. Oktober 1940 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Werneck mit bessarabischen Volksdeutschen belegt, die von hier aus im Reich angesiedelt werden sollten.
Im Januar 1941 war das Schoss mit etwa 2.000 Personen belegt. Da der landeskirchliche Pfarrer nicht tätig werden durfte, beauftragte der Landeskirchenrat am 8. Januar 1941 unter Kostenübernahme den aus Tarutino stammenden Pfarrer Albert Kern (1899–1985) mit der Seelsorge der Umsiedler. Leider war er nur kurz vor Ort, da er bald darauf in den Warthegau versetzt wurde.5
Otto Hellmuth wurde für den Mord an den fast 800 Patienten während der Aktion „T4“ nie angeklagt.
E. Kienast (Hg.): Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode, R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Berlin 1938
Maria Fiebrand: Auslese für die Siedlergesellschaft: Die Einbeziehung Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-1945 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung); Vandenhoeck & Ruprecht; Oktober 2014
Schmelter, Thomas: Nationalsozialistische Psychiatrie in Bayern. Die Räumung der Heil- und Pflegeanstalten. (DWV-Schriften zur Geschichte des Nationalsozialismus 1).Verlag Baden-Baden: Deutscher Wissenschaftsverlag 1999
Baier, Helmut : Kirche in Not: die bayerische Landeskirche im Zweiten Weltkrieg, Degener [in Komm.], 1979, S. 124
Im Januar 1940 kamen 10.000 Wolhyniendeutsche nach Sachsen, zwei Sonderzüge fuhren nach Pirna, um diese auf dem Sonnenstein unterzubringen, zwei Tage später war von rund 1000 deutschen „Rückwanderern“ aus Galizien die Rede, die in Pirna angekommen wären, wobei für den nächsten Tag ein neuer Transport angekündigt war. Am 11.1.1940 waren 1683 Personen im Lager registriert, davon 679 Kinder, diese blieben bis Anfang April 1940.1
Anfang Oktober 1940 kamen rund 800 Bessarabiendeutschen auf den Sonnenstein, ein weiteres Lager in Bad Schandau wurde mit 778 Personen belegt. Insgesamt gab es im Kreis Pirna 10 Lager mit etwa 5.000 Bessarabiendeutschen (Ostrau, Postelwitz, Rosenthal-Schweizermühle, Liebstadt, Bad Gottleuba-Hartmannsbach, Stolpen).1
Auf dem in Großhennersdorf 1721 gegründeten diakonischen „Katharinenhof“ zur Versorgung von Waisenkindern und armer, alter Leute lebten 1940 etwa 300 behinderten Kinder. Unter dem Vorwand der „Beräumung“ zur Unterbringung von Flüchtlingen wurden sie Opfer der Euthanasie, wie ich es bereits in meinem Bericht zum Lager Hubertusburg erklärte. Man verbrachte über 200 Kinder nach Pirna-Sonnenstein und Großschweidnitz, um sie dort umzubringen. In den leeren Gebäuden des „Katharinenhofs“ wurden im Anschluss etwa 400 Elsass-Lothringer, die wegen ihrer Wehrdienstverweigerung zwangsumgesiedelt worden waren, sowie Bessarabiendeutsche untergebracht.
Die Verlegung der Borodiner Umsiedler aus Löbau erfolgte am 3. Dezember 1940 in das Lager Nr. 40 Großhennersdorf, wo die Umsiedler am 4. Dezember augenommen wurden, ehe sie am 24. September 1941 nach Litzmannstadt verlegt wurden, wie man dem noch vorhandenen Lagerpass der Familie Scheurer3 entnehmen kann.
Bessarabiendeutsche in Grosshennersdorf, Foto: Privatarchiv M. Scheuer, welcher das Bild freundlicher Weise zur Verfügung stellte.
Im November 1941 kamen Zwangsumsiedler aus Slowenien nach Großhennersdorf, im Oktober 1944 Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Der Ort wurde Durchgangsstation für Tausende, die zeitweilig beherbergt und versorgt werden mussten.
1996 wurde auf dem Gelände des Katharinenhofes eine Gedenksäule errichtet, mit der an 223 Frauen, Kinder und Männer erinnert wird, die der Tötungsaktion T4 des NS-Regimes zum Opfer fielen.
SS-Gruppenführer Arthur Nebe (Beamter des Reichskriminalamtes und Amtschef) im Gespräch mit Dr. Albert Widmann (Chef der chemischen Abteilung des Kriminaltechnischen Instituts im Reichskriminalamt):
„Widmann, kann das Kriminaltechnische Institut große Mengen Gift herstellen?“ „Wofür? Um Menschen zu töten?“ „Nein.“ „Wozu dann?“ „Um Tiere in Menschengestalt zu töten; das heißt die Geisteskranken, die man nicht mehr als Menschen bezeichnen kann und für die es keine Heilung gibt.“ 3
Dr. phil.h.c. Karl Wilhelm Fricke: Akten-Einsicht Rekonstruktion einer politischen Verfolgung. Mit einem Vorwort von Joachim Gauck; Analysen und Dokumente – Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten, Band 2; 4. aktualisierte Auflage, Berlin 1997; Ch. Links Verlag; S. 134
In insgesamt 6 T4-Anstalten (Grafeneck, Brandenburg, Hartheim, Sonnenstein, Bernburg, Hadamar) werden innerhalb von 20 Monaten (Januar 1940-Sep 1941) werden 70.243 1 Menschen getötet, vorwiegend psychisch Kranke und geistig Behinderte.
Die gezielten Tötungen gehen auch nach dem am 24.8.1941 verfügten „Euthanasie-Stopp“ weiter und enden erst 1945 – man läßt verhungern, vergiften, spritzt Überdosen von Medikamenten oder versorgt Kranke nicht.
Bereits im Frühjahr 1940 wird die Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg aufgelöst, um einer Unteroffiziersschule der Luftwaffe und einem Lager von „volksdeutschen“ Umsiedlern Platz zu machen.
In der zweiten Aprilhälfte 1940 wurden fast alle (ca. 1.400) der überwiegend weiblichen Patienten aus Hubertusburg verlegt. Die Zugangs- und Abgangslisten 1939 – 1945 der Heil- und Pflegeanstalt Waldheim vermerken für den 18.4.1940 die Aufnahme von 434 männlichen Kranken aus Hubertusburg. Zurück in Hubertusburg bleiben nur einige „Funktionspatienten“ als „Arbeitskommando“ für den zweckentfremdeten Betrieb der aufgelösten Landesanstalt. Im Rahmen der staatlich organisierten Massenmorde (Euthanasie) wurden insgesamt 570 Patienten aus der Hubertusburg nach Waldheim verlegt.3
Foto aus dem Zentralarchiv Diakonie Neuendettelsau
Als Transportmittel wurden graue Busse mit übermalten Fenstern oder vorgezogenen Gardinen eingesetzt.
Pfarrer Scheipers2 als Augenzeuge der Abtransporte aus der Hubertusburg:
„Es war bedrückend, den Abtransport der Busse mit den Todeskandidaten zu beobachten, ohne die Mordaktionen verhindern zu können.“
123 Patienten aus Hubertusburg werden gleich in Waldheim ermordet, 208 in unbekannte Tötungsanstalten gebracht und 219 in Pirna-Sonnenstein vergast. 20 Patienten aus Hubertusburg überleben die erste Vernichtungsaktion, ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.3
Die „Heil- und Pflegeanstalt“ Waldheim ist bereits 1940/41 nicht nur Zwischenstation auf dem Weg in die Vergasungsanstalten Brandenburg/Havel und Sonnenstein/Pirna, sondern ist selbst eine Tötungsanstalt.
Dr. med. Gerhard Wischer, von 1938 bis 1945 Leiter der Waldheimer Psychiatrie, bezeichnet die Behandlung der Patienten, die vielen das Leben kostet, als „Dämmerschlafkuren“. Außerdem räumt Wischer 1950 bei Vernehmungen ein, „absichtlich und mit voller Überlegung durch Einspritzung übermäßiger Dosen von Medikamenten den Tod von 20 – 30 Kranken“ herbeigeführt zu haben. Wischer wurde 1950 in der DDR zum Tode verurteilt und hingerichtet. 3
Das West-Berliner Kammergericht erklärte 1954 die Waldheimer Urteile für „absolut und unheilbar nichtig.“ Die Verurteilten seien „so zu behandeln, als ob kein gerichtliches Verfahren gegen sie durchgeführt worden ist, das heißt, sie gelten als nicht verurteilt“. Deshalb muss auch Wischer als nicht verurteilt gelten, wenn er auch wegen seiner Untaten exekutiert wurde. 4
Vermutlich wusste niemand der am 29.10.1940 ankommenden Umsiedler, was vor ihrer Ankunft geschah. Von den 3084 Ankömmlingen waren 2476 aus Teplitz, 304 aus Neu-Klöstitz und 304 Buchenländer. Der stellvertretende Lagerleiter Walter Thiele notierte: „Und der erste Eindruck, den wir gewonnen hatten? Das Menschenmaterial, wenn man so sagen kann, macht einen besseren Eindruck als das der vergangenen Aktion…“ (damit waren wolhyniendeutsche Umsiedler gemeint). Nach der „Schleusung“ waren 1882 Teplitzer als O-Fälle und 634 als A-Fälle zur Ansiedlung vorgesehen. Ein Teil der A-Fälle wurde nach Rochlitz bei Leipzig verlegt, die O-Fälle kamen zwischen Frühjahr und Herbst 1941 zur Ansiedlung in den Osten, die letzten Umsiedler verließen am 12.3.1942 das Lager. 5
Fotos:
Schloss Hubertusburg public domain, Wikimedia, Andre Kaiser 10.8.2007
Historisches Foto der „Grauen Busse“ aus dem Zentralarchiv Diakonie Neuendettelsau, „Verlegung von Behinderten im Rahmen der Euthanasie-„Aktion T 4“ aus der Pflegeanstalt „Schloß“ Bruckberg der Diakonissenanstalt Neuendettelsau in staatliche Heil- und Pflegeanstalten“; Frühling 1941, Fotograf unbekannt, public domain,Wikimedia
Bundesarchiv, Bild 101III-Alber-096-34 / Alber, Kurt / CC-BY-SA 3.0, Wikimedia
1) Ernst Klee (Hrsg.): Dokumente zur „Euthanasie“. Fischer Taschenbuch Verlag Nr. 4327, Frankfurt am Main 1985, S. 232.
3) Dr. phil.h.c. Karl Wilhelm Fricke: Akten-Einsicht Rekonstruktion einer politischen Verfolgung. Mit einem Vorwort von Joachim Gauck; Analysen und Dokumente – Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten, Band 2; 4. aktualisierte Auflage, Berlin 1997; Ch. Links Verlag; S. 134
Bereits Anfang 1936 umriss Reichsbauernführer Walther Darré vor regionalen Mitarbeitern (Fachberatern) des Reichsnährstandes recht konkret die deutschen Eroberungspläne:
„Der natürliche Siedlungsraum des deutschen Volkes ist das Gebiet östlich unserer Reichsgrenze bis zum Ural, im Süden begrenzt durch Kaukasus, Kaspisches Meer, Schwarzes Meer und die Wasserscheide, welche das Mittelmeerbecken von der Ostsee und der Nordsee trennt. In diesem Raum werden wir siedeln, nach dem Gesetz, daß das fähigere Volk immer das Recht hat, die Scholle eines unfähigeren Volkes zu erobern und zu besitzen.[…] Ein solches politisches Ziel muß auf den deutschen Bauernhöfen von Mund zu Mund weitergereicht werden, muß auf unseren Bauernschulen eine selbstverständliche Grundlage des Unterrichts sein. Dann wird auch eines Tages das Volk demjenigen Staatsmann folgen, der die sich ihm bietenden Möglichkeiten ergreift, um unserem Volke ohne Raum den Raum nach dem Osten zu öffnen.“
Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. München 2008, S. 238.
Dabei plante man die Ausrottung der Intelligenz in den eroberten Gebieten und die Versklavung der übriggebliebenen Bevölkerung. Dieses Ziel wurde religiös, sozialdarwinistisch und rassistisch begründet, so äußerte der Leiter der DAF, Robert Ley, vor dem Fachamt der DAF „Der Deutsche Handel“ am 17. Oktober 1939:
„Wir können unseren Auftrag nur daher nehmen, dass wir sagen, es ist von Gott gewollt, dass eine höhere Rasse über eine mindere herrschen soll, und wenn für beide nicht genügend Raum ist, dann muß die mindere Rasse verdrängt und, wenn notwendig, zum Vorteil der höheren Rasse ausgerottet werden. Dasselbe gilt von dem Starken und dem Schwachen. Die Natur rottet überall das Schwache und Ungesunde zugunsten des Starken und Gesunden aus. Der gesunde Hirsch stößt den kranken, und der gesunde Elefant zertrampelt den kranken. Wir aber haben jedoch für 2000 Jahre aus Mitleid Kranke erhalten, das Minderwertige gepäppelt und gepflegt und zu dessen Gunsten das Höhere sich nicht entfalten lassen. Aus diesen Gedanken, aus dieser Idee kommt unser Auftrag. Deshalb verlangen wir Boden.“
Helmut Krausnick, Harold Deutsch (Hrsg.): Tagebücher eines Abwehroffiziers 1938-1940. Stuttgart 1970, S. 576
In ganz Ost- und Südosteuropa gab es deutschsprachige Bevölkerungsgruppen, deren Vorfahren teilweise seit dem Mittelalter dort gesiedelt hatten. Das Ziel der Nationalsozialisten war eine „Neuordnung Europas“, wie es im „Generalplan Ost“ (1941) formuliert wurde, um diese sogenannten „Volksdeutschen“ in einem ethnisch homogenen Deutschen Reich zusammen zu bringen, dessen Siedlungsgebiet bis zu einer Linie von der Krim bis Leningrad gedacht war.
Um diese Pläne umzusetzen, wurden ab 1938 Territorien annektiert (Österreich, Sudetenland) und ab 1939 erobert.
Zugleich sollten die deutsche Minderheiten „heim ins Reich“ gebracht werden. Diese „Splitter des deutschen Volkstums“ wurden als „nicht haltbar“ (Hitler am 6. Oktober 1939) angesehen und sollten in geschlossen deutsch besiedelte Gebiete „zurückgeholt“ werden. Basis dieser geplanten Umsiedlungen („Bevölkerungstausch“) waren zunächst Verträge wie das Münchner Abkommen (1938) im Rahmen der Zerteilung der Tschechoslowakei, nach dem Einmarsch in Polen folgten Verträge mit Italien und weiteren ost- und südosteuropäischen Staaten sowie der Hitler-Stalin-Pakt. Dieser wurde um den Deutsch-Sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag4 ergänzt, welcher die Umsiedlung der Bessarabiendeutsche, Deutsch-Balten und Bukowinadeutschen ermöglichen sollte.
Insgesamt waren über 900.000 „Volksdeutsche“ von den Umsiedlungen betroffen, die in 1.375 Lager verteilt wurden14. Der propagandistische Aufwand war gewaltig, ein spezialisierter bürokratischer Apparat (RFSS)5 wurde geschaffen, der vom „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums„, Heinrich Himmler, geleitet wurde. Anfangs waren die Betroffenen vor die Alternative gestellt, sich entweder für die deutsche Staatsangehörigkeit und damit für die Umsiedlung ins Deutsche Reich zu entscheiden oder aber in ihrer Heimat zu bleiben und damit ihr „Deutschtum“ aufzugeben, nach Kriegsbeginn nahm der Zwang zur Umsiedlung immer weiter zu.
in: Bericht über den Stand der Um- und Ansiedlung am 1.7.19426
Die geplante Ansiedlung erfolgte jedoch in den wenigsten Fällen auf dem Territorium des deutschen Reichs, die meisten kamen nach mehrmonatigen Lageraufenthalten in die dem Deutschen Reich angegliederten bzw. eroberten Gebiete, die Bessarabiendeutschen vorrangig in den polnischen „Warthegau“, wo sie die „Eindeutschung“ vorantreiben sollten. Angesiedelt wurde u.a. auf Bauernhöfe von zuvor vertriebenen Polen.
Viele der in Osteuropa angesiedelten waren mit der herannahenden Front zum Kriegsende bzw in den ersten Nachkriegsjahren ein weiteres Mal von erzwungener Migration betroffen und wurden zu Flüchtlingen, Repatriierten oder Vertriebenen.
In Gebieten, die während des Krieges zum Großdeutschen Reich gehörten und mit dem Ende des Krieges zu Territorien Polens, der Tschechoslowakei oder Jugoslawiens wurden, entstand zunächst ein verwaltungsloser Raum, in dem Willkür und Gewalt herrschten. Am 2. August 1945 wurde in Potsdam die ethnische und territoriale Neuordnung Europas beschlossen: Polen und Deutschland verloren durch die Beschlüsse der Alliierten ihre Ostgebiete. Die sich bereits in vollem Gang befindenden massenhaften Bevölkerungsverschiebungen sollten kontrolliert, organisiert und legalisiert werden. Neben dem Beschluss zum „Transfer“ der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, Polen und Ungarn war die Festlegung der deutsch-polnischen Grenze von Bedeutung.
Karte: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Da die Umsiedlungspläne der alliierten Großmächte bekannt waren, kam es vor allem in Polen und in der Tschechoslowakei13 zu willkürlichen gewaltsamen Vertreibungen und Misshandlungen von Deutschen, die erst zwischen dem Sommer und Winter 1945 unterbunden werden konnten.
Entsprechend dem im Herbst 1945 erstellten Plan des Alliierten Kontrollrates wurden im Jahre 1946 und zum geringen Teil zwischen 1947 und 1949 unter der administrativen Kontrolle der alliierten Regierungen Zwangsumsiedlungen von rund 4,8 Millionen Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und aus Ungarn durchgeführt. Sie wurden in überwachten Transporten größtenteils in die amerikanische, britische oder in die sowjetische Besatzungszone gebracht, und dort zum Teil wie zu Zeiten der „heim ins Reich“ Aktion in Lagern untergebracht.
Passauer Neue Presse vom 18.06.1946
Alltag in einem Gemeinschaftsraum im Flüchtlingslager „Schlotwiese“ in Stuttgart-Zuffenhausen; Bildquelle: Haus der Geschichte Baden- Württemberg, Sammlung Weishaupt
Über die Lager der bessarabiendeutschen Umsiedler vor 1945 ist allgemein nicht viel bekannt, es fallen durch Familienberichte einzelne Namen, die Recherche zur Historie ergibt jedoch ein perfides System der menschenverachtenden Vernichtung im Dritten Reich.
Es gab etwa 2507 „Umsiedlerlager“ die den Menschen über Monate, teilweise Jahre, Unterkunft bieten sollten. Hier wurde im Rahmen der „Schleusung“ sortiert, wer nach den Gesichtspunkten der damaligen Ideologie ansiedlungswürdig war und wer nicht. Genaueres dazu habe ich in unserer Familienhistorie zum Thema Umsiedlung berichtet.
An dieser Stelle möchte ich auf die Geschichte einiger dieser Lager verweisen, die sich u. a. in Bayern (z.B. Kloster Niederaltaich, Schloss Werneck, Dobrudschadeutsche in Burg Rothenfels, Leiders bei Aschaffenburg), der „Ostmark“ (u.a. Kloster Göttweig; Kloster St. Anna Ried im Innkreis, Österreich), für Dobrudschadeutsche in Rohrau und Gemünd (Niederdonau), Gablitz (Wien), Feldbach (Steiermark), Obersiebenbrunn [Karamurater], Mährisch-Kromau [Mamuslier], Schloß Kranichberg oder Ybbs an der Donau 8 befanden.
Im „Sudetengau“ wurden ca 25.000 Umsiedler in Lagern untergebracht, deren größten lagen in Asch, der Schuhfabrik „Humanik“ in Saatz, Hartessenreuth und in Suchenthal.7 Schlackenwerth an der Eger nahm Dobrudschadeutsche auf. Da sich 88 Männer und 12 Frauen aus Malkotsch nicht einbürgern lassen, sondern in die Heimat zurück kehren wollten, wurden sie in das Konzentrationslager Flossenbürg gebracht, die Frauen schaffte man zeitgleich in das KZ Ravensbrück. Vom 2. Juli bis 17. Oktober 1942 wurden sie dort „behandelt“, am 18. Oktober erhielten sie eine „2. Chance“ und waren nun „bereitwillig“ zur Einbürgerung.
Württemberg hatte 11 Umsiedlerlager für rund 5.000 Menschen aus Bessarabien.9 In Sachsen waren Pariser in diesen Lagern:
Da die Behörden aus der Umsiedlung der Wolhynier und Galizier gelernt hatten, standen die Lager für die Bessarabier vor Abtransport bereits fest. So verschickte man den Ortsbezirk Mannsburg (Mannsburg, Sofiental, Basyrjamka, Maraslienfeld, Plotzk, Gnadental, Sarata, Friedenstal, Lichtental, Eigenfeld, Annowka und Seimeni) ins Sudetenland, den überwiegenden Teil des Bezirks Beresina (Beresina, Borodino, Hoffnungsthal, Neu Klöstiz, Paris, Arzis, Teplitz, Katzbach, Krasna) nach West- und Ostsachsen, die Klöstitzer ins Eichsfeld/Thüringen. Albota, Eichendorf und Wischniowka kamen nach Niederbayern und Franken, Kulm, Leipzig, Tarutino, Alt Posttal, Neu Elft und Alexanderfeld hatten das Ziel Franken, Mainfranken und München/Oberbayern. Die Lager der Gaue Unter- und Oberdonau waren für Kischinew, Jekaterinowka, Neu Sarata, Fürstenfeld, Alt Oneshti, Neu Strymba, Mariewka, Mathildendorf und Kurudschika vorgesehen. 12
Bevor jedoch die Umsiedler in diese Lager aufgenommen werden konnten, wurden diese oftmals „beräumt“ von jenen, die man schlicht als „unwert“ betrachtete. Wie das vor sich ging, lesen Sie bitte in den Artikeln zu den Lagern.