Genealogische Fundstücke

Taufzeichen aus württembergischen Kirchenbüchern für Wochentage

Kleine Hände im Kirchenbuch

Zu dieser Symbolik tauchen häufig Fragen auf, da man sich wundert, weshalb der Pfarrer das gezeichnet hat. Es gibt unterschiedliche Gründe, die vom Pfarrer abhängen, der sie zeichnete. In manchen Büchern wurde der Erzeuger des unehelichen Kindes unter Eid benannt, die Hand symbolisiert die Schwurhand. Ebenso konnte die unzeitige Geburt markiert werden, weil sich beide nicht an das Gebot des Beischlafverzichts vor der Ehe gehalten hatten. Mitunter zeichnete der Pfarrer diese Hand als Markierung für verstorbene Kinder ein, oder auch, weil eine Besonderheit der Geburt vermerkt werden sollte, wie Mehrlinge, ungewöhnliche körperliche Merkmale usw.

Kirchenbuch Diebach, Mischbuch 1658–1694

Kirchenbuch Murrhardt, Mischbuch 1559-1617 Band 1, 1604
Kirchenbuch Murrhardt, Mischbuch 1559-1617 Band 1, 1604

Beispiel für die Anmerkung des Pfarrers als „Frühschläfer“ in einem Eheeintrag 1702 in Trossingen bzw. der Vermerk über ein uneheliches Kind 1571 im KB Esslingen:

Mischbuch 1569-1588 Band 3

Wobei der Vermerk „F. Nothus sen Bastardvs“ nicht immer auf ein uneheliches Kind schließen läßt, wie folgender Lexikoneintrag aus dem Jahre 1741 belegt: 

Bastard, n

Von ungleichem Stand, Art, Geschlecht, und deswegen unecht, nothus,
Bastard, ein unechtes Kind das von einer Mutter in rechter Ehe aber ungleichen Standes mit dem Vatter erzeuget, da sich die Kinder nicht zu schämen haben. Daher sie die Historien-Schreiber Bastarde heißen, als Hortleder sagt. Herzogs von Bayern-Bastart Sohn Jorge. Chronograph. Saxo. p.257 Wilhelmus cui pro obliquo sangvine cognomen bastardus. Der König Wilhelm in Engelland schrieb selbst von sich: Ego Willhelmus cognomento Bastardus.
Pasthard, einer von einer edln Mutter und unedlen Vatter geboren. Jtem ein Thier von einem wilden Park und zahme Schweins-Mutter; hybrida. Ver. Vocab. 1482

Johann Leonhard Frisch: Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch1

Von Hurenkindern und unehelichen Geburten

Die Führung eines Kirchenbuches unterlag strengen Regeln, sie waren die Vorläufer der heutigen Personenstandsregister, boten einen Überblick über die Bevölkerung und beinhalteten oft auch Daten, die mit einem Einwohnermelderegister zu vergleichen sind. Entsprechend der Kirchenordnung wurden uneheliche Geburten und vorehelicher Geschlechtsverkehr vermerkt, zur Vereinheitlichung finden sich unehelich geborene Kinder teilweise auf dem Kopf stehend eingetragen, zumeist aber als Hurenkinder.

Der Pfarrer gab also nicht nur seine Empörung im Kirchenbuch preis, was ein Sittenbild der Zeit abbildet, er unterschied auch im gleichen Buch bei Kindern, die anschließend durch Eheschließung legitimiert wurden, indem diese nicht als „Hurensohn, -tochter, – kind“ bezeichnet wurden, sondern er schrieb dann „vor der Ehe“ oder „unehelich“. Auch später legitimierte Kinder bekamen Nachtragungen über den Erzeuger, ob eine Eheschließung erfolgte, da diese Kindern mit der Ehe einem jeden in der Ehe geborenen Kinde gleich gestellt wurden. Dazu erfolgte die Änderung des Nachnamens. In der Regel bekamen Kinder bei bekanntem Erzeuger sofort dessen Nachnamen, um den Vater in der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen, damit er seine Pflichten dem Kind gegenüber erfüllte.

Schlecht erging es dagegen den zahllosen Dienstmägden, welche als Hure verzeichnet wurden, obwohl man genau wusste, woher das Kind stammte, der Dienstherr konnte es fast immer verhindern, im Kirchenbuch aufzutauchen, das Kind war dann ein vaterloses ohne jede offizielle Anerkennung.

eine ledige Dirne
Erzhure
ein Huren“Kind“
einen Huren sohn

Die Beispiele fanden sich im Kirchenbuch Diebach (Mischbuch 1658–1694) und zeigen das Los der ledigen Mütter, „eine ledige Dirne“, die Erzhure“, welche vom Dienstherren geschwängert wurde, ein Huren“kind“, das geboren wurde, ein „Hurensohn“, der zur Welt kam.

Die Nottaufe im Mutterleib

Niederwölz, Taufbuch 3 1889-1937, S. 3 Ein im Mutterleib nothgetaufter, vollkommen lebensfähiger, totgeborener Knabe + am 22. November 1889

Hebammen unterlagen seit dem Mittelalter einer Berufsausbildung, in Österreich bereits im 14. Jahrhundert belegt. Ihr Leumund war zweifelsfrei, so daß sie das so wichtige Amt einer Taufe durchführen konnte, Kinder zur Taufe trugen und als Zeuge vor Ämtern und Behören auftraten.

Die Taufformel musste in der katholischen Kirche unbedingt wie folgt ausgesprochen werden:

„Ich taufe dich im Namen Gott des Vaters und des Sohns und des heiligen Geistes Amen.“

Das Begießen hatte außerhalb des Mutterleibes dreimal in Gestalt und Form eines Kreuzes zu geschehen, bei der Nottaufe war ein einfaches Begießen erlaubt. Vorrangig waren der Kopf, dann Brust und Schultern als zu taufende Körperteile anzusehen.

Im Falle der Lebensgefahr unter der Geburt konnte ein ungeborenes Kind getauft werden, sofern es gelang, einen Körperteil des Kindes zu erreichen, was auch für die Nabelschnur galt. Befand sich das Kind noch in den Eihäuten, hatte die Hebamme dessen Entwicklung einzuschätzen, wenn diese zerrissen waren, erfolgte deren Taufen ebenfalls unter der Bedingung der Formel:

„Wenn du nicht getaufet bist, so taufe ich dich im Namen Gott des Vaters  und des Sohns und heiligen Geistes. Amen.“

War der Kopf oder ein Körperteil des Kindes nicht aus dem Mutterleib ausgetreten, so wurde eine Taufspritze verwendet, die mit abgekochtem Weihwasser gefüllt war. Die Hebamme versuchte so, das Kind zu erreichen.

Im Mutterleib war die Bedingung der Taufe:  „Wenn du fähig bist , so taufe ich dich im Namen Gott des Vaters  und des Sohns  und des heiligen Geistes, Amen.“

Ungetauft verstorbene Kinder kamen, so die gängige Vorstellung, weder in die Hölle, noch in den Himmel. Sie gelangten auf ewig in eine Zwischenwelt, dem „Limbus puerorum„, wo sie in alle Ewigkeit in der Finsternis verharren und der beseligenden Gottesschau beraubt sein würden. Mancherorts glaubte man, sie wären dem Zugriff von Hexen oder demTeufel ausgesetzt, kämen als ruhelose Seele zurück, in Form von Wiedergängern, Spukgeister, Irrlichter, oder im „Wilden Heer„, all das sollte die Taufe verhindern.

Mischbuch Calmbach 1746

Gäh-Taufe, „dat Kengk hät de Gäh krig“ – Nottaufe des Kindes, entspricht  der jach-Taufe von Neugeborenen, deren Überlebenschance äußerst gering ist. „Ein Töchterlein gebohren, so wegen Schwachheit jach getauft worden“ [Pirmasenser luth. Kirchenbuch 1768 9, S. 85], oder ehe-taufen eher taufen“, im Volksglauben ein neugeborenes Kind, das die Mutterbrust nicht annimmt und deshalb in der Gefahr steht, von Hexen „gesoffen“ zu werden, muß von der Amme im Namen des dreieinigen Gottes mit Wasser geehtäuft werden.

Rheinisches Wörterbuch2
Jach-Taufe Kirchenbuch Diebach, Mischbuch 1658-1694

Zeichnentalent der Pfarrer

Auch Pfarrer verwirklichten sich gern selbst, was nicht nur Magister Daniel Pfisterer tat – heute kennt man seine Zeichnungen aus der Veröffentlichung „Barockes Welttheater: Ein Buch von Menschen, Tieren, Blumen, Gewächsen und allerlei Einfällen“, sondern auch direkt im Kirchenbuch. Ein wunderbares Beispiel ist im Trauungsbuch 1694-1784 Arnsdorf der Diözese St. Pölten, Niederösterreich ab 1740 zu finden.

Lesehilfe für die alte Schrift

auf deutsch sehr gute Lesehilfen (pdf-Links) vom Landesarchiv Hessen

Hilfe, ich kann die Zahl nicht lesen!


In den Kirchenbüchern finden sich häufig römische Zahlen.

Verwendet wurden  I=1, V=5, X=10, L=50, C=100, D=500, M=1.00,

es gibt zudem die Werte ↁ= 5.000, ↂ= 10.000

Im Mittelalter traten auch j = I, ij = II, iij = III auf, also eine Kleinbuchstaben Schreibweise. Selten findet sich auch eine Schreibweise von Jahreszahlen, bei der am Ende statt II ein verlängerter Strich I steht. Dieser ersetzt den zweiten Strich.

Natürlich gib es in anderen Ländern auch weitere Schreibweisen, so verwendet man im kyrillischen möglichst ähnliche Zeichen, also Ziffer 1 (maschinengeschrieben I) = I,  П = II, Ш = III und У = V.

Diese wurden einfach aneinandergereiht und zusammengezählt. Steht einer dieser Buchstaben vor einem mit einem höheren Wert, so wurde dieser Buchstabe vom Wert der Zahl abgezogen.

In meinem Beispiel steht

1 × 1000+1 × 500+2 × 100+3 × 10+1 × 5+2 × 1=1737
M+D+CC+XXX+V+II=MDCCXXXVII

Hier ein Umrechner für die römischen (roman) Zahlen in „normale“ (decimal) bzw. eine Korrektur bei falsch geschriebenen römischen Zahlen, wenn man selbst welche schreiben möchte.

Warum sind Punkte über dem Y?

       Freÿer

Ÿ in alten Kirchenbüchern ist die Lautwiedergabe „ij“, wenn man i und j schreibt, sehen beide praktisch wie Ÿ aus und daher schrieb man das auch.

So schrieb man nicht Meijer sondern Meÿer. Daraus wurde später Meyer oder Meier. Natürlich auch bei Maijer -> Maÿer zu Maier oder auch Mayer. Vielfach ersetzte das ÿ auch das „ie“. So kamen die Pünktchen über den Buchstaben y.

Tironische Nota

Stenografie und Abkürzungen sind keine neue Erfindung, die Tironischen Noten sind ein römisches Kurzschriftsystem, das im ersten vorchristlichen Jahrhundert von Marcus Tullius Tiro, dem Privatsekretär Ciceros, zum Mitschreiben von Reden und Gerichtsverhandlungen entwickelt wurde und rund 4.000 Zeichen umfasste. Man findet diese auch heute noch in abgewandelter Form in unseren Schriften.

In alten Handschriften und Manuskripten wurde das diakritische Zeichen verwendet, um die Endung -us zu kennzeichnen. Dieses Zeichen wurde oft verwendet, um die Maskulin-Endung in lateinischen Wörtern wie dominus (Herr), filius (Sohn) oder servus (Sklave) zu kennzeichnen.

Eines weiteres Zeichen für die lateinische Maskulin-Endung „us“ und wird als Tironische Nota bezeichnet.

Commentarii notarum tironianarum3

Es sieht aus wie ein kleines c mit einem langen Schwanz, der nach rechts unten zeigt, siehe Marcus (128). Manchmal wird es auch als c mit einem kleinen Haken am Ende dargestellt. Dieses Zeichen entspricht nicht der Cedille Ç

Commentarii notarum tironianarum3

Beispiel der Tironischen Nota us in verschiedenen Vornamen

Bei Matheus (126) findet es sich in Form eines gedrehten c oder einer angedeuteten 9

Commentarii notarum tironianarum3

Im Mittelalter finden sich diese Nota ebenfalls in den Schriften als 9. Wir finden Tẏberius zunächst ausgeschrieben in Rot als Beginn des Kapitels, dann in der vorletzten Zeile des Auschnittes als Tyberi – hier erstetzt die Nota das –us.

Kaiserchroniken p4r3

Tẏberius
Daz buch kundet uns ſus.
Daz riche beſaz Tyberiꝰ.
Der gwan Romeren michil ere

Auch in späteren Zeiten finden sich diese Tironische Nota in Kirchenbüchern, sie erscheinen beim Lesen zunächst wie ein g oder manchmal wie ein y am Namensende.

Magstadt, Mischbuch 1677-1759 Bd 2

Pfalzgrafenweiler, Mischbuch1645-1719 Bd 1

auch hier wäre die richtige Lesart Christianus

GlobalGenSearch

Namenssuche in genealogischen Datenbanken, Kontakt: ahnen@familie-beuss.de


1 Johann Leonhard Frisch: Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch: Darinnen Nicht nur die ursprünglichen, nebst denen davon hergeleiteten und zusammengesetzten allgemein gebräuchlichen Wörter; Sondern auch die bey den meisten Künsten und Handwerken, bey Berg- und Saltzwerken, Fischereyen, Jagd-, Forst- und Hauß-Wesen, u.a.m. gewöhnliche teutsche Benennungen befindlich, … Mit allem Fleiß viel Jahr über zusammengetragen … Nebst einem Register der Lateinischen Wörter, Erster Theil; Berlin Nicolai 1741

2Rheinisches Wörterbuch. Bearb. und hrsg. von Josef Müller, ab Bd. VII von Karl Meisen, Heinrich Dittmaier und Matthias Zender. 9 Bde. Bonn und Berlin 1928-1971.

3Schmitz, Wilhelm: Commentarii notarum tironianarum cum prolegomenis adnotationibus criticis et exegeticis notarumque indice alphabetico; 1893, p375

4Kaiserchronik digital, Elektronische Ausgabe, hrsg. von Mark Chinca, Helen Hunter, Jürgen Wolf, Christopher Young. Heidelberg: Universitätsbibliothek, 2018. (https://doi.org/10.11588/edition.kcd).