Die Abschrift dieser Briefe1 habe ich um einige Worte in Klammern zum besseren Verständnis ergänzt, da sie in der Knickfalte verborgen sind. Die Rechtschreibung wurde übernommen. Die Auswandererfamilie inklusive Vorfahren und Nachkommen ist mir bekannt, aus Datenschutzgründen habe ich einen Link zur Datenbank bewußt weggelassen, da ein Teil der Familie sich durchaus betroffen fühlen könnte, weil sie den Schreiberling in ihrem Verhalten arg getroffen hatte – es war die eigene Verwandtschaft.
Die bewegenden Worte und Sorgen im ersten Weltkrieg und die Schwierigkeiten, Kontakt mit den zurück gebliebenen in der alten Heimat zu halten, sind es wert, gelesen zu werden.
Jasinti trauz den 3 Juli 1913
Gott zum Gruß an euch ihr unsere Lieben in der ferne von allen das wir noch alle am Leben sind. Ich muß diesmal meinen Brief kurz machen weil es schon Nacht ist und Morgen früh soll der Brief schon fort. Weil wir aber den ersehnten Regen hatten. Die vergangene Nacht mit Gewitter. Ich wollte noch warten so schreibe ichs jetzt, es war sehr troken aber jetzt kan doch unsere Frucht
aufgehen, wir sind gestern fertig geworden mit säen und die Nacht es gleich gut geregnet alle Leute sind noch nicht fertig, jetzt wollen wir ihm Hannes mal 2 Tage helfen mit 2 Pflüge der hat noch genug, noch 3 Wochen Arbeit der Martin Mutter u. Lisa fahren Morgen in die Stadt wir haben noch Etwas Frucht zum verkaufen. Und Muter u. Lisa fahren mit unserem Federwagen die nehmen
im Hannes sein Schwein mit zum verkaufen, Ich will nicht mit fahren. Ich bin erst kürzlich von der Reise gekommen Ich war in Coranel – Suarez war 10 Tage fort hab nach unserem Haus nachgeschaut, hab ja auch euren Brief erhalten
vom 18 April und auch das Bild auf mein Geburtstag danke vielmals dafür das du an mein 56 Geburtstag denkt hast.
Ach und Unser Stolz Christoph hat auch das Zeitliche gesegnet und so scht schnell ist er abberufen worden, möchte doch der Mahnungsruf, nicht bei uns vorüber gehen jede Stunde das wir doch auch sterben mmüssen behüte uns doch Herr vor einem schnellen Tode das es doch uns nicht so geht wie den Thörichten Jungfraun
N. 2.
jetzt nochmal so eine Traurige Nachricht vom Friedrich Kuch seinem Leonhart, was soll man aber da noch sagen könnte da die gemeinde keine Fürbitte einlegen für ihn, das dem Karl am Mutterwitz fehlt etwas das weiß ich ich hab ihn oft beobachtet wen du wieder schreiben thust dan vergeß es nicht wie es ihm ergangen ist weil ich
doch an dem bin Ich hab dir schon öfter geschrieben wie es den 3 Buben ergangen ist wo dem Treichel ermordet haben, Und unserem Bitterman Michael in Seimenthal wo den Mann erschlagen hat Du mußt es doch wissen, hast uns aber noch keine Auskunft gegeben Du mußt es immer vergessen, haben, auch hast du uns geschrieben das bei dem Geld der Herr Missler ein Brief beigelegt hat, das du es uns sollst zu wissen geben, Ich hab ihm gleich zurük geantwortet das ihr das
ehe Geld ohne Schwierigkeiten erhalten habt er freute sich sehr darüber das sich nicht wieder die Schwindliche Juden die Finger haben abputz können man kann sich verlassen auf den Missler, ich werd mich an keinen andern wenden wie an den Missler kann sein was es will, er laßt jetz auch das Buch von der Titanik von dem Schiffsuntergang kommen für mich könnt es ja schon langst haben aber ich bi zu früh gewesen, es biebt ja nich eins jetzt von dem großen Wirbelsturm Tonata wo so viele Tausend Menschen ums Leben kamen, wieider schreibst du ihm Martin seinem Brief das der Weingärtner glüklich zuhaus ankekomn ist Und ihr auch das geld erhalten habt aber weider gar nichst Ich hab ihm doch auch Porträter mitgegeben an alle man geschwister an jeden Eins, Und schreibst auch nicht das du das geschenk schon erhalten hast den Rok von der Mutter, Und ob du das Tuch schon erhalten hast von der Alten Krämern wo so viel Gram dir zubereitet hat, u ob du es so gemacht hast wie ich die geschrieben habe
Jasinto-trauz den 22
nach Russischer Rechnung den 9 Dezember 1914 Ach betet auch wir hier alle ins gesammt, das doch die Flucht nicht möge im Winter geschehen, traurig, traurig, was wird as noch werden, was haben wir nicht alle verdient bei unserem Gott, alle ohne ausnahme, das wir so gestraft werden nach verdienst möchten doch alle von Herzen Bitten und unsere Knie beugen vor unserem Gott der doch alles in seiner Hand hat, vom Kaiser u. König an, bis auf den gemeinsten Soldat das doch die Menschenschlächterei ein Ende möge kriegen. Es ist schwer in solchen Zeiten ein Brief zu schreiben. Darum möchte ich doch alle Grenzbeamte Bitten wo der Brief in die Zensur komt, nicht in den Babierkorb zu werfen ich schreibe ja nichts Unrechtes, mein Wunsch wäre doch das mein schreiben doch an Ort und stelle möge gelangen, das doch meine einzige Tochter, deren Mann auch im Krieg ist, wen nicht schon lang Todt. Daß sie doch von uns Nachricht bekomt, das wir an ihrem Schmerz antheil nehmen. Ein Lied im Gesangsbuch, 603 habs eben, aufgeschlagen, nicht besonders gesucht. Wenn wir in höchsten Nöthen sein; und wissen nicht, wo aus noch ein, und finden weder Hilf noch Rath2, ob wir gleich soogen Früh und Spat. u. s.w. Ach was soll ich dan schreiben, Ich weiß zu viel, und kans und darf nichts schreiben, Ich möchte doch Neutral bleiben, das Ich doch keinen verletzen thue, Es thut mir Leid genug, das Rußland und Teutschland Krig miteinander führen, Nachbarn und Blutsfreund, möge doch unser Gott bald ein End machen, Es wären doch schon genug Wittwen und Waisen, bis in die Hunderttausende sind wo der Vater in fremder Erde begraben liegt. Gott erbarm dich doch Entlich es wären genug nach Menschlicher Ansicht, aber nicht Unser Wille sondern dein Wille soll geschehen
Wil etwas anderes schreiben wie es uns geht in der Fremde die unsrigen sind noch alle gesund u. am Leben gerate Ich bin nicht gesund, ich kan in der Ernde nicht mehr arbeiten, mein Herz ist noch gesund, und kann auch noch gut Essen, aber mich hat jetzt schon 2 mal eine Art schlag getroffen, voriges Jahr ehe Ich zur Johanna gereist bin, habs nicht groß geachtet und dieses Jahr schon wieder im Oktober Monat, und es will nicht mehr besser werden eher noch schlechter, wen ich ins Spital könnt gehn thät ich vieleicht wieder gesund werden, auf der rechten Seite von Kopf bis an die Fußsohle bin ich halb Lahm, Ich will arbeiten aber ich kann nicht mit der Ernde steht es noch gut, in 5 Tage, geht es los. wens noch [ohne] schaden bleibt, da kan man schon in das Leid einstimmen die Ernd ist da Es winkt der Halm dem Schnitter schon entgegen, wen es so noch vor schaden behütet und bewahret bleibt. es ist jetzt die gefährliche Zeit hier mit dem Hagel vor 4 u 5 Tag hat es gar nicht weit viel Frucht verschlagen so schnell kan unser Gott einen Strich durch die Rechnung machen. Und die Leute sind theuer dieses Jahr durch den Krieg uns kommt unser Ernd wenigstens 700 Peso ohne die Kost, wir haben auch viel Arbeit, wens vor schaden sollte bleiben, Ich säe nicht mer h.. ich kan nicht mehr arbeiten Unser Haus in Koronel-Suarez geht uns mit sach[en] zu grunde sind lauter so liedriches Saratofer wo das Haus bewohnen, und dan gehn sie bei Nacht und Nebel davon, und Zahlen nichts. jetzt gehe nach, und such sie in der Welt. Ich sollte noch viel schreiben aber es geht nicht, bekomst dan du gar keine Nachricht vom August wo mag er wol sein wen er noch unter den lebenden ist, deine 3 Briefe haben wie nacheinander bekomen von 20 Juli 28 Juli 9 September. wo der August nach Odessa ist zum Schluß wünschen wir doch das er doch die seinen wieder sehen möchte Grüßt doch die Katharina von uns und eure Eltern wen sie noch leben wir verbleiben deine alte Eltern V. und Mutter auf ein anders wiedersehen
Jasinto trauz den 1 August 1915
Weil heute der 1 August ist nach Russischer Rechnung der 19 Juli müssen wir Eurer gedenken ist gerade ein Jahr her da der August unter die Waffen berufen worden ist, ob er noch lebt das weißt Gott besser als wir hier, 1 Jahr ist schon
vergangen Und noch kein Frieden. hab heute die Zeitung bekommen, Und ist nichts von Friedensverhandlungen zu finden möchte sich doch Gott entlich doch doch einmal Erbarmen
und dem Menschenmorden doch ein Ende machen O Herr erhör du doch unser aller Menschen ihr Gebet, daß es doch Frieden gäbe möchte, Erhörst dan du gar kein Gebet mehr, Ein guter Vater Erbarmt sich doch über seine Kinder so erbarm doch du dich auch entlich die deinen was soll Ich dir Lisa wieder schreiben, trag alles in geduld was unser Gott dir auferlegt hat. In größer Kreuz zu näher Himmel, wer ohne Kreuz ist ohne Gott mit gewalt können wir nichts erbitten, wir müssen aushalten, hilf Herr einen jeden sein Kreuz tragen möchte doch die Zollbehörde bitten den Brief durchzulassen, und nicht in den Babierkorb zu werfen, ich schreibe ja nichts unrechtes vom Krieg weiß ich ja noch zuviel, konnte ein ganzes Buch voll schreiben weiß jeden Fleck wo gekämpft wird will dir Jetzt auch zu wissen geben so viel ich weiß ist das der Fünfte Brief wo aufm weg ist Deinen Brief vom 8ten Abril haben wir erhalten Ich hab ihn der Johanna zugeschikt. will dir auch zu wissen geben das 50 Peso geld auf dem Weg nach Rußland an dich sind. Ich hab das Geld ihn
Quer—————-
Sei du so gut Lisa und geh nüber nach Brienne zum Maribasle und frag sie ob sie kein Brief von uns erhalten
hat und grüß sie von uns Ich hab ihr geschrieben den nämlichen Inhalt von deinem brief. sie weißt es besser wer
unter die Waffen gerufen ist Ich will jetzt gerate sagen Gustav Zimmermann S. Gottlieb u.s.f. grüß auch Zimmermanns
von uns die Ernde war gut. hab noch für 400 Peso Frucht zum verkaufen. Ist aber auch alles theuer hier. Der Weltkrieg
auf dem Kopf——-
lebt den euer Vater
auch noch Grüß ihn von uns
Georg zugeschikt oder den Cheek, das war so, die Johanna u Georg haben uns diesen Winter besucht sie warn aber ein Monat hier auf besuch ist ein manches geredet worden von dir und vom August wie mans machen soll das man dir doch in der großen Noth doch etwas helfen kan, Ich war selbst in Buenos Aires beim F. Missler hab mich unäntlich befragt wie mans machen soll um gelder nach Rußland zu schiken dan sagte er jetzt geht es nicht wird mir schreiben wens geht wird er es abschiken jetzt das der G[eorg] hier war im Mai Monat hat er uns einen plan angegeben wen er nach hause fahrt dan werd er selbst zum Russischen Kunsol gehen und sich dort befragen ganz genau er kan gut Russisch reden und auch schreiben dan werd ers uns zu wissen thun und ihm Juni hat er uns geschrieben er war beim Kunsol dan hab ich einen Cheek gekauft beim unserm Geschäftsman für 55 Peso und unserer Besek zugeschikt nach Entre-Rios und der hat den Cheek durch den Ku[nsol] abgeschikt, jetzt wer weiß ob du es wol erhalten wirst in deren Kriegsz[eiten] ob es nicht verloren ist, ware da ein so großer verlust für dich und auch [für] uns wie wäre doch dir geholfen wen du es solltest glüklich bekomen dan sch[reib] es in 2 Briefe komt einer nicht her dan komt vielleicht der andere, dan schiken [wir] nochmal etwas wie könnten gleich wieder aber wenns verloren dan ists..
Ich will noch Etwas schreiben was du mir beantworten wo ist der Gottliebsvetter ist er unter die Fahnen berufen worten Und schreib mal nach Glüksthal sie sollen dich betauern und sollen deiner Mutter ihr vermögen dir zukommen lassen die Groß[mu]ter wird ja jetzt Todt sein. Hilfts nichts dan schads nichts noch Etwas zum Schluß schreib mir [in] kurzen Worten wer in Brienne als unter die Waffen gerufen worden ist. schreib gerade so Augu[st] Rudel S. von Friedrich u.s. w. zum schluß grüßen wir dich mit samt deinen Kindern v[on] deinen Eltern und geschwistern nochmals bis aufs frohe wiedersehen, Ich dein Vater werd dich wol nicht mehr von Angesich sehen Ich bin arg ungesund arbeiten kan ich nicht mehr
1 R 57 Deutsches Auslands-Institut
6.1.6.3.1.2.7. Arzis
R 57/10845 A – G
Unterlagenart Sachakte
Alte Signatur R 57-NEU/1314
Benutzungsort Berlin-Lichterfelde
2 Christliches Kirchen und Haus-Gesangbuch: Für evangelischlutherische Gemeinen. Nebst einem Gebetbuch, einem Lectionarium und dem kleinen Katechismus Martin Luthers. Hrsg. von Karl Petrus Theodor Crome
Druck von A. Martini u. Grüttefien in Elberfeld, 1875