Briefe aus Südamerika 1913-1915

Die Abschrift dieser Briefe1 habe ich um einige Worte in Klammern zum besseren Verständnis ergänzt, da sie in der Knickfalte verborgen sind. Die Rechtschreibung wurde übernommen. Die Auswandererfamilie inklusive Vorfahren und Nachkommen ist mir bekannt, aus Datenschutzgründen habe ich einen Link zur Datenbank bewußt weggelassen, da ein Teil der Familie sich durchaus betroffen fühlen könnte, weil sie den Schreiberling in ihrem Verhalten arg getroffen hatte – es war die eigene Verwandtschaft.

Die bewegenden Worte und Sorgen im ersten Weltkrieg und die Schwierigkeiten, Kontakt mit den zurück gebliebenen in der alten Heimat zu halten, sind es wert, gelesen zu werden.


 

 

Jasinti trauz den 3 Juli 1913
Gott zum Gruß an euch ihr unsere Lieben in der ferne
von allen das wir noch alle am Leben sind. Ich muß
diesmal meinen Brief kurz machen weil es schon Nacht ist
und Morgen früh soll der Brief schon fort. Weil wir
aber den ersehnten Regen hatten. Die vergangene Nacht
mit Gewitter. Ich wollte noch warten so schreibe ichs
jetzt, es war sehr troken aber jetzt kan doch unsere Frucht
aufgehen, wir sind gestern fertig geworden mit säen und
die Nacht es gleich gut geregnet alle Leute sind noch nicht
fertig, jetzt wollen wir ihm Hannes mal 2 Tage helfen
mit 2 Pflüge der hat noch genug, noch 3 Wochen Arbeit
der Martin Mutter u. Lisa fahren Morgen in die Stadt
wir haben noch Etwas Frucht zum verkaufen. Und Mu-
ter u. Lisa fahren mit unserem Federwagen die nehmen
im Hannes sein Schwein mit zum verkaufen, Ich will nicht
mit fahren. Ich bin erst kürzlich von der Reise gekommen
Ich war in Coranel – Suarez war 10 Tage fort hab nach
unserem Haus nachgeschaut, hab ja auch euren Brief erhalten
vom 18 April und auch das Bild auf mein Geburtstag danke
vielmals dafür das du an mein 56 Geburtstag denkt hast.
Ach und Unser Stolz Christoph hat auch das Zeitliche gesegnet
und so scht schnell ist er abberufen worden, möchte doch der
Mahnungsruf, nicht bei uns vorüber gehen jede Stunde das
wir doch auch sterben mmüssen behüte uns doch Herr vor einem
schnellen Tode das es doch uns nicht so geht wie den Thörichten Jungfraun

N. 2.

jetzt nochmal so eine Traurige Nachricht vom Friedrich Kuch seinem
Leonhart, was soll man aber da noch sagen könnte da die gemeinde
keine Fürbitte einlegen für ihn, das dem Karl am Mutterwitz fehlt
etwas das weiß ich ich hab ihn oft beobachtet wen du wieder
schreiben thust dan vergeß es nicht wie es ihm ergangen ist weil ich
doch an dem bin Ich hab dir schon öfter geschrieben wie es den 3 Buben
ergangen ist wo dem Treichel ermordet haben, Und unserem Bitterman
Michael in Seimenthal wo den Mann erschlagen hat Du mußt es
doch wissen, hast uns aber noch keine Auskunft gegeben Du mußt
es immer vergessen, haben, auch hast du uns geschrieben das bei dem
Geld der Herr Missler ein Brief beigelegt hat, das du es uns sollst
zu wissen geben, Ich hab ihm gleich zurük geantwortet das ihr das
ehe Geld ohne Schwierigkeiten erhalten habt er freute sich sehr darüber
das sich nicht wieder die Schwindliche Juden die Finger haben abputz
können man kann sich verlassen auf den Missler, ich werd mich an
keinen andern wenden wie an den Missler kann sein was es will, er
laßt jetz auch das Buch von der Titanik von dem Schiffsuntergang
kommen für mich könnt es ja schon langst haben aber ich bi zu früh
gewesen, es biebt ja nich eins jetzt von dem großen Wirbelsturm Tonata
wo so viele Tausend Menschen ums Leben kamen, wieider schreibst
du ihm Martin seinem Brief das der Weingärtner glüklich zuhaus
ankekomn ist Und ihr auch das geld erhalten habt aber weider
gar nichst Ich hab ihm doch auch Porträter mitgegeben an alle man
geschwister an jeden Eins, Und schreibst auch nicht das du das geschenk
schon erhalten hast den Rok von der Mutter, Und ob du das Tuch schon
erhalten hast von der Alten Krämern wo so viel Gram dir zubereitet
hat, u ob du es so gemacht hast wie ich die geschrieben habe

Jasinto-trauz den 22 nach Russischer Rechnung den 9 Dezember 1914
Ach betet auch wir hier alle ins gesammt, das doch die Flucht
nicht möge im Winter geschehen, traurig, traurig, was wird
das noch werden, was haben wir nicht alle verdient bei unserem
Gott, alle ohne ausnahme, das wir so gestraft werden nach verdienst
möchten doch alle von Herzen Bitten und unsere Knie beugen vor un-
serem Gott der doch alles in seiner Hand hat, vom Kaiser u. König
an, bis auf den gemeinsten Soldat das doch die Menschenschlächte-
rei ein Ende möge kriegen. Es ist schwer in solchen Zeiten ein Brief
zu schreiben. Darum möchte ich doch alle Grenzbeamte Bitten wo der
Brief in die Zensur komt, nicht in den Babierkorb zu werfen
ich schreibe ja nichts Unrechtes, mein Wunsch wäre doch das mein
schreiben doch an Ort und stelle möge gelangen, das doch meine einzi-
ge Tochter, deren Mann auch im Krieg ist, wen nicht schon lang
Todt. Daß sie doch von uns Nachricht bekomt, das wir an ihrem
Schmerz antheil nehmen. Ein Lied im Gesangsbuch, 603 habs eben, auf-
geschlagen, nicht besonders gesucht. Wenn wir in höchsten Nöthen sein;
und wissen nicht, wo aus noch ein, und finden weder Hilf noch
Rath2, ob wir gleich soogen Früh und Spat. u. s.w. Ach was
soll ich dan schreiben, Ich weiß zu viel, und kans und darf nichts
schreiben, Ich möchte doch Neutral bleiben, das Ich doch keinen ver-
letzen thue, Es thut mir Leid genug, das Rußland und Teutschland
Krig miteinander führen, Nachbarn und Blutsfreund, möge doch
unser Gott bald ein End machen, Es wären doch schon genug Wittwen
und Waisen, bis in die Hunderttausende sind wo der Vater in fremder
Erde begraben liegt. Gott erbarm dich doch Entlich es wären genug nach Mensch-
licher Ansicht, aber nicht Unser Wille sondern dein Wille soll geschehen

Wil etwas anderes schreiben wie es uns geht in der Fremde
die unsrigen sind noch alle gesund u. am Leben gerate Ich bin
nicht gesund, ich kan in der Ernde nicht mehr arbeiten, mein Herz
ist noch gesund, und kann auch noch gut Essen, aber mich hat jetzt
schon 2 mal eine Art schlag getroffen, voriges Jahr ehe Ich zur
Johanna gereist bin, habs nicht groß geachtet und dieses Jahr schon
wieder im Oktober Monat, und es will nicht mehr besser werden
eher noch schlechter, wen ich ins Spital könnt gehn thät ich vieleicht
wieder gesund werden, auf der rechten Seite von Kopf bis an die
Fußsohle bin ich halb Lahm, Ich will arbeiten aber ich kann nicht
mit der Ernde steht es noch gut, in 5 Tage, geht es los. wens noch [ohne]
schaden bleibt, da kan man schon in das Leid einstimmen die Ernd ist da
Es winkt der Halm dem Schnitter schon entgegen, wen es so noch vor schaden
behütet und bewahret bleibt. es ist jetzt die gefährliche Zeit hier mit dem Hagel
vor 4 u 5 Tag hat es gar nicht weit viel Frucht verschlagen so schnell kan un-
ser Gott einen Strich durch die Rechnung machen. Und die Leute sind theuer dieses
Jahr durch den Krieg uns kommt unser Ernd wenigstens 700 Peso ohne die Kost, wir
haben auch viel Arbeit, wens vor schaden sollte bleiben, Ich säe nicht mer h..
ich kan nicht mehr arbeiten Unser Haus in Koronel-Suarez geht uns mit sach[en]
zu grunde sind lauter so liedriches Saratofer wo das Haus bewohnen, und dan gehn
sie bei Nacht und Nebel davon, und Zahlen nichts. jetzt gehe nach, und such sie
in der Welt. Ich sollte noch viel schreiben aber es geht nicht, bekomst dan du
gar keine Nachricht vom August wo mag er wol sein wen er noch unter
den lebenden ist, deine 3 Briefe haben wie nacheinander bekomen von 20 Juli
28 Juli 9 September. wo der August nach Odessa ist zum Schluß wünschen wir doch das er
doch die seinen wieder sehen möchte Grüßt doch die Katharina von uns und eure Eltern
wen sie noch leben wir verbleiben deine alte Eltern V. und Mutter auf ein anders wiedersehen

Jasinto trauz den 1 August 1915
Weil heute der 1 August ist nach Russischer Rechnung
der 19 Juli müssen wir Eurer gedenken ist gerade ein Jahr
her da der August unter die Waffen berufen worden ist, ob er
noch lebt das weißt Gott besser als wir hier, 1 Jahr ist schon
vergangen Und noch kein Frieden. hab heute die Zeitung
bekommen, Und ist nichts von Friedensverhandlungen zu finden
möchte sich doch Gott entlich doch doch einmal Erbarmen
und dem Menschenmorden doch ein Ende machen O Herr
erhör du doch unser aller Menschen ihr Gebet, daß es
doch Frieden gäbe möchte, Erhörst dan du gar kein Gebet
mehr, Ein guter Vater Erbarmt sich doch über seine Kinder
so erbarm doch du dich auch entlich die deinen was soll
Ich dir Lisa wieder schreiben, trag alles in geduld
was unser Gott dir auferlegt hat. In größer Kreuz zu
näher Himmel, wer ohne Kreuz ist ohne Gott mit gewalt
können wir nichts erbitten, wir müssen aushalten, hilf
Herr einen jeden sein Kreuz tragen möchte doch die Zoll-
behörde bitten den Brief durchzulassen, und nicht in den
Babierkorb zu werfen, ich schreibe ja nichts unrechtes
vom Krieg weiß ich ja noch zuviel, konnte ein ganzes
Buch voll schreiben weiß jeden Fleck wo gekämpft wird
will dir Jetzt auch zu wissen geben so viel ich weiß
ist das der Fünfte Brief wo aufm weg ist Deinen Brief
vom 8ten Abril haben wir erhalten Ich hab ihn der Johanna
zugeschikt. will dir auch zu wissen geben das 50 Peso geld
auf dem Weg nach Rußland an dich sind. Ich hab das Geld ihn

Quer—————-
Sei du so gut Lisa und geh nüber nach Brienne zum Maribasle und frag sie ob sie kein Brief von uns erhalten
hat und grüß sie von uns Ich hab ihr geschrieben den nämlichen Inhalt von deinem brief. sie weißt es besser wer
unter die Waffen gerufen ist Ich will jetzt gerate sagen Gustav Zimmermann S. Gottlieb u.s.f. grüß auch Zimmermanns
von uns die Ernde war gut. hab noch für 400 Peso Frucht zum verkaufen. Ist aber auch alles theuer hier. Der Weltkrieg

auf dem Kopf——-
lebt den euer Vater
auch noch Grüß ihn von uns

Georg zugeschikt oder den Cheek, das war so, die Johanna u
Georg haben uns diesen Winter besucht sie warn aber ein
Monat hier auf besuch ist ein manches geredet worden von
dir und vom August wie mans machen soll das man dir doch in der
großen Noth doch etwas helfen kan, Ich war selbst in Buenos Aires
beim F. Missler hab mich unäntlich befragt wie mans machen soll
um gelder nach Rußland zu schiken dan sagte er jetzt geht es nicht
wird mir schreiben wens geht wird er es abschiken jetzt das der G[eorg]
hier war im Mai Monat hat er uns einen plan angegeben wen er nach hause
fahrt dan werd er selbst zum Russischen Kunsol gehen und sich dort befragen
ganz genau er kan gut Russisch reden und auch schreiben dan werd ers uns zu
wissen thun und ihm Juni hat er uns geschrieben er war beim Kunsol dan hab
ich einen Cheek gekauft beim unserm Geschäftsman für 55 Peso und unserer
Besek zugeschikt nach Entre-Rios und der hat den Cheek durch den Ku[nsol]
abgeschikt, jetzt wer weiß ob du es wol erhalten wirst in deren Kriegsz[eiten]
ob es nicht verloren ist, ware da ein so großer verlust für dich und auch [für]
uns wie wäre doch dir geholfen wen du es solltest glüklich bekomen dan sch[reib]
es in 2 Briefe komt einer nicht her dan komt vielleicht der andere, dan schiken [wir]
nochmal etwas wie könnten gleich wieder aber wenns verloren dan ists..
Ich will noch Etwas schreiben was du mir beantworten wo ist der Gottliebsvetter ist er
unter die Fahnen berufen worten Und schreib mal nach Glüksthal sie sollen dich
betauern und sollen deiner Mutter ihr vermögen dir zukommen lassen die Groß[mu]-
ter wird ja jetzt Todt sein. Hilfts nichts dan schads nichts noch Etwas zum Schluß schreib mir [in]
kurzen Worten wer in Brienne als unter die Waffen gerufen worden ist. schreib gerade so Augu[st]
Rudel S. von Friedrich u.s. w. zum schluß grüßen wir dich mit samt deinen Kindern v[on]
deinen Eltern und geschwistern nochmals bis aufs frohe wiedersehen, Ich dein Vater
werd dich wol nicht mehr von Angesich sehen Ich bin arg ungesund arbeiten kan ich nicht mehr

 


1 R 57 Deutsches Auslands-Institut
6.1.6.3.1.2.7. Arzis
R 57/10845 A – G
Unterlagenart Sachakte
Alte Signatur R 57-NEU/1314
Benutzungsort Berlin-Lichterfelde

2 Christliches Kirchen und Haus-Gesangbuch: Für evangelischlutherische Gemeinen. Nebst einem Gebetbuch, einem Lectionarium und dem kleinen Katechismus Martin Luthers. Hrsg. von Karl Petrus Theodor Crome
Druck von A. Martini u. Grüttefien in Elberfeld, 1875

 

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