Sankt Petersburger Gouvernement

Festung Peter und Paul, um 1720

Mit der Gründung der Festung Peter und Paul am 16.5.1703 durch Zar Peter den Großen begann der Zuzug von Ausländern an die Newa.

Die Manifeste Katharina II. von 1762 und 1763, sowie Alexander I. von 1804 sorgten bald für die Gründung zahlreicher Kolonien.

Im Jahre 1765 wurden 110 Familien aus Brandenburg und Württemberg angeworben, nach Fertigstellung der Kontrakte 1765 und 1766 gründeten diese am rechten Newa-Ufer 13 Werst von St. Petersburg im Frühjahr 1766 die Kolonie Neu-Saratowka (60 Familien gaben der Kolonie Nr. 3 den Beinamen „Sechziger Kolonie“), im Frühjahr 1767 etwa 12 Werst von St. Petersburg Srednjaja Rogatka  (Nr. 4 oder „Zweiundzwanziger Kolonie“) und Kolpinaja Rogatka an der Ischora („Achtundzwanziger Kolonie“). Ihnen folgten in die Nähe von Jamburg im Frühjahr 1767 weitere 82 katholische Kolonisten aus der Region um Bayreuth [Matthäi1 sprach abweichend von 67 Familien aus der Pfalz, Hessen-Darmstadt, Schwaben und Preußen], diese ließen sich in den neu gegründeten Kolonien Luzkaja (Nr. 15), Porchow (Nr. 16) und Frankfurt (Nr. 17) nieder.

1766 waren zudem Hirschenhof und Helffreichshof durch 86 bayrische und württembergische Familien gegründet worden, welche auf dem Seeweg über Riga die Region Wenden in Livland erreichten und blieben.

Bald folgten weitere Kolonisten aus Württemberg, Baden-Durlach, dem Niederelsass und Preußen, welche bis dahin auf polnischen Gebieten lebten, ehe diese Gebiete an Preußen fielen.

Aus Inowlodz, Gouvernement Warschau trafen 1808 16 deutsche Familien zur Ansiedlung in Oranienbaum (Nr. 13) ein, bis August 1809 folgten 18 Familien zur Ansiedlung in die Kolonie Kronstadt (Nr. 12).

Zu den 1809 angeworbenen Auswanderern zählte auch Paulus Schlenker (*15.02.1785 in Schwenningen), der mit Vater, Stiefmutter und Geschwistern nach Polen zog und dessen Geschwister in Bessarabien siedelten. Er selbst ließ sich zunächst für 5 Rubel Miete im Monat in der Kolonie Srednja Rogatka nieder.

Im Jahre 1810 siedelten sich Badener, Württemberger und Preußen in Jswarskij Obrjes an. Die Gegend war jedoch so karg, das man diesen Kolonisten im Jahre 1812 die Umsiedlung gewährte. Sechs Familien kamen nach Etüp (Nr. 2), 28 Familien siedelten in der Kolonie Strelna (Nr. 8). Offiziell mit der Geburt des ersten Kindes im Dorf am 18. November 1810 gegründet und erlangte der Ort durch seine Milchprodukte, die später per Zug („Milcheisenbahn“) nach St. Petersburg geliefert wurden, Bekanntheit.

Paulus Schlenker, der 1810 mit seiner Familie auf dem Hof Nr. 8 der Oberen Kolonie Iswara lebte, verlor bei Unruhen 1811 seinen Hof, welcher zusammen mit einigen weiteren Höfen abbrannte. Mit der nötigsten Kleidung versorgt, wie eine erhalten gebliebene Liste des Jahres 1811 berichtet, wurden 42 Familien in zwei Gruppen nach Noworossia geschickt. In der Begleitung von Staatsrat Livanov machten sie sich am 27. und 30. Dezenber 1812 auf den Weg. Unterwegs starben drei Kinder und eines wurde geboren, ehe sie Jekaterinoslaw am 4. Februar 1813 erreichten. Der Zensus weist Paulus und seine Familie am 13. August 1813 in Weinau (heute Tschapajewka/Чапаєвка) auf dem Hof Nr. 22 aus.

Weiterhin entstanden 1812 die Kolonien Kipen (Nr. 9) mit 11 Familien und Petershof. Friedenthal (Nr. 1) wurde 1819 gegründet, 1830 Graschdanka (Nr. 6), Owzyna (Nr. 7), die Alexandriner Kolonie (Nr. 11) entstand 1834 nahe Peterhof, 1843 entstand als letzte Kolonie Snamen (Nr. 10).12

Kolonien um Sankt Petersburg


Zu den württembergischen Familien, welche ihr Glück in der Ansiedlung bei St. Petersburg suchten, gehörte auch die Familie Gehweiler. Nach ihrer Auswanderung aus Zaberfeld führte sie ihr Weg nach Flensburg3, dann auf die Kolonistenstelle Holsteinshof in der Kolonie G 1 „Friderichsau“ im Amt Gottorf. Nach dem 2. April 1765 verließen sie mit anderen Familien Dänemark, vermutlich auf dem Schiffswege ab Lübeck. Dort wurden die Kolonisten von Mitarbeitern der russischen Regierung versorgt und  an Bord von Schiffen Richtung Kronstadt gebracht. Bei ihrer Ankunft kamen die Kolonisten vorübergehend nach Oranienbaum, von dort aus angesiedelt.

In Oranienbaum wurden die Kolonisten aufgefordert, ihren Treueeid abzulegen:

Ich, unten genannter, verspreche und schwöre vor dem allmächtigen Gott und vor dem heiligen Evangelium, dass ich Ihrer Kaiserlichen Hoheit, meiner allergnädigsten  Grossen Kaiserin Catharina Alexejewna, Herrscherin zu Russland, sowie dem Sohn von Ihrer Kaiserlichen Hoheit, den liebenswürdigen Prinzen und Fürsten Pavel Petrovitsch, dem rechtlichen Nachfolger des russischen Thrones, treu und ehrlich zu dienen und bis zum letzten Blutstropfen in allem zu gehorchen.
All die gesetzlichen Rechte und Privilegien Ihrer Kaiserlichen Hoheit, sowie die künftigen Gesetze sind von mir zu bewahren und mit Verstand, aller Kraft und auf jede Weise zu verteidigen.  Ich werde allem beistehen, treu  dienen  und für das Wohlergehen des Staates eintreten.

Alles, was Schaden und Nachteile Ihrer Kaiserlichen Hoheit zufügen könnte, ist nicht nur von mir sofort zu berichten, sobald ich darüber erfahre, sondern von mir auch mit allen Mitteln zu verhindern.
Jedes Geheimnis, was mir anvertraut werde, ist standhaft zu bewahren. Es ist von mir mit gutem Gewissen zu tragen nach zugeteiltem Rang laut Instruktionen, Regelungen und Erlassen.
Rang und Schwur wegen der Gier, Freundschaft und Feindlichkeit ist meinerseits nicht zu brechen. Als guter und treuer Sklave und Unterthan Ihrer Kaiserlichen Hoheit werde ich mich wohlverhalten.
Da ich mich vor dem Jüngsten Gericht immer dafür verantworten werde, so möge mir mein Gott leiblich und seelisch helfen.
Zum Abschluss meines Schwures küsse ich die geschriebenen Worte und das Kreuz meines Erlösers.

Amen !

Etwa die Hälfte aller deutschen Kolonistenfamilien, die den Werbern nach Dänemark folgten, wanderten nach Russland weiter. Von diesen Weiterwanderern wurden etwa 75 %  Siedler an der Wolga, einige blieben am Don (Riebensdorf), in Lettland (Hirschenhof) oder am Schwarzen Meer, die Gehweilers siedelten sich in Kolpino an der Ischora an.

Johann Conrad Gehweiler war im Gegensatz zur Angabe bei Eichhorn3 kein Leinweber aus Sachsen, sondern Bürger, Gerichtsverwandter und Küfer, der mit seiner Familie aus Zaberfeld, Württemberg auswanderte.

Ihre Geschichte wird hier erzählt.

Die Familienlinie teilte sich, während Johann Conrad Gehweiler bereits 1762 auswanderte, suchten die Enkelkinder seines Bruders Johann Michael Gehweiler ihr Glück in der Auswanderung in die Schwarzmeerregion. Dort verehelichte sich Heinrich Gehweiler 1918 mit Amalie Kühn. Der Kreis zu unserer Familie schließt sich hier.


Quellen:

  1. Die deutschen Ansiedlungen in Russland, Friedrich Matthäi, Leipzig 1866 (p. 22ff)
  2. Deutschtum in Russland, Theodor Baßler, München 1911, Der Kampf um das Deutschtum Heft 12 (p.89)
  3. Die Einwanderung deutscher Kolonisten nach Dänemark und deren weitere Auswanderung nach Russland in den Jahren 1759-1766, Dr. Alexander Eichhorn, Dr. Jacob und Mary Eichhorn, Bonn, Germany – Midland, Michigan, USA, 2012 (p. 417)

„Geweiler, Johann Conrad, 53 (Aug. 1763), Einw., ev.-luth., Ackersmann und Leinweber aus Sachsen oder Württemberg. Ehefrau: Christina 27. j Kinder: Stiefsohn Johann Georg (Carl), 19; Stieftochter Anna Dorothea, 13. Ankunft in Flensburg (Herzogtum Schleswig/DK) am 22. Mai 1762. Vereidigt am 4. Juni 1762. Reservekolonist im Ann Flensburg. Am 5. Aug. 1763: Wohnstelle Nr. 17 . Ahlefelds Hof in der Kolonie G 1 „Friderichsau“, Amt Gottorf. Letztes Verzeichnis in Dänemark am 2. April 1765. Nach Russland ausgewandert. Verzeichnet im Kirchenbuch von Neu-Saratowka bei St. Petersburg.

weiterführend:

Herbert Schmidt; Kolonistenatlas der Heide-und Moorkolonisation im Herzogtum Schleswig 1760-1765, Wachholtz Verlag 2011
Otto Clausen; Chronik der Heide und Moorkolonisation im Herzogtum Schleswig (1760–1765), Husum Verlag 1981


Bilder:

  1. Peter und Paul, Festung um 1720 wikimedia, public domain
  2. Die deutsche Zarin, Denkwürdigkeiten der Kaiserin Katharina II. von Russland, Wilhelm Rath, Langewiesche München 1917 (p. 311)
  3. St. Petersburg, Karte nachbearbeitet nach Stumpp
  4. Ausschnitt aus RGIA in St. Petersburg, [ргиа ф383оп29д1153л192] – vielen Dank an Anatol Gehweiler (1952-2015), der mir dieses Dokument zur Verfügung stellte
  5. Kartenausschnitt aus Das Deutschtum in den Ostsee-Provinzen Kurland, Livland und Ehstland (Estland, estnisch, Eesti) und deutsche Kolonien auf den Kronsgütern Hirschenhof und Helfreichshof in Livland. Paul Langhans Deutscher Kolonialatlas, Gotha, Justus Perthes, abgeschlossen Juli 1897
  6. Eid: RGADA in Moskau – vielen Dank an Anatol Gehweiler (1952-2015), der mir dieses Dokument zur Verfügung stellte
  7. Kirchenbuch Ochsenburg, Mischbuch 1738-1807, Band 2, p.225

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