Katharinenfeld den 16. Januar 1921
Im letzten Spätherbst zog eine Gruppe hiesiger Jünglinge und Jungfrauen nach Württemberg, um dort zu studieren, vor ihrer Abfahrt ließen sich die meisten vom Ortspastor Bescheinigungen darüber ausfertigen, dass sie wirklich württembergische Abstammung sind. – „Ja, ist denn das noch nachweisbar?“, hörte man damals öfter fragen, denn wiewohl man sich dessen hier vollständig bewusst ist, dass unsere Vorfahren aus Württemberg ausgewandert sind, so kennt den eigentlichen Heimatort seiner Voreltern doch nur noch selten jemand. Die Alten sind längst nicht mehr da, die Jungen denen man es wohl oft erzählt hatte, sind auch alt geworden und jene nachgefolgt. Mit ihnen hat auch der Briefwechsel allmählich nachgelassen und endlich aufgehört und so haben sich Verwandte und Freunde von hier und drüben auf ganz natürliche Weise vergessen. Der letze, mir bekannte Brief aus Schwaben an die Verwandten in Katharinenfeld, stammt aus Schorndorf und ist datiert vom 5. Dezember 1877. Es erkundigt sich darin eine geb. Kärcher in recht herzlichem Tone über das Wohlergehen ihrer Verwandten hier und bittet, doch mit dem nächsten Briefe ihre Fotografien mitzuschicken. „um wenigstens einander in so weiter Ferne auf dem Papier kennenzulernen. „ – Erst in letzter Zeit regt sich wieder ein besonderes Interesse für sie. Um nun diesem einigermaßen entgegenzukommen, seien hier in Kürze die Daten angegeben, die sich nach den noch vorhandenen Familienverzeichnissen über den Auswanderungsort und den Beruf unsere Ahnen haben ermitteln lassen. – Zuvor über den Ort. „Kennt ihr das Land in deutschen Gauen, das schönste dort am Neckarstrand?“ … … „Das ist das Land, wo unserer Väter Wiege stand!„ Dieses haben sie, zusammen mit einer größeren Auswanderungsharmonie, im Sommer 1817 verlassen, um sich hier in dem Lande „wo Sonnenglut und ew´ger Schnee sich fest die Hände reichen“, ein neues Heim zu suchen. Sie stammten ursprünglich fast ausschließlich aus der Gegend zwischen Reutlingen, Heilbronn, Pforzheim und Gmünd, von Tübingen, Nürtingen und Eßlingen aber gibt es beinahe keinen Flecken, den nicht irgendwelche Katharinenfelder als ihren alten Heimatort bezeichnen dürften. Ordnet man nun diese Ortschaften in ihre Oberämter und zwar nach der Zahl der Auswanderer, die sie damals Katharinenfeld gegeben haben, so kommen auf Tübingen und Umgegend die meisten, nämlich 26 Familien, auf Esslingen 17, Nürtingen 15, Kirchheim 13, Schorndorf 12, Stuttgart 9, Reutlingen und Preußen je 8, und Göppingen je 7, Baden 6, Backnang, Kannstadt, Waiblingen, Urach und Preußisch-Polen je 5, Nagold, Leonberg, Münsingen und Heidenheim je 4, Balingen, Sulz und Elsaß je 3, von ebenso viel (3) Familien ist der Auswanderungsort gar nicht bekannt, auf Heilbronn. Marbach, Herrenberg und Polen kommen je 2, Freudenstadt, Kalw, Maulbronn, Winnenden und Pfullingen je 1 . – Von Bauern ungefähr die Hälfte, die übrigen aber beinahe ausschließlich Handwerker, genauer war das Verhältnis folgendes: Bauern 72, Weber 22, Weingärtner 20, Bauern und Handwerker (gemischt) 18, Zimmerleute 9, Maurer 8, Kübler und Böttcher 7, von ebensovielen ist die Beschäftigung unbekannt, Schuhmacher 6, Schneider und Bäcker je 5, Schmiede 4, Schreiner 3, Wagner 2, Schulmeister, Bierbrauer, Ziegler, Sattler, Holzhauer und Tagelöhner je 1. Zusammen 194 Familien, und zwar nicht Arme. Diese Zahl verminderte sich aber im Laufe der zwei ersten Jahre so rasch, daß, bis es zur Gründung der hiesigen Kolonie kam, nur noch die Hälfte davon übrig geblieben war. Zur Orientierung für den Einzelnen seien hier die Angaben von Familien, deren Nachkommen heute noch leben, auch einzeln gemacht.
Die Namen Beck, Brodt, Gaisdörfer, Hottmann, Jägle, Kötzle, Reiser und Wuchrer waren in den Verzeichnissen nicht vermerkt, da diese Familien erst viel später hier eingewandert sind. Desgleichen übersiedelten im Jahre 1831 aus Annenfeld hierher die Familien: Fleig, Häring, Bös, Kurz und G. F. Fischer; aus Elisabettal: Binder (1830) Krohmer (1830) und Eckstein; aus Helenendorf: Reeber, Reiter (1827), Maurer und Caspar Meier (1828); aus Ardaghan im Jahre 1833 M. Chetschik und aus dem Taurischen im Jahre 1834 die Familie Illg.
aus: Kaukasische Post Nr. 8, 13. Jahrgang, Tiflis, 30.1.1921