Asch ist eine Stadt in Nordwestböhmen im heutigen Tschechien, im 11. Jahrhundert kamen Kolonisten aus Bayern, so erhielt sich bis ins 20. Jahrhundert, ebenso wie im südlich angrenzenden Egerland, der nordbayerische Dialekt. Auch im nördlich angrenzenden Vogtland wurde diese Mundart in etlichen Ortschaften nahe der tschechischen Grenze gesprochen.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 gehörte Asch zur Tschechoslowakei, eine Angliederung an Bayern wurde abgelehnt. Nach dem Münchner Abkommen gehörte die Stadt von 1938 bis 1945 zum Landkreis Asch im Reichsgau Sudetenland, weshalb zahlreiche Umsiedler hier in Umsiedlerlagern untergebracht wurden.
Am 14.10.1940 wurden die Bewohner Kisils zum Donauhafen Kilia gebracht und fuhren mit dem Donaudampfer „Schönbrunn“ am Abend des 15.10.1940 Donau aufwärts durch das „Eiserne Tor“ bis Semlin bei Belgrad, wo sie am 18.10.1940 vormittags von einer Musikkapelle empfangen wurden.
Nach kurzer Rast in einem Zeltlager ging es am 20.10.1940 abends, mit Bussen zum Bahnhof Belgrad und per Zug über Graz, Wien, Prag und Eger nach Asch.
Alle, die mit dem Treck fuhren, Väter gemeinsam mit ihren ledigen Söhnen oder auch kinderlose jüngere Ehepaare, lenkten ihre Gespanne am 17.10.1940 von Kisil bis Galatz. Bei Ankunft wurde das Gepäck auf die Schiffe verladen und die Pferde für das Militär gemustert. Von Galatz ging an Bord der Schiffe bis Prahowo in Jugoslawien und von dort mit der Bahn bis Asch, wo sie am 10. November 1940 eintrafen.
In Asch wurden die Kisiler mit den eintreffenden Umsiedlern aus Manscha (Annowka) und Raskajetz auf drei Lager verteilt.
Das Hauptlager war das Schützenhaus, hier waren unter anderem Renate Manske (1922–1945, sie starb zusammen mit ihren Eltern auf der Flucht beim Überqueren der Weichsel), Ida (*1924) und Anna Maria (*1921) Heller, Elfriede Winter (*1924), Gertrud Härter(*1924), Harald Mantz (*1937) und Klara Klaudt (*1921) untergebracht.
In der Jahnhalle waren die Familien Artur Flöther (*1908), Eduard Haas (*1914), Gotthilf Kehrer (1900–1945), Rudolf Kehrer (*1899), Rudolf Böpple (1909–1984), Oskar Schoon (1899–1946) und Oskar Witt (*1902, Cousin des Großvaters von Katharina Witt) untergebracht. Mütter mit Säuglingen bekamen einen eigenen Schlafsaal.
Weitere bekannte Namen der Umsiedler in der Jahnhalle waren Adolf, Gerber, Merz, Rauch, Schneck und Wirth. Außerdem gab es noch das Jägerhaus.
Für die Speisezubereitung in der Lagergroßküche waren die bessarabische Frauen zuständig, schulpflichtige Kinder hatten das Glück, in die Bürgerschule gehen zu können, das war nicht immer möglich, vor allem im Warthegau war es mit dem Schulunterricht nicht so gut bestellt. Die Kinder ab 10 Jahren kamen zum Jungvolk, ab 14 Jahren zur Hitlerjugend bzw. zum Bund deutscher Mädel (BDM).
Den Schulunterricht erteilten die bessarabischen Lehrer Robert Deiß und Oskar Mantz (*1910) aus Kisil, Robert Brenner aus Manscha und Heinrich Sonderegger aus Raskajetz.
Zudem wurden die Umsiedler zur Arbeit in Fabriken und Betrieben herangezogen, Asch war ein Zentrum der Textilindustrie, das war nicht in allen Lagern so und führte dort durch Herumsitzen und Langeweile zu Frust. Junge Männer wurden direkt eingezogen zum Wehrdienst.
Am 17.10.1941 ging es per Zug über Eger, Karlsbad, Dresden, Görlitz und Breslau in den Warthegau, in Freihaus (Stunska Wola) wartete auf die Umsiedler noch einmal ein Durchgangslager vor der Ansiedlung im Warthegau.
Asch wurde am 20. April 1945 durch US-amerikanische Truppen besetzt. Im November 1945 kam Asch nach der Übergabe an sowjetische Besatzungstruppen unter sowjetische Militärverwaltung und wurde danach tschechisch.
Quelle: 1 Overview of the development of various streams of German physical education in the Czech lands – Scientific Figure on ResearchGate. Available from: https://www.researchgate.net/figure/Abbildung-6-Neue-Turnhalle-des-Turnvereins-Jahn-in-As-Asch-aus-dem-Jahr-1933-Figure_fig4_354658790 [accessed 6 Jul, 2023] Creative Commons Attribution 4.0 International
2 Kisil, ein Schwabendorf in Bessarabien, Schriften des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien Nr. 36, herausgegeben von Ingo Rüdiger Isert, Stuttgart 1999
Für die Umsiedler wurde in Löbau die Kaserne genutzt. Ob noch andere Gebäude belegt wurden, ist nicht bekannt.
Etwa 1915: Jäger-Kaserne Löbau, erbaut 1912-14. In der DDR Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“. Kasernen-Außenansicht von SSW (GMP: 51.105785,14.681745)1
Das Umsiedlerlager Löbau in Sachsen wurde von Borodinoer Umsiedlern zwischen dem 30. Oktober 1940 und dem 3. Dezember 1940 belegt. Diese Daten kann man dem noch vorhandenen Lagerpass der Familie Scheurer2 entnehmen.
Bessarabiendeutsche im Lager Löbau, Foto: Privatarchiv M. Scheuer, welcher das Bild freundlicherweise zur Verfügung stellte.
1) Wikimedia: Etwa 1915: Jäger Kaserne Löbau, erbaut 1912-14. In der DDR Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“. Kasernen-Außenansicht von SSW (GMP: 51.105785,14.681745). Fotograf unbekannt – 19770427050AR.JPG/Repro Blobelt CC BY-SA 4.0
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren noch viele Flüchtlinge in Dänemark, so auch in Hellebækgård (Haus Hellebæk). In Hellebæk wurde bereits 1576 ein Pachthof angelegt, im 18. Jahrhundert befand sich auf dem Gut eine Waffenfabrik (Kronborg Geværfabrik), dann eine Gewehrfabrik (Hellebækgård Götter) und ein Herrenhaus.
Heinrich Carl von Schimmelmann (1724–1782) erwarb den Grundbesitz3, welcher bis Ende des Zweiten Weltkrieges in Familienbesitz blieb. Die Familie Schimmelmann stellte das Haus den deutschen Besatzungstruppen zur Verfügung, 1945 wurden im Herrenhaus bessarabische und lettische Flüchtlinge untergebracht.
Im Jahre 1946 wurde das Gut von der dänischen Regierung konfisziert und 1951 an das Königlich dänische Waisenhaus verkauft, nach umfänglicher Renovierung von 1953 bis 2007 als Waisenhaus genutzt, dann als soziale Einrichtung, heute befindet sich seit 2014 eine Schule im Gebäude.
Brief aus dem Lager Hellebæk
Der folgende Brief2 beinhaltet eine „Liste von Insassen des Lagers Hellebäck“ und Grüße an den Onkel von J. Stock.
Die von mir vorgenommene Abschrift erfolgte in der Rechtschreibung des Schreibers. Folgen Sie einfach dem Link und klicken Sie die pdf. Datei an. Danke.
Brief vom 27.12.19452
Brief vom 27.12.1945 Rückseite2
1 Wikimedia, Hellebækgård, Fotograf Ole Rafn, 6.11.2007, CC BY-SA 3.0, Foto
2 Brief privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner
Gewidmet der Familie Oberlander- Seidel, denen ich für Ihre privaten Fotos danke und in Erinnerung an Oskar (1922-1944) und Matthias (1925-1944), deren junges Leben – wie das vieler anderer – einen sinnlosen Tod in einem grausamen Krieg fand.
Leider ist mir der Verfasser dieser Chronik aus dem Jahre 1991, welche ich vorliegen habe, nicht bekannt, aber ich möchte sie – vorbehaltlich des Einwands, dann entferne ich das selbstverständlich – hier als Abschrift veröffentlichen, da sie einen wirklich schönen geschichtlichen Rückblick bietet.
Kurzchronik der Gemeinde Mariewka
Die Gründung der Gemeinde Mariewka hat eine bemerkenswerte Vorgeschichte. Vorbild für die Gründer war in etwa die Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart.
Es waren bei 30 bekehrte Brüder, die sich zusammentaten, um eine „reine“ Brüdergemeinde unter dem Namen Gnadenau oder Gnadenort in Mittelbessarabien zu gründen. Diese landarmen Bauern – später nannte man sie „landhungrig“ – fanden eine Gutsbesitzerin griechischer Herkunft, eine Gräfin Maria Radokonaki, in der Nähe des Marktfleckens Kauschani, die bereit war, von ihrem großen Landbesitz von 28 ooo Deßjatinen, 2128 Deßj. ihnen zu verkaufen. Für 28.-, bzw. 32.- Rubel je Deßjatine wurde der Kauf getätigt.
Die russische Regierung verwarf jedoch den vorgesehen Namen und so einigte man sich schließlich auf den Namen Mariewka in Anlehnung an den Namen der Gutsbesitzerin Maria Radokonaki. Zur Finanzierung dieses Landkaufs nahmen die 32 Bauern bei der Chersoner Landbank eine Hypothek á 20 Rbk. pro Deßj. mit einer Laufzeit von 25 Jahren auf. Bei der Aufteilung des Landes verfuhr man so, daß z.B. eine sogenannte ganze Wirtschaft 52,5 Deßjatinen umfasste.
Bei den Dorfgründungen in Bessarabien spielte ja das Wasser die Hauptrolle. Wo kein Wasser unter der Erde zu finden war, konnte auch kein Dorf stehen. Da Mariewka auf einer Hochebene von ca. 240 m liegt, war die Wasserversorgung das Hauptproblem. Der ursprünglich vorgesehene Standort erwies sich als ungeeignet. In einem weiter südlich gelegenen etwas krummen Tal wurde man in ca. 20-24 m fündig. Gutes trinkbares Wasser wurde auf der östlichen, weniger gutes auf der westlichen Talseite gefunden.
Im Winter 1891/92 wurden unermüdlich in den naheliegenden Steinbrüchen Bausteine gebrochen und im Frühling 1892 begann das große Bauen. Die meisten dieser Häuser standen noch in tadellosem Zustand bei der Umsiedlung im Jahr 1940. Das Dorf wurde in zwei parallelen Hofzeilen beiderseits des Tälchens angelegt. In der Dorfmitte sah man eine Kreuzstraße vor. Dort wurde auf der östlichen Seite ein großer Hofplatz für ein Bethaus/Kirche nebst Schule vorgesehen.
Bethaus Mariewka etwa 1938-1940; Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner
In zwei Anläufen 1895 und 1905 wurden beide Gebäude nebst einem Glockenstuhl erstellt. Eine gewaltige Leistung zu jener Zeit. Gegenüber, auf der westlichen Seite sparte man gleichfalls einen großen Platz für eine Dorfkanzlei aus. Sie, die Primaria wurde dann 1927/28 erbaut und ihrer Bestimmung übergeben. Heute, nach knapp 100 Jahren beherbergt dieser noch in passablen Zustand befindliche Bau, die Grundschule, die Dorfbibliothek und die Sanitätsstation des Rest-Dorfes „Marianofka de Sus“, wie Mariewka heute heißt.
Bethaus Mariewka um 1938-1940 Innenansicht; Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner
Die Hofparzelle einer „ganzen“ Wirtschaft war 50 m breit und 400 m lang. Oberhalb der Schulparzelle, ca. 50 m in Richtung Floroi hatte man den Friedhof angelegt. Eine breite Steinmauer umgab ihn. Auf der Außenseite des Eingangstors stand der Spruch: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Joh. 11, 25. Innen: Denk o Mensch an deinen Tod. Hier fand ich den einzigen noch gut lesbaren Grabstein 1991: „Katharina Scheffelmaier, geb. 1863, gest. 1899“.
Dank der verhältnismäßig guten Anbindung an das Verkehrsnetz – Bahnstation Zaim 3km, der Markt Kauschani 7km entfernt, entwickelte sich die wirtschaftliche Situation Mariewka´s recht günstig. Eine tiefe Humusschicht und ein nicht allzu trockenes Klima erbrachte, dank fortschrittlicher Arbeitsweise, meist gute bis sehr gute Ernten.
Die großen Bauern Mariewka´s sorgten schon frühe für ihre wachsenden Familien vor: So konnten bei Lunga 1575 Daßjatien im Jahr 19o8, 191o ein Landgut von 35oo Deßj., der späteren Kolonie Olgental, dann 34oo Deßj. mit dem späteren Dorf Mariental erworben werden. Olgental bei Odessa ging nach 1918 den Mariewka-ern verloren.
Wie schon zu Beginn erwähnt, waren die Einwohner Mariewka´s groß teils geprägt durch ihren bekennenden evangelisch-pietistischen Glauben. Für die innere Ordnung in der Gemeinde, etwa bei Streitigkeiten, sorgte ein Bruderrat von 8-10 Männern, sodaß die weltliche Gerichtsbarkeit soviel wie nie benötigt wurde. Eine besondere Persönlichkeit in dieser Beziehung und auch sehr geschätzt in vielen Dörfern Bessarabiens was der „blinde Hansjörgvetter“ Schmied. Er war ein nimmermüder Streiter für die Sache Jesu. Im Dorf waren zwei Brüderversammlungen. Auch eine lebendige Baptistengemeinde entstand und sie erbaute eine eigene Kapelle auf dem Grundstück von Wilhelm Schreiber.
Bevor die Schule gebaut wurde, unterrichtete ein Bauer, Michael Jose die Kinder des Dorfes in einer Bauernstube. An 1895 fand dann immer von November bis Februar der Unterricht durch Lehrer statt. In den letzten Jahren vor der Umsiedlung waren meist zwei bis drei Lehrer bei über 1oo Kindern tätig.
1896 erbauten Samuel Wiese, Matthias Oberlander und Christoph Irion am Unterende eine Dampfmühle, die mit Stroh befeuert wurde. Joseph Idler aus Sarata übernahm sie nachher, mußte sie aber nach dem Ersten Weltkrieg an einen jüdischen Unternehmer verkaufen, der sie vergrößerte und statt der Dampfmaschine einen MAN-Dieselmotor von 12o PS einbauen ließ. Bei Wilhelm Haas lief einige Jahre auch eine Ölmühle, gekoppelt mit einer Wollekämmlerei. Ein Gemeindeladen, die „Lafke“ wurde 1917 gegründet, er kam aber zunächst langsam voran, denn ein gutgehendes jüdisches Geschäft sorgte für kräftige Konkurrenz. Später wurde dem „Konsum“-Laden noch eine Molkerei angegliedert, zu Anfang neben der Kreuzstraße, dann aber neu erbaut und modernisiert oberhalb des Ladens.
Dorfplan zur Umsiedlung von mir auf googlemaps5 aufgelegt, damals 52 Wohnhäuser, im Jahre 2018 noch 18 vorhanden, Fotos8
Was wäre noch zu sagen? Auf zwei geeigneten Landflächen wurden Weinberge angelegt, so in Richtung Kauschani, ca. 1 km vom Dorf entfernt und eine neuere Weinberganlage am Hortop in der Nähe von Neu-Mariewka. Neben Direktträgern gab es schon viele edlen Sorten. Die Bauern von Mariewka begannen in den letzten Jahren vermehrt mit Sojaanbau, während man bei der Schafzucht von den Milchschafen zur Karakulzucht über ging. Sechs große Dreschgarnituren nebst Garbenbindern, Mähmaschinen, Treckern, Drillmaschinen u.a. blieben 194o dort. In der Kirche die 1912 angeschaffte, wohlklingende Orgel der Ev. luth. Kirche, die die Russen sehr bald demontierten und nach Rußland schafften.
Ein Einblick in das landwirtschaftliche Leben um und auf dem Hof eröffnet uns das Familienalbum der Familie Oberlander8 , vielleicht erkennt jemand seine Angehörigen unter den unbekannten Personen wieder?
Ein Zeichen großen Fortschritts war die Flurbereinigung 1938. Nach der Umlegung und Neuzuteilung waren alle Voraussetzungen für eine noch bessere Bewirtschaftung des Ackerlandes gegeben. Zwei gemeindeeigene Viehweiden in der Floroi und bei Neu-Mariewka hatten Futter für Vieh, Pferde und Schafe. – Es zeichnete sich allerdings die letzten Jahre ab, daß die Äcker auf Dauer ohne Düngung nicht mehr den erwarteten Ertrag bringen würde. Gottfried Scheffelmaier, langjähriger Schulz/Primar von Mariewka sollte noch erwähnt werden, als herausragende Persönlichkeit vertrat er wirkungsvoll diese unsere Gemeinde sowohl in russischer als auch in rumänischer Zeit.
194o war dann die Zeit eines deutschen Dorfes Mariewka vorbei. Infolge der Besetzung Bessarabiens durch die Sowjetunion wurden wir Deutschen ins Deutsche Reich umgesiedelt2. Es gibt heute noch den Rest des einstigen Mariewka, aber in welchem Zustand! Fast alle der wenigen noch stehenden Wohnhäuser gleichen Ruinen, Wirtschaftsgebäude sind schon garkeine mehr da, Hofmauern sind verschwunden, die Dorfstraße ist mit Mais bepflanzt, der Friedhof und die Hofräume mit Unkraut und Gestrüpp überwuchert. Wird Mariewka das zweite Jahrhundert überdauern?
Unmittelbar nach der Ansiedlung war es den Kindern nicht möglich, eine Schule zu besuchen, so wurde das Haus vom Michael Jose, einem Bauern, im Winter (November-Februar) zur Behelfsschule, in der restlichen Jahreszeit mussten die Kinder ihren Eltern helfen, ehe man sich 1895 an den Bau eines Schul- und Bethauses machte. In diesem unterrichteten nun endlich auch ausgebildete, von der Gemeinde bezahlte Lehrer, der Hauptlehrer war bis 1920 zugleich Rektor, Küster und Gemeindeschreiber.
Küster und Lehrer waren9:
1893-1897 Michael Jose, Bauer aus Mariewka
1898-1899 Jakob Herter, Lehrer aus Großliebental
1899-1901 Immanuel Baumann aus Lichtental
1902-1904 Gustav Witt aus Arzis.
1906-1906 Christian Kalmbach
1907-1909 Friedrich Rüb
1909-1915 Karl Knauer
1915-1922 David Baumann
1922-1931 Karl Knauer
1931-1936 Karl Knauer – nur Lehrer
1936-1940 Karl Knauer
ab 1930 als erste Lehrer: rumänische Lehrer
Die Änderung im Lehrkörper erfolgte, da in Bessarabien nun in rumänischer Sprache unterrichtet werden musste, zudem wurde weiter in Russisch unterrichtet, nur der zweite Lehrer durfte in einigen Fächern, wie Religion, auf Deutsch unterrichten.
Interessant in diesem Zusammenhang, in Folge der Russifizierung wurde in Bessarabien ab 1829 das Benutzen der rumänischen Sprache in der Verwaltung verboten. Ab 1833 durften Gottesdienste nicht mehr in rumänischer Sprache abgehalten werden und alle rumänischen Kirchenbücher wurden verbrannt. 1842 wurde in allen Gymnasien die rumänische Sprache durch die russische ersetzt. 1860 wurde der rumänische Unterricht sogar in den Grundschulen eingestellt. Mit dem Anschluß an Rumänien am 9. April 1918 endete die Russifizierung und Bessarabien bekam eine zentralistische Verwaltung sowie eine Neuordnung der Gebiete in neun Kreise (Județ).
Die Schule wurde ab 1919 staatlich verwaltet, der rumänische Staat bezahlte das Lehrergehalt, war für Anstellungen der Lehrer zuständig und letztlich damit auch für die Lehrpläne, zudem zahlte der Staat das Heizmaterial, welches die Gemeinde für die harten Wintermonate lieferte.
Wirtschaftlich nahm Bessarabien nun eine starke Entwicklung wahr, auch die Infrastruktur wurde deutlich ausgebaut. Durch eine Agrarreform 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar – unser Opa Kühn machte daher seine Frau – damals ungewöhnlich – zur Eigentümerin eines Teils des Landes, um es zusammen zu halten) konnten viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Die Durchführung dieser Reform dauerte bis in die 1930er Jahre an und wurde teilweise durch Korruption gehemmt.
Religionslehrer und Rektor in dieser Zeit war Karl Knauer, als er das zweite mal nach Mariewka kam, außer in den Jahren 1930-1935, da übernahmen die Stelle des Küsters, Religionslehrers9:
1931-1932 Otto Steudle,
1932-1933 Wilhelm Gäßler,
1933-1934 Herbert Merz und David Baumann
1935-1936 Theophil Frey
Weil die Mariewka-er Brüdergemeinde einen großen Kindersegen hatte, musste die Schule bald erweitert werden. Zunächst 32 Schüler fassend, waren es 1909 bereits 80 und zur Umsiedlung über 1003.
1908 hatte man daher im Gebäude bereits die Lehrerwohnung zum zweiten Klassenzimmer umgebaut und die Lehrerwohnung in das neu gebaute Bethaus verlegt.
Es gab auch Schulhelfer, eigentlich die Stelle des zweiten Lehrers, später 2. Gemeinde- bzw. Staatslehrer, 1936-1938 als dritte Lehrer eingesetzt9:
1908 Doris Hasenjäger
1908-1909 Gottlieb Lust
1909-1910 Leopold Gäßler
1910-1911 Immanuel Necker
1911-1912 Wilhelm Keller
1912-1915 Johannes Knauer
1920-1922 Arthur Witt
1922-1924 Bernhard Häußer
1924-1925 Otto Schaupp
1925-1927 Johannes Knauer
1927-1928 Adolfine Sonderegger
1929-1930 Anna Wagner
1930-1931 George Preda, Rumäne
1931-1938 Otto Eckert
1936-1938 Helene Dalibaltow, Bulgarin (III. Stelle)
1939-1940 Helene Dalibaltow, Bulgarin (II. Stelle)
Die Gemeinde Mariewka hatte der Schule immer die Religions- und Lesebücher kostenlos gestellt, das blieb auch mit der Verstaatlichung der Fall. Die deutschen Lehrer, zugleich Küster und Religionslehrer, blieben in der Gemeinde, wurden von dieser ebenfalls entlohnt, entsprechend gut war ihr Stand. Die Kinder genossen den mehrsprachigen Unterricht zu ihrem Vorteil, in anderen Regionen des Landes litten sie häufig unter dem Mangel der deutschen Unterrichtung, entsprechend waren ihre Lese – und Schreibkünste der deutschen Sprache, besonders auffällig in der Dobrudscha, wo zur Umsiedlung vieles bereits rumänisch in den EWZ-Unterlagen vermerkt wurde, bzw. in sehr schlechtem, eher rumänisch klingendem Deutsch.
Aus der Schulzeit gibt es noch einige Erinnerungen der Familie Oberlander8, vielleicht erkennt der eine oder andere Leser seine Angehörigen wieder, dann wäre es schön, wenn er dazu mit mir in Kontakt treten würde.
1930-1931 Erlse Oberlander – wer ist diese Lehrerin?5. Klasse 1931, Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner von ca. 1931 / 1932 1. Reihe ( von ) unten, (von) rechts : 8. Kind : Else Oberlander. 2. Reihe (von) unten, (von)rechts: 2 . “ Kind “ : Adele Oberlander 3. Reihe (von) unten, (von) links : 4. Kind : Lilli Otterstätter, Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie ZensnerBild ca. von 1937 letzte Reihe, oben, die dritte von links = Else Oberlander, die zweite von rechts neben ihr = Ella Irion, gleich rechts neben Ella Irion, wieder Lilli Otterstätter. Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie ZensnerCa. von 1939 2. von links = Else Oberlander, gleich rechts neben ihr : Lilli Otterstätter geb. : 16.02.1924; Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner
Da auch für die Jüngsten gesorgt war, gab es einen Kindergarten. Die Betreuung erfolgte durch9:
1925-1927 M. Lecka
1927-1928 M. Zeliony
1929-1930 Nedelsky
1931-1932 Georgiade
1933-1934 Segejencko
1935-1936 Dardu
1936-1938 Makaresku
1938 Missan
Umsiedlung der Mariewka-er
Als es im September 1940 zu konkreten Planungen kam, wurden für die einzelnen Dörfer Marschruten festgelegt.
Marschroute II A. Straße und Rastplätze: Mariewka, Borodino, Wittenberg, Kubej, Anatol, Überquerung des Pruth bei Girugiulesti. B. Futter besorgen bei Borodino und Wittenberg. C. Alle Umsiedler aus den Bezirken Beresina und Kischinjow werden diese Route nehmen.
Die Notwendigeit von Pferdefuhrwerken hatte mit den außerordentlich schlechten Straßenverhältnissen in Bessarabien zu tun. Nur wenige Abschnitte waren mit LKW´s zu befahren, zudem waren die Entfernungen und die Zahl der Menschen eine kaum zu bewältigende Transportorganisation. Dazu kamen starke Regenfälle, die den eigentlichen Termin vom 18. Oktober 1940 auf den 19. Oktober verlegten.
Für das Dorf Mariewka war ein Treck mit 538 Personen geplant, die Bewohner waren auf 269 Wagen mit 538 Pferden4 verteilt und hatten eine Weg von 259 km nach Galatz vor sich.
Weg von Mariewka nach Galatz mit Zwischenstationen5 6
Wie die Familie Oberlander zu berichten wußte, wurden einige Vorbereitungen zur Umsiedlung getroffen, Decken, Kopfkissen, Waschschüsseln, Schüsseln für das Essen, Tassen, Besteck und dergleichen sollten in einem kleinen Bündel verpackt werden, welches auch an Bord des Schiffes gut erreichbar sei, denn es gab keine Möglichkeit, das auf dem Vordeck verstaute Gepäck aufzusuchen. So entschied die Familie sich zum Vergraben ihres guten Geschirrs, ebenso kam der Familienschmuck in Erdverstecke, da man damit rechnete, zurück kehren zu können, wenn der Krieg vorbei wäre.
Man schlachtete, machte Schmalztöpfe, buk Brot, verlud Mehlsäcke und Kübel mit Wasser, um für die Reise versorgt zu sein.
Familie Oberlander 19388 1. Reihe von links : Else Oberlander, Matthias Oberlander, Martha Oberlander geb. Riethmüller, Matthias Oberlander. 2. Reihe von links: Adele Oberlander und Oskar Oberlander.
Am 13. Oktober startete ein Renault-Krankenwagen (Sankra)-Transport um 9.00 Uhr morgens, um die infektiösen Kranken direkt nach Galatz zu bringen. Da russisches Militär die Straße blockierte, musste eine Umwegroute gefunden werden, der Sankra traf um 12.15 Uhr in Mariewka an. Vor Ort stellte sich heraus, dass Ingeborg Eckert neben Scharlach auch an Diphtherie erkrankt war. Der verantwortliche SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) Schnelle gab die Anweisung, den Bezirksarzt von Kischinew darüber zu informieren, dass er die Erkrankte nicht mitnehmen können, weil Ansteckungsgefahr bestand für die die anderen Scharlach-Patienten, zumeist Kleinkinder.
Die Großeltern von Ingeborg Eckert sollten sie ursprünglich begleiten. Als Ergebnis einer Diphtherie-Infektion konnten sie nicht mehr als Begleitpersonen mitgenommen werden. So wurde Elisabeth, die Tante des Scharlach-Patienten Gerhard Schreiber ausgewählt und die Transportliste geändert. Um 14.30 Uhr ging es nach Taraclia, die Fahrt dauerte eine Stunde. Im Krankenwagen gab es zwei Typhus-Patienten, als eine russische Eskorte Probleme machte und die Aufnahme weiterer Patienten um eine Stunde verzögerte. Für zwei Patienten wurde die Zeitverzögerung zu viel, sie verstarben an Typhus.
Um 17.00 Uhr ging es aus Traclia weiter nach Leipzig, wieder machte das russischen Militär Schwierigkeiten für die Weiterfahrt, nach langer Diskussion konnte die Fahrt fortgesetzt werden, da brannte einem der Fahrzeuge eine Dichtung durch und es musste abgeschleppt werden nach Tarutino, damit die Reparaturen von der Werkstattzug des Militärs durchgeführt werden konnten. Die Ankunft war gegen 21.00 Uhr und Dr. Franke, dem örtlichem Sanitätskommandanten, bereits gemeldet worden. Trotzdem gab es gab keine Unterkunft für die Patienten, sie mussten in den Krankenwagen übernachten. Auch die Verpflegung, die in den Zwischenstationen ausgereicht werden sollte, hatte bisher niemand erhalten.
Im Sankra mit den Scharlach-Patienten, 6 Kinder und die Begleiterin Elisabeth, gab es glücklicher Weise genügend Wolldecken, um nicht zu sehr unter der Kälte zu leiden. Die Typhus-Patienten konnten in einem leeren Haus untergebracht werden. In diesem Haus starb Frau Magdalena Schäfer gegen 23:00 Uhr. Sie bekam noch eine Injektion gegen 22.00 Uhr von Dr. Franke, was ihr nicht mehr half.
Die anderen Patienten hatten die Nacht einigermaßen gut überstanden, waren mit heißem Tee versorgt worden.
Am 14. Oktober um 5.00 Uhr früh wurden die Typhuskranken in den Krankenwagen verladen und um 7.00 Uhr brach der Transport nach Reni auf. Die Straße war in ziemlich gutem Zustand und mit etwa 35-40 km/h passierbar, so traf man um 11.45 Uhr in Reni ein.
Kurz vor 13.00 Uhr wurde der Wachposten Pruth-Überfahrt ohne besondere Kontrollen oder Probleme durchgefahren und um 14.00 Uhr das Lager Galatz erreicht. Hier wurden nach Übergabe der Patienten Fahrzeuge und alle Einrichtungsgegenstände umgehend desinfiziert.7
In Mariewka gab es inmitten dieser Aufregung einen Trauerfall, die kleine Gertrud verstarb noch am 13. Oktober, hätte die Fahrt also nie überlebt und wurde, keine drei Jahre alt, in Mariewka zu Grabe getragen.
Dann kam der Abreisetag, viele Menschen standen an den Straßenseiten und winkten mit Tüchern zum Abschied, ehe sich die lange Schlange von Menschen und Wagen in Bewegung setzte. Eine große Trauer machte sich breit und das Heulen der zurückgelassenen Hunde war noch lange zu hören.
Das Lied, das die Kinder so gern in ihrer Mariewka-er Schule gesungen hatten, sollte nun für den Rest ihres Lebens eine neue, tiefere Bedeutung bekommen:
Wenn alles wieder sich belebet, der Erde frisches Grün erblüht; die Lerche sich zum Himmel hebet, helljubelnd ihr melodisch Lied, dann füllt mein Auge isch mit Tränen, mein herz mit einer süßen Qual: Dann treibt mich ein unendlich Sehnen zu meinen Bergen in das Heimattal.
Ich denke an der Kindheit Tage und um mich reiht sich Bild an Bild. Es schau´n auf mich mit leiser Klage die Eltern und die Freunde mild. Es füllt mein Auge sich mit Tränen, mein Herz mit einer süßen Qual: Dann treibt mich ein unendlich Sehnen zu meinen Bergen in das Heimattal.
Wie nah aber Trauer und Hoffnung beieinander lagen, zeigte sich in Semlin, auch schwangere Frauen waren mit extra Transporten bereits weggebracht, am 17. Oktober wurde der Familie Eckert mitten in ihre Trauer um das Töchterchen ein Sohn geboren.
Während die Mariewkaer ins Umsiedlerlager kamen, wurden Oskar (1922-1944) und Matthias (1925-1944) Oberlander einberufen. Wo das Bild8 aufgenommen wurde, ist unbekannt, links in der Vergrößerung derrechts markierte Oskar.
Wie so viele, war auch er der SS beigetreten, ob aus Überzeugung, oder weil er gedrängt wurde, da man vielen Umsiedlersöhnen versprach, es würde ihren Familien helfen, diese würden bevorzugt angesiedelt werden und kämen so schneller aus dem Umsiedlerlager, ist bis heute unklar. Was jedoch bekannt ist, er kam als Grenadier zur 7. SS „Das Reul“ und erlag einem Oberschenkelsteckschuss auf dem Hauptverbandsplatz Proskurow im Alter von 21 Jahren.
Bruder Matthias wurde als Grenadier dem Grenadier-Ersatz-Bataillon 322 zugeordnet und starb als Angehöriger der 1. Kompanie, Füsilier-Bataillon 291, an einem Herzschuss in Winiarki. Er wurde nur 18 Jahre alt.
Einige der Mariewkaer befanden sich nach Kriegsende mit anderen Bessarabiern in Dänemark, von dort erreichte ein Brief8 mit Lagerliste aus dem Lager Hellebæk die Heimat.
Original: Dokumentation III der Vertreibung der Deutschen aus Ost- Mitteleuropa. Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1957 S. 27-30
2 DAI, Mikrofilm 007953036
3 Steppenblumen. Heiteres und Ernstes in schwäbischer und hochdeutscher Sprache aus dem Leben der Deutschen in Bessarabien. Karl Knauer, Verlag Stuttgart-Vaihingen, Selbstverlag, 1954, p. 252ff
4 National Archives Microcopy #T-81; VOMI 920; Record Group 1035; Roll 317; Series 535; Frames: 2447170-2447172
Mein herzlicher Dank für die Dokumententexte, Zeitungsartikel und das Lagerlied geht an Herrn Friedrich Wimmer, Waxenberg. Ohne ihn hätte ich diesen Artikel in dieser Form nicht realisieren können.
Das Schloss Waxenberg liegt im Ortszentrum von Waxenberg in der Gemeinde Oberneukirchen im oberösterreichischen Mühlviertel.
Bereits im17. Jahrhundert unterhalb der Burgruine Waxenberg errichtet, diente es zwischen 1756 und 1848 als Sitz der Herrschaft Waxenberg und ist heute in Privatbesitz der Familie Starhemberg.
Neues Schloss Waxenberg 1)
Das heutige „Neue Schloß“, erbaut 1908 bis 1914, diente seit 1938 der Volksfürsorge, nachdem es durch die Nationalsozialisten enteignet wurde.
Mietvertrag 1938 3)
Im September 1940 richtete man nach Beschlagnahme der Gebäude ein Umsiedlerlager ein.
Beschlagnahme 1940 3)
Beschäftigte im Umsiedlerlager und Mietangebot Saal als Schulzimmer 1940 3)
Der „Heimatbrief für die Soldaten aus dem Kreis Freistadt, O. D.“3
berichtete im Brief Nr. 6 September/Oktober 19403 :
Als Neuigkeit muss ich euch noch sagen, dass wir dieser Tage 370 Bessarabien Deutsche erwarten. Wir wollen sie alle in den Waxenberger Schlösser unterbringen, da gibt es natürlich noch viel vorzubereiten, damit wir diesen braven Menschen wenigstens vorübergehend eine Heimat ersetzen können. Schon durch ihr Kommen zeigen sie uns ja, welche Liebe sie zu unserem Volk und zu unserem Führer haben. Sie, die ihre Heimat und ihren schwer erkämpften Boden verlassen, um Seite an Seite mit uns am Kampf und am Neuaufbau unseres Vaterlandes mitzuarbeiten, zeigen uns so recht, wie wir heute an der Geburt eines Reiches stehen, dessen Größe und innere Geschlossenheit das erste Mal in der Geschichte alles in seinen Bannkreis zieht, was bluts- und willensmäßig zu unserem Volke gehört. So entsteht Stein auf Stein das herrliche soziale deutsche Volksreich von dem zu allen Zeiten die Besten unseres Volkes geträumt haben und das Jahr jetzt durch Euren höchsten Einsatz für immer begründen helft.
Zeitgleich erhielten die Marienfelder ihren Umsiedlerpass, Mitte September 1940 wurden alle Frauen und Kinder, ebenso die arbeitsunfähigen und älteren Männer auf LKW verladen und nach Galatz ins Sammellager gebracht. Nach etwa einer Woche Lageraufenthalt setzten sie ihre Reise mit dem Schiff Donau aufwärts in das Sammellager Semlin in Jugoslawien fort. Wieder erwartete sie rund eine Woche Lageraufenthalt, ehe die Weiterreise mit der Bahn angetreten wurde. Nach der Ankunft in Wien wurden alle verteilt auf die Umsiedlungslager Eschelberg, Waxenberg und Schloß Riedegg bei Gailneukirchen (Linz/Oberdonau).
Näheres über die Vorbereitungen zur Aufnahme der Marienfelder in Waxenberg erfahren wir aus dem 7. Brief November 19403 :
Oberneukirchen empfing die Bessarabien Deutschen.
Wie wir im letzten Heimatbrief angekündigt haben, sind nun die Bessarabien-Umsiedler mit Kind und Kegel hier eingetroffen. Die Ortsgruppe Oberneukirchen hat das Möglichste getan, um ihnen schon von Anfang an zu zeigen, wie sehr wir bemüht sind, ihre Lage nach Möglichkeit zu erleichtern. Tage vorher schon wurde Jung und Alt mobilisiert, welche Tag und Nacht arbeiten mussten, um das Lager Waxenberg in einen Zustand zu setzen, der den gestellten Anforderungen gerecht wird. Es galt bei 400 Strohsäcke zu stopfen, Zimmer und Betten in Ordnung zu bringen und verschiedene andere kleine Arbeiten zu verrichten, die zur wohnlichen Ausgestaltung notwendig sind. Besonders in den letzten Tagen wurde oft bis 11 und 12 Uhr nachts mit Liebe und Fleiß gearbeitet, und als schließlich der Tag kam, wo das Eintreffen der Umsiedler gemeldet wurde, da konnten ihnen alle Beteiligten mit dem Bewusstsein entgegen blicken, ihre Pflicht als Volksgenossen den tapferen Heimwanderern gegenüber restlos nachgekommen zu sein.
Schnell wurde noch alles Notwendige zur Verpflegung heran geholt, Kartoffel und Kraut eingelagert, Brennmaterial besorgt und dann die Vorbereitung zum Empfang getroffen.
Um 4 Uhr nachmittags kam dann unser umsichtiger Kreisleiter, um noch alles zu überprüfen und die Umsiedler persönlich in ihrer vorübergehenden Heimat zu begrüßen. Inzwischen hatten die Gliederungen der Partei und der Reichskriegerbund Aufstellung genommen, auch die Ortsmusik von Oberneukirchen fehlte nicht, um den Empfang durch schneidige Märsche zu verschönern. Als dann um halb 8 Uhr abends die lange Autokolonne einfuhr und nach und nach die Familien, insgesamt 310 Personen, in das Schloss geleitet wurden, da ist wohl jedem von uns die Größe des Vaterlandes klar geworden, die diese Familien für Deutschland und für unseren geliebten Führer darbringen. Alte Leute, rüstige Männer, brave Mütter und viele, viele Kinder gingen an uns vorüber. Eine gute Organisation der Lagerführung sorgte dafür. Dass schon eine Stunde später alles in den zu geteilten Räumen untergebracht war. Die rührige Frauenschaft von Oberneukirchen und Warenberg verteilte sich sodann in den Räumen und hatte für jedes Kind und für jede Mutter ein besonderes Päckchen guter Sachen. Dankbare Blicke und Worte der bescheidenen Menschen belohnten reichlich die aufgewendeten Mühen.
So wurde auch diese Arbeit in gemeinschaftlichem Zusammenwirken geschaffen. Für Arbeit und Beschäftigung der Rückgeführten muss natürlich auch Sorge getragen werden. Um Arbeit sind wir ja in Oberneukirchen nicht verlegen. Es wurde deshalb sofort ein neuer Güterweg nach der Ortschaft Reindlsödt projektiert und sind die Vorbereitungen bereits so weit gediehen, dass wir hoffen, alle arbeitsfähigen Männer in Kürze beschäftigen zu können. Ein schöner Herbst wäre natürlich wie bei allen anderen Arbeiten auch hier dringend notwendig.
Die zurückgebliebenen Marienfelder Männer mussten ihr Vieh versorgen und das Getreide auf den Bahnhöfen Comrad oder Skinosse abliefern. Die meisten hatten seit der Abfahrt der Familien ihre Schweine geschlachtet, das Fleisch gebraten und mit Schmalz übergossen in verschlossenen Gefäßen verpackt.
Diese Art der Haltbarkeitsmachung kannte ich noch von den Schlachtetagen meiner Schwiegereltern – „Gselchtes“.
Das Schweinefleisch wurde nach dem Schlachten zunächst gepöckelt. Während die Spitz- und Eisbeine in einer Salzlake im Steintopf zogen, wurden die besseren Stücken mit einer Mischung aus Salz und Gewürzen eingerieben und in einem Steintopf gestapelt, dann kühl im Keller gelagert. Der austretende Saft wurde so zur Lake, nach einiger Zeit wurde umgestapelt. So zog die Salz-Gewürzmischung etwa 3 Wochen durch das Fleisch. Anschließend wurde alles abgespült, das Fleisch etwas gewässert, dann zum Trocknen aufgehängt. Das dauerte etwa einen Tag. Danach kam es in die Räucherkammer und wurde heiß geräuchert, meist nur 2-3 Stunden. Kalt geräuchertes, wie Schinken oder Salami dauerte deutlich länger und wurde zumeist mehrfach geräuchert und blieb hängen in der Räucherkammer.
Im nächsten Schritt wurden die gepöckelten und geräucherten Fleischstücken gekocht und angebraten. Das abfließende Fett wurde als Schmalz aufgefangen.
Wieder kamen Steintöpfe zum Einsatz. Alle waren peinlich sauber geschrubbt und wurden mit Schmalz ausgegossen, es befand sich also im Topf ein 1-2 cm dicke Schicht an den Wänden und dem Boden. Das Fleisch wurde Schicht um Schicht in den Topf gelegt und mit flüssigem Schmalz bedeckt. Es durfte nirgends Luft eingeschlossen werden, da hier das Fleisch zu schimmeln beginnt. Obenauf ein dicker Abschluss aus Schmalz, dann wurde der Topf mit Deckel zugebunden und kam in den Keller. So konnte das Fleisch durchaus bis zu einem halben Jahr stehen.
Wenn Gehacktes verarbeitet wurde, haben sie es ebenfalls für ein paar Tage roh in Schmalz eingegossen und in den Keller gestellt, so konnte es nach und nach verarbeitet werden. In der Regel wurde es eingeweckt.
Uns mag das heute abenteuerlich erscheinen, aber man hatte früher wenig Möglichkeiten, seine Nahrung zu konservieren und für den Transport war diese Methode sehr geeignet, zudem waren die Winter in Bessarabien ungleich kälter als in Deutschland, so war der Keller der beste Kühl- gar Gefrierschrank.
Anfang bis Mitte Oktober 1940 hatten auch die zurückgebliebenen Männer in Marienfeld ihre Pferdegespanne beladen und machten sich mit zwei Stopps in Jekaterinovka und Albota auf den Weg nach Galatz.
Dort nahm man ihnen allerdings die Pferdegespanne, einschließlich aller aufgeladener Güter, ab. Ihre ganze Mühe war umsonst.
Nach einer Woche Lageraufenthalt nahmen sie den Reiseweg ihrer Familien und kamen von Wien aus in das Auffanglager Kremsmünster in Österreich. Erst von dort wurden sie auf die Lager verteilt, in denen ihre Familien untergebracht waren.
Unter den im Schloss Waxenberg befindlichen Marienfeldern waren auch die Familie Samuel Grieb, denen ein Kind hier geboren und getauft wurde und die Familie Jacob Beierle, die später nach Amerika auswanderte..
Der 8. Brief Weihnachten 19403 berichtete erneut aus Waxenberg an die Front:
Es ist nicht immer leicht, von der engsten Heimat Neuigkeiten zu berichten, doch einiges gibt es auch diesmal wieder zu erzählen. Wie Euch bekannt ist, sind im Schloss Warenberg zirka 450 Volksdeutsche aus Bessarabien vorläufig über den Winter einquartiert. Es gelang der Gemeinde bereits, einem Teil der Männer entsprechende Arbeitsstellen zuzuweisen, so dass sie nun zum Unterhalt ihrer Familien schon selbst zum Teil beitragen können. Es sind meist recht kinderreiche Familien, durchwegs willige und fleißige Arbeitskräfte, die überall zupacken. Und Arbeit gibt es trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit bei uns immer noch genug. So wird zum Beispiel derzeit die Wasserzuleitung zu unserem Marktbrunnen repariert. Eine Steinquetsche steht ferner zum Gaudium unserer Schuljugend hinter dem Schulhaus in Betrieb. Auch unsere Schuljugend zeigt wieder ihren bewährten Sinn für Arbeitseinsatz in jeder Form. So werden derzeit für die Kinder der Bessarabien Deutschen zirka 150 Stück Spielwaren als Weihnachtsgeschenk in gar vielen Bastelstunden hergestellt. Da geht’s oft recht lustig zu. Autos, Puppenküchen, Bettchen, Wiegen, Hampelmänner, Schlachtschiffe, Flieger, und vor allem Puppen entstehen in Serienerzeugung.
Aus dem Umsiedlerlager Waxenberg
Aus dem Umsiedlerlager Waxenberg
9. Brief – Jänner Februar 19413
Für die Bessaraber, die auf ihrer Zwischenstation in Wagenberg das Weihnachtsfest im Lager feiern mussten, wurde alles getan, was in unseren Kräften stand. Die Schulkinder von Oberneukirchen haben in mühseliger Arbeit einen vollen Monat gebastelt, so dass mit Hilfe der NSV ein reicher Gabentisch gedeckt werden konnte.
10. Brief – März 19413
Liebe Soldaten- Für diesmal gibt es in unserem Ort fast keine Neuigkeiten. Trotzdem sich die Sonne nach Kräften bemüht, uns zu helfen, umgeben uns noch unwahrscheinlich große Schneemassen nur mit dem Unterschied, dass das blendende Weiß der Gegend einem unfreundlichen, schmutzigen Grau gewichen ist. Wir sind dabei, die Straße Oberneukirchen-Waxenberg-Traberg frei zu legen, und wenn auch noch Schneepflüge mit Raupen helfen, hoffen wir doch, den Frühling auch in unserem Land mit Gewalt auf die Beine zu bringen.
Eine besondere Belebung erfährt Oberneukirchen durch den ständigen Besuch aus dem Umsiedlerlager in Waxenberg, dessen 450 Einwohner sowohl der Gemeinde, als auch dem Standesamt ständig zu tun geben.
11. Brief – April 19413
Liebe Soldaten! Die Heimat grüßt Euch. Endlich ist der harte Winter, der heuer besonders grimmig sich zeigte, gewichen, und sonnige Tage lassen uns den Frühling ahnen. Noch verunzieren allerdings schmutzige, oft meterhohe Schneehaufen den lieben Markt, doch Straßen und Wege sind schneefrei. Ab 9. März verkehrt endlich das Helfenberger Auto wieder nach langer Winterpause.
Fleischhauer Dunzendorfer hat zum Leidwesen der „Sonntag=Bürgertag=Besucher“ das Gastgewerbe aufgeben. Das Gasthaus Kafka hat einen neuen Pächter aus Enns bekommen.
12. Brief – Mai Juni 19413
An Ortsneuigkeiten gibt es diesmal nicht viel zu berichten.
Am 1. Mai setzte die Jugend den üblichen Maibaum an der Stelle, wo früher das »Park-Bründel« stand; dieses und der Park sind verschwunden Letzterer harrt einer neuen, schöneren Wiederanlage.
Im Bessarabienlager in Waxenberg erweckte das „Eierlesen“ viel Heiterkeit
Für die Marienfelder sollte sich die Zeit des Lagerlebens in Waxenberg nach etwa eineinhalb Jahren dem Ende zuneigen. Nachdem sie ihre Einbürgerungsunterlagen erhielte und nun offiziell „Deutsche“ waren, wurde ihre Ansiedlung auf Bauernhöfe in Polen vorbereitet.
Marienfelder Senioren 1941, links mit der Knickerbockerhose Lagerleiter Führlinger, ganz rechts Andreas Schaal (1879-1966), 5. von rechts Andreas Kraft (1873-1967)2)
Herr H. Grieb, im Lager Waxenberg geboren, hat 2006 den Ort und Herrn Wimmer besucht und einiges aus Familienerzählungen berichtet, Herr Wimmer schreibt am Heimatbuch Waxenberg und betreut zudem das Online-Archiv Waxenberg. Wer zu Waxenberg noch weitere Informationen und Familienerinnerungen teilen kann, den bitte ich, sich an Herrn Wimmer zu wenden.
Im Jahre 1942 zogen neue Bewohner in das Lager ein.
14. Brief – September Oktober 19413
Eine Schar Holländer-Kinder, welche zu einem sechswöchigen Aufenthalt teils bei Eckerstorfer in Oberneukirchen, teils bei Rader in Waxenberg lagermäßig untergebracht waren, wurden dieser Tage vom Ortsgruppenleiter in ihre Heimat zurückgebracht.
19. Brief – Juli August 19423
Die Erdäpfel, Kraut und Rüben sind auch recht schön. Obst zeigt sich auch so halbwegs eins. Und die Froschau hat Menschenzustrom wie ein kleiner Wallfahrtsort, da es ja heuer mehr Kirsche dort gibt als in vergangenen Jahren. Nur bei manchem Haus werden die ,,Kerschenbrocker vermisst. Sie stehen als Soldaten im Osten.
Denkt Euch; die ersten Ukrainer Landarbeiter sind eingetroffen. Es sind lauter Ehepaare, die wir haben. Wie sie bei der Arbeit sind, kann ich Euch noch nicht sagen, da sie erst ein paar Tage hier sind.
Leihvertrag Kindergarten und Schulgebäude 1943 3)
25. Brief – Juli August 19433
…das Land zu gehen und die Haferfelder anzusehen. Trotz des Leutemangels ist die Heuernte eigentlich sehr rasch eingebracht worden. Es hat alles, ob klein-, groß, Jung und Alt, fleißig mitgeholfen. Die Frauen aus den Westgebieten haben zum Teil sehr stramm mitgeholfen und werden uns auch bei weiteren Ernten sicherlich gern mithelfen.
In unsere Ortsgruppe sind schon über 130 Volksgenossen aus Westdeutschland gekommen Obwohl sie sehr viel mitgemacht haben, haben sie eine stolze Haltung an den Tag gelegt Mancher kann sich da ein Beispiel nehmen.
26. Brief September/ Oktober 19433
Am 31. Juli fand im Umsiedlerlager in Warenberg eine Namensgebung statt. Außer der Sippe nahmen auch Vertreter der volksdeutschen Mittelstelle und Ehrengäste der Partei und Gemeinde teil. Der Obersturmbannführer.
Die Arbeit beim Güterwegbau in Oberneukirchen (Mitterfeld) geht unentwegt vorwärts
29. Brief – März April 19443
Liebe Soldaten! Die herzlichsten Grüße sendet Euch die Heimat. Der Winter hat zwar kalendermäßig sein Ende genommen, aber in Wirklichkeit denkt er noch an dein Gehen. Diese Schneemassen hat Oberneukirchen mehrere Jahrzehnte nicht gesehen. Seit drei Wochen verkehrt bei uns kein Auto (Die Post wird wieder wie zu Zeiten des alten Vrenner von ZwettI geholt).
Seit einigen Tagen können doch die Fuhrwerke wieder fahren. Zwettl ist seit Wochen der Umschlagplatz von Waren, Lebensmittel und Kohlen. Der Postkraftwagen wird kaum vor Mitte April verkehren können. Nun könnt Ihr Euch ein Bild von diesem Winterende machen. hoffen wir, dass ein gutes Jahr für die Feldfrüchte folgen wird, an Feuchtigkeit für die Wiesen und Felder fehlt es nicht, nur die liebe Sonne muss ums viele warme Tage bescheren, dann ist auch in diesem Jahr für Ernährung wieder gesorgt Die Arbeiten werden durch den Einsatz aller verfügbaren Arbeitskräfte geschafft werden.
32. Brief – September Oktober 19443
Die Gauwehrmannschaften hielten am Sonntag den 17. September auf der Schießstätte in Waxenberg ein Schießen ab.
Aber in diesem Jahre denkt nicht nur ihr Söhne unserer Heimat unser liebes Oberneukichen. Mit euch gehen die Gedanken vieler Kameraden aus den Städten der Ostmark und der des Altreichs, die ihre Frauen und Kinder zu uns in Sicherheit brachten. Mit Euch gehen jetzt auch die Herzen der Siebenbürger SS-Kameraden, deren Familien in Gedanken sich bei einem Muehlviertler Fichtenbäumchen kreuzen. Ihnen allen aber, die Haus und Hof verloren haben, wollen wir zeigen, dass sie nie heimatlos sein können, solange es ein Deutschland gibt. Unsere Herzen aber sind immer bei Euch. Ihr kämpft für uns, wir arbeiten für Euch, damit wir uns am Ende den Sieg des Vaterlandes verdienen.
33. Brief – November Dezember 19443
Der Volkssturm unserer Ortsgruppe zählt 256 Mann, welche in den Wintermonaten ihre militärische Ausbildung erhalten. Am Montag den 13. November kam hier der erste Treck Siebenbürger Deutschen mit Pferd und Wagen an und wurden vorläufig in die Auffanglagern bei Eckerstorfer und in zwei Klassen der Volksschule gegeben. Diese Woche werden sie in die Quartiere eingeführt. Es sind durchwegs Bauern, große stattliche Menschen heute, Sonntag-, konnten sich die Frauen in ihrer malerischen Tracht sehen lassen. Die meisten Männer müssen in nächster Zeit zur SS einrücken.
2 Foto (p. 111) aus: Marienfeld, Kreis Bender – Bessarabien 1910-1940 Zusammengestellt von Artur Schaible, Kreisamtsrat a. D. Herausgeber: Christian Fiess, Vorsitzender des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien e. V., 1990
3 von mir nachbearbeitete Dokumententexte und Zeitungsartikel mit freundlicher Überlassung durch Herrn Friedrich Wimmer, Waxenberg. Autor von „Waxenberg hat Geschichte – hat Kultur“, Waxenberg 2008, 104 S. (Gem. Oberneukirchen)
Bippus, Albert (* 11.11.1889 Tscherkess, Krim; Schriftleiter)
Busse, Paul (* 26.6.1903; Abteilungsleiter)
Dieter, Rudolf (*10.1.1892 Darmstadt/Ukr.; Reichsangestellter)
Fiechtner, Arnold (* 1.4.1903; Dipl. Kaufmann)
Hecht, Theodor (* 2.3.1888)
Holzwarth, Gustav (* 22.6.1901)
Lother, Johannes (Kraftfahrer)
Martinsen (Martinson), Alexander (* 23.7.1893 Petersburg; Kaufmann)
Rogler, Theodor (* 20.5.1893)
Schwarz, Philipp (* 20.12.1896; Angestellter)
Wichmann, Woldemar (* 26.11.1891; Konstrukteur)
Wurm, Woldemar (* 14.2.1873; Buchhalter)
Reimer, David (* 1.5.1895)
Frey, Jakob (* 1.1.1906)
Schierling, Gerhard (* 24.2.1893; Technischer Leiter)
Küst, Herbert (* 27.9.1906; Betriebsleiter)
Mützel, Johann (* 11.6.1920 Darmstadt/Ukr.; Bauer)
Gerstenberger, Viktor
Haase, Robert (* 10.4.1897)
Boldt, Nikolai (* 16.2.1895)
Höhn, Kurt (* 6.4.1903)
Mader, Richard (* 26.11.1891 Tiflis; Konstrukteur, Kraftfahrer)
Fey, Nikolaus (* 13.5.1907)
Baisch, Artur (* 17.11.1898)
Fast, Gerhard (* 10.4.1894 Lugowsk; Buchhalter, Sekretär)
Komnik, Alexander (* 26.6.1903 Omsk/Sibirien; Kraftfahrer)
Vaatz, Eugen (* 19.8.1894)
Hesse, Alexander (* 20.6.1894)
Böhm, Friedrich (* 3.5.1894; Tischler)
Schönfisch, Hans (Johannes) (* 4.9.1897 Berlin; Kraftfahrer)
Dr. Stumpp, Karl (* 12. Mai 1896 in Alexanderhilf, Russland; † 20. Januar 1982 in Stuttgart, Deutschland)
Dnjepropetrowsk, d. 12. März 1943
Quelle: Deutsche Auslandszentrale, Dr. Karl Stumpp, Steno Kopien Dez 42-Mai 1943 LDS 007938111
Verzeichnis der Mitarbeiter des Kommandos Stumpp; weitere Daten aus: Liste der Propagandamänner; Liste der Männer, die weder an RKU noch an Propaganda abgegeben werden, Aufstellung der Mitarbeiter des Kommandos Dr. Stumpp, die nach dem Erlaß vom 22.2.1943 dem RKU zur Verfügung gestellt werden; Aufstellung der aus dem Kommando Dr. Stumpp an den ReichskommissarUkraine abzugebenden Mitarbeiter
nach: Paul Langhans, Nr. 7. Deutsche Kolonisation im Osten. II. Auf Slavischem Boden.; Justus Perthes Gotha, 1897
Die Einwanderung der Mennoniten nach Russland begann mit der Aufforderung des russischen Abgesandten, Collegien-Assessor George von Trappe, dem Ruf der Zarin Katharina II. Folge zu leisten und die Steppe urbar zu machen.
Die Anhänger der nach ihrem Gründer Menno Simons benannten Glaubensrichtung lehnen die Taufe ihrer Kinder ab, sie sollten sich erst als Erwachsene durch die Taufe bewußt zu ihrer Religion bekennen. Durch ihre Ablehnung jeglicher Gewalt verweigern sie auch jeden Kriegs – oder Militärdienst, Staatsdienst und die Eidesleistung. Bereits im 16. Jahrhundert flüchteten die Mennoniten auf Grund dieser Haltung und religiöser Verfolgung in das Mündungsgebiet der Weichsel. Hier erhielten sie 1780 von Friedrich II. ein Gnadenprivileg, das sie vom Militärdienst befreite. Ihnen wurde Schutz bei der Ausübung ihres Gewerbes zugesagt, vor allem in der Textilherstellung und –verarbeitung, jedoch durften sie nur mit Genehmigung des Königs Land erwerben.
König Friedrich Wilhelm II. war nicht bereit, dieses Gnadenprivileg nach dem Tod seines Onkels 1786 anzuerkennen und verschärfte das Verbot des Landerwerbs. So wurde die Landnot enorm, dazu kamen nun Zwangsabgaben für protestantische Schulen und Kirchen, die ihre Kinder nicht besuchten und für die Befreiung vom Militärdienst, die mangels Wehrdienst erfolgen musste. Die ständigen Überflutungen der Deiche brachten Ernteausfälle mit sich, die der ständig wachsenden Mennonitengemeinschaft zusätzliche Probleme bereiteten. So war die Verlockung, weites Siedlungsland zu erhalten, gross.
Die Danziger Mennoniten entsandten zwei Deputierte, Jakob Höppner und Johann Bartsch, Ende September des Jahres 1786 nach Russland, um geeignetes Siedlungsland zu finden. Ihr Reiseweg führte sie zunächst per Schiff nach Riga, von dort aus nach Dubrowna/Weissrussland. Dem Generaladjutanten von Taurien, Generalleutnant Baron von Stahl empfohlen, brachen sie nach Krementschug auf und von dort nach Cherson.
Hier war nicht nur ihr Winterlager, sie bereisten den Cherson, ehe sie am 13. Mai 1787 der Zarin in Krementschug vorgestellt wurden. Diese sicherte ihnen folgende Privilegien zu:
Religionsfreiheit
als Reisekosten in das Siedlungsgebiet erhält jeder Erwachsene 25, jedes Kind unter 14 Jahren 12 Kopeken und freies Quartier
bei Ankunft für jede Kolonistenfamilie 65 Desjatinen Land
die russische Regierung verpflichtete sich, Holz für den Hausbau und Baumaterial für zwei Mühlen zu Verfügung zu stellen
bis zu ersten Ernte soll eine Unterstützung von 10 Kopeken pro Person und Tag gezahlt werden
für den Kauf landwirtschaftlicher Geräte und Saatgut erhält jede Familie ein Darlehen von 500 Kopeken, welches nach 10 Jahren in drei Raten zurückzuzahlen wäre
in den ersten 10 Jahre nach der Ansiedlung erhalten die Kolonisten eine Steuerbefreiung, danach wären pro Desjatine und Jahr 15 Kopeken zu zahlen
Befreiung von Militärdiensten, Fuhrdiensten, öffentlichen Arbeiten und Einquartierungen, im Gegenzug sind die Kolonisten verpflichtet, Brücken und Wege in ihrem Siedlungsgebiet zu pflegen und instand zu halten
Die Abgesandten begleiteten nach dieser Unterredung die Zarin auf die Krim. Im September des Jahres wurden auf ihr Bitten hin diese Zusicherungen durch Fürst Potjomkin fixiert. Höppner und Bartsch kehrten danach über Krementschug, Sankt Petersburg, Riga und Warschau zurück in die Heimat. Noch in Riga trafen sie auf die Familien des Hans Hamm, Kornelius Willins, Peter Rogese, Jakob Harder und Dietrich Isaak. Bei ihnen war auch der ledige Abram Krahn, Schwager des Isaak. Sie hatten sich bereits auf den Weg nach Russland machen wollen, als ihnen das Geld aus ging. Nun konnten sie Reisekosten im Hauptbüro beantragen zur Weiterreise.
Reiseweg der Danziger Mennoniten
In Warschau mussten Hoppner und Bartsch den König von Polen, Stanislaus II. August, über den Wunsch zur Auswanderung der Danziger Mennoniten und ihr Abkommen mit der russischen Zarin unterrichten. Mit ihrem Eintreffen in Danzig wurde am 19. Januar 1788 eine Versammlung der Auswanderungswilligen einberufen. Wer auswandern wollte, musste nun einen Pass beantragen und zehn Prozent seines Vermögens als Abzugsgeld an den preußischen Staat zahlen.
Am Ostersonntag, den 22. März 1788, brachen 7 Familien mit 50 Personen unter Höppners Führung von Bohnsack aus nach Stutthoff auf. Am nächsten Tag setzten sie sich mit Schlitten über das tauende Eis in Richtung Riga in Bewegung. Um ihren Pferden Schonung zu geben, blieben sie vier Wochen, ehe sie nach Dubrowna aufbrachen, das sie am 24. Juni 1788 erreichten.
Eine Weiterreise war zunächst nicht möglich, da sich Russland im Krieg mit der Türkei befand. Bis zum Frühjahr 1789 lagerten sie, während nach und nach weitere 228 Familien eintrafen. In der ersten Maiwoche 1789 brachen 6 Familien mit Höppner auf, um eine Vorhut zu bilden. Über Orscha und Krementschug reisten sie nach Jekaterinoslaw, wenig später weiter in das Tal der Chotitza, welches sie im Juli 1789 erreichten.
Das Entsetzen der Kolonisten bei Ankunft war groß, ein verlassenes zerstörtes Dorf lag vor ihnen, kein Baum, kein Strauch, kein Tier war in der Umgebung zu finden. Das ihnen versprochene Land war nicht hier, doch nun mussten sie sich allen widrigen Umständen zu trotz einrichten.
Während Höppner, Bartsch und einige andere auf die Dneprinsel Chortyzja zogen, wo ein verlassenes Wohnhaus ihr Quartier wurde, begannen die anderen Familien mit der Errichtung von Unterkünften, zumeist Erdhütten, um sich auf den herannahenden Winter vorzubereiten.
aus: Paul Langhans, Nr. 7. Deutsche Kolonisation im Osten. II. Auf Slavischem Boden.; Justus Perthes Gotha, 1897
So wurde die Kolonie Chortitza ( Chortyzja, Хортиця, Хортица), nordwestlich der Insel Chortyzja, durch Flamen gegründet. Die Friesen ließen sich im von ihnen gegründeten Dorf Kronsweide nieder. Zwischen 1793 und 1796 kamen weitere 118 Familien, welche auf die bereits bestehenden Kolonien Chortiza verteilt wurden. Ingesamt entstanden zwischen 1789 und 1797 elf mennonitische Kolonien.
Eine erneute Bestätigung ihrer Privilegien erhielten die Mennoniten 1800 durch einen Gnadenbrief des russischen Zaren Paul I.
Ab 1803 erfolgte eine erneute Auswanderungswelle, die nun ankommenden 342 Familien aus dem Elbinger und Marienburger Gebiet lagerten bei ihren Brüdern und Schwestern der Chortitzer Kolonien, ehe sie in die Molotschna weiter zogen.
Die Aufhebung aller Privilegien der Russlanddeutschen durch den russischen Zaren Alexander III. im Jahr 1871 zwang auch die Mennoniten zum Militärdienst, trotzdes von ihnen durchgesetzten Ersatzdienstes entschlossen sich tausende nach Übersee auszuwandern. Vor allem zwischen 1874 und 1879 zog es sie vor allem nach Nordamerika, etwa 18.000 ließen sich in Canada nieder.
Ab 1899 verließen viele Familien die Kolonien auch in Richtung Sibirien, ab 1907 sogar planmäßig. So entstanden bis 1914 rund 100 Siedlungen durch 200 Chortitzer und 1000 Familien aus der Molotschna um Omsk, Slawgorod, Pawlodar und Minussinsk.
Die russische Regierung unterband diese Auswanderungswelle ab 1929 radikal. Die Entkulakisierung seit 1928 betraf auch die Mennoniten, deren Geistliche und Lehrer, sowie viele weitere Menschen verschleppt, verbannt oder erschossen wurden. Die Kirchen wurden, wie überall, geschlossen. Insgesamt wurden zwischen 1929 und 1941 aus den Chortitzer Kolonien 1144 Männer, 162 Frauen und 150 Jugendliche verschleppt. Der Verbleib von 973 Personen ist ungewiss, 332 kamen in den Ural , 66 in den hohen Norden, 50 in den Süden, 18 nach Sibirien, jeweils sechs in die Zentralgebiete und den Fernen Osten, vier nach Kasachstan und eine Person in den Kaukasus.
Am 28. August 1941 wurde die Umsiedlung aller Russlanddeutschen durch Stalin befohlen, nun wurden die meisten verbliebenen Einwohner deportiert, das betraf 1438 Männer, 367 Frauen und 482 Jugendliche.
Etwa 35.000 Mennoniten gelang es, nach der Kapitulation in Stalingrad am 2. Februar 1943 mit auf den deutschen Tuppen in Richtung Westen zu ziehen, da die deutsche Armee aufgefordert wurde, die restliche deutsche Bevölkerung mitzunehmen, etwa 350.000 Deutsche, die in der Sowjetunion lebten.
Der geordnete Abzug betraf zunächst die Mennonitenkolonie Molotschna am 12. September 1943, danach folgte die Mennoniten-Siedlung Chortitza und Ende Oktober die Mennoniten-Siedlung Zagradovka. Anfänglich mit Zügen in den Warthegau unterwegs, setzte man nun auf Pferdewagenkolonnen, um die Steppe zu verlassen.Im März 1944 trafen die Evakuierten ein und blieben ebenso, wie die Bessarabier, die nach der Umsiedlung zur Ansiedlung auf dortige Bauernhöfe verteilt wurden. Auch die Mennoniten durchliefen den Einbürgerungsprozess der Einwanderungszentrale (EWZ), um die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Teil des Melderegisters von Plattkow Kreis Beeskow, Nr. 222-255 sind Angehörige des Trecks1
Der Aufenthalt im Wartheland sollte nicht einmal ein Jahr dauern, da erreichte die Front am 17. und 18. Januar 1945 Polen und Ostpreußen. Auf der Flucht in Richtung Westen schlossen sich auch polnischen und Danziger Mennoniten an, einige versuchten über die Ostsee nach Norden zu fliehen.Am 2. Februar 1945 erreichte ein Teil von ihnen den kleinen Ort Plattkow (Błotko), ein Dorf rund 40 km westlich der Oder im Spreewald, heute Ortsteil der Gemeinde Märkische Heide im Landkreis Dahme-Spreewald (Brandenburg). Sie blieben, wie aus den Melderegistern1 ersichtlich, bis zum 24. Februar, dann hatte die Front sie erneut eingeholt.
Es folgten erbitterte Kämpfe beiderseits der Oder auf dem Vormarsch nach Berlin. Vielen Flüchtlingen war nicht bewußt, das sie auf der westlichen Seite der Oder nicht in Sicherheit waren. Die Elbe war die Trennungslinie zwischen Ost und West, die in Jalta vereinbart wurde, so wurden viele von ihnen gefangen genommen und in die Sowjetunion deportiert. Doch auch in der westlichen Zone wurden viele gefangen und gewaltsam zurück geschickt (repatriiert).
Nach Schätzungen sind von den ~ 35.000 mennonitischen Flüchtlingen, etwa 23.000 auf diese Weise zurück geschafft worden und überwiegend nach Sibirien in Lager gekommen. Die verbliebenen 12.000 wanderten nach Aufenthalten in deutschen Flüchtlingslagern zur Hälfte nach Kanada und zur Hälfte nach Südamerika aus (Paraguay , Uruguay, Argentinien). Dort trafen viele von ihnen auf Angehörige der Auswanderungswellen nach den Erlassen von 1871, die sich inzwischen in ihren Kolonien ein neues Leben geschaffen hatten.
Gründungsjahr
Name
ukrainischer Name
russischer Name
1789
Chortitza
Chortyzja/ Хортиця (ehemaliger Stadtteil von Saporischschja)
Chortitza/ Хортица
1789
Insel Chortitza
zerstört 1917, heute Ostriw Chortyzja/ Острів Хортиця (im Stadtgebiet von Saporischschja)
Ostrow Chortitza/ Остров Хортица
1789
Alt-Kronsweide
auch Bethania, Welykyj Luh/ Великий Луг (Stadtteil von Saporischschja)
Weliki Lug/ Великий Луг
1789
Einlage
Kitschkas/ Кічкас (im Norden von Saporischschja, Rajon Lenin)
Kitschkas/ Кичкас
1789
Neuenburg
Malyschiwka/ Малишівка
Malyschewka/ Малышевка
1789
Neuendorf
Schyroke/ Широке
Schirokoje/ Широкое
1789
Rosental
Kanzeriwka/ Канцерівка (teilweise im Stadtgebiet von Saporischschja)
Kanzerowka/ Канцеровка
1789
Schönhorst
Rutschajiwka/ Ручаївка
Rutschajewka/ Ручаевка
1797
Schönwiese
(südlicher Stadtteil von Saporischschja)
Schenwise
1803
Burwalde
Baburka/ Бабурка
Baburka/ Бабурка
1809
Kronsthal
Kronstal/ Кронсталь, Dolynsk/Долинск
Dolinsk/ Долинск
1812
Osterwick
Pawliwka/ Павлівка (Teil von Dolynske)
Pawlowka/ Павловка
1816
Schöneberg
Smoljane/ Смоляне
Smoljanoje/ Смоляное
1823
Alt Rosengart
Nowoslobidka/ Новослобідка
Nowoslobodka/ Новослободка
1824
Blumengart
Kapustjane/ Капустяне (auch Kapustjanka/ Капустянка; existiert nicht mehr als Ort)
Kapustjanka/ Капустянка
1824
Neuhorst
Selenyj Haj/ Зелений Гай (früher Ternuwate/ Тернувате)
Selenyj Gaj/ Зеленый Гай (Ternuwatoje/ Тернуватое)
1833
Neu-Kronsweide
Wolodymyriwske/ Володимирівське
Wladimirowkskoje/ Владимировское
1860
Gerhardstal
nach Überfall 1919 flöhen die Bewohner, existiert nicht mehr als Ort, nahe Tscherwonyj Jar
Tschernoglasowka/ Черноглазовка
1867
Petersdorf
nach Überfall zerstört
1869
Adelsheim
Tochterkolonie von Chortiza
1869
Eichenfeld
Tochterkolonie von Chortiza, nach Überfall 1919 zerstört
1869
Franzfeld
Tochterkolonie von Chortiza
1869
Hochfeld
Tochterkolonie von Chortiza
1869
Nikolaifeld
Tochterkolonie von Chortiza
1878/1880
Neu Rosengart
Schmeryne/ Жмерине
Schmerino/ Жмерино
1880
Kronsfeld
Udilenske/ Уділенське
Udelenskoje/ Уделенское (auch Chutor Udelnenskij)
1889
Paulheim
1919 nach Überfall zerstört
1889
Reinfeld
1919 nach Überfall flohen alle Bewohner
Mariental
Landgut, auch Lutschinowo/ Strahlendorf, nach 1918 untergegangen
Quellen:
Dr. Karl Stumpp: Zusammenfassender Bericht über die 19 deutschen Siedlungen des Chortitza Gebietes auf der Westseite des Dnjepr, Gen. Bez. Dnjepropetrowsk, vom 5. November 1942
Verschwundene deutsche Dörfer im Rayon Chortitza, Kreisgebiet Sapososhje, Generalbezirk Dnjepropetrowsk; Der Reichsminister für die besetzten Ostengebiete. Kommando Dr. Stumpp. Kreisbeauftragter Gerhard Fast; Chrortitza den 5. Oktober 1942
Dialektologie. 2. Halbband; herausgegeben von Werner Besch,Ulrich Knoop,Wolfgang Putschke,Herbert E. Wiegand; Walter de Gruyter, 2008
Huebert, Helmut T. and Susan Huebert. „Great Trek, 1943-1945.“ Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online
Volkskundliche Erhebungen über die beßarabischen Umsiedler im Lager Nro. 69 in Tannwald. (Durchgeführt von Wenzel Fritsch, Bürgerschuldir. i.R., Tannwald, datiert 19.4.1941)
1. Siedlung und Umwelt: Die Umsiedler des Lagers 69 in Tannwald sind alle aus dem Dorfe M ar a s l i e n f e l d in dem Kreise der 45 km entfernten Stadt A c k e r m a n n am schwarzen Meere. Das Dorf wurde 1880 gegründet (die Mutterkolonie ist das etwa 40 km westlich gelegene Dorf A r z i e s) und hat seinen Namen nach dem alten russischen General Marasli, der um diese Zeit dort gelebt hat. Um den deutschen Charakter dieses Dorfes zu dokumentieren, haben die Bewohner das Wort Feld angehängt, also Maraslienfeld.
Es ist 100 ha groß, hat noch 139 ha Weide (Wiese), 2000 ha Ackerland, zählt 1080 Seelen, davon 180 Schulkinder in 4 Klassen. Die Bauernhöfe liegen, wie beigeschlossene Planskizze zeigt, zu beiden Seiten der Hauptstraße, welche in allen deutschen Dörfern Beßarabiens von Norden nach Süden führt. Diese Straße ist in allen Dörfern schnurgerade, sehr breit (über 20 m und hat außerdem auf jeder Seite noch ein 3 m breites Trottoir für die Fußgänger, so daß die Straße für die Fuhrwerke frei bleibt. Auf beiden Seiten der Straße sind auch Bäume gepflanzt. Straße und Gehsteig werden mit Lehm gepflastert und dann mit Grannt, einem feinen Meersand, jedes Jahr neu, bestreut.
In Maraslienfeld ist nur eine Hauptstraße mit 2 Reihen Höfen, das ist die Regel; es gibt jedoch auch Dörfer mit 4, ja sogar mit 6 Reihen Höfen. An den beiden Gehsteigen auf der Seite der Höfe war eine Mauer aus Stein oder auch aus Holz, die mit Kalk geweißt wurde. Ein jeder Hof war ca. 65 a groß, wovon die Hälfte bebaut war (mit Wohnhaus, das 2-3 Zimmer und Küche hatte, aber immer ebenerdig war, mit Weinschuppen, Pferde-, Hühner-, Kuh-, Schweine-, Schaf-, Gänse- und Entenstall, Wagen-, Mist-Schuppen, Spreuustall [sic!], Scheuer offen und gedeckt), die andere Hälfte war Hofraum, Obst- und Gemüsegarten. In der Mitte des Hofes war ein Brunnen (von 10 – 30 und noch mehr m Tiefe), dessen Wasser aber, weil salzig, für den Menschen ungenießbar war, sich aber sehr gut zum Trinken für das Vieh eignete. Für die Menschen wurde das Genußwasser aus den Brunnen in der Nähe des Baches geholt. Dieses war gutes Wasser.
In der Mitte des Dorfes war der Gemeinde-Hof. Auf demselben befand sich das Bethaus (in Maraslienfeld hatten sie nicht eine Kirche, sondern nur ein Bethaus mit einem Glockenturm), die Schule, ein Gemeindehaus, worin aber tagsüber auch noch eine Schulklasse untergebracht war, und ein Stall für die Gemeinde-Hengste und Bullen. Die Lehrerwohnung war in der anderen Dorfreihe. An der Querstraße nach Tatarbunar befand sich ein Kaufhaus, in dem die Bewohner alles, was sie brauchten, zu kaufen bekamen, sowie eine Mühle. Alle Gebäude waren, wie bereits bemerkt ebenerdig, aus Lehm, Stein oder gebrannten Ziegeln aufgeführt und mit Stroh, Schilfrohr oder Ziegeln gedeckt. Geheizt wurde mit Stroh (Holz und Kohle gab es nicht), beleuchtet mit Öl, das aus Raps oder Senf gewonnen wurde, oder Petroleum.
2. Bodenbeschaffenheit und Klima: Das Land ist vollkommen eben, ohne Berg, Baum und Wald (erst in jüngerer Zeit hat man im Norden des Dorfes an dem Bach (siehe Skizze) in dem Ausmaße von 3/4 ha einen Wald von Akazienbäumen angelegt), aber sehr fruchtbar; die dunkle Ackererde außerhalb des Dorfes in der Steppe hat eine Mächtigkeit von fast 1 m. Der Winter ist kalt, das Frühjahr rauh und feucht, der Sommer sehr heiß, daher auch oft Gewitter- mit starkem, wolkenbruchartigem Regen, mitunter auch Hagel und Blitzeinschlag; auch der Herbst ist feucht, oft Regen bis Winter.
3. Tiere und Pflanzen: Die Haustiere sind dieselben wie bei uns; auch die wild lebenden Tiere sind so ziemlich dieselben wie hier. Hirsche und Rehe fehlen, dafür gibt es viele Hasen. Füchse leben dort in den Steinhaufen, Wölfe verirren sich manchmal aus den Karpathen. Sehr häufig ist der Ziesel und die Wühlmaus. Frösche und Nattern sind nicht, dafür aber viele Kröten, welche dem Getreide großen Schaden zufügen. Auch der rote Weizenkäfer, ein Rüsselkäfer, schadet dem Getreide, während der Kartoffelwurm die Kartoffeln aushöhlt. Schmetterlinge und Vögel sind wie bei uns, nur wird die große Zahl der Störche hervorgehoben (jedenfalls ist darauf die große Zahl der Kinder zurückzuführen).
Kulturpflanzen sind: Weizen (Sorten mit und ohne Bart, Wechselweizen, Hasmann, Ulke), Gerste (Sorten mit2,4und 6 Reihen), Mais ( roten, weißen, gelben und Goldmais), Korn, Hafer, Hirse, Lein, Raps, Senf, gelbe, rote und Zuckerrüben, besonders aber auch Weintrauben in mehreren Sorten, denn Wein war ja das Hauptgetränk. Die Bauern sangen: Den Wein trinken wir, und darauf singen wir: Schön ist die Jugendzeit, sie kommt nicht mehr, sie ist beim Militär. Anderes Obst wie bei und gibt es auch, doch wird fast alles getrocknet.
Von den Haustieren seien besonders Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine, Tauben, Gänse und Enten. hervorgehoben, wovon jede Art in den verschiedenen Abarten vertreten war. Ein Bau-er hatte bis 18 Pferde, viele Schafe und Schweine, deren letztere in ihrem Fleische das Hauptnahrungsmittel lieferten, unzählige Tauben, Hühner, Gänse und Enten.
4. Nachbarn: Fremdvölkische Nachbarn waren Rumänen und Russen. Von den Rumänen mochten die Deutschen nicht viel wissen, aber mit den Russen waren die Beziehungen sehr gut, besonders in Geschäften. Der Russe glaubte dem Deutschen, was der Deutsche sagte, war ihm heilig; das deutsche Wort, der Handschlag genügte ihm. Die Russen dienten auch gern bei den Deutschen (deutsche Dienstboten gab es sehr wenige),denn sie wußten, daß sie bei den Deutschen ein gutes Essen erhielten, eine gute Schlafgelegenheit hatten und pünktlich ihren Lohn bekamen.
5. Nahrung: Im großen und ganzen war die Nahrung so wie hier bei uns, manchmal etwas anders zubereitet, immer aber mit viel Schweinefleisch, Rindfleisch oder Speck, z. B. Kartoffelstampfer (bei uns Brei) mit Sauerkraut und Speck, oder: Kartoffelstrudel mit Schweinefleisch, oder: Knöpfla (Kartoffelknödel) mit Kraut und Speck, oder: Gegangene und gebackene Küchla (bei uns in Fett, dort in Öl gebacken) mit Sauerkraut und Speck, oder: Bohnensuppe mit Schweineknochen ( bei uns heißt es Eisbein oder Schweinsknöchla) u. a. Morgens gibt es Tee, Leberwurst, Grieben dazu, Ribelsuppe (Reibteigsuppe) mit Fleischwurst; Abends: Kalter Speck mit sauren Gurken, sauren Paradeisäpfeln oder sauren Harbusen (Wassermelonen). Dann kommt der Wein. Wein wird viel getrunken, Sommer wie Winter; Wein hat auch jeder Bauer selbst aus den vielen Weinstöcken, die er hat (bis zu 1000). Gegessen wird 5 mal: Früh, um 9 Uhr, Mittag, Vesper und Abend. Mittags und abends wird auch die Glocke geläutet. Brot gab es nur Weißbrot, das in jeder Familie nach Bedarf selbst gebacken wurde, im Gewichte bis 3 kg und mehr. An Festtagen wurde viel gebacken, wie z.B. für Weihnachten, Neujahr, Ostern und zwar Kuchen, Lebkuchen, Süßbrot, Nußkuchen, Torten. Der Bauer war der Ansicht: Viel arbeiten, viel essen, viel trinken.
6. Kleidung: Diese war bei den Beßarabien-Deutschen so wie bei uns, nur konnten die Frauen keine Hüte tragen, da sie ihnen der Wind, der dort häufig ist, mitgenommen hätte; dafür hatten sie große Tücher z.B. bis zu 3 Kasaner-Tücher mit Seidenzotteln. Jede Frau muß wenigstens 1 großes Umhängetuch haben; das bekommt das Mädchen, wenn es sich verheiratet schon mit in die Aussteuer.
7. Leben in der Hof- und Dorfgemeinschaft: Der Hausherr ist der erste auf dem Hofe und in der Familie. Ihm haben Frau, Kinder und Dienstboten zu gehorchen. Er hat das ganze Anwesen in Ordnung zu halten, daß nichts verdirbt oder verloren geht, die Arbeiten zeitgerecht anzuweisen und selbstverständlich auch an erster Stelle mit Hand anzulegen. Er führt nicht allein die Aufsicht über die Arbeiten und Arbeiter, sondern steht vorn beim Säen, wie beim Ernten, gleichviel, ob dieses mit oder ohne Maschinen geschieht. Die Frau, die Stellvertreterin des Vaters, hat besonders für Ordnung im Hause zu sorgen, nicht nur zu kochen, damit alle zeitgemäß die richtige Nahrung bekommen, sondern auch gut einteilen, sehen, daß die Kleider der Familienglieder in wünschenswertem Zustande sind, jedes Familienglied bewäscht, beflickt und bestrickt ist. Im Frühjahr muß sie besonders bedacht sein, daß sie ihre Frühlingssaat in den Garten bekommt, so Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Erbsen, Kürbisse, Möhren u.s.w. Wenn die Frau sich im Frühjahr nicht kümmert, muß sie und ihre Familie im Winter darben. Ist die Frau mit auf dem Felde, so überträgt sie ihre Arbeiten zu Hause den Kindern.
Die Kinder werden fest mit herangezogen, nicht nur daß die größeren die kleineren betreuen, sondern sie müssen nach Maßgabe ihrer Kraft auch auf dem Felde und in der Scheuer arbeiten, daß ihnen der Schweiß übers Gesicht läuft, nach dem Bibelworte: Im Schweiße eures Angesichtes sollt ihr euer Brot essen, wenn auch betont werden muß, daß die Nahrung der Kinder nicht allein in Brot, sondern auch in Milch, Ribelsuppe (essen sie sehr gern), Milchreis, Nudeln und in kleineren Portionen Fleisch und Wurst besteht. Waren die Kinder brav und fleißig, so bekamen die älteren am Samstag ein kleines Taschengeld.
Dienstboten waren besonders Russen, weniger Rumänen, noch seltener Deutsche. Die Dienstboten werden auf 1 Jahr gedungen, können aber, wenn es ihnen nicht paßt, oder, wenn sie den Anforderungen des Herrn nicht entsprechen, jederzeit ohne Kündigung gehen, ohne einen Termin abzuwarten. Bezahlt werden sie nur, solange sie arbeiten. Sie sind nicht gebunden, werden wie ein Familienglied gehalten, können auch in die Kirche gehen. Herr und Frau schlafen in der Schlafstube, die Kinder abgesondert in einem Zimmer, die Dienstboten ebenfalls. Die Mahlzeiten werden in der Küche eingenommen.
Im Sommer, wenn 16 – 18 Stunden gearbeitet wurde, sind alle müde und legen sich am Abend gern ins Bett. Im Winter aber, wenn alle mehr ausruhen können, gehen die Männer gern auf einen Plausch zu einem Bekannten, erzählen, trinken ein oder auch einige Glas Wein, so daß sie oft lange nicht auseinander kommen. Auch die Frauen gehen mit dem Strickstrumpf oder einer anderen Handarbeit zu einem Plauderstündchen, ebenso das Jungvolk. Die Kinder hatten ebenfalls ihre Spielgemeinschaften. Die Knaben spielten gewöhnlich Hutscherles, d. i. Pferdchen, die Mädchen nähten Puppenkleider, kochten, kurz machten alles, womit eine Hausfrau sich beschäftigt. Bei diesen Zusammenkünften, insbesondere des Jungvolks und der Frauen, wird auch gesungen, und zwar sowohl Volkslieder ( wie auf beigeschlossenem Notenblatt), als auch Kirchenlieder, ein- und zweistimmig. Sonntag nachmittags und abends wird dann in einer größeren Bauernstube getanzt.
An der Spitze des Dorfes stand der Dorfälteste oder Schulze (nach dem Weltkriege Kurator genannt). Er hatte die Pflicht, die Gemeinde in Ordnung zu halten, die Gemeinde oder die Zehntelmänner ( das sind 10 abwechselnd auf 1 Jahr gewählte Vertreter der Gemeinde) zusammenzurufen und mit ihnen die Gemeinde- und Kirchenangelegenheiten zu besprechen und die sich ergebenden Auslagen (Umlagen) einzukassieren. Der Schulze hatte aber auch das Recht, unbotmäßige Gemeindemitglieder mit Geld- oder Arreststrafen zu belegen. Nach dem Weltkriege aber, als die Bevölkerung sehr verbittert und widerspenstig war, gingen diese Rechte fast alle auf den von der Regierung eingesetzten Sotzke oder Delegaten über und dem Schulze blieben nur die kirchlichen Angelegenheiten und das Recht, die notwendigen Sammlungen einzuleiten.
Damit der Besitzer sein Eigentum wieder erkennt, wurde den Rindern und Schafen meist eine Lücke in die Ohren geschnitten, den Pferden am rechten oder linken Hinterschenkel der Anfangsbuchstabe des Familiennamens oder Dorfnamens eingebrannt, auch die Wirtschaftsgeräte mit einem Brand versehen oder mit Ölfarbe gezeichnet
8. Religion: Fast alle sind evangelisch. Sonn- und Feiertags ist Gottes- dienst in der Kirche oder im Bethaus. Es wird da gepredigt und gesungen. Wenn das Dorf einen Pastor hat, so predigt dieser. Maraslienfeld hat keinen Pastor (der kommt aus dem Nachbardorfe Jährlich nur 6-7 mal oder bei besonderen Anlässen,wie Hochzeit, Begräbnis u.dgl. nach Maraslienfeld), da leitet der Küster den Gottesdienst, verliest eine Predigt und gibt die zu singenden Lieder an. Alle gehen in die Kirche. Wenn jemand einmal nicht war, war für ihn kein Sonntag. Eine andere Gesellschaft ist die Brüdergemeinde, die nicht nur in der Kirche, sondern auch in Privathäuhsern (bei einem Bruder oder einer Schwester) zusammen kommen, wo Gottes Wort vorgelesen, ausgelegt und gesungen wird. Eine 3. Sekte bilden die Baptisten oder Wiedertäufer. Diese gehen nicht in die evangelische Kirche. Zwischen ihnen und den Evangelischen gab es immer Reibereien, da sie die Evangelischen mit allen Mitteln für ihre Gemeinschaft zu gewinnen suchten. Dann gab es noch die sogenannten Weltmenschen. Ihre Zahl war ziemlich groß . In der evangelischen Kirche wurden außer Psalmen auch andere geistl. Lieder gesungen.
9. Vereinswesen: Vereine gab es eigentlich nicht. Es bestand ein Jugendverein. Die Jugend kam in einem Hause zusammen, wo in Büchern gelesen, Vorträge gehalten oder auch getanzt wurde. Dafür wurde entweder, ein Haus gemietet oder auch zusammengesteuert und davon ein eigenes Gebäude aufgeführt. Es bestand auch eine politisch deutsche Organisation der Volksgruppe mit 12 Blockleitern. Die gingen oder fuhren im Dorfe herrum, Befehle auszurichten, kassierten völkische Beiträge für den Gau ein und erkundigten sich nach unterstützungsbedürftigen armen Leuten, welche sie dann beteilten. Die Jungen marschierten auch aus, lernten das deutsche Kommando und sangen jetzt übliche Lieder. Die Mädchen taten dasselbe, aber mehr im Hause oder im Schuppen; freilich geschah alles nur im Rahmen der verfügbaren freien Zeit.
10. Sitte und Brauch:
a) Geburt. Die Kinder bringt der Storch aus dem Kinderland. Die Wöchnerin muß nach der Geburt des Kindes 9 Tage das Bett hüten und darf vor 5-6 Wochen nicht aus dem Hause. Ihr erster Gang ist in die Kirche, wo sie eingesegnet wird, und erst dann kann sie gehen, wohin sie will. Das neugeborene Kind wird gewöhnlich nach 8-14 Tagen getauft. Die Taufpaten, deren es 2-4 gab, hatten die Pflicht, den Eltern mit Rat und Tat beizustehen, damit das Kind nich [sic!] verkommt und in Gottesfurcht und im evangelisch-luthrischen Glauben erzogen wurde. Nach der Taufe folgte der Schmauß. Da gab es eine gute Nudelsuppe oder Suppe mit Hühnerfleisch, dann gebratenes Fleisch. Wein gab es nach Belieben, manchmal zu viel. Dann gab es Kraut und Kartoffelsalat, kalter Aufschnitt aus Schinken, Wurst und Speck und zuletzt Bohnenkaffee mit feinem Gebäck, Kuchen oder Lebkuchen und Schnaps. Auch wurde hie und da ein kleiner Tanz angefügt. Taufgeschenke gab es nur zu Ostern und Weihnachten und zwar ein Röckchen, ein Hemdchen oder verschiedenes Spielzeug. Der Geburtstag wurde im allgemeinen wenig gehalten. Manchmal wird am Geburtstag die Lieblingsspeise des Geburtstagskindes gekocht, oder dieses bekommt hin und wieder ein Geschenk, wenn es klein ist, von dem Taufpaten, wenn es größer ist, von den Eltern.
b) Konfirmation. Wenn das Kind 15 Jahre alt ist, wird es konfirmiert. Die Konfirmation wird gewöhnlich am Palmsonntag in der Kirche vorgenommen. Vorher erhalten sie durch 14 Tage den entsprechenden Unterricht, aus dem sie am Tage vor dem Festtage eine Prüfung ablegen müssen. Am Festtage selbst versammeln sich die Konfirmanten in der Küsterwohnung und ziehen von dort paarweise, zuerst die Mädchen, dann die Knaben auf einem Wege, der in der Mitte 1 1/2 m breit mit gelbem Sand bestreut und links und rechts mit grünem Gras belegt ist, singend und unter Führung des Pfarrers und Küsters in die Kirche. Vor dem Altar bleiben sie stehen, sprechen mit dem Pfarrer das Glaubensbekenntnis und legen vor der ganzen Gemeinde einen Eid ab, daß sie der evang. lutherischen Kirche treu bleiben und nicht abweichen wollen. Dann singen sie wieder einen Vers aus dem Gesangbuche, knien um den Altar herum nieder, werden eingesegnet und empfangen mit den Eltern und Paten das Abendmahl. Dann geht es nach Hause, wo ein gutes Essen stattfindet, ebenso wie das oben bei der Taufe geschilderte. An der Feier nehmen auch die Taufpaten und einige andere gute Freunde teil. Die Taufpaten werden von dem Konfirmanten ein oder einige Tage vorher persönlich eingeladen, indem er zu den Taufpaten geht, sie um Verzeihung bittet und den Spruch sagt: „Morgen werd’ ich konfirmiert und dem Heiland zugeführt, hab´ ich euch was Leids getan, so halt’ ich um Verzeihung an. Der Taufpate gibt dem Kinde dann gewöhnlich eine Bibel oder ein Gesangbuch als Geschenk.
c) Werbung und Hochzeit. Die jungen heiratslustigen Burschen gehen entweder in die Kirche und halten dort oder nach dem Gottesdienste Umschau unter den Mädchen oder sie suchen die Bekanntschaft mit diesen auf dem Tanzboden oder im Verein zu machen. Findet sich das Glück nicht im eigenen Dorfe, so machen sich einige gute Freunde zusammen, spannen ein Fuhrwerk ein und fahren in die Nachbarschaft zu Besuch. Ist eine Bekanntschaft gemacht, dann wird dieselbe durch kleine Geschenke (Taschentuch, Strümpfe, Ansichtskarten, Schokolade, Zuckerln, Äpfel u.dgl.) erhalten und weiter ausgebaut. Zwecks Weiterentwicklung wendet sich der Bursche an einen Verheirateten, den Kuppelsmann, schickt diesen zu dem Nädchen [sic!] und läßt fragen, ob ein Besuch erlaubt sei. Ist die Antwort bejahend, so gehen beide, Brautmann und Kuppler, zuerst zum Mädchen und dann zu den Eltern desselben und feiern, wenn sie einig sind, gleich die Verlobung. Die Braut erhält den Verlobungsring, dann wird bestimmt, wann die Hochzeit sein soll, und gegessen und getrunken. Nachher gehen die beiderseitigen Eltern zusammen, besprechen, wie die Hochzeit sein soll, wer alles eingeladen wird und was jeder Teil als Aussteuer von den Eltern bekommt . Dann ist der Heiratsvertrag geschlossen. Nun wird die Hochzeit zwecks des 3 maligen Aufgebotes an 3 auf einander folgenden Sonntagen angemeldet und vom Schulze ein Zeugnis, daß beide Teile noch ledig sind, besorgt. Vom Pfarrer wird dann das sogenannte Verhör ( Prüfung) vorgenommen und von ihm nach Ablauf der 3 Wochen ebenso wie auch vom Schulze ein Zeugnis ausgestellt, daß in dieser Zeit kein Ehehindernis eingetreten ist.
In diesen 3 Wochen wird aber auf die Hochzeit schon gewaltig vorbereitet; da werden Schwein und Hühner geschlachtet, Kuchen und Lebkuchen gebacken, Getränke vorbereitet u. a. Freilich kommt die Hauptarbeit erst in der Woche der Trauung. Böse ist es natürlich, wenn sich mittlerweile ein Hindernis eingestellt hat; da gibt es dann Hader und Streit, so daß mitunter sogar das Gericht in Anspruch genommen werden muß. Nun werden Einladungen geschrieben (Bittzettel) und diese von den Freunden des Bräutigams, der) Brautbuben, oder der Freundinnen der Braut, den Brautmädels, ausgetragen. Wenn aber keine Bittzettel geschrieben werden, so wie es früher der Fall war, dann besorgen die ältesten Brautbuben die Einladung mündlich, gehen in die Wohnung der einzuladenden Gäste und sprechen: „Deswega ben i komma, deswega ben i do, daß ihr sollt zur Hochzeit komma, drom saget alle jo.“ Am Tage vor der Hochzeit müssen die Brautbuben Tische und Stühle zusammenfahren. Dabei werden Wagen und Pferde mit Seidenbändern und buntem Papier geschmückt, auch Schüsse mit Pistolen abgegeben. Die ältesten Brautmädels wieder tragen in geschmückten Handkörben das Küchengeschirr zusammen. Am Tage vor der Hochzeit erscheinen der Küster und der Schulze, stellen den Ehekontrakt auf und nehmen gegebenenfalls die Verschreibung vor. Am Abend vor dem Hochzeitstage ist auch der Polterabend, an dem schon gegessen, gut getrunken und tüchtig getanzt wird.
Auch werden Glückwünsche in gebundener und ungebundener Rede dargebracht, wie: „Kommt der Storch nun übers Jahr, bringt er wohl ein Kleines mit, und ihr seid dann schon zu dritt. Schön , aber auch lang, ist der Glückwünsch der Grünzeugfrau: Eine Grünzeugfrau bin ich, ihr kennt gewiß schon lange mich, und komm, dem lieben, jungen Paar zu bringen meine Wünsche dar. Auch hier die Waren bring’ ich mit, die anzunehmen ich euch bitt’; so schön und frisch wie diese hier bekommt ihr nur allein bei mir. Schaut nur die Rüben, groß und dick, für einen Groschen 15 Stück; sie sind, glaubt mir, ganz zuckersüß. Dabei merk’ Bräutchen dir gleich dies: Hast je du Streit mit deinem Mann, und schweiget er auch noch nicht dann, wenn er sieht, daß du recht gehabt, nur schnell ein Rübchen ihm geschabt, dann ist er gleich muts-Mäuschenstill und tut nur, was das Weibchem [sic!] will. Auch Sellerie hab’ ich und Salat, schon, wie ihr sie noch niemals saht, und Schnittlauch, Kresse, Suppengrün, wie keiner sie versteht zu zieh’n. Gemüse, o ich sage euch, im Anseh’n ist es butterweich und schmeckt, daß der verwühte Mann selbst nichts zu tadeln findet dran. Dann Weiß- und Rotkohl nach Bedarf, Rettig und auch Zwiebeln gut, beißt nur hinein, ihr werdet sehn, wie euch die Augen übergehn, und aller Kummer und Verdruß aus Kopf und Herz gleich weichen muß. Nun laßt mich eure Kunde sein, wird mich in meinem Alter freu’n; an jedem Morgen findet ihr Punkt 6 mich vor eurer Tür, bediene auch euch alle Zeit zu größter Zufriedenheit. Doch nun möcht’ ich nicht länger stören, zumal ich ja darf wiederkehren, denn ich seh’s euch schon an, daß ihr die Kundschaft nicht vertraget mir. So lebet wohl, Gott sei mit euch und schenk’ euch Heil und Segen reich, und mög’ das Glück euch stete umblüh’n, wie hier in meinem Korb das Grün!
Das Kleid der Braut war weiß und modern, einem Schleier, mit einem Kranz auf dem Haupt und einem Blumenstrauß in der Hand. Der Bräutigam trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte, hatte ebenfalls einen Blumenstrauß mit weißem seidenem Band und einer Schleife auf der rechten Seite. Siehe Bild). Am Hochzeitstage nach dem Frühstück tritt ein Bruder, d. i. ein gutes Mitglied der evangel. luthr. Gemeinde, vor, sucht einen Text aus der Bibel, spricht darüber, alle singen einen Vers aus dem Gesangbuche, dann kniet er mit der ganzen Hochzeitsgesellschaft nieder und betet, ermahnt das Brautpaar, empfiehlt es Gott und spricht den Segen. Bevor sie den Wagen besteigen, gehen die Brautleute nochmals zu den Eltern und bitten ihnen alles ab, worauf diese auch das Paar segnen und ein Geleitwort mit auf den Weg geben. Dann geht es zur Trauung in die Kirche. Wagen und Pferde sind festlich geschmückt. Da auch die Brautbuben und Brautmädels mitfahren, sowie die Aufträger, Männer und Frauen, deren Zweck schon im Namen enthalten ist, sind immer mehrere Wagen erforderlich. Voran im schönsten Wagen fährt das Brautpaar, dann folgen die anderen paarweise( Bursche und Mädel). Vorfahren darf niemand. In derselben Ordnung geht es nach der Einsegnung durch den Pfarrer auch wieder zurück.
Da unterwegs schon eingekehrt und auch manchmal zu viel getrunken wird, so wird bei der Heimfahrt nicht selten um die Wette gefahren. Nun wird von den Aufträgern des Hochzeitsmahl aufgetragen. Dazu haben sich diese eine weiße Schürze umgebunden und ein weißes Handtuch über die Schulter gelegt. Das Essen besteht aus einer Hühnersuppe, Braten, Milchreis mit Rosinen und Pflaumen, Kartoffelsalat, kaltem Aufschnitt, und zuletzt gibt es guten Bohnenkaffee oder Tee mit Kuchen oder feinem Gebäck. Dabei werden verschiedene Lieder gesungen( wie sie auf beigeschlossenem Notenblatt verzeichnet sind und auch uns bekannte Volkslieder), auch ein Rundgesang wird eingeschoben oder ein schönes geistliches Lied aus dem Gemeinschaftsliederbuch. Sprüche, wie die bereits oben angeführten, werden aufgesagt, und schließlich folgt auch der Tanz, und nicht nur deutsche Tänze, sondern auch russische ( wie der Krakowjak) und rumänische ( wie der Oira und Sirba). Das begleitende Musikinstrument war gewöhnlich die Ziehharmonieka, in der Rumänenzeit spielten aber auch öfter Zigeuner.
Hie und da geht ein Mann oder eine Frau maskiert als Arzt, Zahnarzt oder Frauenarzt und macht seine Kunststücke, auch die Klappermühle und der Klapperstorch werden vorgestellt, und jeder geht einsammeln und gibt das Ergebnis dem Brautpaare. Häufig geben auch die Brautbuben Geld zusammen, verdecken es und verlangen, daß der, der die Kasse kontrolliert, diese Summe verdoppelt. In diesem Falle wird gewöhnlich kein Brautschuh gestohlen. Im allgemeiner gehört der Diebstahl des Brautschuhes zu den beliebtesten und gebräuchlichsten Episoden einer Hochzeit. Gewöhnlich wird ein Brautschuh ungeachtet der Wache der Brautbuben, die es zu verhindern suchen, von einem Aufträger gestohlen, dann nach Bekanntwerden des Diebstahls, was für die Gäste erst möglich ist, wenn die Braut hinter dem Tische zum Tanz aufgefordert wird, von einem Mann, der sich als Schuhmacher ausgibt, der den Schuh angefertigt hat, wieder herzu gebracht und versteigert. Der Meistbietende hat das Recht, der Braut den Schuh anzuziehen. In gleicher Weise wie die Brautbuben auf den Brautschuh haben die Brautmädel auf den Kranz der Braut zu achten, daß dieser nach dem Ablegen nicht gestohlen wird, da auch sie sonst zur Zahlung herangezogen werden. Alles Geld, das auf solche Weise, sowie durch etwaige Brauttänze eingeht, fällt dem Brautpaare zu. Auch dort war der Glaube verbreitet, daß bei der Hochzeit etwas, wie z.B. ein Glas, ein Teller oder eine Flasche zerschlagen werden muß, da dies Glück bedeute.
Am nächsten Tage folgt der Alte Weiber-Tanz, dann werden Wagen und Pferde nochmals aufgeputzt und Tische, Stühle und Geschirr wieder zurückgebracht. Als Hochzeitsgeschenke gibt es verschiedene Sachen, vor allem Küchengeschirr, aber auch Kuriositäten tauchen auf, so; z.B. eine Bruthenne mit kleinen Kücken, ein Nachttopf u.a. Am zweiten Tag nach der Hochzeit wird das Geschirr nochmals geschmückt und die Aussteuer der Braut überführt. Diese besteht aus 2 aufgemachten Betten, Kleiderschrank, Küchenschrank, einem großen Tisch mit 6-8 Stühlen, einem Küchentisch, dann Kasserol, Kessel, Pfannen, Backmulde, kurz alles, was zur Wirtschaft gehört; außerdem auch 2-3 Kühe, 5-10 Schafe und Hühner. Der Sohn bekommt einige Pferde, Wagen, Pflug, Eggen, Pferdegeschirr, Kühe, Schafe, Haus, Hof und Land (bis zu 25 ha), Brot und Saat bis zum neuen Jahr oder bis zur nächsten Ernte. Am ersten Sonntag nach der Hochzeit ist die Nachfeier; man sagt, die Hochzeit wird vergraben. Da wird noch der Rest gegessen und getrunken und nochmals tüchtig getanzt.
d) Tod und Begräbnis. Wenn jemand gestorben ist, wird der Tod den Verwandten im Dorfe durch Boten(falls sie nicht schon vorher, während der Kranke mit dem Tode ringt, anwesend waren), den Verwandten auswärts aber durch einen Reiter, ein Fuhrwerk oder ein Telegramm, mitgeteilt. Die anderen Bewohner des Dorfes erhalten die Kunde des Todes durch Glockengeläute und zwar, wenn die Sonne noch nicht untergegangen ist, an demselben Tage, sonst erst am anderen Morgen. Ist der Tote bis 15 Jahre alt, wird zuerst 3 mal mit der kleinen Glocke geläutet und dann 3 mal mit beiden; ist der Tote über 15 Jahre alt, wird zuerst mit der großen Glocke und dann mit beiden das gleiche Geläute vorgenommen. Den Zeitpunkt der Beerdigung gibt der Küster durch Zettel bekannt. Der Tote wird in einem besonderen Zimmer, in dem die Spiegel verhängt und die Fenster geöffnet werden, auf gelbem Sand auf der Erde aufgebahrt. Am Tage des Begräbnisses versammeln sich die Teilnehmer auf dem Hofe, und wenn der Pfarrer oder Küster kommt, wird der Sarg geschlossen und auf eine Bahre vor dem Hause gelegt. Der Küster spricht den Segen, gibt ein Lied aus dem Gesangbuche an, das von allen gesungen wird, (manchmal wird auch ein anderes Sterbelied, das nicht im Gesangbuche ist, gesungen) und dann setzt sich der Leichenzug in Bewegung zum Friedhofe. Daselbst angelangt, gibt der Küster Namen und Krankheit des Verstorbenen bekannt, spricht über dessen Lebenslauf, tröstet die Angehörigen, liest Gottes Wort vor und erläutert es, betet und segnet und bezeichnet wieder ein Lied aus dem Gesangbuche. Alle Trauerleute gehen hinter dem Sarge mit bis auf den Kirchhof. Trauertracht war: Schwarze Kleidung oder wenigstens ein schwarzes Band um den Arm. Nach der Beerdigung fand im Trauerhause eine kleine Leichenfeier statt, bei der ein guter Bohnenkaffee mit Süßbrot, manchmal auch ein oder einige Gläschen Wein verabreicht werden.
11. Brauch im Jahreslauf: Zu Weihnachten und Neujahr wird sehr viel gebacken, so Lebkuchen, Kuchen, Süßbrot, Torten, verschiedenes kleines Gebäck, also gerade so wie bei uns. Auch ist es Sitte, sich gegenseitig zu beschenken, besonders unter den Familienangehörigen. Auch gehen vor allem die Kinder sowohl zu Weihnachten als auch zum neuen Jahre zu den befreundeten Familien, um dort Glück zu wünschen, was meistens mit einem Sprüchlein geschieht, wie z. B.: Weil das neue ist gekommen, habe ich mir vorgenommen, euch zu wünschen in der Zeit Friede, Glück und Seligkeit, oder: So viel Flocken in dem Schnee, so viel Tropfen in dem Regen soll euch Gott, der Höchste geben, oder: Bete alle Wochen, bete mich ins Himmelreich, was ich krieg’, das ess’ ich gleich, oder der auch bei uns gebräuchliche Spruch: Ich bin ein kleiner König, gib mir nicht zu wenig, lass’ mich nicht zu lange steh’n, muß noch a Häusle weiter geh’n. Erwachsene werden bei dieser Gelegenheit mit Schnaps und Lebkuchen bewirtet, die Kinder erhalten verschiedene Kleinigkeiten. In der Faschingszeit werden hie und da, aber nicht oft, auch Maskierungen vorgenommen. Zu Ostern wird wieder sehr viel gebacken; besonders aber werden Eier gesotten und verschieden gefärbt. Auch zu Ostern werden gegenseitig Glückwünsche ausgetauscht.
Allgemein beliebt ist das Eierspiel, das von dem ledigen Volke auf einer Wiese durchgeführt wird. Dabei wird auf der Wiese ein Platz ausgesteckt und in der Mitte mit einer Fahne auf einem ziemlich hohen Maste geschmückt. (Siehe beigeschlossene Skizze). Auf der einen Seite ist der Tanzplatz, auf der gegenüber liegenden das Chor für die Musikanten und darneben ein Buffet mit verschiedenen Annehmlichkeiten für den Magen. In den Richtungen der 4 geraden Linien werden Eier gelegt und zwar jeder Linie 9 Stück weiße, rohe Eier und dann 1 Stück gekochtes u. gefärbtes Ei, und zwar dies 10 mal hinter einander. Bei jeder Eierreihe (im ganzen also 4) findet ein Bursche, der sogenannte Läufer Aufstellung. In den Punkten a,b,c und d steht je ein Mädchen (für jeden Läufer eines) mit Schürze und Handkorb. Jeder Läufer hat die Aufgabe, die 9 weißen Eier hüpfend eines nach dem anderen zu sammeln und sie dem zu ihm gehörigen Mädchen in die Schürze zu werfen. Das Mädchen wieder legt die aufgefangenen Eier in den neben ihr stehenden Handkorb. Daß dabei auch manches Ei zerspringt und das Mädchen beklext, ist wohl selbstverständlich. Das 10. und gefärbte Ei hat der Läufer über die Fahne zu werfen. Dieses Spiel wiederholt sich bei jedem Läufer 10 mal und in immer größeren Entfernungen. Der Wurf des 10. gefärbten Eies ist ausschlaggebend. Der Bursche (Läufer), der das letzte gefärbte Ei vorschriftsmäßig über die Fahne wirft, hat das Spiel gewonnen. Manchmal geht es dabei recht heiß zu, ja sogar Wetten werden abgeschlossen. Daß es für den Läufer keine einfache und leichte Sache ist, 100 Eier zu holen und zu werfen, ist wohl klar.
Unterhaltung. Erzählungen. Märchen, Sagen. Wenn die Bauern zusammen kommen, unterhalten sie sich meistens über ihre bäuerlichen Arbeiten als Pflügen, Säen, Mähen, Dreschen, über gute und schlechte Ernten. Dann gehen die Gedanken wohl auch zurück in die Ansiedlungszeit und sie erzählen, wie die Bauern damals gearbeitet haben. Sie hatten keine Maschinen wie heute; gepflügt wurde mit dem Holzpflug, gemäht mit Sichel oder Sense. Die ganze Familie war immer auf dem Felde beschäftigt, ihre Speise sehr gering. Wenn die Gebetglocke läutete, haben die Männer, wo sie standen oder gingen, die Mütze abgenommen und das„Vater unser” gebetet. Petroleumlampen kannten sie nicht, beleuchtet wurde nur mit Talg- oder Öllichtern. Die Kleider haben sie sich selbst angefertigt aus Flachs oder Hanf, den sie gebaut hatten. Die Kinder liefen bis zu ihrem 13. oder 14. Jahre mit einem langen weißen Hemd aus Flachs oder Leinwand herum. Wenn jemand Geld oder etwas anderes geborgt hatte, brauchte er keinen Schuldschein mit seiner Unterschrift geben, es genügte sein Wort, nach dem Leitsatze: Ein Mann, ein Wort. Die Männer erzählten bei ihren Zusammenkünften aber auch vom Kriege, insbesondere vom Weltkriege und auch vom jetzigen Kriege. Sonderbare Streiche fanden ebenfalls Beachtung, z. B.: 10 Fuhrleute fuhren nach Wein in das Nachbardorf. Als sie aufgeladen hatten, ruhten sie aus und zechten, bis sie angetrunken waren. Dann ging die Fahrt los. Der Weg führte über einen Berg, auf dem oben ein Graben war. Der erste fuhr hinüber, verlor aber dabei das Faß, welches den Berg wieder hinabkollerte. Der zweite fragte den vorderen: „Wie geht die Fahrt?” Der erste antwortete: „Es geht leicht, und jetzt noch leichter.” Dann fuhr der zweite hinüber mit demselben Erfolge. Alle anderen ereilte das gleiche Schicksal. Nun waren sie aber in dem Kopfe wieder klar geworden, kehrten um, luden von neuem auf und fuhren nach Hause.
Die Frauen sprachen über ihre häuslichen Arbeiten, erzählten Dorfgeschichten oder sangen Lieder.( Siehe Notenblatt). Den Kindern wurden dieselben Märchen erzählt, wie auch wir sie haben, nämlich Schneewittchen, Rotkäppchen, 7 Zwerge u.a.
Der Alpdruck ist den Umsiedlern ebenfalls bekannt. Von Geistergeschichten wird folgende erzählt: In dem Dorfe K. lebte einmal ein wohlhabender Bauer, der eine große Familie hatte. Als der älteste Sohn heiratete, kaufte der Vater einen Hof und schenkte diesen dem Sohne, jedoch ohne Haus. Dieses sollte sich der Sohn selbst bauen. Der baute auch tatsächlich das Haus bis hinauf, aber als es fertig war, fehlten Fenster und Türen. Darüber erzürnte sich der junge Mann so, daß er sich nicht mehr auskannte. Er zerfiel mit seinen anderen Geschwistern, ließ aber seine Frau beim Vater, nahm einen kleinen Stubenhund mit und ging in sein neues Haus schlafen. In der Nacht zwischen 11 und 12 fing der Hund an zu bellen, es erschien ein Mann ohne Kopf und verlangte von dem Bauern, daß er mitgehe. Das wiederholte sich einige Näachte, bis der junge Mann sich wieder sehr ärgerte und fest fluchte. Da verschwand der Mann unter großem Geräusch und kam nicht wieder. In dem Hause aber geisterte es noch lange Zeit. Jedesmal, wenn die Stunde kam, fing der Kleiderschrank an zu wackeln, das Küchengeschirr an der Wand schlug an einander u. dgl.
13. Aberglaube: Wenn der Hahn kräht, kommen Gäste, ebenso, wenn die Katze sich putzt, und zwar von der linken oder rechten Seite, je nachdem sie sich mit der linken oder rechten Pfote wäscht. Wenn der Hund wühlt und auf dem Rücken liegt, gibt es Sturm. Wenn jemand nicht schlafen kann, wird gesagt, er wird von Hexen geplagt. Als Mittel wurde empfohlen, eines abends das Schlafzimmer vollends auszuräumen, alles auszuputzen und dann die Sachen wieder hinein zu stellen. Auch ein anderes Mittel wird angeraten: Eine Kröte in der Mitte durchzureißen und die beiden Hälften unter das Kissen zu legen. Im Zusammenhänge mit diesem Mittel wird eine andere Geschichte erzählt, nämlich: In einem Nachbarhause war das Mädel verschwunden. Da sagte man, sie hat sich in eine Kröte verwandelt, die auf diese Weise zerrissen wurde. Wenn ein Kind die Zähne schwer bekommt. Mittel: Man fängt einen Spatzen (Sperling), reißt ihm den Kopf ab, streicht das warme Blut auf das Zahnfleisch und spricht 3 mal: Es helfe dir Gott Vater, Gott Sohn und hl. Geist.
Wenn ein Kind Auszehrung und Abnehmen hat. Mittel: Man geht an einem Freitag vor Sonnenaufgang ohne ein Wort zu sprechen unter einen Apfelbaum oder unter einen Pflaumenbaum und sagt: Ich klage dir, mein Kind hat Auszehrung und Abnehmen; der erste Vogel, der über dich wegfliegt, soll es mitnehmen und wieder 3 mal: im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes. Bei jedesmaligem Aussprechen dieser Worte muß der Kranke den Baum oder wenigtens einen Ast desselben schütteln. Wenn ein Kind das Maß verloren hat, wird das Kind auf den Boden gelegt und gemessen. Dann nimmt man vom Schilfrohr die Fahne, verbrennt sie und gibt die Asche dem Kinde zu essen. Bei Husten: Es werden Zwiebeln geschnitten, dieselben auf die Fußsohlen gebunden und dabei gesprochen: Nützt es nichts, so Schadetes nicht, es wäre besser, es wäre nicht. Hat sich ein Pferd verfangen, so gießet man ihm kaltes Wasser in die Ohren oder kocht ihm einen Tee.
Amulette gibt es bei den Deutschen, die evangelisch sind, nicht dafür aber bei den Russen. Beschwörungen wurden den Zigeunern überlassen, die je dort sehr häufig sind, freilich nur durchziehend. Lieder: Volkslieder, Kinderlieder und auch andere Lieder sind auf beigeschlossenem Notenblatt verzeichnet. Ich habe mir dieselben von verschiedenen Frauen Vorsingen lassen, an Ort und Stelle in Noten gesetzt und sie dann zwecks Prüfung auf ihre Richtigkeit wieder vorgesungen. Dabei will ich besonders auf das Englandlied, das einen beßarabischen Bauern zum Dichter hat, aufmerksam machen. Auf dem Notenblatt ist nur eine Strophe verzeichnet, die übrigen 7 sind auf einer besonderen Beilage. Studentenlieder gibt es bei den beßarabischen deutschen Umsiedlern nicht, da unter ihnen auch keine Studenten sind. Es sind eben alle Bauern.
15. Rätsel und Sprüche: 1.) Kommt was von Heck und Beck, hat ein Mantel von tausend Fleck. ( der Hahn). 2. ) Es liegt was im Keller drunten und ziehen sieben Paar Ochsen nicht herauf. ( der Wolleballen). 3. ) Ich geh in dir, ich geh auf dir, ich werd’ dich bomponelen (kneten), daß dir der Bauch aufgeht.( der Brotteig). 4.) Wann ist der Mann ohne Kopf zu hause? ( Wenn er zum Fenster herausschaut). 5.) Es hockt was im Eckle und sacht wie a Böckle.( Quark). 6. ) Außen haarig, innen haarig, 7 m in den …noch haarig. ( Strohhaufen).
16. Sprüche : 1) Annamareile, koch’ dei Breile, sitz auf’m Stühle, melk dei Kühle, geh aufs Gras, lock den Has’, gurgele, gurgele, lange Nas’. 2) Lidja, Lidja, Pfeffermühle, deine Kinder fressen viele, alle Tag ein Laiblein Brot, nimm den Hammer, schlag’ sie tot. 3) Bauer bind’ dein’ Pudel an, daß er mich nicht beißen kann. Beißt er mich, so straf’ ich dich mit eine Mark dreißig. Eine Mark dreißig ist kein Geld, wenn der Pudel noch so bellt.
17. Abzählverse: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, uns’re Mutter, die kocht Rüben, unser Vater, der kocht Speck, wen er will, den jagt er weg. 2. Johannes hat ein’ Garten klein, in dem Garten war ein Baum, in dem Baume war ein Nest, in dem Nest war ein Ei, in dem Ei war ein Dotter, in dem Dotter war eine Maus, sonst Johannes, du bist raus. 3. Enna, denna, Tintenfaß, geh’ in die Schul’ und lerne was, kommst du heim und kannst du’s nicht, nehm’ ich die Rut’ und kitzle dich, sind im großen und ganzen dieselben wie hier bei uns, nur Spottnamen kommen vor, sind aber selten; mitunter fanden sie gerichtliche Nachspiele.
18. Volksspiele: Davon ist das bereits oben angeführte Eierspiel und das folgende Schlüsselspiel zu erwähnen. Schlüsselspiel: Dieses wird übrigens verschieden gespielt. Irgend jemand, meist ein Bursche, nimmt einen Schlüssel. Jemand von den Mitspielern stellt sich auf und singt, die anderen gehen paarweise im Kreise um ihn herum.(immer ein Bursche und ein Mädel, jedoch nicht eingehängt). Nun läßt der unbekannte Inhaber des Schlüssels diesen fallen, worauf alle anderen plötzlich stehen bleiben müssen. Der im Kreise sucht sich mit einem Satz auch schnell eine Partnerin oder einen Partner, eventuell aus den Umstehenden. Wer keinen Partner bekommt oder sich rührt, hat dann in die Mitte zu gehen, und das Spiel beginnt von neuem.
19. Tanz: Getanzt wird Sonntag am Nachmittag und abends. Die Tänze einfach und schneller. Wie bereits oben erwähnt, werden aber auch volksfremde (russische und rumänische) Tänze eingeflochten.
Ende.
1 Abschrift aus: Deutsches Ausland-Institut, Stuttgart ; Teil I und Teil II (GS Buchnummer 943 B4na Nr. 16 und Nr. 21). Mikrofilm Nr. 007953035 Rolle 606 Frame 5396378; Abbildungen und Karten des Verfassers waren nicht enthalten, nur die Skizze zum Eierlauf, Signatur Verfasser. Die Richtigkeit bestimmter Schreibweisen wurde angemerkt.
Das barocke Schloss Werneck, zwischen Würzburg und Schweinfurth gelegen, wurde ab 1853 nach Plänen des Königlichen Regierungs- und Kreismedizinalrats Dr. Schmidt und des Königlichen Bauinspektors Mack zu einer Heil- und Pflegeanstalt für psychisch Kranke umgebaut. Am 1. Oktober 1855 konnte die Heil- und Pflegeanstalt Werneck unter ihrem ersten Direktor, Dr. Bernhard von Gudden ihre Arbeit aufnehmen. Werneck ist damit Sitz einer der ältesten psychiatrischen Kliniken Deutschlands.
Als von Januar 1940 bis August 1941 die deutschlandweite Aktion „T 4“ der Nationalsozialisten durchgeführt wurde, war auch Werneck betroffen.
Die Volksdeutsche Mittelstelle benötigte für die Unterbringung der „Volksdeutschen“ dringend Platz, so plante man, aus den vorhandenen 850 Pflegebetten eine Belegung für 1.750 Bessarabiendeutschen zu schaffen.3
Betraut mit der Aktion wurde der Gauleiter Otto Hellmuth, welcher am 23. September 1940 die Örtlichkeiten besichtigte, beschlagnahmte und die sofortige Räumung verfügte.
Otto Hellmuth (1896-1968)2
Zwischen dem 3. und 6. Oktober 1940 wurden insgesamt 777 Patienten aus Werneck mittels der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH Berlin“, einer Tarnorganisation, in die Heil- und Pflegeanstalt Lohr am Main bzw. über Zwischenstationen wie die Pflegeanstalt Reichenbach und Anstalt Karthaus-Prüll/Regensburg in die Tötungsanstalten Schloss Sonnenstein bei Pirna und Schloss Hartheim bei Linz verbracht, wo sie vergast wurden.4
Beim Abtransport sicherte Otto Hellmuth zu, dass die Patienten nach Abschluss der Umsiedlungsaktion der Volksdeutschen wieder nach Werneck zurückverlegt würden, eine eiskalte Lüge, rund zwei Monate nach ihrem Abtransport waren alle Patienten, die die Region Mainfranken verlassen hatten, tot.
Am 24. Oktober 1940 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Werneck mit bessarabischen Volksdeutschen belegt, die von hier aus im Reich angesiedelt werden sollten.
Im Januar 1941 war das Schoss mit etwa 2.000 Personen belegt. Da der landeskirchliche Pfarrer nicht tätig werden durfte, beauftragte der Landeskirchenrat am 8. Januar 1941 unter Kostenübernahme den aus Tarutino stammenden Pfarrer Albert Kern (1899–1985) mit der Seelsorge der Umsiedler. Leider war er nur kurz vor Ort, da er bald darauf in den Warthegau versetzt wurde.5
Otto Hellmuth wurde für den Mord an den fast 800 Patienten während der Aktion „T4“ nie angeklagt.
E. Kienast (Hg.): Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode, R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Berlin 1938
Maria Fiebrand: Auslese für die Siedlergesellschaft: Die Einbeziehung Volksdeutscher in die NS-Erbgesundheitspolitik im Kontext der Umsiedlungen 1939-1945 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung); Vandenhoeck & Ruprecht; Oktober 2014
Schmelter, Thomas: Nationalsozialistische Psychiatrie in Bayern. Die Räumung der Heil- und Pflegeanstalten. (DWV-Schriften zur Geschichte des Nationalsozialismus 1).Verlag Baden-Baden: Deutscher Wissenschaftsverlag 1999
Baier, Helmut : Kirche in Not: die bayerische Landeskirche im Zweiten Weltkrieg, Degener [in Komm.], 1979, S. 124
Im Januar 1940 kamen 10.000 Wolhyniendeutsche nach Sachsen, zwei Sonderzüge fuhren nach Pirna, um diese auf dem Sonnenstein unterzubringen, zwei Tage später war von rund 1000 deutschen „Rückwanderern“ aus Galizien die Rede, die in Pirna angekommen wären, wobei für den nächsten Tag ein neuer Transport angekündigt war. Am 11.1.1940 waren 1683 Personen im Lager registriert, davon 679 Kinder, diese blieben bis Anfang April 1940.1
Anfang Oktober 1940 kamen rund 800 Bessarabiendeutschen auf den Sonnenstein, ein weiteres Lager in Bad Schandau wurde mit 778 Personen belegt. Insgesamt gab es im Kreis Pirna 10 Lager mit etwa 5.000 Bessarabiendeutschen (Ostrau, Postelwitz, Rosenthal-Schweizermühle, Liebstadt, Bad Gottleuba-Hartmannsbach, Stolpen).1