Süd-Amerika

Karte Verbreitung des Deutschtums in Süd-Amerika 18961

Einzelne Deutsche fanden sich bereits seit der Entdeckung des Kontinents in Südamerika.

Bartholomäus Welser der Ältere
Bartholomäus Welser der Ältere4

Der Augsburger Bartholomäus V. Welser (1484-1561) betrieb ein Handelshaus, wie die Fugger. Als der spanische König Karl I. (später Kaiser Karl V. ) ab 1525 den Handel mit der „Neuen Welt“ auch für in Spanien lebende Ausländer öffnete, erwarb er sich 1528 das Recht zur Kolonialisierung des heutigen Venezuela und beteiligte sich an der Gewinnung von Rohrzucker und am Sklavenhandel.

Am 12. Dezember 1528 kam ein Vertrag zustande, der zur Anwerbung von 50 deutschen Bergarbeitern aus Sachsen führte. Diese  wanderten mit ihren Frauen aus und arbeiteten in den von den Welsern gegründeten Kupferminen in Santo Domingo. Im selben Jahr schlossen die Welser einen fünfundzwanzigjährigen Vertrag über die Ausbeutung der Ressourcen des heutigen Venezuela mit der spanischen Krone ab, da Karl V. hohe Schulden bei ihnen hatte. So gelangte ein Teil der geworbenen Bergarbeiter auch nach Venezuela. Zunächst ein Zehntel, später ein Fünftel der Gold-, Silber- oder Edelsteinfunde erhielt der spanische König.

Die Welser mussten auf Grund ihrer Verträge auf ihrem Lehen Venezuela auf eigene Kosten mindestens zwei Städte gründen, drei Festungen bauen und diese besiedeln. Zu diesem Zweck sollten 600 Siedler mitgeführt werden. Die Welser durften Gouverneure und Beamte einsetzen und waren von der Salzsteuer und sämtlichen Zöllen und Hafengebühren im spanischen Monopolhafen Sevilla befreit, konnten Indianer versklaven und etwa 4000 afrikanische Sklaven einführen. Im Jahre 1529 kam Ambrosius Ehinger, der erste Gouverneur von Klein-Venedig mit 281 Kolonisten nach Neu-Augsburg (Coro), der damaligen Provinzhauptstadt Venezuelas. Noch im gleichen Jahr wurde Neu-Nürnberg (Maracaibo) gegründet.

Die Ermordung der Konquistadoren Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser im April 1546 bei einer Expedition ins Landesinnere auf der Suche nach dem sagenumwobenen El Dorado, führte zum Zusammenbruch der Welserherrschaft in Venezuela. Mit dem Rücktritt Karls V. im Jahr 1556 gingen ihre Handelsrechte verloren.2

Einen anderen Weg ging der 1505/1506 in Nürnberg als Sohn eines Deckenwebers (Hans Blümlein und Frau Agathe Weltzer) geborene Bartholomäus, der als Bartolomé Flores am 12. Februar 1541 zum Mitbegründer Santiagos wurde. Die Straße, in der er wohnte, hieß ihm zu Ehren „Calle de Flores“ (heute „Catedral“). Sein Weg führte ihn über Sevilla/Spanien nach Santo Domingo/ Mittelamerika, wo er Handel mit Pferden und europäischen Waren aller Art betrieb. Nach kurzem Aufenthalt im späteren Nicaragua ging er 1536 nach Peru und stellte sich unter Befehl von Pedro de Valdivia. Inzwischen war er als Bartolomé Flores oder „El alemán“ bekannt. Er unterstützte dessen Eroberung mit 12.000 Goldpesos, 30 „yanaconas“ (eingeborene Sklaven) und Pferden. Auf seiner Encomienda in Chile betrieb er ab 1544 Weinbau, Landwirtschaft und Viehzucht, ab 1548 besaß er die erste Getreidemühle des Landes, in späteren Jahren war er der Kirche sehr zugetan und als großzügiger Spender bekannt, was ihm einen sehr guten Ruf in seiner neuen Heimat einbrachte, in welcher er 1585 verstarb.3


Neben diesen einzelnen kleinen Emigrationen gab es große Auswanderungswellen, so 1816/1817, als Hungerjahre die Deutschen vor allem nach Brasilien ausreisen ließ. Ähnliches geschah nach der europäische Agrarkrise 1846/1847 und der gescheiterte Revolution 1848.

Bereits  1817 versuchte Juan Martín de Pueyrredón (1776-1850), als erster oberster Regierender der Provincias Unidas del Río de la Plata, die Einwanderung in Argentinien zu fördern. Diese Einwanderungswelle sollte  Industrielle, Handwerker, Bauer oder Händler ins Land locken. Dafür versprach er, das alle Fabrikanten, Bauern und Kapitalisten, die sich im Lande niederlassen wollen, Brachland erhalten würden, und das ihre Besitztümer, Möbel, Maschinen, Werkzeuge und sonstige Ausrüstung für ihre Niederlassung vom Zoll befreit werden sollen.5

Ab 1820 begann das nun unabhängige Brasilien ganz gezielt Deutsche anzuwerben, zu diesem  Zweck entsendete die Regierung den Major Georg Anton von Schäffer, um Söldner und Siedler für die Provinz Rio Grande de Sul zu werben. Man versprach 200 Hektar Land, Vieh, volle Unterstützung im ersten, teilweise im zweiten und Steuerbefreiung für 10 Jahre. Bis 1828 rekrutiere Schäffer 25 Schiffsladungen voller Auswanderungswilliger ab Hamburg und Bremen, sowie einige Schiffe ab Amsterdam. Ab 1830 wurden weniger Siedler, dafür Arbeiter angeworben. Die Auswanderer ab 1840 wurden mittels der Handelsfirma Delrue, Dünkirchen, für die Provinz Rio de Janeiro geworben. Man versprach freie Überfahrt, ohne zu erwähnen, das die Kosten bei Ankunft „abzuarbeiten“ wären.

Hauptstrasse von Blumenau
Hauptstraße von Blumenau9
kladderadatsch
Kladderadatsch: Humoristisch-satyrisches Wochenblatt11

Ab 1859 verhinderte in Preußen das  Heydtsche Reskript wegen „weißer Sklaverei“ die weitere Auswandererbeförderung nach Brasilien. Der Handelsminister August von der Heydt lehnte in Hinblick auf die gesetzliche Diskriminierung der Protestanten jede Werbung für Brasilien ab und untersagte diese, letztlich beeinflusste das Reskipt das Auswanderungsverhalten jedoch nicht, so das es 1896 aufgehoben wurde.6

Nach Chile gelangten zwischen 1846 bis 1875 etwa 8.000 deutsche Einwanderer. Ihre Ankunft geht auf Bestrebungen des Präsidenten General Manuel Bulnes und dessen Nachfolger Manuel Montt zurück und ist dem Interesse und Engagement Bernhard Eunom Philippis und Vicente Pérez Rosales zu verdanken.7

Ab 1877/1878 wanderten vermehrt Deutsche aus Russland nach Südamerika aus. Der Verlust ihrer Privilegien aus der

Rigasche Rundschau Nr. 99 vom 1. Mai 1907
Rigasche Rundschau Nr. 99 vom 1. Mai 1907

Ansiedlungszeit machte vielen das Leben schwer. Vor allem Wolgadeutsche emigrieren nach Argentinien und gründeten dort zahlreiche Kolonien, unter ihnen Pueblo Santa Trinidad, Pueblo San Jose und Pueblo Santa Maria bei Coronel Suarez (Provinz Buenos Aires). Ursprünglich war das Ziel zumeist Brasilien, jedoch wurden manche von den Schiffsreedereien und den argentinischen Einwanderungsbehörden getäuscht und in Argentinien festgehalten, andere wanderten jedoch freiwillig in die für den Getreideanbau fruchtbareren Gebiete der Provinz Buenos Aires weiter. Anfangs war ausreichend Land vorhanden, später mussten sich viele Einwanderer als Arbeitskräfte bei anderen Deutschen verdingen, wodurch soziale Kontraste entstanden, die sich noch heute im Straßenbild der Kolonien bei Coronel Suárez widerspiegeln: in der „Vordergasse“ stehen teilweise prächtige Häuser, im „Mandschurei-Gäßchen“ strohgedeckte Lehmsteinhäuser.8

Der Zustrom Deutscher aus Russland riß bis zum Ende des ersten Weltkrieges nicht ab. Unter ihnen waren auch Familien, die einst nach Bessarabien oder in die Dobrudscha auswanderten. So sollen hier die Familie des Gustav Kundt (1901-1987) oder des Christian Hiller (*1887), die sich 1909 in Argentinien nieder ließen, als Beispiel stehen.
 
Aus der Chortitza-Gemeinde Bergthal im Schwarzmeergebiet stammten vorwiegend Mennoniten, viele waren um 1874 nach Canada ausgewandert, als ihnen die Privilegien in Russland aberkannt wurden. Mit der Schulreform zum Ende des ersten Weltkrieges, welches Englisch als alleinige Unterrichtssprache vorsah und der Schließung der mennonitischen Privatschulen, wanderten sie nach Paraguay aus, da seit 1921 die Regierung Einwanderern Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst sowie das Recht auf eigene Schulen und ein freies Erbrecht zusicherte. Zudem verließen rund 2.000 Mennoniten zwischen 1930 und 1932 wegen der religiöse Unterdrückung und der Landenteignungen  Südrussland und Sibirien und folgten nun ihren bereits ausgewanderten Brüdern und Schwestern nach Paraguay, die dort 1927 die Kolonie Menno in der Wildnis des Chaco gegründet hatten. Weitere 6.000 ließen sich in Mexiko bei Cuauhtémoc nieder und gründeten Orte wie Grünthal, Hoffnungsfeld, Friedensruh, Schönwiese oder Blumenau.
 

Es folgten die Flüchtlingswellen des zweiten Weltkrieges, unter den Emigranten waren rund 40 – 60.000 jüdische Bewohner des „Altreiches“ ab 1933.

 


Eine kleine Siedlergemeinschaft von 170 mennonitischen Spätaussiedler-Familien ist im Jahre 2005 von Deutschland in die als Deutsche Musterkolonie gegründete Kolonie Neufeld nach Paraguay ausgewandert. Sie kauften gutgläubig Land und Setzlingen der Macademia-Nuss, um mit dem Anbau auf Macademia-Plantagen eine neue Lebensgrundlage zu finden. Bei den Scheingeschäften seien mindestens 14 Millionen Euro bis heute verschwunden (Aktenzeichen 4 KLs6Js145/11 – 23/12). Bereits 1994 war die Schweizer Kolonie Rosaleda (Rosengarten) in Chaco im Nordwesten Paraguays ähnlich beworben worden und für die Ankommenden Existenzgründer zur herben Enttäuschung geworden.10


1Deutscher Kolonial-Atlas. 30 Karten mit 300 Nebenkarten, entworfen, bearbeitet und herausgegeben von Paul Langhans: Nr. 9. Verbreitung des Deutschtums in Süd-Amerika; Verlag Justus Perthes Gotha 1897
2Mark Häberlein (Herausgeber), Johannes Burkhardt (Herausgeber); Die Welser: Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses (Colloquia Augustana, Band 16), De Gruyter 2002
3Bartholomäus Blümlein: «El alemán» auf Eroberungsfeldzug; Condor, Deutsch-Chilenische Wochenzeitung, 25. April 2014
4Freiherrlich von Welsersche Familienstiftung, Reproduktion im Fugger-und-Welser-Erlebnismuseum, 1. Januar 1550; wikimedia gemeinfrei, User: Neitram
5Oelsner, Verónica: Die Europäische Einwanderung in Argentinien 1810-1914. Politikkonzepte, staatliche Förderung und Auswirkungen auf die argentinische Arbeitswelt. In: Themenportal Europäische Geschichte (2007)
6Walter Kamphoefner: Südamerika als Alternative? Bestimmungsfaktoren der deutschen Überseewanderung im 19. Jahrhundert; Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, vol. 41, issue 1, p. 199-216; Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000
7Tragödien und Leiden; Condor, Deutsch-Chilenische Wochenzeitung, 17. August 2015
8Dr. Peter Rosenberg (1998): ”Deutsche Minderheiten in Lateinamerika”. In: Particulae particularum. Festschrift zum 60. Geburtstag von Harald Weydt. Herausgegeben von Theo Harden und Elke Hentschel. Tübingen 1998: Stauffenburg: 261-291. (Republished in: Martius-Staden-Jahrbuch 49. São Paulo: Martius-Staden-Institut: 9-50.)
9Ludwig Hoppe: Aus dem Tagebuch eines brasilianischen Urwaldpfarrers; Verlag G. D. Baedecker, Essen, 1901
10Bodo Hering; Deutsche Musterkolonie Neufeld: 20.000 Russland-Deutsche verloren 45 Millionen Euro in Paraguay; 6. Februar 2016; Berlin Journal
11Kladderadatsch: Humoristisch-satyrisches Wochenblatt — 14.1861
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