Vor langer – langer Zeit als die Finsternis noch die Himmelsleere füllte, wurde sie durch eine Lichtexplosion gespalten und siedelte sich auf der Erde an. Nachts spazierte die Finsternis über die Erde und tagsüber versteckte sie sich tiefe Höhlen, Tunneln und Erdspalten.

Eines Tages landete der Nebel auf dem Planeten Erde. Unterwegs war er einfach bezaubert von der Schönheit dieses Planeten. Er wollte so gerne, dass es hier weniger Finsternis geben sollte.

Als die Erde ihn das erste Mal sah, fragte sie: „Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“ Er antwortete ihr: „Ich bin der Nebel – die echte sauberste Himmelsfeuchtigkeit.“

Die Erde und der Nebel reichten sich die Hände und wurden Freunde.

Der Nebel ging für den Tag in die Tiefe des dunklen Waldes, um sich in der Nacht auf die Felder, See und Wälder legen. Nachts kam die Dunkelheit aus der Hölle und machte einen langen Spaziergang. Sie kam in das Walddickicht, legte sich ganz unten übers Gras. Dann begegnete sie dem Nebel und fragte: „Warum benebelst du alles mehr nachts als tagsüber?“

Er antwortete ihr: „Ich habe Angst vor Sonnenstrahlen. Ich kann ja so schnell verdunsten. Nachts aber kann ich bis zum Morgen schöne Wasserperlen auf die Gräser verteilen. Jeder Vogel, jedes Tier und auch kleine Pflanzen können so ihren Durst stillen.“

Der Nacht gefiel diese Gütigkeit des Nebels nicht und auch, dass er sich in ihr Reicht nachts begab. Sie empörte sich besonders darüber, dass sie selbst nicht durch den weißen Nebelteppich nicht nah genug an die Erdoberfläche herankam. So konnte sie die Erde nicht verschlucken. Sie zerstritt sich mit dem Nebel und meidet ihn seit dem.

Der Nebel machte sich an die Arbeit und legte sich wie ein weißer Wolkenteppich über Flüsse, See und Meere. Für die Wasser- und Erdbewohner wurde der Nebel zu einem märchenhaften Sandmännchen, der allen den Schlaf brachte und Augen schloss, damit der Mond und die Sterne ihren Schlaf und die schönen Träume nicht stören.

Der Nebel lag oft so gemütlich bis zum Sonnenaufgang, bis die Sonne durch die Nebelmilch drang und die Dunkelheit zurück in die Höhlen vertrieb. Breite Sonnenstrahlen trennten den Nebel und die Finsternis. Der Nebel stritt nicht mit der Sonne. Er nahm sie an wie sie wahr: Mit in allen Farben funkelnden Wassertropfen, die so klein waren, dass man sie nur dank der Sonnenstrahlen wahrnehmen konnte. Er war wie eine Milchstraße über der zauberhaft schönen Erde!

Das ist auch der Nebel! Das ist seine schöne Seite. Soll er doch hier und dort sich ausbreiten und uns die Morgenfrische im Sommer schenken oder den warmen Spätsommer und den Beginn des Herbstes ankündigen. Soll er doch auf den Spinnennetzen glitzern zur Altweibersommerzeit. Soll er mit seinem hellen Licht die Wiesen und Felder füllen und unsere Augen erfreuen. So ist es – der Nebel…

  • Das Sandmännchen ist ein traditioneller Folkloreheld, der in Westeuropa sehr verbreitet ist. Man sagt, er streut den schläfrigen Kindern Zaubersand in die Augen und lässt sie einschlafen. Es ist eine gütige Gestalt, welche die Kinder beruhigt und ihnen schöne Träume schenkt, aber es kann auch ungehorsamen Kindern Alpträume schicken. Diese Gestalt ist also überwiegend positiv, ist aber manchmal auch negativ gefärbt.

Hier ist des Märchens Ende, man muss das Blatt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

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