Mariewka – Marianca de sus


Gewidmet der Familie Oberlander- Seidel, denen ich für Ihre privaten Fotos danke und in Erinnerung an Oskar (1922-1944) und Matthias (1925-1944), deren junges Leben – wie das vieler anderer – einen sinnlosen Tod in einem grausamen Krieg fand.


 

Leider ist mir der Verfasser dieser Chronik aus dem Jahre 1991, welche ich vorliegen habe, nicht bekannt, aber ich möchte sie – vorbehaltlich des Einwands, dann entferne ich das selbstverständlich – hier als Abschrift veröffentlichen, da sie einen wirklich schönen geschichtlichen Rückblick bietet.

Kurzchronik der Gemeinde Mariewka

Die Gründung der Gemeinde Mariewka hat eine bemerkenswerte Vorgeschichte. Vorbild für die Gründer war in etwa die Brüdergemeinde Korntal bei Stuttgart.

Es waren bei 30 bekehrte Brüder, die sich zusammentaten, um eine „reine“ Brüdergemeinde unter dem Namen Gnadenau oder Gnadenort in Mittelbessarabien zu gründen. Diese landarmen Bauern – später nannte man sie „landhungrig“ – fanden eine Gutsbesitzerin griechischer Herkunft, eine Gräfin Maria Radokonaki, in der Nähe des Marktfleckens Kauschani, die bereit war, von ihrem großen Landbesitz von 28 ooo Deßjatinen, 2128 Deßj. ihnen zu verkaufen. Für 28.-, bzw. 32.- Rubel je Deßjatine wurde der Kauf getätigt.

Die russische Regierung verwarf jedoch den vorgesehen Namen und so einigte man sich schließlich auf den Namen Mariewka in Anlehnung an den Namen der Gutsbesitzerin Maria Radokonaki. Zur Finanzierung dieses Landkaufs nahmen die 32 Bauern bei der Chersoner Landbank eine Hypothek á 20 Rbk. pro Deßj. mit einer Laufzeit von 25 Jahren auf. Bei der Aufteilung des Landes verfuhr man so, daß z.B. eine sogenannte ganze Wirtschaft 52,5 Deßjatinen umfasste.

Bei den Dorfgründungen in Bessarabien spielte ja das Wasser die Hauptrolle. Wo kein Wasser unter der Erde zu finden war, konnte auch kein Dorf stehen. Da Mariewka auf einer Hochebene von ca. 240 m liegt, war die Wasserversorgung das Hauptproblem. Der ursprünglich vorgesehene Standort erwies sich als ungeeignet. In einem weiter südlich gelegenen etwas krummen Tal wurde man in ca. 20-24 m fündig. Gutes trinkbares Wasser wurde auf der östlichen, weniger gutes auf der westlichen Talseite gefunden.

Im Winter 1891/92 wurden unermüdlich in den naheliegenden Steinbrüchen Bausteine gebrochen und im Frühling 1892 begann das große Bauen. Die meisten dieser Häuser standen noch in tadellosem Zustand bei der Umsiedlung im Jahr 1940. Das Dorf wurde in zwei parallelen Hofzeilen beiderseits des Tälchens angelegt. In der Dorfmitte sah man eine Kreuzstraße vor. Dort wurde auf der östlichen Seite ein großer Hofplatz für ein Bethaus/Kirche nebst Schule vorgesehen.

Bethaus Mariewka etwa 1938-1940; Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner

In zwei Anläufen 1895 und 1905 wurden beide Gebäude nebst einem Glockenstuhl erstellt. Eine gewaltige Leistung zu jener Zeit. Gegenüber, auf der westlichen Seite sparte man gleichfalls einen großen Platz für eine Dorfkanzlei aus. Sie, die Primaria wurde dann 1927/28 erbaut und ihrer Bestimmung übergeben. Heute, nach knapp 100 Jahren beherbergt dieser noch in passablen Zustand befindliche Bau, die Grundschule, die Dorfbibliothek und die Sanitätsstation des Rest-Dorfes „Marianofka de Sus“, wie Mariewka heute heißt.

Bethaus Mariewka um 1938-1940 Innenansicht; Foto privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner

Die Hofparzelle einer „ganzen“ Wirtschaft war 50 m breit und 400 m lang. Oberhalb der Schulparzelle, ca. 50 m in Richtung Floroi hatte man den Friedhof angelegt. Eine breite Steinmauer umgab ihn. Auf der Außenseite des Eingangstors stand der Spruch: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Joh. 11, 25. Innen: Denk o Mensch an deinen Tod. Hier fand ich den einzigen noch gut lesbaren Grabstein 1991: „Katharina Scheffelmaier, geb. 1863, gest. 1899“.

Dank der verhältnismäßig guten Anbindung an das Verkehrsnetz – Bahnstation Zaim 3km, der Markt Kauschani 7km entfernt, entwickelte sich die wirtschaftliche Situation Mariewka´s recht günstig. Eine tiefe Humusschicht und ein nicht allzu trockenes Klima erbrachte, dank fortschrittlicher Arbeitsweise, meist gute bis sehr gute Ernten.

Die großen Bauern Mariewka´s sorgten schon frühe für ihre wachsenden Familien vor: So konnten bei Lunga 1575 Daßjatien im Jahr 19o8, 191o ein Landgut von 35oo Deßj., der späteren Kolonie Olgental, dann 34oo Deßj. mit dem späteren Dorf Mariental erworben werden. Olgental bei Odessa ging nach 1918 den Mariewka-ern verloren.

Wie schon zu Beginn erwähnt, waren die Einwohner Mariewka´s groß teils geprägt durch ihren bekennenden evangelisch-pietistischen Glauben. Für die innere Ordnung in der Gemeinde, etwa bei Streitigkeiten, sorgte ein Bruderrat von 8-10 Männern, sodaß die weltliche Gerichtsbarkeit soviel wie nie benötigt wurde. Eine besondere Persönlichkeit in dieser Beziehung und auch sehr geschätzt in vielen Dörfern Bessarabiens was der „blinde Hansjörgvetter“ Schmied. Er war ein nimmermüder Streiter für die Sache Jesu. Im Dorf waren zwei Brüderversammlungen. Auch eine lebendige Baptistengemeinde entstand und sie erbaute eine eigene Kapelle auf dem Grundstück von Wilhelm Schreiber.

Bevor die Schule gebaut wurde, unterrichtete ein Bauer, Michael Jose die Kinder des Dorfes in einer Bauernstube. An 1895 fand dann immer von November bis Februar der Unterricht durch Lehrer statt. In den letzten Jahren vor der Umsiedlung waren meist zwei bis drei Lehrer bei über 1oo Kindern tätig.

1896 erbauten Samuel Wiese, Matthias Oberlander und Christoph Irion am Unterende eine Dampfmühle, die mit Stroh befeuert wurde. Joseph Idler aus Sarata übernahm sie nachher, mußte sie aber nach dem Ersten Weltkrieg an einen jüdischen Unternehmer verkaufen, der sie vergrößerte und statt der Dampfmaschine einen MAN-Dieselmotor von 12o PS einbauen ließ. Bei Wilhelm Haas lief einige Jahre auch eine Ölmühle, gekoppelt mit einer Wollekämmlerei. Ein Gemeindeladen, die „Lafke“ wurde 1917 gegründet, er kam aber zunächst langsam voran, denn ein gutgehendes jüdisches Geschäft sorgte für kräftige Konkurrenz. Später wurde dem „Konsum“-Laden noch eine Molkerei angegliedert, zu Anfang neben der Kreuzstraße, dann aber neu erbaut und modernisiert oberhalb des Ladens.

Dorfplan zur Umsiedlung von mir auf googlemaps5 aufgelegt, damals 52 Wohnhäuser, im Jahre 2018 noch 18 vorhanden, Fotos8

Was wäre noch zu sagen? Auf zwei geeigneten Landflächen wurden Weinberge angelegt, so in Richtung Kauschani, ca. 1 km vom Dorf entfernt und eine neuere Weinberganlage am Hortop in der Nähe von Neu-Mariewka. Neben Direktträgern gab es schon viele edlen Sorten. Die Bauern von Mariewka begannen in den letzten Jahren vermehrt mit Sojaanbau, während man bei der Schafzucht von den Milchschafen zur Karakulzucht über ging. Sechs große Dreschgarnituren nebst Garbenbindern, Mähmaschinen, Treckern, Drillmaschinen u.a. blieben 194o dort. In der Kirche die 1912 angeschaffte, wohlklingende Orgel der Ev. luth. Kirche, die die Russen sehr bald demontierten und nach Rußland schafften.


Ein Einblick in das landwirtschaftliche Leben um und auf dem Hof eröffnet uns das Familienalbum der Familie Oberlander8 , vielleicht erkennt jemand seine Angehörigen unter den unbekannten  Personen wieder?


Ein Zeichen großen Fortschritts war die Flurbereinigung 1938. Nach der Umlegung und Neuzuteilung waren alle Voraussetzungen für eine noch bessere Bewirtschaftung des Ackerlandes gegeben. Zwei gemeindeeigene Viehweiden in der Floroi und bei Neu-Mariewka hatten Futter für Vieh, Pferde und Schafe. – Es zeichnete sich allerdings die letzten Jahre ab, daß die Äcker auf Dauer ohne Düngung nicht mehr den erwarteten Ertrag bringen würde.
Gottfried Scheffelmaier, langjähriger Schulz/Primar von Mariewka sollte noch erwähnt werden, als herausragende Persönlichkeit vertrat er wirkungsvoll diese unsere Gemeinde sowohl in russischer als auch in rumänischer Zeit.

194o war dann die Zeit eines deutschen Dorfes Mariewka vorbei. Infolge der Besetzung Bessarabiens durch die Sowjetunion wurden wir Deutschen ins Deutsche Reich umgesiedelt2. Es gibt heute noch den Rest des einstigen Mariewka, aber in welchem Zustand! Fast alle der wenigen noch stehenden Wohnhäuser gleichen Ruinen, Wirtschaftsgebäude sind schon garkeine mehr da, Hofmauern sind verschwunden, die Dorfstraße ist mit Mais bepflanzt, der Friedhof und die Hofräume mit Unkraut und Gestrüpp überwuchert. Wird Mariewka das zweite Jahrhundert überdauern?

Die ersten Hofbesitzer 9

Liste der ersten Hofbesitzer im Juli 1892

Hof Nr. Name Deßjatien
1 August Riethmüller 78
2 Reinhold Zinaleske 65
3 Samuel Drews 78
4 Magdalena Haag 52
5 Samuel Rehmann 52
6 Georg Hommel 52
7 August Zaiser 39
8 Friedrich und Abraham Winger 26
9 Michael Groß 26
10 Christian Tetz I 39
11 Friedrich Schäfer 13
12 Jakob Netz 26
13 Jakob Wildermuth 26
14 Friedrich Tetz 26
15 Johannes Schäfer 26
16 Christian Rüb, Lichtental 52
17 Gottlieb Matt 52
18 Jakob Schäfer, Gnadental 52
19 Christian Matt 52
20 Jakob Haas 105
21 Michael Jose 78
22 Georg Schmied 105
23 Jakob Baumann 78
24 Christian Rüb, Sarata 65
25 Matthias Oberlander 105
26 Jakob Herr 52
27 Bernhard Weiler 52
28 Karl Wildermuth 39
29 Christian Richter 39
30 Gottlieb Koppenstein 52
31 Gottlob Weißhaar 26
32 Johann Kleinknecht 13
33 Friedrich Wildermuth 13
34 Christian Ulrich 13
35 David Martin 13
36 Christian Math 26
37 Gottlieb Schäfer 26
38 David Layher 26
39 Christian Jeske 52
40 Gottfried Beierle 52
41 Gottfried Schaffelmeier 52
42 Johannes Wildermuth 65
43 Gottlieb Schreiber 65
44 Johann Gunsch 78

 

Die Gefallenen des Ersten Weltkrieges 2

Rudolf Weisshaar, 1914, 23 Jahre

Wilhelm Weisshaar, 1914, 21 Jahre

Friedrich Häfner, 1915, 31 Jahre

Jakob Häfner, 1914, 22 Jahre

Karl Häfner, 1915, 28 Jahre

Jakob Henning, 1918, 27 Jahre

Jakob Schäfer, 1913, 23 Jahre

Georg Gwinner, 1916, 26 Jahre

Zusammengestellt Kurator: gez. Maas, 6.9.1938

 

Schule

Unmittelbar nach der Ansiedlung war es den Kindern nicht möglich, eine Schule zu besuchen, so wurde das Haus vom Michael Jose, einem Bauern, im Winter (November-Februar) zur Behelfsschule, in der restlichen Jahreszeit mussten die Kinder ihren Eltern helfen, ehe man sich 1895 an den Bau eines Schul- und Bethauses machte. In diesem unterrichteten nun endlich auch ausgebildete, von der Gemeinde bezahlte Lehrer, der Hauptlehrer war bis 1920 zugleich Rektor, Küster und Gemeindeschreiber.

Küster und Lehrer waren9:

  • 1893-1897 Michael Jose, Bauer aus Mariewka
  • 1898-1899 Jakob Herter, Lehrer aus Großliebental
  • 1899-1901 Immanuel Baumann aus Lichtental
  • 1902-1904 Gustav Witt aus Arzis.
  • 1906-1906 Christian Kalmbach
  • 1907-1909 Friedrich Rüb
  • 1909-1915 Karl Knauer 
  • 1915-1922 David Baumann
  • 1922-1931 Karl Knauer
  • 1931-1936 Karl Knauer – nur Lehrer
  • 1936-1940 Karl Knauer
  • ab 1930 als erste Lehrer: rumänische Lehrer

Die Änderung im Lehrkörper erfolgte, da in Bessarabien nun in rumänischer Sprache unterrichtet werden musste, zudem wurde weiter in Russisch unterrichtet, nur der zweite Lehrer durfte in einigen Fächern, wie Religion, auf Deutsch unterrichten.

Interessant in diesem Zusammenhang, in Folge der Russifizierung wurde in Bessarabien ab 1829 das Benutzen der rumänischen Sprache in der Verwaltung verboten. Ab 1833 durften Gottesdienste nicht mehr in rumänischer Sprache abgehalten werden und alle rumänischen Kirchenbücher wurden verbrannt. 1842 wurde in allen Gymnasien die rumänische Sprache durch die russische ersetzt. 1860 wurde der rumänische Unterricht sogar in den Grundschulen eingestellt. Mit dem Anschluß an Rumänien am 9. April 1918 endete die Russifizierung und Bessarabien bekam eine  zentralistische Verwaltung sowie eine Neuordnung der Gebiete in neun Kreise (Județ).

Die Schule wurde ab 1919 staatlich verwaltet, der rumänische Staat bezahlte das Lehrergehalt, war für Anstellungen der Lehrer zuständig und letztlich damit auch für die Lehrpläne, zudem zahlte der Staat das Heizmaterial, welches die Gemeinde für die harten Wintermonate lieferte.

Wirtschaftlich nahm Bessarabien nun eine starke Entwicklung wahr, auch die Infrastruktur wurde deutlich ausgebaut. Durch eine Agrarreform 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar – unser Opa Kühn machte daher seine Frau – damals ungewöhnlich – zur Eigentümerin eines Teils des Landes, um es zusammen zu halten) konnten viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Die Durchführung dieser Reform dauerte bis in die 1930er Jahre an und wurde teilweise durch Korruption gehemmt.

Religionslehrer und Rektor in dieser Zeit war Karl Knauer, als er das zweite mal nach Mariewka kam, außer in den Jahren 1930-1935, da übernahmen die Stelle des Küsters, Religionslehrers9:

  • 1931-1932 Otto Steudle,
  • 1932-1933 Wilhelm Gäßler,
  • 1933-1934 Herbert Merz und David Baumann
  • 1935-1936 Theophil Frey

Weil die Mariewka-er Brüdergemeinde einen großen Kindersegen hatte, musste die Schule bald erweitert werden. Zunächst 32 Schüler fassend, waren es 1909 bereits 80 und zur Umsiedlung über 1003.

1908 hatte man daher im Gebäude bereits die Lehrerwohnung zum zweiten Klassenzimmer umgebaut und die Lehrerwohnung in das neu gebaute Bethaus verlegt.

Es gab auch Schulhelfer, eigentlich die Stelle des zweiten Lehrers, später 2. Gemeinde- bzw. Staatslehrer, 1936-1938 als dritte Lehrer eingesetzt9:

  • 1908 Doris Hasenjäger
  • 1908-1909 Gottlieb Lust
  • 1909-1910 Leopold Gäßler
  • 1910-1911 Immanuel Necker
  • 1911-1912 Wilhelm Keller
  • 1912-1915 Johannes Knauer
  • 1920-1922 Arthur Witt
  • 1922-1924 Bernhard Häußer
  • 1924-1925 Otto Schaupp
  • 1925-1927 Johannes Knauer
  • 1927-1928 Adolfine Sonderegger
  • 1929-1930 Anna Wagner
  • 1930-1931 George Preda, Rumäne
  • 1931-1938 Otto Eckert
  • 1936-1938 Helene Dalibaltow, Bulgarin (III. Stelle)
  • 1939-1940 Helene Dalibaltow, Bulgarin (II. Stelle)

Die Gemeinde Mariewka hatte der Schule immer die Religions- und Lesebücher kostenlos gestellt, das blieb auch mit der Verstaatlichung der Fall. Die deutschen Lehrer, zugleich Küster und Religionslehrer, blieben in der Gemeinde, wurden von dieser ebenfalls entlohnt, entsprechend gut war ihr Stand. Die Kinder genossen den mehrsprachigen Unterricht zu ihrem Vorteil, in anderen Regionen des Landes litten sie häufig unter dem Mangel der deutschen Unterrichtung, entsprechend waren ihre Lese – und Schreibkünste der deutschen Sprache, besonders auffällig in der Dobrudscha, wo zur Umsiedlung vieles bereits rumänisch in den EWZ-Unterlagen vermerkt wurde, bzw. in sehr schlechtem, eher rumänisch klingendem Deutsch.

Aus der Schulzeit gibt es noch einige Erinnerungen der Familie Oberlander8, vielleicht erkennt der eine oder andere Leser seine Angehörigen wieder, dann wäre es schön, wenn er dazu mit mir in Kontakt treten würde.

1930-1931 Else Oberlander – wer ist diese Frau, eine Kindergärtnerin?

 

 

5. Klasse 1931 mit Oskar Oberlander – wer ist der Lehrer?

von ca. 1931 / 1932
1. Reihe ( von ) unten, (von) rechts : 8. Kind : Else Oberlander.
2. Reihe (von) unten, (von)rechts: 2 . “ Kind “ : Adele Oberlander
3. Reihe (von) unten, (von) links : 4. Kind : Lilli Otterstätter

Bild ca. von 1937 letzte Reihe, oben, die dritte von links = Else Oberlander, die zweite von rechts neben ihr = Ella Irion, gleich rechts neben Ella Irion, wieder Lilli Otterstätter.

Ca. von 1939 2. von links = Else Oberlander, gleich rechts neben ihr : Lilli Otterstätter geb. : 16.02.1924

 

Da auch für die Jüngsten gesorgt war, gab es einen Kindergarten. Die Betreuung erfolgte durch9:

  • 1925-1927 M. Lecka
  • 1927-1928 M. Zeliony
  • 1929-1930 Nedelsky
  • 1931-1932 Georgiade
  • 1933-1934 Segejencko
  • 1935-1936 Dardu
  • 1936-1938 Makaresku
  • 1938 Missan

Umsiedlung der Mariewka-er

Als es im September 1940 zu konkreten Planungen kam, wurden für die einzelnen Dörfer Marschruten festgelegt.

Marschroute II
A. Straße und Rastplätze: Mariewka, Borodino, Wittenberg, Kubej, Anatol, Überquerung des Pruth bei Girugiulesti.
B. Futter besorgen bei Borodino und Wittenberg.
C. Alle Umsiedler aus den Bezirken Beresina und Kischinjow werden diese Route nehmen.

Die Notwendigeit von Pferdefuhrwerken hatte mit den außerordentlich schlechten Straßenverhältnissen in Bessarabien zu tun. Nur wenige Abschnitte waren mit LKW´s zu befahren, zudem waren die Entfernungen und die Zahl der Menschen eine kaum zu bewältigende Transportorganisation. Dazu kamen starke Regenfälle, die den eigentlichen Termin vom 18. Oktober 1940 auf den 19. Oktober verlegten.

Für das Dorf Mariewka war ein Treck mit 538 Personen geplant, die Bewohner waren auf 269 Wagen mit 538 Pferden4 verteilt und hatten eine Weg von 259 km nach Galatz vor sich.

Weg von Mariewka nach Galatz mit Zwischenstationen5 6

Wie die Familie Oberlander zu berichten wußte, wurden einige Vorbereitungen zur Umsiedlung getroffen, Decken, Kopfkissen, Waschschüsseln, Schüsseln für das Essen, Tassen, Besteck und dergleichen sollten in einem kleinen Bündel verpackt werden, welches auch an Bord des Schiffes gut erreichbar sei, denn es gab keine Möglichkeit, das auf dem Vordeck verstaute Gepäck aufzusuchen. So entschied die Familie sich zum Vergraben ihres guten Geschirrs, ebenso kam der Familienschmuck in Erdverstecke, da man damit rechnete, zurück kehren zu können, wenn der Krieg vorbei wäre.

Man schlachtete, machte Schmalztöpfe, buk Brot, verlud Mehlsäcke und Kübel mit Wasser, um für die Reise versorgt zu sein.

Familie Oberlander 19388
1. Reihe von links : Else Oberlander, Matthias Oberlander, Martha Oberlander geb. Riethmüller, Matthias Oberlander.
2. Reihe von links: Adele Oberlander und Oskar Oberlander.

Am 13. Oktober startete ein Renault-Krankenwagen (Sankra)-Transport um 9.00 Uhr morgens, um die infektiösen Kranken direkt nach Galatz zu bringen. Da russisches Militär die Straße blockierte, musste eine Umwegroute gefunden werden, der Sankra traf um 12.15 Uhr in Mariewka an. Vor Ort stellte sich heraus, dass Ingeborg Eckert neben Scharlach auch an Diphtherie erkrankt war. Der verantwortliche SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) Schnelle gab die Anweisung, den Bezirksarzt von Kischinew darüber zu informieren, dass er die Erkrankte nicht mitnehmen können, weil Ansteckungsgefahr bestand für die die anderen Scharlach-Patienten, zumeist Kleinkinder.

Die Großeltern von Ingeborg Eckert sollten sie ursprünglich begleiten. Als Ergebnis einer Diphtherie-Infektion konnten sie nicht mehr als Begleitpersonen mitgenommen werden. So wurde Elisabeth, die Tante des Scharlach-Patienten Gerhard Schreiber ausgewählt und die Transportliste geändert. Um 14.30 Uhr ging es nach Taraclia, die Fahrt dauerte eine Stunde. Im Krankenwagen gab es zwei Typhus-Patienten, als eine russische Eskorte Probleme machte und die Aufnahme weiterer Patienten um eine Stunde verzögerte. Für zwei Patienten wurde die Zeitverzögerung zu viel, sie verstarben an Typhus.

Um 17.00 Uhr ging es aus Traclia weiter nach Leipzig, wieder machte das russischen Militär Schwierigkeiten für die Weiterfahrt, nach langer Diskussion konnte die Fahrt fortgesetzt werden, da brannte einem der Fahrzeuge eine Dichtung durch und es musste abgeschleppt werden nach Tarutino, damit die Reparaturen von der Werkstattzug des Militärs durchgeführt werden konnten. Die Ankunft war gegen 21.00 Uhr und Dr. Franke, dem örtlichem Sanitätskommandanten, bereits gemeldet worden. Trotzdem gab es gab keine Unterkunft für die Patienten,
sie mussten in den Krankenwagen übernachten. Auch die Verpflegung, die in den Zwischenstationen ausgereicht werden sollte, hatte bisher niemand erhalten.

Im Sankra mit den Scharlach-Patienten, 6 Kinder und die Begleiterin Elisabeth, gab es glücklicher Weise genügend Wolldecken, um nicht zu sehr unter der Kälte zu leiden. Die Typhus-Patienten konnten in einem leeren Haus untergebracht werden. In diesem Haus starb Frau Magdalena Schäfer gegen 23:00 Uhr. Sie bekam noch eine
Injektion gegen 22.00 Uhr von Dr. Franke, was ihr nicht mehr half.

Die anderen Patienten hatten die Nacht einigermaßen gut überstanden, waren mit heißem Tee versorgt worden.

Am 14. Oktober um 5.00 Uhr früh wurden die Typhuskranken in den Krankenwagen verladen und um 7.00 Uhr brach der Transport nach Reni auf. Die Straße war in ziemlich gutem Zustand und mit etwa 35-40 km/h passierbar, so traf man um 11.45 Uhr in Reni ein.

Kurz vor 13.00 Uhr wurde der Wachposten Pruth-Überfahrt ohne besondere Kontrollen oder Probleme durchgefahren und um 14.00 Uhr das Lager Galatz erreicht. Hier wurden nach Übergabe der Patienten Fahrzeuge und alle Einrichtungsgegenstände umgehend desinfiziert.7

In Mariewka gab es inmitten dieser Aufregung einen Trauerfall, die kleine Gertrud verstarb noch am 13. Oktober, hätte die Fahrt also nie überlebt und wurde, keine drei Jahre alt, in Mariewka zu Grabe getragen.

Dann kam der Abreisetag, viele Menschen standen an den Straßenseiten und winkten mit Tüchern zum Abschied, ehe sich die lange Schlange von Menschen und Wagen in Bewegung setzte. Eine große Trauer machte sich breit und das Heulen der zurückgelassenen Hunde war noch lange zu hören.

Das Lied, das die Kinder so gern in ihrer Mariewka-er Schule gesungen hatten, sollte nun für den Rest ihres Lebens eine neue, tiefere Bedeutung bekommen:

Wenn alles wieder sich belebet,
der Erde frisches Grün erblüht;
die Lerche sich zum Himmel hebet,
helljubelnd ihr melodisch Lied,
dann füllt mein Auge isch mit Tränen,
mein herz mit einer süßen Qual:
Dann treibt mich ein unendlich Sehnen
zu meinen Bergen in das Heimattal.

Ich denke an der Kindheit Tage
und um mich reiht sich Bild an Bild.
Es schau´n auf mich mit leiser Klage
die Eltern und die Freunde mild.
Es füllt mein Auge sich mit Tränen,
mein Herz mit einer süßen Qual:
Dann treibt mich ein unendlich Sehnen
zu meinen Bergen in das Heimattal.

Wie nah aber Trauer und Hoffnung beieinander lagen, zeigte sich in Semlin, auch schwangere Frauen waren mit extra Transporten bereits weggebracht, am 17. Oktober wurde der Familie Eckert mitten in ihre Trauer um das Töchterchen ein Sohn geboren.

 

 

Während die Mariewkaer ins Umsiedlerlager kamen, wurden Oskar (1922-1944) und Matthias (1925-1944) Oberlander einberufen. Wo das Bild8 aufgenommen wurde, ist unbekannt, rechts in der Vergrößerung der links markierte Oskar.

Wie so viele, war auch er der SS beigetreten, ob aus Überzeugung, oder weil er gedrängt wurde, da man vielen Umsiedlersöhnen versprach, es würde ihren Familien helfen, diese würden bevorzugt angesiedelt werden und kämen so schneller aus dem Umsiedlerlager, ist bis heute unklar. Was jedoch bekannt ist, er kam als Grenadier zur 7. SS „Das Reul“ und erlag einem Oberschenkelsteckschuss auf dem Hauptverbandsplatz Proskurow im Alter von 21 Jahren.

Bruder Matthias wurde als Grenadier dem Grenadier-Ersatz-Bataillon 322 zugeordnet und starb als Angehöriger der 1. Kompanie, Füsilier-Bataillon 291, an einem Herzschuss in Winiarki. Er wurde nur 18 Jahre alt.

 

Einige der Mariewkaer befanden sich nach Kriegsende mit anderen Bessarabiern in Dänemark, von dort erreichte ein Brief8 mit Lagerliste aus dem Lager Hellebæk die Heimat.

 


Zentrum gegen Vertreibung: Nr. 5: Die Auswirkungen der Umsiedlungsaktion in Bessarabien; das Schicksal bessarabien-deutscher Umsiedler während des Krieges und nach dem Zusammenbruch.

Original: Dokumentation III der Vertreibung der Deutschen aus Ost- Mitteleuropa. Das Schicksal der Deutschen in Rumänien. hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1957 S. 27-30

2 DAI, Mikrofilm 007953036

3 Steppenblumen. Heiteres und Ernstes in schwäbischer und hochdeutscher Sprache aus dem Leben der Deutschen in Bessarabien. Karl Knauer, Verlag Stuttgart-Vaihingen, Selbstverlag, 1954, p. 252ff

4 National Archives Microcopy #T-81; VOMI 920; Record Group 1035; Roll 317; Series 535; Frames: 2447170-2447172

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6 Source: National Archives Microcopy #T-81; VOMI 920; Record Group 1035; Roll 317; Series 535; Frames: 2447253-2447255

7 National Archives Microcopy #T-81; VOMI 920; Record Group 1035; Roll 317; Series 535; Frames: 2447178-244179

8 Foto, Brief privat, Familienbesitz Oberlander-Seidel Nachkommen, freundlichst genehmigt durch Frau Melanie Zensner

9 Familienbuch Mariewka, Band I,  begonnen 1. Juli 1939, Abschrift J.Rzadkowski

 

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