Es war sehr-sehr lange her in einer syrischen Wüste. Damals beteten die Menschen noch die Götzenbilder an. Auf der noch fruchtbaren Erde herrschte der weise Zar Amr. Er lebte in einem Marmorpalast, der mitten in großen Gärten mit vielen Quellen und Springbrunnen stand. Dort sangen Vögel, dufteten wunderschöne Blumen, es roch nach feinem Gewürz und Balsam.

Eines Tages dachte der Zar darüber nach, wie ihn sein Reichtum noch weiter vermehren könnte, aber es kam ihm nichts Neues in den Kopf. Schon sieben Jahre hatte es keinen Tropfen Regen gegeben.

Der Zar ging zum Tempel die Baal-Scham in und betete diesen Götzen an. Er bat ihn, dass er schneller Regenwolken in sein Reich schicken möge. Doch er bekam keine Antwort. Dann beschloss der Zar, zu versuchen bei dem Götzen einen goldenen Brunnen und eine Wasserquelle zu bekommen. Der Herrscher erinnerte die Statue daran, dass er das ganze Gold in seinem Land dafür verwendet hatte, um ihn, seinen Lieblingsgötzen, zu vergolden.

Da willigte der Götze plötzlich auf diese Bitte ein und sagte: „Gut, ich zaubere dir einen Goldenen Brunnen und gebe dir eine Wasserquelle dafür, dass du mir so treu gewesen bist. Aber du musst wissen, Zar, dass du dein Volk damit glücklich und reich machen sollst. Wenn du dein Volk betrügst, wird der Goldene Brunnen versanden und ein starker Wind wird diesen Sand in der ganzen Welt verstreuen. Von dem Goldenen Brunnen wird bei den Menschen nur der goldene Sand in Erinnerung bleiben.“

 Dann verstummte der Götze, so wie bei seinesgleichen üblich ist.

Der Zar sah sich nach diesem Gespräch um und bewunderte die Schönheit seiner Oase, wo rund ums Jahr wunderschöne Blumen blühten. Er stand neben einem großen Teich, in dem goldene Fische ihre Kreise zogen. Mitten in der Oase stand ein Wunderbaum, der aus einem Kürbiskern gewachsen war. Sein Stamm hatte eine außergewöhnliche Borkenschicht, in der sich verschiedene Baumarten mit Blättern unterschiedlicher Form spiegelten. An einem anderen riesengroßen Kürbis wuchsen Wassermelonen, die überall auf grünem Gras lagen.

Der Wunderbaum war von Blumen umrankt. An seinen Zweigen reiften verschieden Früchte:  Äpfel, Birnen, Granat-, Kokos- und Ananasfrüchte, Apfelsinen und Mandarinen. Und unten am Stamm räkelten sich nach oben Setzlinge von Gurken und Tomaten verschiedener Sorten.

Ganz oben war eine riesige Möhre mit viel Kraut gewachsen, auf dem die Singvögel saßen. Sie hatten sich dort Nester gebaut. Und ganz unten hatte ein weißes Mäuschen sich ein Loch durch genagt und hatte drinnen eine märchenhafte Wohnung. Rings um den Wunderbaum grasen Elche und Antilopen als glücklichste Wesen der Welt. Im Gras gab es viele Insekten und Schmetterlinge. Auch der Pfau und der Feuervogel stolzierten auch um den Wunderbaum herum.

Neben der Goldenen Quelle wuchsen goldene Rosen und goldene Bienchen sammelten in ihren Kelchen goldenen Nektar. Es gab so viele im Wald in dieser Oase! Es gab eine goldene Gans mit goldenen Küken. Im Wald wuchsen goldene Pfirsiche, goldene Äpfel. Der Feuervogel mit roten Federn saß mit seinen Küken im goldenen Nest. Neben der Goldenen Quelle schwimmen Goldfische und lärmten die Wasserfälle.

Durch das Zarenreich zogen Karawanen mit vielen Kamelen, auf denen die Kaufleute ihre Waren transportierten und verkauften: Seide, Porzellan und vieles mehr. Der Zar hatte eine gute Idee, die er auch sofort umsetzen ließ. Für die Begleiter der Karawanen wurden Erholungsplätze und Übernachtungshöfe gebaut, es wurde ein Kassenwart mit Beschützer für die Kaufleute abgeordnet. Für die Waren bezahlte man mit Gold aus der Goldenen Quelle und es wurde viel Gold als Vorrat extra aufbewahrt. Einen kleinen Teil davon bekamen die Kaufleute und brachten sie mit den Karawanen in ihre Länder. Nur es blieb nicht lange alles so gut.

Der Kassenwart war nicht ehrlich. Er hat sich heimlich bereichert und viel Gold gehortet. Dann begann er sich einen Palast in der Oase zu bauen. Er war noch nicht ganz fertig, als sich die Prophezeiung des Götzen erfüllte. Der Zar und das ganze Volk wurden bestraft. Den ganzen Sand von den naheliegenden Meeren hatte ein starker Sturm aufgewirbelt und wütete sieben Tage und sieben Nächte.

Deshalb begannen die Zaren später ihre Reichtümer in Tempeln und heiligen Orten zu verstecken, aber auch das dauerte nicht ewig. Die Menschen erinnerten sich an den alten Zaren, der eine gemeinsame Kasse für alle eingeführt hatte und begannen für und zum Wohl der Allgemeinheit Banken zu bauen.

Seit der Zeit wurde immer wieder der Zar und seine Goldene Quelle, die tief unter dem Wüstensand verschüttet sei, in Erinnerung gerufen. Und im Unterbewusstsein der Menschen blieb der Gedanke, dass sie nur jemand mit reinem Herzen und ehrlichen Gedanken finden kann, wenn es jemanden, der für die anderen viel Gutes tut. Nun scheint es so, dass ein solcher Mensch sich noch nicht gefunden hat.

Das Märchen ist zu Ende, man muss das Blatt jetzt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

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