Zur Erinnerung an unsere Vorfahren, die als Migranten aus Süddeutschland in die Welt zogen

Schlagwort: Strehle

Erzählungen der Maria Strehle, 1881 Sarata 13-17


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Lindl in Sarata

Während nun Lindl vom 20. März 1822 bis Dezember 1823 also ungefähr 1 ½ Jahre in Sarata treulich sein Amt verwaltete, strömten die Leute ebenso wie in Deutschland, von allen Kolonien herbei, um seine Predigten zu hören. Aber auch hier gab sich die katholische Geistlichkeit alle Mühe ihn zu verdrängen. Seine Briefe, die er nach Deutschland an seine Freunde schrieb, gingen von Hand zu Hand und fielen endlich in die Hände der Spione, welche dieselben an die höhere Geistlichkeit beförderten, und diese verleumdeten ihn aufs gefährlichste beim russischen Kaiser. Sogar der österreichische Minister Metternich, welcher einer der gefährlichsten Jesuiten war, schrieb an den russischen Kaiser, dass Lindl ein staatsgefährlicher Mensch sei, indem er das Volk aufwühle und Revolution stifte, auch sich im Geheimen verheiratet habe. Ausserdem hatten sie an der höheren Geistlichkeit in Petersburg, insbesondere der Jesuiten, ihre Helfer, welche alles Mögliche beim Kaiser anwandten, ihn abzuschaffen, so dass derselbe endlich nachgeben und ihn, trotzdem dass er sein Gönner war, aus dem Lande verweisen musste. Aber dennoch nahm er ihn in Schutz, denn es wurden ihm eine Abteilung Kosacken mitgegeben, die ihn zum Schein über die Grenze bringen, aber mehr beschützen mussten, da man ihm überall nachstellte. Die Jesuiten warteten auf ihn an der Grenze, er aber schlug einen anderen Weg ein und kam glücklich nach Berlin, wo sie ihm nichts mehr anhaben konnten, in einer evangelischen Gegend, Preussen nahm sich von jeher der von den katholischen (Fluch) verfolgten Flüchtlingen an. Demnach war Lindl im Ganzen 4 Jahre in Russland. Ein Jahr in Petersburg, 1 ½ Jahre in Odessa und 1 ½ Jahre in Sarata. Von Lindls Abreise aus Sarata, schreibt als Augenzeuge, Schullehrer Kludt folgendes:

An einem regnerischen Dezembersonntag 1823 ging ich zu Lindl. Auf dem Divan ruhend unterhielt er sich freundlich mit mir. Ich bemerkte aber dabei eine kleine Betrübnis an ihm, die ich jedoch körperlicher Müdigkeit zuschrieb, als sich plötzlich eine Postglocke hören liess. Ich sah durchs Fenster und sagte, es hielte ein Wagen vor dem Pfarrhause, worauf Lindl aufsprang und nach der Thüre eilte. Herr Guldenschanz, der Adjutant vom General und ein fremder Herr, den ich nicht kannte, trat ein und ich entfernte mich. In der Abendversammlung war ich nicht, hörte aber, Lindl sei betrübt gewesen und habe das Lied: „Ist alles dunkel um mich her“ singen lassen, aber niemand ahnte was bevorstand.

Morgens versammelte sich die Gemeinde zur Frühlehre im Betsaale, man wartete lange, Lindl kam nicht. Endlich erblickte ich durch die ein wenig offenstehende Nebenthüre, die aus dem Betsaale in die Pfarrzimmer führte, einen von Lindls Knechten, unter Händeringen heftig weinen, und die der Thür zunächst sitzenden Mädchen fingen auch an zu weinen. Ich erschrak, eilte durch den Saal zu jenem Knechte und fragte „Was gibts?“ Was ist geschehen?“ Kaum konnte er vor weinen die Worte hervorbringen: „Ach unser lieber Pfarrer muss fort!“ „Wie? Aus dem Lande?“ Antwort: „Ja.“

Nun hatte ich genug. Ich eilte in den Saal zurück auf meinen Platz aber die ganze Versammlung schwamm in Thränen. Endlich erschien Joseph Strehle, Candidat der Theologie, vor dem Altar und versuchte eine tröstende Ansprache, deren er freilich selbst bedurfte, an die Gemeinde zu halten, wurde aber wenig gehört. Der Saal wurde verlassen. Was im Pfarrhause war weinte: wo man Leute auf der Strasse sah, die weinten. Weinend ging man den Tag über im Pfarrhause ab und zu. Lindl selbst hatte ganz rothgeweinte Augen.

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Zwei oder drei Tage vergingen mit Rüstungen zur Reise, und der Uebergabe Rechnungen, Gelder und des Kirchen-Archivs. Als alles fertig und der Reisewagen vor dem Pfarrhause stand (10 Uhr morgens) verkündigte auf einmal das einzige kleine Glöcklein auf dem Betsaal in traurigen, feierlichen und doch schneidenden Klängen der Gemeinde die Abreise ihres lieben Pfarres und es erfolgte ein Auftritt, den ich nie vergessen werde.

Von allen Ecken und Enden kam Alt und Jung, Klein und Gross, nicht gegangen, sondern buchstäblich gelaufen. In einigen Minuten stand die ganze Gemeinde vor dem Pfarrhause. Alles weinte, manche überlaut. Man drängte sich ins Vorhaus und Zimmer in dem Lindl war. Er aber tröstete sie: „liebe Kinder, der Heiland bleibt bei euch, wenn ich auch fort muss; haltet euch an Ihn und fügt euch in seinen Willen, wir werden uns Wiedersehen.“ Jeder streckte die Arme nach ihm aus, und war bemüht seinen Dank auszusprechen, ihm den Abschiedskuss zu geben und das letzte Lebewohl zu sagen.

Ich als Fremder hielt mich von der Gemeinde etwas entfernt, konnte aber daher desto besser das Ganze übersehen. Endlich gelang es ihm, sich durch die Menge durchzuwinden; er sprang auf den Wagen, in dem seine Frau Elisabeth, sein Söhnchen Samuel und das Kindermädchen Viktoria sassen, entblösste das Haupt, erteilte im Wagen stehend der Gemeinde den Abschiedssegen mit gehobenen Händen und macht den Wagenschlag zu. Guldenschanz und der fremde Herr fuhren vor, Lindls Wagen setzte sich in Bewegung und die ganze Gemeinde begleitete ihren scheidenden Pfarrer unter Glockengeläute und lautem Weinen bis vor die Kolonie hinaus. Auf dem Berge vor der Kolonie setzten sich die Wagen in Trab, die Gemeinde blieb zurück. Einige Jünglinge liefen neben Lindls Wagen her, zuletzt ich allein. Lindl reichte mir die Hand und hiess mich zurückgehen.

In den ersten Tagen der Abreise Lindls von Sarata, kam ein Trostschreiben von Gossner aus Petersburg an die Gemeinde Sarata an, welches öffentlich vorgelesen wurde. Auch Gossners Freunde in Petersburg bemitleideten die Gemeinde Sarata herzlich und schickten ihr später ein silbernes Abendmahlsgerät als Zeichen ihrer brüderlichen Liebe und Freundschaft, dessen sie sich noch heute bedient.

Im nächsten Jahr 1824 trat Lindl in Berlin öffentlich zur evangelischen Kirche über. Aus einigen Abschriften seiner Briefe war zu sehen, dass er mit Sicherheit darauf rechnete, wieder nach Sarata zu kommen, da der russische Minister Fürst Galizin sich für ihn verwandte, aber es blieb ohne Erfolg. Wie lange er in Berlin verweilte ist mir unbekannt. Von dort reiste er nach der Schweiz zu Jakob Wig (Wirz), welchem es gelang ihn ganz auf separatistische Wege zu bringen. Von dort wendete er sich nach der Stadt Barmen bei Elberfeld in Preussen, wo er eine kleine Separatistengemeinde bis an sein Ende bediente.

Er starb wahrscheinlich am letzten Februar 1846 da blos der Begräbnistag aber nicht Sterbetag angegeben ist.

Zwei Monate vor seinem Ende, als er noch gesund war, besuchte ihn ein Freund, welchem er beteuerte, dass er noch das tausendjährige Reich erleben werde; aber er musste bald erfahren, dass er sich täuschte. Also hatte sich dieser hochbegabte und feurige Prediger durch diese Schwärmer verwirren lassen. Als ihm die Augen über die Blindheit der katholischen Lehre aufgingen, verfehlte er in seinem Eifer gleich von vornherein das Richtige. Da er von der katholischen Kirche überall verfolgt wurde, und wie ein Wild, das von den Hunden gejagt wird, nicht weiss wo es hinläuft und da er mit diesen Schwärmern zusammentraf, so glaubte er das Richtige gefunden zu haben.

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Ueber Lindls Beerdigung wurde von einem seiner Freunde in einem Blatte folgendes mitgeteilt:

Den 2. März 1846 war bei dem Begräbnis des lieben mir unvergesslichen Lindl, kein einziger Prediger zugegen und ausser den Gliedern seiner kleinen Gemeinde begleiteten ihn nur wenige Freunde zur letzten Ruhestätte. Der Zug bestand, mit den Trägern, aus 38 Personen. Der Sarg kam in das Grab auf seine Frau zu stehen unter einer Eiche in der Mitte des Unter-Barmer-Kirchhofs. Der Comtorist B. sprach ein solch gesalbtes Gebet, dass es einem Prediger Ehre gemacht hätte. Lindl war ein halbes Jahr jünger als Gossner, demnach wurde er geboren 1774, welchen Tag ist mir unbewusst. Er brachte also sein Alter auf 71 Jahre. Martin Boos war 11 Jahre älter als Gossner und wurde den 25. Dezember 1762 in Christnacht in Huttenried geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Bauersleute, starben aber beide in einer Zeit von 14 Tagen, als er 4 Jahre alt war. Er hatte 15 Geschwister, wovon 4 vor den Eltern starben.

Martin kam zu seinem Onkel nach Augsburg, welcher ihn auf zureden seiner Lehrer und in Betreff guter Zeugnisse studieren liess, welches auch Martins inniger Wunsch war. Er kam auf die Universität nach Dillingen, wo ihm unter der Leitung des Professors Sailer das evangelische Licht aufging. Durch seine Predigten wurden ganze katholische Ortschaften erregt. Doch hatte er auch sein ganzes Leben hindurch nur Verfolgung und Gefängnis zu dulden. Er starb den 29. August 1825 im Alter von 62 Jahren 8 Monaten und 4 Tagen.

Johannes Gossner wurde den 12. Dezember 1773 geboren, im Dorfe Hausen bei Gensburg in Baiern. Er war ebenfalls ein Bauernsohn wohlhabender Eltern. Da aber sein Vater ertrank, wurde das Vermögen schlecht verwaltet, so dass er mittellos seine Studien ausführen musste. Er kam gleichfalls nach Dillingen woselbst er ein Jahr sich dem Studium der Philosophie widmete. Von dort ging er auf die Universität Ingolstadt (und studierte Theologie), denn man fing schon an aus Dillingen die Evangelischen Professoren zu vertreiben, worunter Sailer der vorzüglichste war. Letzter befand sich im Ganzen 10 Jahre als Professor in Dillingen. Gossner wurde noch bekannt mit ihm und kam durch ihn zur Erkenntnis. Er war nicht bei seinen Vorlesungen, weil er in Dillingen Philosophie studierte, aber dennoch verkehrte er mit ihm und kam durch ihn immer mehr auf den rechten Weg.

Sein Lebenslauf ist sehr interessant zu lesen, was dieser Mann bis ins Alter von 84 Jahren gearbeitet hat, wie nicht leicht ein zweiter aufzuweisen ist. Er übersetzte die Bibel ebenso wie Luther und gab ein Gesangbuch heraus. Gossners Schatzkästchen findet man in aller Welt Gegenden. Sogar die verstorbene russische Kaiserin führte es bei sich wenn sie sich auf Reisen befand. Zu seinen Anhängern in Petersburg gehörten Fürsten und Grafen, ja auch sogar der Kaiser. Dass der Kaiser Alexander I für diese Prediger so sehr eingenommen war, und überhaupt die Deutschen lieb gewann, kam daher, dass er durch den Krieg 1812 in Deutschland mit vielen christlichen warmem Männern bekannt wurde, ebenso auch Minister Fürst Galizin, welcher damals über die kirchlichen Angelegenheiten gesetzt war, und solche Männer wie Gossner und Lindl suchte. Durch die Errettung Russlands von den Franzosen war der Kaiser tief gebeugt und sah ein, dass nicht seine Macht, sondern die Hilfe Gottes durch den strengen Winter ihn gerettet habe. Er war sehr religiös und gottesfürchtig und hielt viel auf die evangelische Lehre. Daher kam es auch, dass die Verbreitung der Bibel in Russland gleich nach dem Friedensschluss gestattet wurde. Vor Gossners Zeiten war dieselbe noch sehr mangelhaft, er aber verbreitete von Petersburg aus, tausende von Bibeln.

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Er wurde von der (evangelischen) englischen Bibelgesellschaft unterstützt und wurde ihm von dieselben 2 Pressen unentgeltlich geschickt. Dadurch wurde die russische und katholische Geistlichkeit dermassen empört, dass sie den Kaiser so in die Enge trieben, dass er gezwungen war, um seine eigene Person zu schützen, endlich nachzugeben.

Auch hier spielte der österreichische Minister die Schlange, indem er den russischen Kaiser versicherte, dass diese Leute auf kirchlichem Wege unter dem Volk Empörung zu stiften suchen. Die höhere Geistlichkeit und Jesuiten von demselben (Metternich) unterstützt, ruhte nicht, bis auch Gossner aus dem Lande war und sein bester Gönner, Minister Fürst Galizin, abgesetzt, und die Bibelverbreitung wieder verboten wurde.

Vor Gossners Abreise aus Petersburg schickte ihm der Kaiser 1000 Rub. als Reisegeld und liess ihm sagen, dass er nur durch die Umstände genötigt sei und in seine Verweisung aus dem Lande gewilligt habe. Auch von anderer Seite strömten reichliche Unterstützungen zu.

Bei seiner Abreise war das Haus und die ganze Strasse hin mit Menschen besetzt, welche alle mit Thränen in den Augen sich herzudrängten um von ihm Abschied zu nehmen. Eine Reihe von Wagen begleitete ihn bis zur nächsten Station, wohin schon Hunderte voraus geeilt waren, Gossner noch einmal zu begrüssen. In Deutschland hatte er noch schwere Jahre durchzumachen, denn er wurde überall von der katholischen Geistlichkeit verfolgt, so dass er sich endlich entschloss zur evangelischen Kirche überzutreten. Er hatte aber noch immer schwere Zeiten, denn von einer Kirche war er ausgestossen und von der anderen nicht geachtet, bis es ihm endlich gelang, durch unermüdliche Arbeit, sich bei der evangelischen Kirche Namen zu erwerben. Als er endlich in Berlin eine bleibende Stelle gefunden hatte, gründete er ein Krankenhaus, welches unter dem Namens Elisabeth Krankenhaus noch fortbesteht.

Ebenso errichtete er ein Missionshaus und alles aus freiwilligen Beiträgen. Er sandte 140 Missionare aus, die bei ihm ausgebildet wurden, teilweise nach Indien und nach den entlegendsten Gegenden, welche vorher selten ein Missionar betreten hatte. Dieses alles leitete er bis zu seinem Ende. Er starb Dienstag den 20. März 1850 und wurde am Karfreitag beerdigt. Sein Alter war 84 Jahre, 8 Monate und 12 Tage.

Sein Begräbnis fand mit grossartiger Ceremonie statt. Jeder von den vielen Geistlichen hielt eine Rede. Generalsuperintendent Buchsel hielt eine Grabrede und die Menge Menschen, welche ihn begleiteten, konnte die Kirche lange nicht fassen.

Das wäre die Schilderung der Männer, welchen wir die Befreiung vom päpstlichen Joch zu verdanken haben.

Sämtliche Pastoren, welche in Sarata waren:

1.Ignaz Lindl 2. Josef Strehle, damals Kandidat

3. Lesedov 4. Breitenbach von 1840 bis 1848

5. Georg Behning von März 1852 bis 23. März 1875

6. Katterfeld 7. Meyer.

Der Grossvater Johannes Strehle wanderte mit seiner Familie bestehend aus Frau und vier erwachsenen Söhnen nach Russland ein. Sein Haus und Land musste er um billigen Preis verkaufen, denn da so viele auf einmal auswanderten, so wurden die Preise heruntergedrückt und alles kam in die Hände der Juden, welche boten, was sie wollten. Daher kam es auch, dass die meisten, bis sie an Ort und Stelle waren auch mit ihrem Gelde zu Ende waren.

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Im Jahre 1864 bei meiner Durchreise sagte mir der jetzige Besitzer, des väterlichen Hauses, dass er es jetzt für 30.000 Gulden verkaufe. Der Vater Johannes Strehle wurde geboren den 16. Oktober 1797 in Schnuttenbach bei Gensburg in Baiern an der Donau, Landgericht Burgau.

Er war 3 ½ Monate jünger als die Mutter. Sie verheirateten sich das Jahr nach der Ansiedlung, den 5. März 1823. Getraut wurden sie von Lindl. Der erste Sohn Johannes wurde geboren den 10. März 1826, getauft den 11. März. Er verheiratete sich den 13. Mai 1852 mit Katharina geborene Fiess.

Franziska, das zweite Kind wurde geboren Sonntag den 1. August 1827 getauft den 2. August. Sie verheiratete sich den 15. Oktober 1851 mit Lehrer Georg Schweyer.

Magdalena, das dritte Kind, wurde geboren Mittwoch den 23. Januar 1829 getauft den 24. Januar. Sie verheiratete sich den 17. Mai 1855 mit Friedrich Becker Seifensieder in Odessa.

Katharina, das vierte Kind, wurde geboren Dienstag den 2. Dezember 1830, getauft den selben Tag. Sie verheiratete sich mit Johannes Bossert, damals Schreiber in Klöstitz, den 30. Juni 1853 und starb den 25. Dezember also am 1. Weihnachtsfeiertage 1 Uhr Mittags.

Maria, das fünfte Kind, wurde geboren Mittwoch den 19. Januar 1833 getauft den 20. Januar. Sie verheiratete sich den 25. September 1855 mit Karl Frische in Kischinew, Sattler.

Christina, das sechste Kind, wurde geboren Montag den 24. September 1834 getauft den 25. September. Sie verheiratete sich mit Jakob Höllwarth in Gnadenthal den 31. Januar 1858. Sie starb den 23. Mai 1862 und hinterließ eine Tochter Katharina.

Marianna, das siebte Kind wurde geboren Dienstag, den 29. Juni 1837 getauft den 31. Juni.

Elisabeth, das 8. Kind, wurde geboren den 24. Januar 1839 getauft den 28. Januar und starb den 5. April 1839 also erreichte sie blos 2 Monate und 11 Tage.

Alois,das neunte Kind, wurde geboren Mittwoch den 26. Dezember, also am 2. Weihnachtsfeiertage 1840, getauft den 27. Dezember von Pastor Breitenbach, konfirmiert von Pastor Behning den 8. April 1856.

Im Jahre 1857 bekam der Vater Johannes Strehle einen Nervenschlag, worauf er nur noch mühsam gehen konnte, was sich jedes Jahr wiederholte. Im Jahre 1863 musste er sich ganz legen und starb den 12. November, dasselbe Jahr, im Alter von 60 Jahren und 27 Tagen.

Des Vaters zweiter Bruder Jakob Strehle wurde geboren den 2. Februar l802 und starb den 23. Mai 1880 im Alter von 78 Jahren 3 Monaten und 19 Tage.

Nach einem Aufenthalt von 6 Jahren in Russland, zogen die beiden jüngeren Brüder Josef und Anton wieder nach Deutschland aber nicht mehr nach Baiern, sondern nach Preussen, wo Josef als Pastor in Lockwitz angestellt wurde und sich später in Grochwitz bei Herzberg zur Ruhe setzte. Dort besuchte ich ihn im Jahre 1863 und 1864. Von der ersten Frau hatte er zwei Söhne, Samuel und Nathanael, welche aber damals schon lange tot waren. Sie starben beide mit 17 Jahren.

Von der dritten Frau hatte er eine Tochter namens Helene, die ungefähr im Jahre 1860 geboren wurde.

Bei meinem Besuch war sie ungefähr 3 Jahre. Sie starb im Jahre 1868 im Alter von 63 Jahren Anton der jüngste besass in Breslau ein Kaufmannsgeschäft, lebte in guten Verhältnissen. Er starb ein Jahr vor seinem Bruder Josef ungefähr im 60. Lebensjahre. Seine drei Söhne waren: der älteste Ferdinand, Pastor in Schlesien; der zweite Josef war Direktor in einer Zuckerfabrik in Polen; der dritte Anton, erlernte die Kaufmannschaft. Da er aber kränklich war, so verordneten ihm die Aerzte das Klima zu verändern, worauf er nach Amerika reiste, woselbst er wahrscheinlich an der Schwindsucht starb, denn man hörte nichts mehr von ihm.


fortsetzung

Erzählungen der Maria Strehle, 1881 Sarata 18-19


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Was nun mein Schicksal anbetrifft, so war dasselbe sehr abwechselnd. Schnell wie ein Traum sind mir über 40 Jahre verflogen, kaum dass mir noch die Erinnerung an die schöne Jungendzeit, welche nie mehr wiederkehrt, bleibt und welcher der Mensch mit reumütigem Herzen nachsieht, gleich einem Schattenbild das vor seinen Augen verschwunden ist. Wenn man sich in das menschliche Leben recht hineindenkt, so ist es mit den vier Jahreszeiten zu vergleichen. Die Kindheit ist der Frühling, wo der Mensch als Kind hoffnungsvoll mit lauter Luftschlössern umgeben in die Zukunft blickt.

Die schöne Jugend ist der herrliche Mai, wo man vom Glücke berauscht, eine ganze Strasse von Rosen vor sich sieht, welche sich aber später alle in Dornen verwandeln, und ohne zu bedenken, wie schnell diese Zeit entflieht, wird sie oft so leichtsinnig verschwendet, und die drückende Sommerhitze macht mit ihren Beschwerden heran, das ist das Mannesalter, wo Kummer und Sorgen die Spuren der Jungend verwischen; ebenso folgt der unfrendliche Herbst, wo die Kräfte schwinden und Gebrechen sich einstellen.

Endlich erscheint der harte Winter, wo die trüben Tage kommen, von denen es heisst, sie gefallen mir nicht und wo man seiner Umgebung übrig ist, so ist alles wie ein Traum.

Nachdem ich die Schuljahre bei Lehrer Naterer hinter mir hatte, kam ich in die Lehre nach Odessa zu Schlossermeister Rieb, anfangs September 1856. Meine Lehrzeit war 5 Jahre bis 12. November 1861. Nachdem arbeitete ich noch daselbst als Geselle bis 1. Mai 1862. Dann ging ich in die Fabrik Belliner Fendrich, wo ich bis zum 14. Oktober arbeitete. Elf Tage später, den 23. Oktober reiste ich zu Wasser nach Deutschland und kam den 26. November (nach deutschem Kalender) nach Wien. Nachdem ich mir daselbst verschiedene Sehenswürdigkeiten angesehen hatte, fuhr ich über Dresden nach Herzberg zu Onkel Josef Strehle wo ich mich zwei Wochen aufhielt. Von dort reiste ich nach Wittenberg, ein kleines Städtchen, aber berühmt als der Aufenthaltsort Luthers, dessen Wohnung ich besuchte, welche sich noch im selben Zustande befindet, wie er sie verlassen hatte. Dieselbe ist sehr einfach und klein und besteht bloss aus zwei nicht grossen Zimmern und einem Vorzimmer. Es ist kein Vergleich mit den Wohnungen unserer jetzigen Geistlichen. Am Fenster auf einer Stufe stehen zwei einfache Stühle von Fichtenholz, welche weder gepolstert noch gestrichen sind. Daselbst soll er gewöhnlich mit seiner Frau gesessen haben, wenn er von seiner Arbeit ausruht. An der Türe des Vorzimmers hatte einst Peter der Grosse bei seiner Durchreise, da er Luthers Wohnung besuchte, mit Kreide seinen Namen geschrieben, wo dann ein Glas darauf gemacht wurde, noch heute wie frisch geschrieben, der Name zu lesen ist. Nebenan befindet sich das Haus, wo einst Melanchton wohnte. Von dort liess ich mich in die Schlosskirche führen, wo Luther und Melanchton beerdigt liegen und wo Luther auch predigte. Sie liegen mitten in der Kirche, mit dem Fussboden zugleich, über jedem eine Türe, die zum aufmachen ist und unter denselben eine Marmortafel mit der Grabschrift. Zum Andenken kaufte ich mir die Photographie von der Kirche, sowie ein Siegel mit seinem eigenen Petschaft aufgedrückt.

Auch die 95 Sätze welche er gegen den Papst schrieb.

Vor der Stadt steht die sogenannte Luthereiche, welche zum 300 jährigen Jubileum auf derselben Stelle gepflanzt wurde, auf welcher Luther die päpstliche Bulle (Bälle) oder Gesetze verbrannte. Von dort fuhr ich über Göthen, Dessau, Magdeburg und Halberstadt nach Berlin. Dort angekommen den 7. Dezember 1863, arbeitete ich in der Maschinenfabrik Schwarzkopf vom 12. Dezember 1863 bis 25. Januar 1864. Vom 27. Januar

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bis zum 29. August arbeitete ich in der Fabrik Borsig, wo die Lokomotive für die Odessaer Bahn gebaut wurde. Von da aus besuchte ich die Verwandten in Breslau. Onkel Anton Strehle, dann seinen Sohn Ferdinand, Pastor in Lüben, sowie die Verwandten in München. Von dort reiste ich nach Wien und arbeitete in der Fabrik Cleyton und Schutlewort vom 26. September bis 16. Oktober 1864. Von dort fuhr ich mit der Bahn nach Pert (Pest) von wo aus ich mit dem Schiff nach Odessa fuhr, woselbst ich nach russischem Kalender den 16. Oktober 1664 ankam.

Denselben Monat trat ich bei der Odessaer Eisenbahn ein, welche damals gebaut wurde, und fuhr 11 Monate als Heizer bis den 28. September 1865. Dann wurde ich examiniert als Lokomotivführer und fuhr bis 1. Mai 1870. Von da wurde ich auf der Odessaer Station als Übermaschinist angestellt. Das nächste Jahr 1871 wurde ich nach Kischinef (im August) als die Strecke eröffnet wurde, versetzt, und den 16. Juni 1872 nahm ich meine Entlassung. Den 27. Dezember 1865 andren Tags nach meinem 25jährigen Geburtstag verheiratete ich mich mit Katharina Humel. Sie wurde geboren den 6. Mai 1843, getauft von Probst Fletnitzer, also war sie zwei Jahre und 4 ½ Monate jünger als ich. Gonfirmiert wurde sie in Odessa den 18. Mai 1858, ebenfalls von Fletnitzer. Sieben Monate nach unserer Verheiratung den 28. Juli 1866 starb sie an der Cholera. Das nächste Jahr, den 20. April 1867 verheiratete ich mich wieder mit Maria Kurzinger, getraut von Probst Fletnitzer. Geboren wurde sie den 16. Juli 1845 und confirmiert den 29. Mai 1861. Im Jahre 1867 hatte ich die Gelegenheit auf der Odessaer Eisenbahn den ersten Kaiserzug zu führen. Den 15. Febr. 1868 wurde mein erster Sohn geboren, getauft den 24. März von Probst Fletnitzer. Den 7. April 1870 wurde das zweite Kind Pauline geboren, getauft den 14. Juni von Pastor Kowalzig. Taufpathen waren zu beiden August Schulze und seine Frau Johannis Bossert und Sophie Richter, geb. Stein. Nachdem ich nun 1872 die Eisenbahn verliess, übernahm ich die Schlosserwerkstelle von meinem ehemaligen Lehrmeister Rüb, welche ich im Juli antrat.

Bis dahin wusste ich nicht was sorgen heisst, denn ich hatte mein reichliches Auskommen. Von da gab es nun eine Aenderung in meinem Leben, die schönen Zeiten waren vorüber. Da zu jener Zeit der Häuserschwindel anfing und infolge dessen einer nach dem anderen bankrott ging und auch ich, was ich ausstehen hatte, verlor, wodurch ich in Judenhände fiel, welche mich mit ihren Prozenten zu Grunde richteten. So hatte ich schwere Zeiten durchzumachen. Nach dem Tode meines Schwiegervaters Kurzinger am 1. August 1873 nahm ich die Schwiegermutter mit ihren beiden Töchtern, Luise 15 Jahre alt und Emma 8 Jahre alt, zu mir. Nachdem ich im früheren Hause Rüb 3 Jahre gewohnt hatte, zog ich in das Haus Sahl im Juni 1875 den 23. Oktober desselben Jahres 1875 starb meine zweite Frau Maria, geb. Kuringer an der Schwindsucht, wo dann die Schwiegermutter mir die Wirtschaft führte. Das nächste Jahr 1876 den 8. März starb mein Söhnchen Adolf an der Halbräune, sein Alter war 8 Jahre, 23 Tage, er war ein ausnahmsweise frommes, gehorsames und liebes Kind.

Die Verstorbenen aus der Familie Kuringer:

Johannes Kuringer wurde mit Sophie geb. Hagstolz den 23. Mai 1843 getraut. Das 1. Kind Marie, meine Frau, wurde den 16. Juli 18441 geboren und den 5. August getauft, den 29. Mai 1860 confirmiert und den 23. Oktober 1875 gestorben an der Schwindsucht.


Hier endet der Bericht, welcher während der amtlichen Wohnungsauflösung nach dem Tod eines Menschen ohne Angehörige gefunden wurde und mit seiner gesamten Habe in die öffentliche Versteigerung kam. Das Original wurde freundlicher Weise durch meine Vermittlung von S. Winkler aufgekauft und in ein familiengeschichtliches Archiv in den USA überführt, da der zuerst von mir angefragte Verein der Bessarabiendeutschen leider kein Interesse hatte.


1 KB Odessa 1845 Nr. 64 Geburt von Marie Sophie Kurringer am 16. Juli 1845!

Erzählungen der Maria Strehle, 1881 Sarata 9-12

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Es heisst in jenem Briefe vom 27. Mai 1822:

„Anfangs März war die Zeit, wo es der Herr für gut fand, uns ein Oertlein anzuweisen. Es kam von der Regierung an den General in Kischinef der Befehl, dem Herrn Probst Lindl zu eröffnen, dass er sich in Bessarabien ein Stück, so viel er brauche, auszusuchen. General in Kischinef, war auch zugleich Oberbefehlshaber und Stadthalter über ganz Bessarabien, oder die sogenannte Moldau, und über alle Ansiedler Bessarabiens zu gebieten hatte. Diesem Berufe Folge leistend, machte sich Probst Lindl sofort auf den Weg zum General nach Kischinef, und fand zu seiner Freude, dass derselbe sein Freund und Gönner und auch ein wahrer Christ sei, welches er auch täglich in seinen Anordnungen zu erkennen gab.

Als nun unser lieber Vater Lindl sich einen passenden Ort ausgesucht hatte, kam er mit Freunden zurück und traf sogleich Anstalt zu unserer Abreise, welche den 13. März erfolgte.

Den 1. April neuen Stils kamen wir an unserem Bestimmungsorte an, wo sodann die etwa 50 Wagen im Kreise ausgestellt wurden. In der Mitte dieses Kreises sammelten sich alle, Gross und Klein um unseren lieben Vater Lindl. Als dies geschehen war fielen sämtliche Anwesende auf die Knie nieder, wo dann Lindl im Namen aller so beweglich und mit Tränen in den Augen den Herren lobte und ihm dankte für die grosse Gnade und Barmherzigkeit, die er an uns getan hat. Es hatte sich wohl ein Stein darüber bewegen können. Ja, liebe Geschwister, da fühlten wir wohl recht, dass der Herr in unserer Mitte sei, denn der heilige Schauer, der alle durchdrang, war ein Zeuge, dass der Herr in unserer Mitte sei, Ach, dass er doch ferner mit und unter uns sein möchte. Als Vater Lindl das Gebet geendet hatte, hielt er eine so durchdringende Rede, dass alle in Tränen zerflossen. In dieser Rede erklärte er sich denn auch vor dem allsehenden Auge Gottes feierlich, dass er in seiner Gemeinde nur wahre Christen aufnehmen und behalten wolle.

Und wer in Zukunft nicht als Christ handle, den werde er nach mehrmaliger wiederholter Warnung, ohne Rücksicht aus der Gemeinde ausschliessen, und der Betreffende werde aus dem Lande gejagt werden. Nach diesem forderte er alle auf, ihm mit einem Handschlag zu versprechen, dass sie von nun an Gottes Eigentum, Jünger Jesu, und nur nach dessen Lehre leben und sterben wollen. Und dass jede Partei zwischen Katholiken und (Lutheraner) Evangelischen aufhören solle, nur Jesum Christum als alleinigen Eckstein der Gemeinde anerkennen, so wie auch jegliche Ceremonie aufhören sollen. Das heilige Abendmahl wird also in unserer Gemeinde in beiderlei Gestalt ausgeteilt, wie es auch von unserem lieben Herrn und Heiland eingesetzt wurde. Die Rührung und Feierlichkeit mit welcher das heilige Abendmahl von unserem lieben Lindl ausgeteilt wird, ist nicht zu beschreiben. Es ist da schon anwendbar, was in der Offenb. Joh. steht: „Seelig und heilig, wer zu dem Abendmahl des Lammes berufen ist.“

Ja wahrlich seelig, hier schon in Glaubenshandlungen als Trauungen, Taufen, Begräbnissen fühlbar, dass der Geist Jesu Christi aus Vater Lindl redete. Alle gottesdienstlichen Handlungen werden ganz ohne Ceremonie nach dem Wort Gottes verrichtet. Morgens und abends wird von Vater Lindl eine herzliche Rede über Losungsworte gehalten, die allemal mit einem gesalbten Gebete geschlossen wird.

Ach, liebe Geschwister, betet, betet, damit euch der Herr in dieser letzten betrübten Zeit im Glauben stärken und erhalten möge, damit ihr würdig werdet zu entfliehen diesem allen was da kommen soll, denn die Zeit ist nahe. O, darum betet, betet, muntert einander wieder auf wenn ihr schwach werdet.

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Unser Dorf, das wir anlegen, liegt beinahe eine halbe Stunde von unseren Hütten, in denen wir recht froh und vergnügt leben. Am Himmelfahrtstage wurde der Grundstein zu unserem Bet- und Pfarrhaus gelegt. Von unseren Hütten aus ging der ganze Zug in Prozession dem Orte zu, wo unser Dorf angelegt wird. Es wurde das herrliche Lied gesungen: „Fahre fort, Zion, fahre fort.“

Nach dem Gesang ging alles betend still dem Orte zu, woselbst schon ein kleiner Altar von Steinen errichtet war. Vater Lindl stellte sich hinter den Altar, und die Uebrigen schlossen einen Kreis um ihn her. Als alles ruhig und still war, legte Vater Lindl sein Angesicht auf die Erde und betete den Herrn in der Stille an, und so auch alle die dabei waren. Dann richtete sich Lindl auf die Knie und betete aus dem Herzen und mit Thränen:

„O wie glücklich sind wir gegen euch, da wir das Wort Gottes in einem so reichen Maße haben. Bleibet nur bei Jesu! Ach, dass wir uns alle bei dieser grossen Schar wiederfinden, obwohl wir hoffen, dass wir viele von euch im Prüfungsthale Wiedersehen werden: der Herr wird euch auch aus Sodom und Egypten führen, und euch wie uns eine Freistätte bereiten, da ihr in Ruhe und Sicherheit ihm dienen könnt.

Was unsere äusserliche Lage betrifft, so kann ich euch nicht anders schreiben, als dass wir dem Herrn sei Dank, alle frisch und gesund und vergnügt sind, und dass wir uns nie wieder nach Deutschland zurück wünschen, denn der Herr ist mit uns.“

Dieser Brief enthält die genaueste Auskunft über die ersten Tage der Ansiedlung Saratas.

Danach wurde gemeinschaftlich angefangen die Häuser zu bauen, was sehr schnell ging, so dass sie zum Herbst schon einziehen konnten. Der Baumeister war Schäfer, der Schwiegervater von Scherzinger. Alois Scherzinger war Uhrmacher und wurde geboren den 15. Juli 1787 in Gütenbach, Herzogthum Baden, jetzt Königreich. Sein Vater war ebenfall Uhrmacher. Er reiste schon im Alter von 16 Jahren nach Petersburg, wo schon seit längerer Zeit zwei Brüder von ihm ein Uhrwarengeschäft hätten. Dieselben starben jedoch frühzeitig daselbst, worauf er das ganze Geschäft eine Zeitlang allein führte. Er war sehr beliebt in höheren Kreisen, verkehrte mit Fürsten und Grafen, auch war er sehr musikalisch und stimmte bei mehreren Fürsten Klaviere. Ebenso gab er auch Conzerte in Petersburg, wo er solche Bewunderung erregte, dass der Kaiser Alexander I, dem eine Dame von der schönen Abendunterhaltung und von den jungen Deutschen erzählte, auf ihn aufmerksam wurde und ihn zu sehen wünschte. Da wurde er dann auch von Lindl vorgestellt und hatte die Ehre mit dem Kaiser an einer Tafel zu speisen.

In Petersburg vermählte er sich mit Fräulein Christina Schulz, Tochter des dortigen Nadelfabrikanten Schulz. Sie lebten in glücklicher Ehe jedoch nur kurze Zeit, denn nach anderhalb Jahren starb ihm seine Gattin. Untröstlich über den Verlust derselben, hielt er sich an Lindl mit dem Entschluss den für ihn so traurigen Ort Petersburg zu verlassen, reiste auch mit Lindl nach Odessa und verblieb daselbst bis zur Ansiedlung Saratas, wo er sich mit anschloss und mit ihnen sich ansiedelte. Während seines anderthalbjährigen Aufenthaltes in Odessa, verlobte er sich mit Fräulein Lemster, einer Generalstochter, welcher er wieder absagte und heiratete die Tochter des bereits erwähnten Baumeisters Schäfer.

Das war das erste Paar, welches in Sarata getraut wurde, und da das Bethaus noch nicht vollständig eingerichtet war, so wurde bei seiner Trauung eine Hobelbank als Altar benutzt. Scherzinger war für Sarata

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von grossem Werte, da er der russischen Sprache mächtig war. Er besorgte das ganze Bauholz für die ganze Kolonie bis Cherson her, was damals mit grossen Schwierigkeiten verbunden war. Kurz er überwachte alles was kein anderer ausführen konnte, da niemand russisch verstand und das alles tat er unentgeltlich. 15 Jahre hindurch versah er das Amt als Amtsbeisitzer, wobei er alles in allem sein musste, indem Veygel nicht russisch verstand. Während seiner ganzen Dienstzeit beherbergte und beköstigte er die ankommenden und durchreisenden Beamten, ohne je der Gemeinde eine Rechnung darüber zu machen. Er opferte seine ganze Zeit der Gemeinde Saratas ohne auf eigene Interessen Rücksicht zu nehmen. Als Veygel seinem Oberschulzamte entsagte, kamen einige Männer zu Scherzinger und baten ihn, das Amt zu übernehmen, ob er erlaube, dass man ihn wähle; er wollte auch diese Gefälligkeit erweisen. Nun wurde er einstimmig gewählt und zum Sonntage in die Kirche bestellt zur Beeidigung. Während dieser Zeit brachten es seine wenigen Feinde so weit, dass Gotlieb Knauer vorgeführt und beeidigt wurde, welches ihn dermassen kränkte, dass er nicht mehr in die Kirche ging.

Er sagte, dass er einen solchen Ort, wo solche Ungerechtigkeiten vorgehen, nicht wieder betreten werde, obgleich er zuvor ein fleissiger Kirchengänger war. Diese Zurücksetzung, sowie der Verlust seines Vermögens, welches er verlor und verschiedene andere Kränkungen brachten ihn soweit, dass er gar nicht mehr der Mann war. Nachdem man ihn nicht mehr so nötig hatte, wurde wenig mehr gedacht dessen, was er alles an Sarata gethan hatte, wo jeder Unterdrückte bei ihm Beistand fand, und so viele Arme bei der Ansiedlung unterstützt wurden. Bei längerem Aufenthalt von Militär wurden oft die Bewohner von den Beamten unterdrückt, da nahm er jeden in Schutz und verhalf ihm zu seinem Rechte. Jeder suchte seine Zuflucht bei Scherzinger, weil er eine angesehene Person war. Wenn er mit seiner grossen Medaille am Halse auftrat, wusste er überall das Recht zu behaupten. Dessen ungeachtet wurde er in seinem Alter mit Spott und Verachtung von seinen Feinden und der Jugend belohnt. Nachdem nun der Greis 76 Jahre und 7 Monate zurückgelegt hatte und den 12.Februar 1864 seine müden Augen schloss, da waren es wieder seine Feinde, welche Herrn Probst Behning so weit brachten, dass bei seinem Begräbnis nicht einmal die Glocken der Kirche, welche er beim Ankauf selbst so meisterhaft ausgesucht hatte, wie sie in keiner Kirche sind, ohne dass dieselben mit ihrem letzten Glanze ihn zu seiner Ruhestätte begleiten durften. Die Ursache war, weil der Wohltäter Saratas aus bekannter Ursache nicht mehr in die Kirche ging. Also erfüllt sich gründlich das Sprichwort: Undank ist der Welt Lohn.

In den ersten Jahren hatten unsere Ansiedler schwere Zeiten, da sie der russischen Sprache unkundig waren. Auf der Herreise war ihnen auch das fremde Geld unbekannt und beim Einkauf hielten sie das Geld hin ohne zu wissen, welchen Werth es hat, der Verkäufer allerdings nahm was er wollte. Nachdem sie sich endlich in die Verhältnisse eingelebt hatten, waren auch die Vermögendsten um ihr Gut gekommen und mussten sich armselig durchbringen, bis sie sich wieder erholten.

So ging es auch unserem Grossvater. Der billige Verkauf des Hauses mit dem Bauerngut, die Reise und Ansiedlung, und im Anfang auch Missernten, machten alle so ziemlich gleich. Wer nichts oder wenig von draussen mitnahm, konnte nicht viel verlieren und welche Geld hatten, das ging auch zu Ende bis sie eingerichtet waren. Nun ist nicht zu vergessen Herren Werner zu erwähnen, welcher für die Kolonie Sarata einer der wichtigsten Personen war. Er wurde geboren den 25. Dezember 1760 in der Stadt Gingen in Würtemberg und war Kaufmann, und zwar ein reicher daselbst.

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Veygel wurde geboren den 20. Februar 1780. Er war von Hause aus arm und Ladendiener bei Werner. Da er aber fleissig und treu war wurde er sehr beliebt und Werner übergab ihm sogar das Geschäft für einen sehr billigen Preis und setzte sich in die Ruhe. Nachher zogen sie beide Lindl zu lieb nach Russland, aber sie kamen erst das nächste Jahr 1823, als die Häuser schon gebaut waren, dasselbst an. Bei ihrer Ankunft wurden sie von der Gemeinde, Lindl an der Spitze, eine Strecke vor dem Dorfe mit großer Freude empfangen und in die zeitweiligen Wohnungen begleitet. Aber nur zwei Monate waren Werner beschieden in Sarata zu weilen, schon am 6. Dezember 1823 starb er und vermachte sein Vermögen, welches aus 25,574 Rbl. bestand der Gemeinde Sarata. Dazu kam noch ein Vermögen des Staatsraths Contenius von 4,500 Rbl. Da Veygel der Testamentsvollstrecker war und über das Geld zu verfügen volles Recht besass, so liess er von den Zinsen die Kirche bauen und nachher die Wernerschule, welche ebenfalls von den Zinsen unterhalten wird. Nach dem Tode Veygels übernahm das Geld die Krone und bezahlte 3%. Veygel starb den 9. Januar 1847. Da nun das Testament von Werner folgendermassen lautet:

„Das Kapital ist für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu verwenden, so ist dasselbe nicht zum direkten Gebrauch der Gemeinde Sarata angewiesen, und wird deshalb auch nicht herausgegeben. Der damalige Minister hat es noch zum Besten der Gemeinde gelenkt, damit dass er die Errichtung der Wernerschule für Ausbreitung des Reiches Gottes angab, bei der Bestätigung des Testaments, denn sonst hätte auch dieselbe nicht von dem Gelde unterhalten werden können.

Herr von Heinlett, gleichfalls ein Anhänger Lindls, der auch mit nach Russland zog, war in München am königlichen Hofe, eine hochgestellte Persönlichkeit, doch was für ein Amt er daselbst bekleidete ist mir unbekannt. Er war sehr reich und besass in München ein sehr grosses Haus in welchem sich drei Consulate befanden, da er aber sich an Lindl und dessen Auswanderer anschloss und wurde, so wollte man ihm sein Vermögen einhalten. Wie nachher mit seinem Vermögen noch ausfiel ist mir nicht bewusst. Nur so viel ist mir bekannt. AIs er schon in 0dessa war, liess er sein Haus in München mit grossem Verlust verkaufen. Sein Vermögen nicht in Händen habend, konnte er sich seinem Stande gemäss nicht wohl in Sarata niederlassen, und nahm ein Stelle am Lizeum in Odessa als Lehrer an. Sein Sohn Fritz befand sich bei Lindl in Sarata und wurde später Pastor. Die älteste Tochter verheiratete sich an Pastor Bonkemper. Die zweite Tochter an Pastor Vogdt. Die dritte an Pastor Steinmann, welcher mit Lindl zusammen von Deutschland abreiste. Die Mutter Maria Strehel kannte Pastor Steinmann schon in Deutschland. Beim Abschiedsschmauss schenkte er ihr eine Traube, was in der Gegend, eine Seltenheit war, auch die erste die sie zu essen bekam. Heinletts Frau, Anna Maria, geb. Hegg, starb in Odessa den 1O. Oktober 1823 an der Schwindsucht. Sie wurde in einem Zinksarge nach Sarata gebracht und den 24. Oktober daselbst beerdigt. Ihr Alter war 45 Jahre. Ihr Grab wurde bis zum Jahre 1884 von der Mutter Maria Strehle im Stande gehalten. Zu Pfingsten desselben Jahres stellte ich ihr ein eisernes Kreuz mit einer Tafel zum Gedenken der alten Freundschaft. Die Mutter kannte Heinletts von München aus und verkehrte öfters bei ihnen im Hause.


fortsetzung

Erzählungen der Maria Strehle, 1881 Sarata

Hinweis: die Daten entspringen der Erinnerung und decken sich daher teilweise nicht mit den tatsächlichen Daten in den Kirchbucheinträge zu den Personen.

Ausschnitt der Karte1 von Bayern um 1698 mit Wohnplätzen der Strehle

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Abschrift!

Die von Alois S t r e h l e gesammelte Nachrichten und Begebenheiten von der Zeit der Voreltern und unserer Herkunft theilweise erzählt von der Mutter Maria Strehle geborenen Schäfer in ihrem 84ten Lebensjahr 1881.

Es ist mein Wunsch, dass diese Beschreibung von den Gliedern unserer Familie, welche dafür Interesse haben, weitergeführt werde, denn es ist für jeden wichtig zu wissen die Herkunft und Verhältnisse der Voreltern. Es kommen im menschlichen Leben Fälle vor, wo solche Nachrichten zu Nutzen kommen, und Vieles daraus zu erfahren ist.

Die Heimat unserer Voreltern väterlicher Seite war Schnuttenbach bei Gensburg, Landgericht Burgau in Bayern an der Donau.

Der Urgrossvater Strehle war über fünfzig Jahre verheiratet und starb sehr schnell wahrscheinlich am Schlag, auf dem  Wege von Burgau nach Schnuttenbach. Beide Ortschaften liegen nahe beisammen; auf der anderen Seite nahe dabei liegt Gontrimingen, wo die Urgrosseltern beerdigt liegen, weil Schnuttenbach ein kleines Dorf ist und auch zu jener Kirche gehört, ebenso keinen besonderen Friedhof besitzt. Bei meiner Durchreise daselbst im Jahre 1864 gab ich mir Mühe die Gräber der Urgrosseltern aufzusuchen und fand alles, wie es mir beschrieben wurde seit der Auswanderung unverändert.

Die Kirche steht auf einer starken Anhöhe und um dieselbe der Friedhof mit einer Mauer umgeben. An der Rückseite des Friedhofes ist eine Thür und rechts beim Eingange nahe bei der Thüre liegen sie begraben. Ich fand auf derselben Stelle Stücke Holz von Kreuzen, auf welchen die Namen nicht mehr zu lesen waren, folglich konnte ich nicht unterscheiden ob dieselben von ihren Gräbern waren. Das vorelterliche Haus mit Hof und Garten fand ich ganz in demselben Zustande, wie es verlassen wurde. Nur ein einziger Baum von welchem mir der Vater und später der Onkel in Deutschland erzählte und für den ich mich sehr interessierte, der war das Jahr vorher vom Sturm umgerissen. Mit diesem Baum war folgendes Ereignis:  Als der Vater und seine Brüder noch Kinder waren und ihre Eltern Sonntags in der Kirche waren, machten sie ein Spiel. Sie schlachteten ihrer Mutter die jungen Gänse und benutzten denselben Baum als Galgen indem sie die Gänse daran aufhängten.

Einer verkaufte das Fleisch und die anderen spielten die Käufer. Als nun das Fleisch verkauft war, da holten sie die Gänse der Nachbarin und setzten das Spiel fort ohne zu denken, dass sie ein Unrecht begingen. Als nun die Eltern aus der Kirche kamen lief Anton, der Jüngste, ihnen voll Freude entgegen und erzählte was für ein schönes Spiel sie haben.

Der Grossvater Johannes Strehle war der Erbe vom ganzen Bauerngut. Er wurde geboren den 4ten Juli 1762 und starb in Sarata im Jahre 1839 den 27ten Oktober 6 Uhr morgens.

Seine Söhne waren: Der Vater Johannes Strehle, der älteste,

der 2.             Jakob    Strehle, Schmied in Sarata,

“ 3.                 Josef    Strehle, Pastor in Deutschland

“ 4.                 Anton    Strehle, später Kaufmann in Breslau,

die einzige Tochter, welche als Kind starb, wurde während der Franzosenkriege im Walde geboren, weil die Franzosen damals als Feinde im Lande waren und mit den Leuten unbarmherzig verfuhren, so flüchteten

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sich sämtliche Bewohner in die Waldungen. Als die Grossmutter niederkam da schlich sich der Grossvater bei Nacht aus dem Walde in das Dorf. Da sein Hof mit der Rückseite gegen den Wald stand wo die äussere Wand von der Scheune eine Oeffnung hatte, für die Wagendeichsel, da kroch er durch dieselbe und es gelang ihm einiges Bettzeug zu holen, ohne dass ihn die Franzosen bemerkten. Das war ein gewagtes Stück, denn hätten sie ihn bemerkt, so hätte es können schlimm ausfallen.

Der Vater Johannes Strehle kam auf drei Jahre nach Gensburg in die Schule und erwarb sich gute Schulkenntnisse. Seine Eltern wollten ihn studieren lassen, denn sie waren vermöglich, und hatten die Mittel dazu, aber er wollte nicht. Er hatte zwar eine Vorliebe zur Arzneikunde, und durch die Bekanntschaft eines Mannes, der zwar kein studierter Doktor, doch von der Natur so begabt war, dass der die Aerzte damaliger Zeit alle übertraf, erwarb er sich ziemliche Kenntnisse, so dass er später in Sarata als Tierarzt fungieren musste. Er thates aber nur aus Gefälligkeit, nahm nie dafür bezahlt, sondern bloss seine Zeit und Gesundheit opferte.

Der zweite Sohn Jakob kam nach Augsburg in die Lehre zu einem Schmied. Er war gross und stark und von aussergewöhnlicher Körperkraft.

Als eines Tages seine Eltern nach Augsburg fuhren um ihn zu besuchen, begegnete ihnen ein Bettler auf dem Wege, welcher den Hut hinhielt und bettelte, nämlich auf freiem Felde. Die Pferde waren sehr mutig, man rief ihm zu auf die Seite zu gehen, aber er liess sich nicht abtreiben. Die Pferde wurden scheu, sprangen auf die Seite und konnten nicht mehr erhalten werden, der Wagen fiel um und sie wurden mitgeschleppt, wobei dem Grossvater der rechte Arm verkrüppelt wurde, was ihm auch blieb bis zu seinem seeligen Ende.

Die Grossmutter Magdalena Strehle geborene Moser wurde den 25 ten Juli 1763 zu Wasserburg bei Gensburg geboren, und starb in Sarata den 27ten September 1828 im Alter von 65 Jahren 2 Monate und 2 Tage. Sie war eine grosse starke Person, aber frühzeitig gebrächlich geworden, wahrscheinlich durch die schweren Erlebnisse während der Franzosenkriege. Sie war eine reiche Müllerstochter und da ihr Vater für das naheliegende Kloster das Mehl lieferte, so war sie als Kind im Kloster gut bekannt und kam öfters hin. Einst traf es sich, dass die österreichische Kaiserin das Kloster besuchte, da wurde sie als Nonne angekleidet und durfte der Kaiserin ein Bouquett überreichen. Sie wurde sehr freundlich empfangen und die Kaiserin freute sich über das kleine Klosterfräulein. Es war die Kaiserin Maria Theresia, welche, als die Grossmutter geboren wurde, den siebenjährigen Krieg endigte.

Die Schwester der Grossmutter war durch ihre Schönheit in der ganzen Gegend bekannt. Sie verheiratet sich an Klughammer als sie 22 Jahre alt war und blieb im elterlichen Hause als Müllerin zu Wasserburg. Sie starb jedoch bald, und weil sie nach damaliger Meinung sich viel zu jung verheiratete, so sollte dies die Ursache ihres frühen Todes sein. Ihre Grabschrift lautete:

Franziska Klughammer gewesene Müllerin zu Wasserburg ihres Alters 22 Jahre.

”0 Mensch steh still und thun hier lesen
Wer du bist, bin ich auch gewesen
Was ich jetzt bin musst du auch werden
Staub und Asch in der Erden.

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Die Mutter Maria Strehle, geborene Schäfer wurde im Marktflecken Märie (oder Mering) den 2. Juli 1797 in Altbaiern geboren. Als sie 5 Jahre alt war zogen sie nach Rind im Landgericht Frindberg bei Augsburg.

Als sie 10 Jahre alt war starb ihre Mutter Katharina, geb. Find. Nach einem Jahre verheiratete sich ihr Vater wieder mit 60 Jahren. Nach 10 Jahren, als er 70 Jahre alt war, ging er über ein Wasser über welches nur ein Brett gelegt war, glitt aus, fiel ins Wasser und ertrank.

Im nächsten Jahre 1818 verheiratete sich die Stiefmutter wieder, da aber bald darauf die Auswanderung stattfand und die Mutter Maria Strehle in Russland keine Briefe erhielt, so sind weiter keine Nachrichten von den Stiefeltern.

Die Grossmutter von der Mutter Maria Strehle war 20 Jahre Witwe, sie war sehr reich, aber durch Ueberschwemmungen, welche damals in jener Gegend oft vorkamen, verlor sie alles und wurde arm.

Die ältere Schwester von der Mutter Maria Strehle, Marianna Schäfer, kam nach München und verheiratete sich an Andreas Trautmansberger, seines Handwerks ein Fassbinder.

Ihre erste Tochter Maria wurde geboren 1818, der Ignaz wurde geboren 1822. Die 2. Tochter Helene wurde geboren 1829 ob noch mehr Kinder waren und klein gestorben sind ist mir unbekannt. Ignaz lernte das Handwerk seines Vaters als Fassbinder und nachdem er sein Glück in der Fremde versucht hatte verheiratete er sich in Dresden und erhielt eine Stelle in der Brauerei zum Felsenkeller als Oberbüther. Helene verheiratete sich in München mit Josef Walter und ihre Schwester Maria war bei ihr bis zu ihrem Ende. Marias Tochter Rosalie wurde geboren ungefähr 1840. Sie blieb ledig und diente in München. Der Vater Andreas Trautmansberger starb den 11. Februar 1852. Die Mutter Marianna Trautmansberger starb den 12. Februar 1857. Der erste Sohn von ihrer Tochter Helene Walter, mit Namen Josef wurde den 15. Februar 1857 geboren, also denselben Tag da ihre Mutter beerdigt wurde.

Die Tochter Anna, das zweite Kind, wurde ungefähr 1860 geboren. Das 3. Kind Ignaz war im Jahre 1864 als ich sie besuchte ungefähr ein Jahr alt, er muss klein gestorben sein. Eine Tochter Therese wurde geboren nachdem ich in Deutschland war, ungefähr 1869. Josef Walter starb 1875 den 27. Juni 8 Uhr abends am Blutsturz. Maria Trautmansberger starb den 7. Oktober 1877. Der Sohn Josef Walter lernte als Bildhauer und war ein geschickter Arbeiter und eine Stütze seiner Mutter und starb in der Blüte seiner Jahre mit 26 Jahren 1883. Die Tochter Anna verheiratete sich dasselbe Jahr im August mit Ludwig Eder, seines Handwerks Maschinenbaumeister. Das Jahr darauf 1884 den 16. Januar, nach russischem Kalender den 4., Freitag abend 5 Uhr verunglückte derselbe durch ein Rohr welches explodierte und derart ihn zerschmetterte, dass er gleich darauf starb. Er hinterliess ein Töchterchen von 6 Monaten.

Nun sind noch einige Begebenheiten aus dem dreissigjährigen Krieg, welche von den Voreltern erzählt wurden, zu erwähnen:

Die Urgrossmutter, des Grossvaters oder des Vaters der Mutter Maria Strehle war ein junges Mädchen zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Sie erlebte folgendes:

Die wenigen übriggebliebenen Leute konnten sich nur dann aus ihrem Versteck hervorwagen, wenn kein feindliches Militär in der Nähe war. Und da die ganze Gegend zerstört und von Vieh oder Pferden nichts mehr zu finden war, so musste die benannte Urgrossmutter von Grossvater, um einige Saat zu besorgen und nicht Hunger zu sterben, anstatt Pferd selbst die Egge ziehen um die gesäte Frucht einzueggen.

Diese Gegend in Altbaiern wurde dermassen zerstört, dass im Marktflecken Mering, welcher ziemlich gross ist und drei Kirchen hat und

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noch zwei Dörfer, bloss neunzehn Menschen am Leben blieben. Aus einem Dorfe blieb nur eine Frau am Leben, welche sich mit einer Kuh unter der Lechbrücke verbarg, für welche sie, wenn keine Feinde in der Nähe waren, immer Futter sammelte, und so bleib sie, während die ganze Gegend zerstört wurde, am Leben. Allerdings wurden nicht alle Menschen ermordet, sondern Krankheit und Hunger rafften viele dahin.

Diese Verwüstung geschah erst nach dem Tode des Königs von Schweden, Gustav Adolf, denn derselbe erlaubte nicht, dass jemand Unrecht geschah auch waren es grössten Teils Deutsche aus der schwedischen Armee, welche am meisten wüteten. Es war dieses in den letzten Jahren des Krieges, als Baiern so verwüstet wurde, denn die Schweden suchten sich zu rächen, weil der Kurfürst von Baiern den Waffenstillstand gebrochen hatte und die Schweden wieder angegriffen, auch weil der baierische General Tilli mit Magdeburg so grausam verfahren war.

Die einzelnen Menschen die noch übrig blieben in den Dörfern, hielten beständig Waffe (Wache) auf den Kirchthürmen.

Eines Tages wurde auch ein Zeichen gegeben, dass Feinde kommen, es waren bloss 2 feindliche Soldaten, dieselben gingen in ein Haus, wo Mann und Frau sich unter dem Dache versteckt hatten. Auf dem Tische liessen sie ein halbjähriges Kind sitzen, denn sie fürchteten, dasselbe würde Laut von sich geben und sie verraten. Der eine ging hinein und als das Kind ihn sah lächelte es ihn an. Es that ihm leid es zu ermorden, ging hinaus und sagte es seinem Kameraden. Derselbe aber gab ihm einen Verweiss über sein Mitleid, ging hinein und spiesste das Kind auf sein Bajonett, trug es hinaus und warf es hin, worauf beide davongingen.

Die Eltern mussten aus ihrem Versteck dieses Schreckensbild mit ansehen. Dieses alles erlebten die Voreltern der Mutter, da in jener Gegend die grösste Verwüstung herrschte.

Die letzte Schacht in Baiern war bei Landsburg. Die Schweden nahmen das Städtchen ein und abends wurde für die höheren Persönlichkeiten ein Festmahl gegeben. Als nun alle an der Tafel sassen, kam auf einem Schimmel reitend ein Cavallerist dahergesprengt vom Lechfeld aus, näherte sich dem Hause, nahm durch das Fenster den schwedischen Feldherrn aufs Korn, und schoss ihn an der Tafel tot. Zu derselben Zeit wurde auch Prag eingenommen was endlich den österreichischen Kaiser bewog Frieden zu schliessen.

Die Leute bei Landsburg waren der Meinung den Frieden durch den Tod des schwedischen Feldherrn erlangt zu haben, was aber nicht der Fall war, sondern die Einnahme von Prag.

In dem Dorfe Lechhausen blieb ein schwedischer Soldat zurück und machte sich ansässig, und der Bauernhof heisst bis auf den heutigen Tag: „Beim Schwedenbauern“

Nun um auf die Auswanderung zurückzukommen, beschreibe ich die Begebenheit des Herrn Lindl, denn er war die Veranlassung der Auswanderung und der Gründung der Kolonie Sarata.

Da nun von der früheren Zeit vor der Auswanderung, von ihm keine Beschreibung existiert, sondern bloss eine von der katholischen Kirche zu Odessa, aus den Büchern (Kirchenbüchern) entnommene Abschrift, welche mit Gossners Beschreibung in Druck kam über den kurzen Aufenthalt in Odessa, desshalb konnte niemand bei dem fünfzigjährigen Jubiläum der Gründung Saratas eine genaue Auskunft von Lindl’s Lebenslauf geben. Nur die Mutter Maria Strehle war die einzige, die noch seinen ganzen Hergang wusste, da sie Landsleute und auch weitläufig verwandt waren.


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1Ausschnitt: Atlas Van der Hagen-KW1049B10 092-CIRCULUS SUEVICUS in quo sunt DUCATUS WIRTENBERGENSIS, MARCHIONATUS BADENSIS, & BURGOVIENSIS, COMITATUS OTTING, RECHBERG, KONIGSEK HOHENZOLERN, & FURSTENBERG, 1698, Sammlungen der Königlichen Bibliothek, der Nationalbibliothek der Niederlande. public domain, Wikimedia

Erzählungen der Maria Strehle, 1881 Sarata 5-8


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Es wurden also auf Verlangen des Herrn Probst Behning alles niedergeschrieben, was für denselben sehr wichtig war. Da konnte er nun die wichtige Persönlichkeit Lindl’s und bereits vergessenen Wohlthäters, in seiner Rede der Gemeinde vor Augen stellen, und wieder ins Gedächtnis bringen, dadurch dass er seinen Hergang schilderte. Abends bei der versammelten Gemeinde im Schulsaal bedankte Herr Behning sich freundlichst bei der Mutter für die gegebene Auskunft.

Jgnaz Lindl wurde geboren zu Beindelkirch in Altbaiern ungefähr im Jahre 1774. Nach dem Tode seiner Mutter wurde er bei seiner Tante, seiner Mutter Schwester, in Baiernzell ungefähr eine halbe Stunde von Beindelkirch erzogen, wo ihn die Tante in die Dorfschule nach Egenburg schickte, zu welchem das Filial Beindelkirch gehörte. Daselbst besuchte er die Schule fünf Winter.

Während der ganzen Zeit führte er das A.B.C.-Buch, denn was er im Winter lernte vergass er den Sommer über wieder. Wann und wie er die Hochschule betrat, war der Mutter nicht bekannt. Seine Eltern waren angesehene Gastwirtschaftsleute und hinterliessen neun Kinder.

Die Mutter Maria Strehle kannte drei Söhne und fünf Töchter. Eins muss klein gestorben sein. Der älteste Sohn war Gastwirt in Augsburg. Der zweite, der bekannte Ignaz, Pfarrer. Der dritte Jakob war auf der elterlichen Wirtschaft. Die erste Tochter war Wirtin in Rieth. Die zweite Wirtin in Malching. Die dritte Bäckerin in Pfaffehöfen. Die vierte, Urwa, Bäuerin in Beindelkirch. Die fünfte Elisabeth blieb ledig und wurde Köchin bei Pfarrer Lindl.

Als Lindl die Universität beendet hatte und sein Amt antreten konnte, wurde er in Beindelkirch,seinem Geburtsort, einem alten Pfarrer, der seinem Amte nicht mehr gut vorstehen konnte, als Kaplan beigegeben. Der alte Herr zog sich bald zurück nach Augsburg und Lindl wurde Pfarrer an seiner Stelle, auf welcher er während zehn Jahren fleissig arbeitete. Er war ein tüchtiger Redner, aber das rechte Licht fehlte ihm noch, er war noch von der römischen Blindheit umschattet.

Er spielte nebenbei noch Theater und liebte Belustigung, aber trotzdem war es von vornherein ein treuer Hirte seiner Gemeinde. Er traf gleich Anstalt die baufällige Kirche zu bauen und kaufte ein Amtmannshaus zur Errichtung eines Armenhauses. Auch baute er ein neues Schulhaus, ebenso sorgte er für Witwen und Waisen. So war zum Beispiel ein armer Taglöhner in demselben Orte, dessen Frau Zwillinge, zwei Söhne, gebar, welche beide am Leben blieben. Zum zweiten mal drei Töchter, welche ebenfalls am Leben blieben, die Mutter aber starb. Lindl hielt eine durchdringende Leichenrede und schloss mit den Worten, man möchte die drei Kinder aufnehmen, für Kost und Kleidung wolle er bezahlen.

Zu sich konnte er sie nicht nehmen, da es gegen die katholische Sitte ist, dass sich Kinder in einem Pfarrhause befinden. Den drei Kindern gab er die Namen: Frindes, Syos, Karades. Er sorgte für sie so lange er in Deutschland war. Als er nach Russland zog, waren es schon ziemlich grosse Mädchen. Vor seiner Abreise kleidete er sie noch ganz ein.

Ebenso waren noch fünf verwaiste Kinder zu Eismannsberg, welche er versorgte; vier Söhne und eine Tochter Elisabeth, welche fünf Jahre alt war da ihre Mutter starb. Dieselbe wurde später in Russland seine Frau. Einen Sohn Martin liess er studieren, welcher auf der Universität durch die Anhänger des früheren Professors Sailer zur Rechten Erkenntnis kam. Es ist derselbe Sailer, von welchem Gossners Beschreibung meldete. Durch ihn entstand die ganze evangelische Bewegung unter seinen Studenten, ebenso wie bei Huss nur in geringerem Masse. Der standhafteste unter ihnen war Booss, welcher auch eingesperrt und am

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meisten verfolgt wurde. Nach ihm war Gossner und dann Lindl, sie wie noch viele andere, die weniger bekannt sind, alle aber zu einer Zeit. Sailer wurde seines Amtes entsetzt und ihm der Vorschlag gemacht, entweder zu widerrufen, oder des Landes verwiesen zu werden. Es soll ihn einen sehr schweren Kampf gekostet haben, bis er sich endlich entschloss zu widerrufen, worauf er eine Stelle als Bischof antrat. Also fürchtete er eine viel geringere Strafe als Huss, welcher dem Feuertode trotzte.

Am neuen Jahre 1812 hielt Martin Völk, welchen Lindl studieren liess, seine Prienenz und wurde Kaplan bei Lindl. Da Völk ebenfalls in Dillingen studierte, und durch Sailers Anhänger zur Erkenntnis kam, so wurde Lindl durch seinen Kaplan und früheren Pflegling Völk erweckt. Lindl studierte in Frising und kannte damals Sailer noch nicht, weshalb er erst später zur Einsicht kam. Im Winter darauf wurde Lindl totkrank. Zum Frühjahr, als er wieder besser war, reiste er nach Würtemberg ins Bad. Daselbst lernte er mehrere christliche Männer kennen, aber auch solche, die ihm den separatistischen Geist einflössten, evangelische Lehre verbessern und dem lieben Gott vorgreifen wollten, ja sogar im Voraus die Zeit des tausendjährigen Reiches bestimmten. Er schenkte den Prophezeiungen des Jahn und Jakob Wirz, welche die Stifter des Separatismus waren zu viel Zutrauen. Dieselben bestimmten ganz genau das Jahr 1836, und dann als das nicht eintraf das Jahr 1847 wo sie ihre Anhänger in das tausendjährige Reich einführen würden. Jakob Wirz reiste sogar von der Schweiz bis nach Bessarabien, um den Separatismus zu stärken, wurde aber, sobald es der Obrigkeit zu Ohren kam, über die Grenze geschaft, (aber erst nach Lindl’s Zeiten). Lindl kam auch während seines Aufenthaltes in Würtemberg mit Männern zusammen, durch welche ihm immer mehr das Licht der evangelischen Lehre aufging. In seinem ersten Eifer wollte er gleich zu den Heiden gehen, seine Freunde aber ermahnten ihn, er soll seine Heiden zu Hause, die ihm anvertraut seien, bekehren und belehren.

Nach zehn Wochen kam er wieder zurück, 1813 trat er öffentlich auf und fing an das reine Evangelium zu predigen. Da wurde verschieden über ihn geurteilt. Einige, die nicht mehr verstanden, sagten, er sei beim Papst in Rom gewesen; kurz man sah, dass eine ganze Veränderung mit ihm vorgegangen war. Es dauerte nicht lange, so strömten die Leute von allen Seiten herbei, um Lindl’s Predigten zu hören, so dass die Kirche dieselben nicht mehr fassen konnte. Es gab eine Aufregung in der ganzen Umgegend. Da dieses der katholischen Geistlichkeit zu Ohren kam, wollten sie ihn abschaffen. Er wurde öfters nach Augsburg verlangt, und zur Verteidigung gezogen, denn sie wollten ihn durchaus nicht mehr dulden, weil er als katholischer Geistlicher das reine Evangelium gepredigt hatte. Als nun dem König ein Schreiben wegen Abschaffung Lindls zur Bestätigung vorgelegt wurde, unterschrieb er sie nicht, sondern seine Antwort lautete: „Ist es von Gott, so lasset es gehn, ist es von Menschen, so wird es von selbst aufhören.“ Infolge dessen durfte er noch bleiben.

Er hat während der Zeit verschiedene ruchlose Menschen auf den rechten Weg gebracht und viele Trinker entsagten ihrer Leidenschaft, so dass ein ganz anderes Leben in seinen Gemeinden anfing. Er predigte die reine evangelische Wahrheit, welches in der katholischen Gegend etwas ganz neues war, denn er besass eine ausgezeichnete Rednergabe.

Im Jahre 1817 musste er wieder nach Augsburg, wo sie ihn hielten, bis zum nächsten Jahre 1818. Zu Pfingsten kam er wieder nach Gontrimmingen. Da hielt er über das Evangelium vom reichen Fischzuge eine durchdringende Antrittspredigt. Daselbst wirkte er noch ein und ein halbes Jahr und erregte immer noch mehr Aufsehen. Seine Predigten waren dermassen erregend, dass die Leute, welche in der Kirche keinen Raum mehr hatten von aussen an die Fenster hinaufkrochen, um ihn zu hören. Sogar öfter kamen von der Umgegend die Leute in solchen Scharen, dass er im Freien

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predigen musste und dass man von der Ferne das Weinen und Schluchzen hörte.

Endlich wollten ihn seine Feinde doch abschaffen. Er wurde darüber gewarnt und reiste nach München zum russischen Gesandten, welcher von seinem Kaiser den Auftrag hatte, Leute nach Russland zu berufen. Und als derselbe die Lage Lindl’s vernahm, verlangte er sogleich von der baierischen Regierung Schutz für denselben, da er ihn für Russland angenommen habe. Lindl war durch Briefe vom russischen Minister, Fürst Galizin, darauf vorbereitet, welcher ein sehr christlicher Mann war und solche Leute suchte. Nun kehrte er auf einige Monate nach Gontrimmingen zurück um sich auf die Reise zu rüsten. Jetzt konnte er mit seinen Predigten noch freier auftreten. Nur war der Fehler, dass er sich dem entstehenden Separatismus zu viel hingab, sie glaubten nämlich, dass in Russland der Bergungsort für die neue Kirche, die sie bilden wollten, sein werde, um von da aus in das tausendjährige Reich einzugehen. Die Veranlassung, dass zu der Zeit der Aufruf aus Russland zur Auswanderung kam, bestärkte sie noch mehr in ihrer Meinung. Lindl munterte seine Zuhörer auf, nach Russland auszuwandern, wodurch auch wirklich eine ganze Gemeinde dem päpstlichen Joch entging. Man konnte denken, warum diese drei Männer Lindel, Goßner und Booss nicht gleich zur evangelischen Kirche übergingen? Aber genauer betrachtet, lässt es sich denken, welch schwerer Schritt es für einen Prediger sein muss, und zweitens suchten sie die verlorene und anvertraute Gemeinde und Freunde zu belehren, die noch in der Blindheit waren und wollten denen das reine Evangelium predigen, welchen es noch fehlte.

Zum dritten was hätte Lindl für einen Eindruck beim russischen Kaiser gemacht, wenn er auf einmal übergetreten wäre?

Lindl war ein feuriger Redner, aber hatte nicht den festen Charakter wie Goßner. Er hätte sich einen ganz anderen Ruhm und Namen erworben, wenn er den Mahnungen Goßners gefolgt hätte. Gleich im Anfange warnte ihn Goßner mit folgenden Worten: „Das ist etwas, darob wirst du Schläge bekommen Lindl, du bist noch ein Kind, kaum aus dem Ei gekrochen und willst schon hinauf in den Gipfel des Baumes, und dem lieben Gott ins Kabinet gucken; ich sage dir, dass wird Schläge setzen.“

Allerdings war Lindl nicht mit dem schwärmerischen Separatismus einverstanden, welcher erst nach seiner Entfernung aus Russland, durch briefliche Anstiftung der beiden Schwärmer Jahn und Jakob Wirz aus der Schweiz entstand.

Nun kam die Zeit der Abreise. Lindl bekam vom russischen Gesandten 500 Dukaten Reisegeld. Ende Oktober 1819 reiste er mit seiner Haushälterin Elisabeth Völk und mit dem jungen Herrn Steinmann und Veronika …… ab, welche für seine Schwester angegeben war. Seine Schwester selbst, die ihm in Deutschland die Wirtschaft, führte, wollte nicht mit nach Russland, denn sie konnte sich mit ihm nicht gut vertragen. Er war ihr zu freigebig, er gab alles den Armen, und sie war geizig. Sie langten nach dem russischen Kalender den 15. November in Petersburg an. Er wurde von dem russischen Minister , Fürst Galizin, aufs freundlichste empfangen, und dessen erstes Verlangen war: „Segnen sie mich.“ Sogar der Kaiser Alexander I. wurde durch seine ausgezeichnete Rednergabe dermaßen für ihn eingenommen, dass er sich vor ihm beugte und um seinen Segen bat. Er verkehrte persönlich mit Kaiser Alexander I. und sass oft mit ihm auf einem Sopha, wo sich der Kaiser freundlich mit ihm unterhielt.

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Lindl wurde in der Malteserkirche, welche einst von Kaiser Paul auf eigene Kosten für den Malteserorden, sowohl für Russen als auch Deutsche erbaut wurde, angestellt. Es soll eigentlich eine Kapelle sein, aber ein sehr wertvolles Gebäude, das bis fünfhundert Menschen aufnehmen kann, und steht im Schlosshofe in einem Park, welchen Kaiser Paul dem Malteserorden zuvor geschenkt hatte. Da nun die evangelischen Pastoren zu jener Zeit in Petersburg sehr weit zurück waren, so strömte alles zu Lindl in die Malteserkirche. Auch da verfolgten ihn die Jesuiten, weil er das reine Evangelium predigte, desshalb suchten sie ihn auch hier zu untergraben. Er aber sehnte sich nach seinem Bestimmungsort, nach Südrussland für seine Einwanderer. Er schlug Gossner vor, an seine Stelle zu setzen. Er benachrichtigte denselben brieflich davon, welcher auch sogleich damit einverstanden war, weil er draussen ebenfalls von den Jesuiten überall verfolgt wurde.

Gossner wurde an seine Stelle eingesetzt und Lindl kam nach Odessa als Oberhaupt für Katholiken und Lutheraner, sowie für seine Einwanderer, die erst nachkamen. Nach der Ankunft Gossners in Petersburg schickte sich Lindl zur Abreise an. Den letzten Tag vor seiner Abreise lud er Gossner zu sich des abends ein, ohne ihm den Grund vorher zu sagen. Er fand eine kleine Gesellschaft in feierlicher Stimmung versammelt. Aus einem Nebenzimmer trat Lindl herein, an der Hand seine Braut, die Schwester seines früheren Kaplans Völk, die ihn als Haushälterin nach Petersburg begleitet hatte. Lindl erklärte, dass er mit Zustimmung und nach dem Willen Gottes das Cölibat abschüttle und mit seiner Braut den Treubund der Ehe geschlossen habe. Er bat den Freund sie zu segnen die Gott zusammengefügt habe. Ueberrascht erwiderte Gossner, dass wenn Gott sie zusammengefügt, er nichts dagegen habe, und segnete sie. Den nächsten Tag reiste Lindl ab.

In Odessa hatte Lindl noch grössere Schwierigkeiten auszustehen, die die katholische Geistlichkeit ihm immer noch mehr zusetzte. Die Italiener trachteten ihm sogar nach dem Leben, und warfen ihm zweimal die Fensterscheiben ein. Oefter wurde er auf der Kanzel gestört, indem sie ihm zuriefen: „Du Lügner, du lügst.“

Als dieses nach Petersburg berichtet wurde, schickte der Kaiser einen Eilboten an die hiesige Behörde mit dem Befehl, Lindl zu beschützen. So verbrachte er 1 ½ Jahre in Odessa bis zur Ansiedlung. Kaufmann Werner aus Gingen leitete draussen während dieser Zeit die Auswanderung, an welche sich auch Veygel und Herr von Heinlatt anschlossen, welche alle Lindls Freunde waren. Den 28.Juli 1821 verliessen unsere Auswanderer Deutschland, ihre Heimat, und nach 6 Wochen kamen sie in Odessa an, wo sich jeder ein Unterkommen suchte, und den Winter über sich aufhielt. Im nächsten Frühjahr wurde aufgebrochen nach dem Tale Sarata in Bessarabien, welches Lindl angewiesen wurde.

Den 19. März 1922 kamen sie auf dieser leeren Steppe an. Den nächsten Tag, den 20. März, suchte man einen geeigneten Platz zur Niederlassung also wird auch die Ansiedlung vom 20. März 1822 gerechnet. Sie fanden eine Quelle und stellten die Wagen um dieselbe im Kreise und fingen an Hütten zu bauen. Auf derselben Stelle befindet sich jetzt ein Brunnen, wo damals die Quelle war. Es ist ein besonderes Gefühl an jener Qelle, oder jetzt Brunnen, zu stehen, wo unsere Voreltern sich niederliessen und wo einst der berühmte Lindl seine Andachten hielt. Es ist keine zweite Ansiedlung in Bessarabien mit solcher Feierlichkeit begonnen worden, als diese. Genaueres über dieselbe meldet ein Brief, der von einem der Ansiedler, Kaspar Gessler, an seine Verwandten nach Bechingen in Deutschland geschrieben wurde, und den ich hier wörtlich niederschreibe.


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Deutsche Kolonisten

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