Erinnerungen an meinen Vater Fritz Seifert – Teil 1

Eines muss man sagen, unsere Eltern sind immer schon gern verreist. Die Infrastruktur lag total am Boden, Reiseunterkünfte fast nicht vorhanden, die Lösung war Urlaub auf eigenen Rädern. Also musste ein Wohnwagen her. Eigentlich war er schon vorhanden, es war der Viehtransporter !

Papa baute einen Aufsatz mit 2 Fenster und einer eingebauten Tür. Um alles leicht zu gestalten, bestand die Decke aus, auf Abstand geleimte, dünne Hartholzleisten, überzogen mit einer in Ölfarbe getränkten Leinenplane.

Dieser Aufsatz wurde auf den Anhänger gesetzt, vorher natürlich die Laderampen-klappe entfernt, Bett, Tisch hinein, fertig war der Wohnwagen. Zum Einstieg gab es noch eine bequeme Stufenleiter. Vor Beginn der Urlaubsfahrt wurde der Viehtransporter mit viel Wasser gereinigt, ……. alles hatte ein Hauch von Landluft.

Im Wohnwagen schliefen unsere Eltern, auf der Ladefläche des LKW hatten wir, als Kinder, unser Reich. Dazu wurden zwei Holzrahmen auf die Ladefläche montiert, dort hinein kamen Strohsäcke, das waren jeweils zwei zusammengenähte Kartoffelsäcke mit einem Schlitz für die Strohfüllung. Ein Gazeschrank und eine mit Zinkblech ausgeschlagene Kochkiste machte alles komplett. Gekocht wurde in der Kochkiste mit einem Spirtuskocher.

Genau genommen gehörten wir damals schon zu den Pionieren der heutigen Campingzeit. Die Urlaubsfahrten gingen vorrangig in den Thüringer-Wald, den Harz, sowie in den Spreewald und das Erzgebirge. In den Spreewald nahmen wir sogar unseren Kater „Peter“ mit.

Er machte dort seine ausgedehnten Streifzüge, fand aber immer wieder zu uns zurück. Papa hatte im Fahrerhaus ein Fußbodenbrett entfernt und so konnte unser Kater „Peter“ immer ungehindert seinen Schlafplatz auf der Fahrersitzbank einnehmen.

Wurde der Wohnwagenaufsatz nicht mehr für den Urlaub benötigt, schraubte Papa ihn vom Viehtransporter ab und hängte das Teil an vier Ketten unter die Decke der hinteren Garage. Anschließend die Rampenklappe montiert und der normale Alltag konnte wieder beginnen.

Um das Fuhrgeschäft zu vergrößern, machte Papa Pläne, einen weiteren LKW aufzubauen. Ein Fahrgestell fand sich in Putlitz, beim dortigen Schmiedemeister. Es war ebenfalls ein Fabrikat der Marke Renault.

Wir hatten in Putlitz unsere Tante Frieda, Oma Freitags Schwester, besucht und auf dem Rückwege nach Potsdam versah Papa das Chassis mit Rädern und schleppte es wie einen Anhänger nach Hause. Dort begann neben der täglichen Arbeitszeit, der Aufbau des zweiten LKW, mit dem Ersatzmotor des ersten Fahrzeuges. Ein großer Luxus, Papa kaufte ein werkneues Führerhaus der Marke „Granit“, so sah man äußerlich kaum einen Unterschied zu einem Fabrikfahrzeug.

Da sich die Zeiten besserten, konnte man wieder problemlos Kraftstoff beziehen, dieser Wagen brauchte kein Holzgas mehr und den alten Renault rüstete Papa auf Benzin zurück.

Die benötigten Kraftstoffmengen wurden über Tank-Kreditscheine geregelt. Diese bezog man über die „ATG“, dem Auftragsvermittler der Transportfahrten.

Um beide Fahrzeuge entsprechend auszulasten, wurde ein Kraftfahrer eingestellt. Dieser übernahm die örtliche Belieferung der Betriebe. Mit dem neuen LKW bediente Papa vorrangig die Fernfahrten. Leider gab es mit dem Kraftfahrer Probleme, er rechnete seine gefahrenen Touren nicht reell ab, so entschloss sich Papa, ihn zu entlassen und verkaufte den älteren LKW.

Nach wie vor durfte ich zu meiner Freude gelegentlich mit auf Tour gehen. So lagen auf den unterschiedlichsten Fahrtrouten bestimmte Rastpunkte, die wir gerne anfuhren.

In Falkensee gab es immer eine leckere Eiswaffel,in Nauen ein Malzbier, wenn von der dortigen Hefefabrik Frachten für die Potsdamer Bäckereien geholt wurden.

Bei Ladungen der ehemaligen Potsdamer Süßwarenfabrik „HERA“ gab es für mich meist rot / weiße Pfefferminzstangen in Blockformat.

Etwas Besonderes waren Fahrten, die Richtung Jüterbog gingen. Traditionell hielt Papa bei der Treuenbrietzner Rossschlachterei in der Großstraße an. Es gab immer schmackhafte Pferdebouletten und für zu Hause einen riesen Braten. Oma Freitag hatte den meist zubereitet, aber nie etwas davon gegessen, sie schüttelte sich davor.

Gut erinnern kann ich mich noch an eine Episode, in einer Zeit, als es noch recht leere Läden gab. Wir waren nachts auf dem Heimweg von einer Tour. Papa machte Rast an der Autobahntankstelle Niemegk, ich schlief auf dem Beifahrersitz und er ging in die Raststätte, etwas Trinkbares zu holen.

Nach einiger Zeit wurde ich von ihm unsanft geweckt, mit den Worten: „ ….. raus, mach die Sitzbank hoch, gib mir die Werkzeugtasche“ !

Er stand da, mit einem großen, in Zeitungspapier gewickelten Paket.

Also, Werkzeug ausgekippt und das Paket hinein, alles wieder zusammengepackt und ich wieder rauf auf den Sitz, …… es ging nach Hause.

In Bergholz hielt er auf der Autobahn an, stieg aus und verschwand im Wald, die Nacht war stockfinster, nach ein paar Minuten kam Papa zurück und sagte: „ …. die Luft ist reine, hier können wir runter“!

Es war eine illegale Autobahnabfahrt. Papa wollte einer möglichen Autobahnkontrolle, die gab es öfter an den Abfahrten, ausweichen und das, aufgrund des geheimnisvollen Paketes in der Werkzeugtasche.

Was hatte es mit dem Paket auf sich ? …… auf der Raststätte Niemegk kam er mit Kraftfahrern eines westdeutschen Kühltransporters ins Gespräch. Die hatten mit ihrem Büssing-LKW eine große Menge Schweineliesen geladen. Im Gespräch erwähnte Papa, dass er 1946 bei Büssing in Braunschweig gearbeitet hatte. Später verschwand einer der Kraftfahrer und kam mit einem großen Paket Schweineliesen zurück, gab es Papa, mit den Worten „für einen guten Kollegen“ !

Mutti und Oma machten daraus Apfelschmalz, … einfach lecker. So kam in Zukunft keine Hefepaste mehr auf den Tisch.

Das Fuhrgeschäft mußte immer erreichbar sein, so kann ich mich noch gut an die Telefonnummer erinnern.3587. Ein Telefon war in dieser Zeit etwas besonderes, das bekam nicht jeder, man sieht es auch an der kurzen Telefon-Nummer für Potsdam.

Fortsetzung


Fotos und Grafiken ohne Benennung: Privatbesitz Gerd Seifert

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Raststätte Niemegk: Planet Verlag Berlin, DDR; um 1960, Fotograf unbekannt

Liesenfett wikimedia suet Fotograf FotoosvanRobin Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.

Historische Winkerkelle der Bayerischen Polizei (ca. 1970), vermutlich bundesweit einheitlich (Exponat der Sonderausstellung 60 Jahre Bayerische Polizei in Ingolstadt), wikimedia, Fotograf User:Mattes 28.4.2007, public domain

restaurierter Büssing von 1956  pixabay; Creative Commons CC0 , orginal erhaltener Kühlwagen von Büssing als Dreiachser-Model auf der Seite des Verlag Karl Rabe

Spreewald Impressionen flickr- Brot mit Griebenschmalz dazu saure Gurken, wikimedia, Fotograf Torsten Maue 27.7.2013 CC BY-SA 2.0

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