Bekanntlich führen die Bolschewisten in Rußland die Zerschlagung der privaten Landwirtschaft und die Ueberführung der Bauern in die Kollektiven mit aller Gewalt durch. Für uns Deutsche ist es von besonderem Interesse, die Zwangskollektivisierung der deutschen Weinbaukolonie in Transkaukasien zu verfolgen. Wir sind in der Lage, den Bericht eines deutschen Weinbergbesitzers auszugsweise zu veröffentlichen.
Die Kollektivisierung der deutschen Kolonien Transkaukasiens wurde in der Zeit zwischen dem 6. und 15. Februar 1930 unter schwerem Druck und unter schweren Drohungen durchgeführt. Der Anfang wurde in den beiden größten Kolonien Helenendorf und Katharinenfeld gemacht.
Helenendorf. Um die Leute gefügig zu machen, wurden in Helenendorf am Vorabend des Beginns der Kollektivisierung sechs Männer verhaftet. Am nächsten Tage wurde die Gemeinde versammelt, und ein georgischer kommunistischer Funktionär drohte während der einberufenen Gemeindeversammlung, daß jeder, der gegen die Kollektivierung stimme, erschossen werde. Auf diese Weise wurde fünf Tage lang auf die deutschen Kolonisten eingewirkt, bis sie so weit zermürbt waren, daß sie sich durch Unterschrift verpflichteten, in die Kollektivwirtschaft einzutreten.
Trotz dieser unerhörten Drohungen telegraphierte der Kommunist Emil Bock an seinen Gesinnungsgenossen Thälmann in Berlin, daß die deutschen Kolonisten Helenendorfs mit Begeisterung die Kollektivwirtschaft aufgenommen hätten.
Am Tage der Kollektivisierung hatte die deutsche Winzergenossenschaft „Konkordia“ für die zwangsweise liquidierte Filiale in Leningrad eine Ueberweisung von 2 Millionen Rubeln erhalten. Diese Ueberweisung wurde von den kommunistischen Funktionären sofort beschlagnahmt.
Gleichzeitig mit der Kollektivisierung wurden sämtliche außerhalb des Gemeindelandes gelegenen Weinberge der Kolonisten Helenendorfs aus dem Kollektiv Thälmann (früher Helenendorf) abgeteilt und an Fremdstämmige übergeben (rund 1000 Morgen).
Katharinenfeld. Nachdem hier die kommunistischen Funktionäre sich zwei Tage lang vergeblich bemüht hatten, die Kolonisten zum Eintritt in die Kollektive zu bewegen, wurde die Gemeinde in vier Gruppen geteilt, von denen nun jede für sich bearbeitet wurde. Schließlich gelang es den kommunistischen Funktionären Fritz Reiser und Gottfried Kimmerle durch Drohungen, aus jeder Gruppe einige Personen zur Unterschrift zu bewegen. Am sechsten Tage waren auch die anderen so weit zermürbt, daß sie sich einverstanden erklärten, in die Kollektive einzutreten. Die einzigen, die nicht in die Kollektive eintraten, waren die in dieser Kolonie ansässigen Reichsdeutschen. Der Eintritt in die Kollektive erfolgte hier mit dem Vorbehalt, daß alle wieder austreten würden, wenn auch nur ein deutscher Ansiedler dieser Kolonie verhaftet würde.
Die Reichsdeutschen dieser Kolonie befinden sich bereits auf dem Wege nach Deutschland. Ihr Vermögen wurde auch hier der Kollektive einverleibt.
Nachdem die deutschen Kolonien kollektivisiert waren, wurde versucht, die Kollektivisierung auch in den tatarischen und georgischen Dörfern durchzuführen. Hier stießen aber die Funktionare auf schärfsten Widerstand. Die gutbewaffneten Tataren sammelten sich und lieferten den roten Truppen bei dem Dorfe Karasachkal eine Schlacht bei dem Uebergang über die Kura. Der Kommandeur der Miliz des Kasacher Kreises Hatschan ging mit einem Teil seiner Leute zu den Aufständischen über und versorgte die auf rund 8000 Mann angewachsene Truppe mit Maschinengewehren, Militärflinten und Munition. Die roten Truppen mußten aus Karajachkal mit bedeutenden Verlusten abziehen.
Auch die tatarischen Dörfer bei dem früher Siemenschen Kupferbergwerk Kedabek verteidigten sich mit den Waffen in der Hand gegen die Kollektivisierung. Hier erreichte den georgischchen Funktionär, der die Kollektivisierung der deutschen Kolonien mit Gewalt durchgedrückt hatte, sein Schicksal: von den wildgewordenen Tataren wurde er gevierteilt und das von ihm Uebriggebliebene seinen Gesinnungsgenossen in Gandscha zugestellt.
Nach dem Kreis Baschkeschet, Georgien, wurde ein besonderer Vertrauensmann Stalins entsandt, um die dortigen Tataren zum Eintritt in die Kollektivwirtschaft zu überreden. Doch gelang ihm dies nicht, er konnte sich nur durch rasche Flucht vor dem Schicksal seines Gesinnungsgenossen retten (Kedabek).
In den georgischen Dörfern versuchten die kommunistischen Funktionäre vergeblich, die Kollektivierung zu erzwingen Die Bauern leisteten überall schärfsten Widerstand, und eine Reihe der Funktionäre wurde von den georgischen Bauern ermordet. Daraufhin wurden Hunderte von georgischen Bauern verhaftet, viele flüchteten.
Die bekannte deutsche Winzergenossenschaft „Konkordia“, die noch im vorigen Jahre von allen kommunistischen Zeitungen als mustergültig für die ganze Sowjetunion bezeichnet wurde und die in Wirklichkeit die einzige Genossenschaft Sowjetrußlands war, die sich ohne Staatshilfe aus eigener Kraft lebensfähig erhielt, die sich im Verlauf der letzten zehn Jahre zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor heraufgearbeitet und im Geschäftsjahr 1927/28 einen Umsatz mit ihren eigenen Erzeugnissen von über 20 Millionen Rubeln erzielte, wurde von der Sowjetregierung aufgelöst.
Die Genossenschaft„Konkordia“ wurde im Jahre 1921 auf gesetzlicherlicher Grundlage gegründet und umfaßte die in Aserbeidschan befindlichen acht deutschen Kolonien Helenendorf (Thälmann), Georgsfeld (Leninfeld), Annenfeld (Maifeld), Eigenfeld, Traubenfeld, Alexejewka, Grünfeld und Jelisawetinka (Marxowka), deren sämtliche Ansiedler der Genossenschaft angeschlossen waren.
Die durch den Vertrieb der Erzeugnisse erzielten Gewinne wurden ausschließlich für allgemeinwirtschaftliche und kulturelle Zwecke verwendet. Ein entomologisches=geologisches Institut und ein Versuchsgarten für Weinbau von 40 Hektar wurden von der„Konkordia“ unterhalten. Ihre Mitglieder wurden mit den nötigen Schädlingsbekämpfungsmitteln und allen anderen Bedarfsartikeln versorgt. Genossenschaftskeller und Bewässerungsanlagen für die einzelnen Gruppen wurden gebaut. Außerdem unterhielt die „Konkordia“ eine deutsche Oberrealschule (später in eine Arbeitssschule 2. Stufe umgewandelt), acht zweiklassige Volksschulen, eine Taubstummenanstalt sowie vier Kirchspiele mit vier Pfarrern, Küstern, Organisten usw.
Schon bevor mit der Kollektivisierung der Kolonien begonnen wurde, mußte die Genossenschaft gezwungenermaßen ihre Niederlassungen in Leningrad, Moskau usw. liquidieren. Das Vermögen der Genossenschaft gehört ihren Mitgliedern, das heißt, den deutschen Kolonisten Aserbeidschans.
Das viele 10 Millionen zählende Vermögen der deutschen Winzergenossenschaft „Konkordia“ sowie die Privatweinberge und das Privatvermögen der deutschen Kolonisten von noch bedeutend höherem Werte, das im Verlauf von über 100 Jahren von vielen Generationen durch schwerste Arbeit erworben worden war, ist somit den deutschen Kolonisten durch die Kollektivisierung geraubt worden.
Foto und Textabschrift: Bonner Zeitung 22.6.1930, 40. Jahrgang Nr. 167
Nach dem Tod des Viktor Klein 2007 sollte sein Wohnhaus in Helenendorf zu einem Museum umgestaltet werden. Er war der Nachkomme des Josua Klein (1811–1882) aus Reutlingen und entging der Deportation nur, da seine Mutter mit dem polnischen Chefarzt des Helenendorfer Krankenhauses verheiratet war. Im Haus waren so die über 100 Jahre alten Biedermeier-Möbel, der Hausrat, Bilder, Bücher und ein Klavier erhalten geblieben.
Das Interesse an den Deutschen ist heute wieder vorhanden, man restauriert die einstigen Wohngebäude, da der Tourismus davon deutlich profitiert. So ist der Träger des Museums das aserbaidschanische Ministerium für Kultur und Tourismus.
Durch Dr. E. Ohngemach initiiert, wurden eine Reihe Fotos zur Verfügung gestellt, die im Museum der Deutschen in Kaukasien in Helenendorf gezeigt werden sollen.
Liebenswerter Weise restaurierte er auch einige von ihnen, da ihr Zustand nicht immer so gut war, dass man sie zufriedenstellend erkennen konnte. Die Umstände der Ereignisse der Geschichte von Deportation und Umsiedlung waren naturgemäß nicht geeignet, Rücksicht auf ihren Erhalt nehmen zu können. Um so wertvoller ist ihre Existenz als Zeugnis der Vergangenheit.
Die Idee, sie hier der Öffentlichkeit zu präsentieren, stammte von Artur Rolloff, da nicht jeder die Möglichkeit hat, nach Helenendorf zu reisen. Gern erfülle ich diesen Wunsch und bedanke mich bei allen Familien, die ihre Familienalben der Öffentlichkeit zugänglich machen.
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Alle Fotos aus Privatarchiv, die Rechte zur Nutzung dieser Bilder sind ausschließlich an die Veröffentlichung bei deutsche-kolonisten.de und im Museum Helenendorf gebunden, liegen ansonsten bei den Familien, in deren Besitz sie sich befinden!
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Zerr, A.; Einwanderungsgeschichte der Familie Zerr in Russland Klemensverein, Odessa, 1914
Das Ahnenbuch von Katharinenfeld in Georgien, Kaukasus: Chronik der Familien [1818 – 1941] – Allmendinger, Ernst (1989) Bockfeld, 2005
Damals im Kaukasus, Tempelgesellschaft, 2001
Der Deutsche im Auslande Transkaukasien, Verlag Julius Beltz – Langensalza, Berlin-Leipzig; 31. Heft; Der Deutsche in Transkaukasien für die Jugend zusammen gestellt von Oberlehrer Jacob Hummel in Helenendorf (Aserbeidschan), zweite Auflage, 1929
Walker, Immanuel: Fatma;eine wahre Lebensgeschichte. Hrsg. Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. Stuttgart : Landsmannschaft der Dt. aus Russland, 1996
Keiner ist vergessen. Gedenkbuch zum 70. Jahrestag der Deportation der Deutschen in der Sowjetunion. Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (Hg.) Kohlhammer Stuttgart 2011
Deutsche Spuren in Aserbaidschan Auch, Eva-Maria: Deutsche Spuren in Aserbaidschan, Forschungsreisende, Kolonisten und Unternehmer zwischen Großem Kaukasus und Kaspischem Meer (18.-20. Jh.), Baku 2014. Hrsg. Aliyev-Stiftung
Auch, Eva-Maria: Öl und Wein am Kaukasus. Deutsche Forschungsreisende, Kolonisten und Unternehmer im vorrevolutionären Aserbaidschan, Wiesbaden 2001
Der Wanderweg der Russlanddeutschen. Jahrbuch der Hauptstelle für die Sippenkunde des Deutschtums im Ausland, Deutsches Ausland-Museum und Institut, Kohlhammer Berlin-Stuttgart 1939
Der Schicksalsweg der Wolhyniendeutschen – H., S. (1939)
Deutsche Siedlungen am Rande des Russischen Reiches, der Kaukasus: ein Blick durch die Welt (1818-1917) zum 190. Jahrestag der Gründung Чернова-Дёке Т.Н.: Немецкие поселения на периферии Российской Империи. Кавказ : взгляд сквозь столетие (1818-1917) : (к 190-летию основания немецких колоний), Москва: МСНК-пресс, 2008
Martin Friedrich Schrenk: Geschichte der deutschen Kolonien. In: Ders.: Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien. Zum Gedächtnis des fünfzigjährigen Bestehens desselben. 2. Aufl. Verlag Pfälzer Kunst, Landau 1997, ISBN 3-922580-65-3 (unveränd. Nachdr. d. Ausg. Tiflis 1869
Kulak: Love and Death, a German-Russian Tragedy – Ukraine, 1938; Cleon Ochsner, CreateSpace Independent Publishing Platform 2014
Missionare und Kolonisten: Die Basler und die Hermannsburger Mission in Georgien am Beispiel der Kolonie Katharinenfeld; 1818–1870. Andreas Groß; Lit Hamburg 1998
Politischer Terror und das Schicksal der Aserbaidschanischen Deutschen; Dr. phil.Mammad Jafarli; Stuttgart 2012
Heimatbuch der OstumsiedlerArbeitsgemeinschaft der Ostumsiedler, Stuttgart, Germany [1954-1955]
Heimatbuch der Deutschen aus RusslandLandsmannschaft der Deutschen aus Rußland, Stuttgart, Germany [1956-]
Zeitungen
Unterhaltungsblatt für deutsche Ansiedler im südlichen Rußland
Als Mikrofilm im Centre for MB Studies (CMBS) in Canada vorhanden, zudem in der russischen Staatsbibliothek in Moskau und in St. Petersburg.
Kaukasische Post
Am 18. Juni 1906 von Kurt von Kutschenbach publiziert, während des Ersten Weltkrieges vorübergehend bis 1918 eingestellt und im Jahre 1922 erneut herausgegeben.
Zu den 5 ½ Wirtschaften, die durch passende Eheschließungen in den Besitz der Familie kamen, kauften die Brüder Georg, Andreas, Johannes und Gottlob Hummel im Jahre 1878 noch einmal 10 Desjatinen Land und pflanzen dort Reben.
Nach anfänglichen Mißerfolgen und dem Tod des Andreas Hummel wurde das Unternehmen neu gegründet. Diesmal hatte Gottlob die Söhne seines Bruders Johannes – Heinrich und Gottlieb und Andreas Sohn Eduard mit dabei. Eduard übernahm die Kellerverwaltung, Gottlieb die Finanzverwaltung.
Wie die „Gebrüder Vohrer“ gündeten auch die „Gebrüder Hummel“ eine Aktiengesellschaft für Produktion und Landwirtschaft (1882), die außer Wein, Kognak, Wodka und Spiritus auch Sekt produzierte.
Der Sitz befand sich in Helenendorf, Filialen in Elisabethpol, Baku, Tiflis, Sankt Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa, Tomsk und Warschau. Zu Vermarktung der Erträge bauten sie 1883 einen Weinkeller und begannen mit dem Weinhandel der gekelterten Weine bis nach Baku und Tiflis.
Da sie über eine eigene Küferei verfügten, konnten sie nicht nur Fässer aus eigener Produktion nutzen, sondern auch verkaufen. Aus den Erlösen erworben sie weitere Ländereien. Im Jahre 1895 kauften die Brüder Hummel weiteres Weinland, auch bei Sadili, Schamkir und Elisabethpol. Ihr Handelsumsatz lag bei etwa 30.000 Rubel Ankauf und 40 bis 50.000 Rubel Verkauf im Jahr.
Mit dem Bau einer eigenen Kognakfabrik in Helenendorf 1895 begann ihr wirtschaftlicher Aufschwung. Diese Fabrik wurde von Gottlob und Johannes Hummel gegründet, die Söhne des Bruders Heinrich – Theodor und Hermann traten ein, Theodor übernahm die Leitung der Fabrik, Hermann die Leitung der Verkaufsstellen in Batum und Baku, welche 1897 und 1899 eröffnet wurden. Das auf Anregung des Gouverneur Nakaschidze 1898 eröffnete Gasthaus in Hadschikent – hier waren nur Gottlob und Johannes Eigentümer, erwies sich als unrentabel und brannte während armenisch-tatarischer Unruhen nieder.21)
Die „Gebrüder Hummel“ eröffneten entlang der Bahnlinie Baku -Tiflis weitere Aufkaufstationen zum Ankauf von Trauben, hausgemachtem Wein oder Traubensaft als Rohstoff und erschlossen sich den Handel mit aserbaidschanischen und armenischen Siedlungen der Kreise Göyçay, Schamacha und Kürdamir, deren Rebsorte Schirwan-Schachi für ihre hervorragenden Eigenschaften bekannt war. Auf den neu angekauften Flächen kamen außländische Sorten zum Einsatz, da die einheimischen den Käufern zu herb und zu dunkel waren. Die Qualität ihrer Weine und Kognaks war nun so gut, dass sie auf internationalen Ausstellungen 1899 und 1900 prämiert wurden.
Der russische Weinhandel verlangte zur Jahrhundertwende einen sechs- bis zwölfmonatigen Kredit. Um Bankkredite in angemessener Höhe zu erhalten, und damit eine stabile Finanzlage, wurden auf Initiative von Gottlob Hummel im Jahr 1900 die Wirtschafts-, Landwirtschafts, Industrie- und Handelsbetriebe der Firma zum „Handelshaus der Gebrüder Hummel“ mit einem Jahresumsatz bis zu 150.000 Rubel vereinigt. Gottlob erhielt ein Viertel, Heinrich, Gottlieb, Theodor, Hermann, Eduard und Ernst Hummel jeweils ein Achtel Anteil, damit auf jede der Brüderlinien ein Viertel der Firma entfiel.19)
Die Hummel investierten nicht nur in weitere Landkäufe und ertragreiche resistente amerikanische Rebsorten, auch in die Schädlingsbekämpfung, was eine deutliche Ertragssteigerung nach sich zog. Entsprechend wurden weitere Weinkeller und Lager angeschafft (1902 und 1904), es kamen neben den Holzfässern auch Betonfässer zum Einsatz, die Kelter-und Kühlsysteme wurden modernisiert und die Handelstätigkeit deutlich über die Grenzen Aserbaidschans ausgedehnt, weitere Zweigstellen eröffnet. Ein Nebenprodukt waren Kelterrückstände, die nun als Färb- bzw. Rohstoff für Druckerschwärze verkauft wurden. Die Weinausfuhr ins gesamte Russische Reich machte 1916 rund 34 % der Gesamtausfuhr an Waren des Gouvernements Elisabethpol aus.
Die politische Entwicklung in der Kaukasusregion sorgte dafür, daß die Vohrer und Hummel bereits 1917 den Firmenbesitz, ausgenommen den ursprünglichen Grundbesitz der Familienwirtschaften, in das Eigentum der Aktiengesellschaften „Закавказское виноделие“ (Zakavkazskoye vinodeliye) und „Юное виноделие“ (Yunoye vinodeliye) mit einem Grundkapital von 4 bzw. 3 Millionen Rubel überführten, vermutlich handelte es sich um die Übertragung bzw. den Verkauf des Besitzes in russische bzw. armenische Hände, mit dem Ziel, einer entschädigungslosen Enteignung zu entgehen 17). Die Ereignisse der folgenden Jahrekonnten auch sie nichterahnen.
Nach Beendigung der Schule in Helenendorf, studierte Jacob Hummel von 1910 bis 1914 an der naturkundlich-historischen Fakultät des Aleksandrov – Lehrerinstituts in Tiflis. Zusätzlich nahm er ein Fernstudium an der Naturkundlich-Historischen Fakultät in St. Petersburg auf, welches er 1918 beendete. Als Lehrer erst in Wladikawkas tätig, kam er 1921 nach Helenendorf. Zwischen 1923 und 1924 studierte er im Auftrag des Volkskommissariats für Bildung Aserbaidschans das Bildungswesen in Preußen, Sachsen, Bayern, Hamburg und Bremen. Dort hörte er Vorlesungen in Pädagogik und Psychologie.
Durch seine Kontakte wurde der Status der Helenendorfer Schule aufgewertet und Absolventen konnten ohne Aufnahmeprüfung an deutschen Hochschulen aufgenommen werden.
Nach seiner Rückkehr widmete er sich neben Geschichte und Ethnographie auch der Flora und Fauna des heimatlichen Kreises. Ein Ergebnis seiner Forschung im Gebiete Gäncä war die Eröffnung des Heimatkundlichen Museums im Jahre 1927. Es galt als so vorbildlich, das es zum ersten Zentrum archäologischer Forschungen Aserbaidschans außerhalb von Baku wurde.
Neben der Forschung zur Heimatgeschichte, veröffentlichte Hummel eine Reihe von Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften, u.a. in der „Kaukasische Post“, sowie kleine Monographien wie „Der Deutsche in Transkaukasien“ (1927) und das „Das Heimatbüchlein der Deutschen in Transkaukasien“ (1928).
Im Zuge der „Entkulakisierung“ wurde Hummel 193328) wegen angeblicher Spionage für Deutschland von der Staatspolizei (OGPU) verhaftet und während der sechs Monate „Untersuchungshaft“ im Gefängnis von Baku gefoltert. Obwohl „mangels Beweisen“ entlassen, war er ein gebrochener Mann, der sich völlig zurückzog und sich nur noch der Wissenschaft widmete.
Im folgenden Zeitraum von etwa zehn Jahren öffnete Hummel rund 150 Kurgane, darunter zwei Königsgräber, und beschrieb diese. Fast 80 Abhandlungen und die Monographie „Studien zur Archäologie“ (1940), ein Lehrwerk an aserbaidschanischen Hochschulen, wurden veröffentlicht. Im Jahre 1936 wurde er in Aserbaidschan zum „korrespondierenden Mitglied“ des Instituts für Kaukasologie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR berufen.
Die staatliche sowjetische Presse, darunter die auflagenstärkste Zeitung „Bakinskij rabočij“ und die „Izvestija“ der aserbaidschanischen Filiale der Akademie der Wissenschaften, sowie die „Izvestija“ Georgiens und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR publizierten bis 1948 zahlreiche seiner Forschungsergebnisse.
Trotz dieser Forschungsleistung wurde Jacob Hummel gemeinsam mit tausenden anderen Deutschen im Oktober 1941 deportiert.
Im Gebiet Akmolinsk arbeitete er in einem kleinen Steppendorf als Lehrer und an seinen Forschungen, ehe er dort nach langer Krankheit am 16. April 1946 in Novyj-Koluton verstarb.
Günter Hummel 30)
Sein Neffe Günter Hummel, geboren 1927 in Helenendorf, wurde ein berühmter Künstler. Seinem Studium der Bildenden Künste in Baku von 1939-1941 folgte die Deportation und die Zwangsarbeit in den Kohlegruben bei Karaganda. Trotz unmenschlicher Arbeit zeichnete er auch im Lager und musizierte im Lagerorchester. Nach seiner Entlassung aus der Trudarmee begann sein Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Künstler Kasachstans. Er wurde Kulturbeauftragter für Malerei und Musik in Karaganda, wurde in den sowjetischen Künstlerverband aufgenommen und erhielt 1981 die Auszeichnung “ Verdienter Künstler Kasachstans „.
Zahlreiche Bildhauerarbeiten, Gemälde und Zeichnungen finden sich in den Museen, aber auch auf öffentlichen Plätzen.
1991 kam Günter Hummel mit seiner Familie als Spätaussiedler nach Deutschland und setzt auch hier sein Schaffen fort. Seit 1994 ist er Mitglied im Arbeitskreis Russlanddeutscher Künstler.
Die Geschichte der Deutschen Kolonisten von der Auswanderung nach Russland bis zur Spätaussiedlung nach Deutschland verarbeitete er unter anderem in Schicksal in Bildern.
1) 1 Deßjatie = heute 1,092 ha, aber es gab auch Einteilungen in den Größen von 1,457 ha, 1,639 ha, 3,642 ha und 4,552 ha 2) 2 Tuni = 1 Litra = 3,25 kg 3) Dr. Friedrich August Kolenati:Reiseerinnerungen, Dresden 1858, S.60-64 4) Mathias Beer; Dittmar Dahlmann: Migration nach Ost- und Südosteuropa vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts : Ursachen, Formen, Verlauf, Ergebnis, Stuttgart : Thorbecke, 1999. Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 4. 5) Marthin Friedrich Schrenk: Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien: zum Gedächtnis des fünfzigjährigen Bestehens derselben, Verlag Pfälzer Kunst, 1997 6) Fotos: State Historical Archive of Azerbaijan, Azerbaijan State Cinema Photo Archive, taken before 1900 7) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA Tbilissi, f.2, op.l, d.658; ZGIA Baku, f.508, op.l, d.370, 297, 77,63; Kavkaz, Tiflis 1850, Nr.40, S.159ff; P. Dzjubenko, Nemeckie kolonisty na Kavkaze. In: Kavkaz 1882, Nr. 313, S.3f; AKAK, t.VI, S.332f.; Hummel, Th.: 100 Jahre Erbhofrecht der deutschen Kolonisten in Rußland, Berlin 1936] 8) Gesellschaftsreise nach Südrußland und dem Kaukasus v. 12.August bis zum 9.0ktober 1913 veranstaltet von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin 1913, S.62-66; ZGIA Baku, f.58, op.l, d.33, Bl.19-35, sowie Auszug aus den Lebenserinnerungen von Theodor Hummel, in: Heimatbuch der Deutschen aus Rußland, Stuttgart 1956, S.49 9) Ibragimov, N.A.: Nemeskie stranicy istorii Azerbajdana, Baku 1995 10) noch 1916 die einzige Brauerei im Gouvernement mit einer Produktion von 42.000 Litern; der Wert wurde 1898 mit 13.000 Rubel bei 7 Arbeitskräften angegeben (Kavkazkij kalendar‘ na 1900, Tiflis 1900, S.50) 11) Professor Rauf Gussejnow, Taira Alijewa: Weinrebe von Elisawetpol (masimov.net) 12) Н. А. Ибрагимов: Немецкие страницы истории Azerbajdžana, Баку: Издать. Azerbajdžan, 1995 13) Gebrüder Vohrer; Deutsche Winzer im multikulturellen Umfeld Aserbaidschans. Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887-1979); Kommentiert und herausgegeben von Eva-Maria Auch 14) Kaukasische Post, Tiflis, diverse 1906 Hrsg. Kurt von Kutzschenbach, Artur Leist 15) 1 Vedro = 12,3 l 16) Hrsg. Alexander Mosler, Tiflis: Kaukasischer Kalender 1912 (Zur Gründung der deutschen Kolonien in Transkaukasien S. 79-89) 17) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA StPetersburg, f.595, op.3, d.266,1.53-54] 18) Lorenz Kuhn starb nach seiner Verhaftung 1938 in der Verbannung um 1942, Dr. med. Hurr wurde verhaftet und am 29.10.1937 erschossen, beide waren mit Vohrer – Frauen verheiratet 19) Vypiska iz dogovora ob obrazovanii polnogo tovariščestva pod firmoju torgovyj dom „Brat’ja Gummel’“ ot 16go dekabrja 1900 (Auszug aus dem Vertrag über die Gründung des Handelshauses „Gebrüder Hummel“ vom 16. Dezember 1900). In: Konkordija (2001), S. 225 227. Als Gründer agierten: Gottlob Georg Hummel, die Brüder Heinrich und Gottlieb Johannes Hummel, die Brüder Theodor und Hermann Heinrich Hummel sowie Eduard Andreas Hummel. 20) Eva Maria Auch: An der Wiege der Aserbaidschanischen Archäologie. Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe – Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 21) Matthias Theodor Vogt (Hrsg.), Jürgen Neyer (Hrsg.), Dieter Bingen (Hrsg.), Jan Sokol (Hrsg.): Der Fremde als Bereicherung ; Verlag: Lang, Peter Frankfurt; 2010 22) Beschluss Nr. GKO-744ss vom 8. Oktober 1941 des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, Aserbaidschanischen und Armenischen SSR“ 23) V. Herdt: Die Neuordnung des Sondersiedlungsregimes und das Dekret vom 26. November 1948. In: Von der Autonomiegründung zur Verbannung und Entrechtung. Die Jahre 1918 und 1941 bis 1948 in der Geschichte der Deutschen aus Russland. Hrsg.: Alfred Eisfeld. Stuttgart 2008, S. 204-211. 24) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [DA 1921.S.145] 25) Meldung des Generalkonsulats in Tiflis vom 11.12.1935, der Vorsitzende der „Union“ Katharinenfeld hatte sich nach dem Prozess im Gefängnis das Leben genommen 26) Hans-Hermann Graf von Schweinitz: Helenendorf, eine deutsche Kolonie im Kaukasus, Vossische Buchhandlung Berlin, 1910 27) Nationales Historisches Museum Aserbaidschan (NMGA), Baku 28) Главное- Političeskoe УПРАВЛЕНИЕ / Политическая Штаб-квартира 1934 – 1946 НКВД / Народный комиссариат внутренних дел СССР 29) Prof. Dr. Eva-Maria Auch: Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe– Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 30) Foto:Г. Гуммель – скульптор. 2002г., Германия. Газета „Heimat – Родина“ 31) Kollektivierung der deutschen Kolonien Transkaukasiens. Rigasche Rundschau 3. April 1930 Nr. 77 p.6 32) Wirtschaftlicher Todeskampf der deutschen Kolonien in Sowjetrussland. Libausche Zeitung 21. April 1931 Nr. 87 w) Wikipedia, Wikimedia
*) Stumpp, Karl. Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862 Stuttgart, Germany, Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland, 1991 Stumpp, Karl. Weiterwanderung deutscher Kolonisten aus Ungarn nach Sudrußland 1804-1816 (S. 78-83).
Julius Vohrer: Gebrüder Vohrer – Deutsche Winzer im multikulturellen Umfeld Aserbaidschans. Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887 1979), herausgegeben und kommentiert von Prof. Dr. Eva-Maria Auch, Schriftenreihe des Kultur – und Wissenschaftsvereins EuroKaukAsia e.V., Band 1, 2011
1) Stumpp, Karl. Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862 Stuttgart, Germany, Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland, 1991, hier ist ein Widerspruch, auf Seite 245 ist der Auswanderer nach Südrussland Gottlieb Diegel aus Murrhard, auf S. 946 ist der Kolonist in Helenendorf jedoch Jakob. Jakob (*1781) ist richtig, aus Betzingen!
Man beachte weiterhin, Jakob Diegel (*1776) aus Betzingen wanderte nach Hoffnungstal/Od., vgl. auch Leibbrandt, Hoffnungstal und seine Schwaben, S.229. Dieser Jakob Digel/Diegel war in Hoffnungstal verblieben.
2Anmerkung von Herrn Dieter Schwarz: Wenkeler aus Deizisau hieß vor der Auswanderung Winkeler
Der Sohn des Einwanderers Johann Christoph Vohrer (1779–1830), Christopher Vohrer (1827–1916)13) 26), ein Schneider, begann neben seinem Beruf um 1847 auf etwa einer Deßjatie gepachteten Flächen mit dem Weinbau.
Bis 1856 den üblichen herben kaukasischen Wein anbauend, machten ihn durchreisende französische Seidenhändler auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam. Vohrer übernahm die Vorschläge und der Ausschwung führte zur Namensgebung Wirtschaft von Christopher Vohrer und Söhnen 1860. Mangels ausreichend eigenem Kapital gründete er 1862 eine Aktiengesellschaft für die Produktion von Wein und anderen Spirituosen in Helenendorf, es folgten Filialen in Elisabethpol, Baku, Tiflis und Batumi.
Noch im Jahr 1868 baute Vohrer, aus nationaler Vorliebe fürs Bier, eine Brauerei in Helenendorf, die im Gebiet Elisabethpol,10) die erste war, jedoch stets ein Nebenerwerb blieb. Die durchschnittlich in Helenendorf produzierten 12.000 Liter pro Jahr wurden vor allem nach Baku geliefert, wo sich die Gastwirtschaft Vohrersche Gärten nahe dem Bahnhof befand. Gerste und Hopfen wurden zum Teil auf eigenem Land, hauptsächlich jedoch aus Kars, Alexandropol und Wolin eingeführt. Das Wasser lieferte der vorbeifließende Fluss Gandschatschaj, später Gebirgsquellen.
Im Jahre 1870 wurde die Stammfirma mit den Söhnen Christoph, Gottlob, Friedrich und Heinrich als Christopher Vohrer und Söhne gegründet, erst 1872 kaufte Vohrer 4 Deßjatien Eigentumsland.
Die Wirtschaft der Familie wurde stetig durch Landkäufe erweitert. In den Tälen der Flüsse Gandschatschaj, Schamkir und Kuraktschaj fanden sich die idealen Weinbaubedingungen.
Die Vohrer kauften ihre Rebsorten Gara Schire, Saperawi, Rkaziteli, Mzwani, Lokani, Tawkweri, Medrese und Agschire in Kachetien und im Kreis Schamacha . Daneben standen europäische Sorten wie Riesling, Aligoté, Tokai, Muskat, Merlot, Bordeaux, Cabernet u .a.11) Die Reben wurden intensiv gepflegt, bewässert, und der Mehltau bekämpft, so wurden teilweise doppelt so hohe Erträge erzielt wie bei den benachbarten Weingärtnern. Daneben begann man, die Verarbeitungs -und Lagerungsbedingungen stetig zu verbessern. Das Fassungsvermögen der Weinkeller und ihre Zahl wurden erhöht. Der Wein wurde nun in großen Fässern gelagert, ab 1882 wurden Wein und Spirituosen in Flaschen aus Baron von Kutschenbachs Glasfabrik abgefüllt. Ab 1892 wurde die Weinwirtschaft in Gebrüder Vohrer umbenannt, da Christopher in den Ruhestand ging. Im Jahre 1904 wurde Christopher Vohrer in den Rang des erblichen Ehrenbürgers erhoben und erhielt die Goldene Medaille am Andreasband.
Zweites Standbein in der Produktion sollte neben der Weinspritdestillationen die Kognak-Herstellung werden. 1892 bauten die Gebrüder Vohrer in Helenendorf die erste Kognakfabrik in Aserbaidschan mit zwei Destillationsanlagen. Zur Destillation kauften sie Trauben und Weißwein aus umliegender Herstellung auf und brannten daraus 50-60 %. Kognakspiritus.
Die Tagesproduktion lag bei 100 Vedro 15) (rund 1230 l), 1896 baute man eine neue Kognakfabrik mit deren Hilfe es nicht nur gelang, die Überproduktionskrise von 1895 bis 1896, die mit einem starken Preisverfall für Wein einherging, zu überbrücken, sondern sie sogar zum Ausbau einer Monopolstellung zu nutzen, die 1906 zum Verkauf von über 6000 Vedro Kognak in 38 Gouvernements Russlands führte.
Um Traghölzer für die Rebstöcke zu gewinnen, begannen die Vohrer 1897 mit der Anpflanzung von Robinien auf etwa 20 Deßjatien Fläche. Die Bäume wachsen nicht nur schnell, das Holz ist auch besonders resistent gegen Pilz- und Wurmbefall und sehr langlebig im Gebrauch. Bereits 1901 waren über die Hälfte der bisherigen Stangen aus Eiche, Wacholder und Schilf ersetzt.
International seit 1894 Weine ausstellend, gewannen sie Goldmedaillen in London (1897) Hamburg (1898), Magdeburg (1899), Paris (1900) und viele weitere. Die vier internationalen Preise trug Christopher Vohrer mit Stolz zu besonderen Anlässen am Hals. Im Jahre 1898, auf der 2. Kaukasischen Messe für Gartenkulturen, wurde ihr Wein mit der ersten nationalen Goldmedaille ausgezeichnet.
Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges verkaufte das „Handelshaus der Gebrüder Vohrer“, am 30. August 1913 als Aktiengesellschaft gegründet, jährlich etwa 350.000 Liter Wein. Die Vohrer besaßen mehrere Branntwein- und Kognakbrennereien, Weinspritdestillationen, eine Wassermühle, die Bierbrauerei und ein Gestüt. Das Handelshaus hatte Filialen in Elisabethpol, Baku, Tiflis, Tomsk und Krasnojarsk.
1) 1 Deßjatie = heute 1,092 ha, aber es gab auch Einteilungen in den Größen von 1,457 ha, 1,639 ha, 3,642 ha und 4,552 ha 2) 2 Tuni = 1 Litra = 3,25 kg 3) Dr. Friedrich August Kolenati: Reiseerinnerungen, Dresden 1858, S.60-64 4) Mathias Beer; Dittmar Dahlmann: Migration nach Ost- und Südosteuropa vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts : Ursachen, Formen, Verlauf, Ergebnis, Stuttgart : Thorbecke, 1999. Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 4. 5) Marthin Friedrich Schrenk: Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien: zum Gedächtnis des fünfzigjährigen Bestehens derselben, Verlag Pfälzer Kunst, 1997 6) Fotos: State Historical Archive of Azerbaijan, Azerbaijan State Cinema Photo Archive, taken before 1900 7) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA Tbilissi, f.2, op.l, d.658; ZGIA Baku, f.508, op.l, d.370, 297, 77,63; Kavkaz, Tiflis 1850, Nr.40, S.159ff; P. Dzjubenko, Nemeckie kolonisty na Kavkaze. In: Kavkaz 1882, Nr. 313, S.3f; AKAK, t.VI, S.332f.; Hummel, Th.: 100 Jahre Erbhofrecht der deutschen Kolonisten in Rußland, Berlin 1936] 8) Gesellschaftsreise nach Südrußland und dem Kaukasus v. 12.August bis zum 9.0ktober 1913 veranstaltet von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin 1913, S.62-66; ZGIA Baku, f.58, op.l, d.33, Bl.19-35, sowie Auszug aus den Lebenserinnerungen von Theodor Hummel, in: Heimatbuch der Deutschen aus Rußland, Stuttgart 1956, S.49 9) Ibragimov, N.A.: Nemeskie stranicy istorii Azerbajdana, Baku 1995 10) noch 1916 die einzige Brauerei im Gouvernement mit einer Produktion von 42.000 Litern; der Wert wurde 1898 mit 13.000 Rubel bei 7 Arbeitskräften angegeben (Kavkazkij kalendar‘ na 1900, Tiflis 1900, S.50) 11) Professor Rauf Gussejnow, Taira Alijewa: Weinrebe von Elisawetpol (masimov.net) 12) Н. А. Ибрагимов: Немецкие страницы истории Azerbajdžana, Баку: Издать. Azerbajdžan, 1995 13) Gebrüder Vohrer; Deutsche Winzer im multikulturellen Umfeld Aserbaidschans. Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887-1979); Kommentiert und herausgegeben von Eva-Maria Auch 14) Kaukasische Post, Tiflis, diverse 1906 Hrsg. Kurt von Kutzschenbach, Artur Leist 15) 1 Vedro = 12,3 l 16) Hrsg. Alexander Mosler, Tiflis: Kaukasischer Kalender 1912 (Zur Gründung der deutschen Kolonien in Transkaukasien S. 79-89) 17) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA StPetersburg, f.595, op.3, d.266,1.53-54] 18) Lorenz Kuhn starb nach seiner Verhaftung 1938 in der Verbannung um 1942, Dr. med. Hurr wurde verhaftet und am 29.10.1937 erschossen, beide waren mit Vohrer – Frauen verheiratet 19) Vypiska iz dogovora ob obrazovanii polnogo tovariščestva pod firmoju torgovyj dom „Brat’ja Gummel’“ ot 16go dekabrja 1900 (Auszug aus dem Vertrag über die Gründung des Handelshauses „Gebrüder Hummel“ vom 16. Dezember 1900). In: Konkordija (2001), S. 225 227. Als Gründer agierten: Gottlob Georg Hummel, die Brüder Heinrich und Gottlieb Johannes Hummel, die Brüder Theodor und Hermann Heinrich Hummel sowie Eduard Andreas Hummel. 20) Eva Maria Auch: An der Wiege der Aserbaidschanischen Archäologie. Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe – Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 21) Matthias Theodor Vogt (Hrsg.), Jürgen Neyer (Hrsg.), Dieter Bingen (Hrsg.), Jan Sokol (Hrsg.): Der Fremde als Bereicherung ; Verlag: Lang, Peter Frankfurt; 2010 22) Beschluss Nr. GKO-744ss vom 8. Oktober 1941 des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, Aserbaidschanischen und Armenischen SSR“ 23) V. Herdt: Die Neuordnung des Sondersiedlungsregimes und das Dekret vom 26. November 1948. In: Von der Autonomiegründung zur Verbannung und Entrechtung. Die Jahre 1918 und 1941 bis 1948 in der Geschichte der Deutschen aus Russland. Hrsg.: Alfred Eisfeld. Stuttgart 2008, S. 204-211. 24) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [DA 1921.S.145] 25) Meldung des Generalkonsulats in Tiflis vom 11.12.1935, der Vorsitzende der „Union“ Katharinenfeld hatte sich nach dem Prozess im Gefängnis das Leben genommen 26) Hans-Hermann Graf von Schweinitz: Helenendorf, eine deutsche Kolonie im Kaukasus, Vossische Buchhandlung Berlin, 1910 27) Nationales Historisches Museum Aserbaidschan (NMGA), Baku 28) Главное- Političeskoe УПРАВЛЕНИЕ / Политическая Штаб-квартира 1934 – 1946 НКВД / Народный комиссариат внутренних дел СССР 29) Prof. Dr. Eva-Maria Auch: Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe– Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 30) Foto: Г. Гуммель – скульптор. 2002г., Германия. Газета „Heimat – Родина“ 31) Kollektivierung der deutschen Kolonien Transkaukasiens. Rigasche Rundschau 3. April 1930 Nr. 77 p.6 32) Wirtschaftlicher Todeskampf der deutschen Kolonien in Sowjetrussland. Libausche Zeitung 21. April 1931 Nr. 87 w) Wikipedia, Wikimedia
eine kurze Familiengeschichte – gewidmet den Nachkommen, die mir ergänzende Daten zur Verfügung stellten
Nachdem die ersten Siedler in Georgien ihre Lager aufschlagen konnten und die einzige Ansiedlung in Aserbaidschan, Alt-Katharinenfeld, wieder aufgegeben werden musste, stand die Tifliser Kolonialverwaltung vor dem Problem einer Masseneinwanderung. Um die Ströme von Menschen zu lenken, wurden sie in immer weiter entfernte Gebiete geschickt. Die „Reutlinger“ achte, neunte und zehnte Kolonne unter den Führern Gottlieb Johann Koch, Jacob Krauss und Johann(es) Jakob Wucherer zogen weiter in Richtung Elisabethpol (Gandscha). Ihre Proteste, dass es nicht genug gutes Land gäbe und sie sich mitten unter die Tartaren begeben müssten, wurden von der Kolonialverwaltung nicht erhört. So kamen die Siedler im Dezember 1818 völlig verarmt in Elisabethpol an und nahmen auf Gouverneur Hovens Befehl hin Winterquartier. Die weite Reise hatten 31 von ihnen nicht überlebt. Die einheimischen Armenier waren sehr entgegenkommend und gewährten den Siedlern zum Teil kostenlose Verpflegung und anderweitige Unterstützung in dem auch für kaukasische Verhältnisse ungewöhnlich harten Winter. Am Osterdienstag, 13. April 1819, fast zwei Jahre nach ihrer Auswanderung aus der alten Heimat, gründeten 127 Familien mit 501 Personen in der verlassenen Tatarensiedlung Chanochlar ihre Kolonie auf 2600 Deßjatien1)Land.4)
Helenendorf erhielt seinen Namen zu Ehren der Lieblingsschwester des Zaren Alexander I, Helena Pawlowna Romanowna. In den Jahren 1916-1938 umbenannt in Elenino, von 1938 bis 2008 in Chanlar, heißt die Stadt seit 2008 Göygöl.12) 16)
Mit dieser Gründung entstand die zweite deutsche Kolonie in einem überwiegend muslimischen Land und entwickelte sich zur größten deutschen Siedlung in Aserbaidschan. Neben dem nahen Annenfeld (Shamkir entstanden weitere deutsche Gemeinden: Georgsfeld (Tschinarly) (1888), Alexejewka (Gasan-Su) (1902), Grünfeld (Wurgan), Eichenfeld (Irimaschly) (1906), Traubenfeld (Taus) (1912), Jelisawetinka (1914), Marxowka und Kirowka. Ihre Gründer stammten aus den Ursprungsgemeinden um Helenendorf und Annenfeld.
Die Anfangsjahre waren ebenso schwer wie in allen anderen Gemeinden, das ungewohnte Klima und Malaria sorgten dafür, dass es in den ersten 20 Jahren mehr Sterbefälle als Geburten gab. Mit dem Einfall der Perser, denen sich die Tataren anschlossen, erfolgten am 9. und 10. Mai 1826 Überfälle auf die Kolonien Annenfeld und Helenendorf. Die Menschen flüchteten nach Elisabethpol um Schutz zu finden, die Angriffe auf den Ort begannen an 24. Juli 1826, sodass sich die Kolonisten im Bethaus versammelten, um noch einmal das Heilige Abendmahl miteinander zu teilen. Zwei Tartaren erschienen im Bethaus und beruhigten die Versammelten, sodass diese sich in Sicherheit wiegten und nach Hause gingen. Daraufhin überfielen sie das Dorf. Johannes Wucherer, Halbbruder des Kolonnenführers Johann(es) Jakob Wucherer, wurde vermutlich bei einem dieser Überfälle vom 27./28. Juli 1826 in Elisabettal getötet, nachdem er in den Garten gegangen war, um zu beten und nie mehr zurückkehrte.5)
Mit dem Sieg über die Perser am 5. September 1826 kehrten die Kolonisten in ihr zerstörtes Dorf zurück. Die Verwaltung schätzte später den Schaden in Helenendorf auf etwa 80. 000 Rubel Silber.5 Nach ihrer Rückkehr brach die Pest aus, über 30 Personen starben, beim Choleraseuchenzug 1830 noch einmal 31 Einwohner binnen eines Monats.
Die Ruhe blieb trügerisch in den Folgejahren, es kam immer wieder zu Überfällen, Nomaden stahlen Pferde und Rinder von den Weiden und griffen die arbeitenden Frauen an, entführt einige von ihnen. So gewöhnten sich die Bewohner das Reiten an, um schnell die Flucht ergreifen zu können.
Um 1844 besaßen die 609 Einwohner (290 männliche, 319 weibliche) 118 Wirtschaften mit 250 Häusern, ein Bethaus, eine Schule, 2279 Deßjatien gutes Weinland, welches teilweise mit Getreide bebaut war, 2280 Deßjatien Wiesen, Weideland mit 204 Pferden und 962 Rindern, 150.000 Maulbeerbäume zur Seidenraupenzucht und eine ertragreiche Honigproduktion. Die Weinproduktion belief sich auf rund 29.400 Tuni2). Das milde Klima erlaubte den Obstanbau, vor allem Äpfel und Birnen, aber auch Mandelbäume gab es zahlreich.3) Am10. März 1857 fand die Kirchweihe statt.
Kirche 1908w)
Mit dem sich weiter etablierenden Weinanbau begann ab etwa 1860 der verstärkte wirtschaftliche Aufschwung der Gemeinde. Der Ort hatte 1871 bereits 3873 Desjatien Land, es lebten hier 210 Familien mit 1018 Personen. Erfaßt wurden 64 Handwerker, davon 40 Wagner.7)
Als zu Beginn der 1880er Jahre die Eisenbahnlinie Rostow – Baku – Tiflis erbaut wurde, konnte auch Moskau in kürzester Zeit erreicht werden. Nun war die Nähe Helenendorfs zu Elisabethpol ein besonderer Vorteil, da der dortige Bahnhof nur 12 Werst (etwa 13 km) entfernt war. Die Eisenbahn erschloß den Weinhändlern, die abgestimmt auf den Geschmack der Käufer nun süßeren Wein und Schaumweine produzierten ließen, den russischen Markt.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde 58% des Weins im Gouvernement Elisabethpol von den Gebrüdern Vohrer und den Gebrüdern Hummel aus Helenendorf hergestellt. Die dazu nötigen Eichenfässer gehörten zu den besten in der Region, Wagnereien produzierten Fuhrwerke, die landesweit begehrt waren.
Mit der Jahrhundertwende gab es 247 Besitzungen, verteilt auf 118 Stammwirtschaften und 18 der ursprünglichen Viertelwirtschaften, von denen die Mehrzahl, nämlich 162, über halbe Stammwirtschaften verfügten, 93 Kolonistenfamilien besaßen jedoch nur noch Hofland von 220 Quadratfaden (etwa 10 ha), das die Gemeinde jeder neuen Familie unentgeltlich zur Verfügung stellte. 8) Die Gesamtzahl der Familien belief sich auf 290 mit 1820 Personen.14)
Als die ersten Genossenschaften gegründet wurden, entstand 1904 in Helenendorf die „Hilfe“ zur Herstellung von Wein und Cognac und „Einverständnis“ zur Wodkaproduktion.
Wappen der Konkordia33)
Die deutsche Bevölkerung war 1908 auf 2419 Personen angewachsen. Um dem Monopol der „Gebrüder Vohrer“ und „Gebrüder Hummel“ entgegentreten zu können, wurde die landwirtschaftliche Genossenschaft „Konkordia“ mit 45 Mitgliedern im selben Jahr gegründet.
Der Ort besaß elektrischen Strom (1912) und eine Wasserleitung, ab 1916 ein funktionierendes Telefonnetz. Es gab einen „Deutschen Verein“ mit Bibliothek, Kegelbahn und Orchester. Der Frauenverein kümmerte sich um die Bedürftigen, organisierte Konzerte und Theatervorführungen. Die Bevölkerung war sehr musikalisch, es gab über 100 Klaviere im Ort.
Vor dem Ersten Weltkrieg betrug der Wert des Privatbesitzes in Helenendorf 9.546 Mio Rubel (davon 5.650 Mio Rubel Weingärten, 1.140 Mio. Rubel Fabriken und Werkstätten) 9)
Mit der aserbaidschanischen Unabhängigkeit vom russischen Reich am 28. Mai 1918 wurde der „Transkaukasische Deutsche Rat“ gegründet, der sich auch um die georgischen Siedlungen bei Tiflis (Tbilissi) kümmerte. Mitglieder waren u.a. Dr.med. Wilhelm Hurr und Gottlieb Hummel. Lorenz Kuhn war Vertreter der deutschen Minderheit im aserbaidschanischen Nationalrat, der am 19. November 1918 mit 120 Parlamentssitzen gebildet worden war. 18)
Das Leben der Kolonisten änderte sich nun grundlegend, alle Betriebe und größeren Weinfirmen Aserbaidschans wurde nationalisiert. Auf dem Besitz der Vohrer und Hummel wurden die Weinsowchosen „Privaksalniy“, „Kharabayery“, „Sadilli“, „Karayery“, „Kara-Arch“, „Kara-Tschanach“ und „Atabashly“ gegründet.
Mit dem Einmarsch der Roten Armee am 27. April 1920 endete die Unabhängigkeit Aserbaidschans. Die deutschen Selbstverwaltungen wurden aufgelöst, die Unternehmen verstaatlicht, die Kolonisten entschädigungslos enteignet, ihre deutsche Real- und eine Oberrealschule geschlossen. Vermögende Helenendorfer gründeten Produktionskollektive, um ihren Besitz zu retten und ihren Einfluß weiter geltend zu machen. Auf der Grundlage eines Dekrets des Revolutionskomitees vom 20. Mai 1920 wurde die Umbildung der Leitung von Genossenschaften und die Schaffung eines „Hauptkomitees für genossenschaftliche Angelegenheiten“ veranlaßt. Helenendorf hatte zu dieser Zeit bereits 430 Wohnhäuser.
Am 16. Juni 1920 kam es in Elisabethpol zur ersten Gründungsversammlung des „Verbandes gewerbetreibender Winzer und Küfer“ in dem sich sämtliche Weinbauern, einschließlich der Familienbetriebe Vohrer und Hummel mit ihrem verbliebenen Besitz, zusammengeschlossen.
Bürogebäude der „Concordia“ in Helenendorf6)
Am 30. September 1920 fand die erste Delegiertenversammlung des „Produzentenverbandes der werktätigen Winzer“ (Prosotrudvin) statt, auf der alle Weindörfer vertreten waren. Auf der Tagesordnung stand eine Abstimmung über die Erfüllung der Forderungen unter den Bedingungen des Kriegskommunismus und die Forderung nach Wiederzulassung des freien Weinhandels. Am 5. Oktober 1920 wurde das Statuts bestätigt und der Familienbesitz der Familien Hummel und Vohrer, sowie der ehemalige Genossenschaftsbesitz der „Konkordia“ in den Bestand aufgenommen.Die neue Handelsmarke „Prosotrudvin“ war entstanden.
Das am 8. Dezember 1920 in Baku erlassene „Dekret zur Enteignung bürgerlichen Besitzes“, sorgte dafür, dass die Rotarmisten innerhalb von 3 Wochen jegliche bewegliche Habe der Dörfer plünderten. 24)
Mangels Bekanntheitsgrad, wurde am 8. August 1922 die Handelsmarke „Prosotrudvin“ zurück benannt in die alte Traditionsmarke „Konkordia„.
Die „Konkordia“ arbeitete aktiv weiter, in ihren chemischen Forschungslaboratorien wurden unter anderem Schädlingsbekämpfungsmittel für den Weinbau und die Landwirtschaft hergestellt. Auch Forschungen zur effizienteren Bearbeitung und Entwicklung neuer Technologien für Boden und Rebstock wurden in Auftrag gegeben. In Helenendorf entstand ein insektenkundliches (entomologisches) Arbeitszimmer. 1923-1924 bauten sie eine Wodkafabrik in Helenendorf und Taubenfeld und Rektifikationswerke in Annenfeld und Georgiewsk.
Trotz zahlreicher staatlicher Beschränkungen, konnten sie bis 1929 in der Sowjetunion über 180 Verkaufsstellen einrichten, unter anderem in Baku, Tiflis, Moskau, Kiew, Leningrad, Rostow, Samar, Saratow, Perin und Swerdlowsk , die einen Gesamtgewinn von jährlich 200 Millionen Rubel erwirtschafteten. Die Mitgliederzahl der Kooperative stieg kontinuierlich an. Aus den Gewinnen der Weinerzeugung finanzierte das Kollektiv die Einrichtung von Schulen und Kultureinrichtungen.
Die Zeitung „Zarja Vostoka“ (Tiflis) startete deshalb 1925 eine Kampagne unter dem Titel „Hinter den Mauern der Konkordia„. Sie schrieb u.a., unter dem Deckmantel einer Genossenschaft würde das Kulakeneigentum geschützt und es erfolge eine Erziehung der Jugend im deutschen Geiste. Kurz darauf wurde der Vorstand verhaftet.20)
Im August 1926 fand in Baku der Prozess statt, der mit der Deportation der Angeklagten endete. Unter ihnen befand sich auch Heinrich Vohrer und der Weingärtner Friedrich Krauss, Nachfahre des Kolonnenführers Jakob Krauss, der den Weg in die Deportation nach Kasachstan nicht überlebte.
Meldungen gelangten schließlich nach Moskau. Der politischen Führung gefiel der Erfolg der Deutschen überhaupt nicht und sie ordnete per Dekret vom 18. September 1929 eine Umstrukturierung der Kollektive an. Wie in Katharinenfeld, wurden auch in Helenendorf die Landbesitzer durch politischen Druck in der Zeit vom 6. – 15. Februar 193031) in die Kolchosen gezwungen, um die Eigenständigkeit der Kooperativen zu beenden. Wieder wurde die Leitung der „Konkordia“ ausgetauscht, sie verloren ihre Arbeit und ihre Bürgerrechte, durften als „Kulaken“ kein Wahlrecht ausüben. Zwischen 1930 und 1933 setzte eine systematische, politisch gewollte Verdrängung der Deutschen ein.Wie die Libausche Zeitung32) berichtete, wurde Helenendorf zur Kreisstadt ernannt und musste rund 4.000 Personen, Beamte mit ihren Familien, aufnehmen. Um den Wohnraum für diese vielen Menschen zu bekommen, wurden unbezahlbar hohe Steuern eingeführt. Wer nicht zahlen konnte oder wollte, dem wurden zwangsweise Familien einquartiert, man enteignete die Eigentümer mittels „Zwangsversteigerungen„, übergab die Häuser und rodete deren Weinberge, um weitere Gebäude zu errichten.20)
Es gab willkürliche Verhaftungen und Prozesse im Rahmen der Entkulakisierung, bis am 9. Juli 1935 offiziell durch sowjetische Gerichte die vermeintliche Schädlichkeit der deutschen Kollektive festgestellt wurde. Die „Konkordia“ und die „Union“ in Katharinenfeld wurden vollkommen zerschlagen und als Filialen unter armenischer bzw. russisch-georgischer Leitung in den transkaukasichen Weintrust übernommen 25). Nun folgte, nach der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Wolga– und Kubangebiet und der Aufnahme von Umsiedlern aus den Grenzgebieten Armeniens, die Verbannung zahlreicher deutscher Familien, 76 im März-April 1935, bis zum Ende des Jahres weitere 600 Personen aus Annenfeld und Helenendorf. Zahlreiche Helenendorfer wurden aufgrund absurder Vorwürfe 1937/1938 erschossen, unter ihnen Dr.med. Wilhelm Hurr und Gottlob Hummel.20)
Ab 1938 durfte in den Schulen nicht mehr in deutscher Sprache unterrichtet werden. Die Häuser und Einrichtungen der auf Befehl Stalins verhafteten und deportierten Deutschen – 22.74120) lebten in Aserbaidschan – wurden von den Behörden vorrangig an Armenier übergeben und die Ortsnamen umbenannt. Vom 23. – 25. Oktober 1941 22) mussten die letzten verbliebenen Deutschen ihre Häuser mit maximal 100 kg Gepäck verlassen.
Da es Transportprobleme gab, wurde das Dorf nach Straßen geteilt und die Abfahrtstermine der zwei Dorfteile festgesetzt. Eine Woche später als geplant, wurden am 23. Oktober 1941 die Bewohner der Talstraße, Stadtstraße, Kirchenstraße vom Unterdorf bis zur Kirche in das Gebiet Pawlodar abtransportiert. Zwei Tage später mussten die verbliebenen Bewohner der Kirchenstraße von der Kirche bis zum Oberdorf, der Helenenstraße, Gartenstraße und Oktoberstraße ihre Häuser in Richtung Gebiet Akmolinsk verlassen.
Mit Lastkraftwagen ging es zum Bahnhof Kirowabad, dort wurde das Gepäck in Güterwaggons verladen, mit bewachten Pesonenwagen wurden alle in die Hauptstadt Baku gebracht, von dort mit dem Schiff über das Kaspische Meer nach Krasnowodsk und weiter bis nach Kasachstan und Sibirien transportiert. In Helendorf durften nur 5 Familien bleiben, in denen deutsche Frauen in nichtdeutsche Familien eingeheiratet hatten. Kinder und Jugendliche mit deutschem Vater und nichtdeutscher Mutter durften bis zum 16. Lebensjahr bei der Mutter bleiben und wurden danach deportiert. Mit dem Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets vom 26. November 1948 wurde ihnen das Recht auf Rückkehr in ihre früheren Siedlungsorte aberkannt. 23)
Nach dem Ende der Sowjetunion 1990 kamen viele der ehemals deportierten Helenendorfer als Spätaussiedler nach Deutschland zurück.Die anti-armenischen Pogrome ließen auch die Armenier fliehen, heute leben in dem einst deutschen Ort Aserbaidschaner, die aus der von Armenienbesetzten Region Nagorny-Karabach vertrieben wurden.
1) 1 Deßjatie = heute 1,092 ha, aber es gab auch Einteilungen in den Größen von 1,457 ha, 1,639 ha, 3,642 ha und 4,552 ha 2) 2 Tuni = 1 Litra = 3,25 kg 3) Dr. Friedrich August Kolenati: Reiseerinnerungen, Dresden 1858, S.60-64 4) Mathias Beer; Dittmar Dahlmann: Migration nach Ost- und Südosteuropa vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts : Ursachen, Formen, Verlauf, Ergebnis, Stuttgart : Thorbecke, 1999. Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 4. 5) Marthin Friedrich Schrenk: Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien: zum Gedächtnis des fünfzigjährigen Bestehens derselben, Verlag Pfälzer Kunst, 1997 6) Fotos: State Historical Archive of Azerbaijan, Azerbaijan State Cinema Photo Archive, taken before 1900 7) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA Tbilissi, f.2, op.l, d.658; ZGIA Baku, f.508, op.l, d.370, 297, 77,63; Kavkaz, Tiflis 1850, Nr.40, S.159ff; P. Dzjubenko, Nemeckie kolonisty na Kavkaze. In: Kavkaz 1882, Nr. 313, S.3f; AKAK, t.VI, S.332f.; Hummel, Th.: 100 Jahre Erbhofrecht der deutschen Kolonisten in Rußland, Berlin 1936] 8) Gesellschaftsreise nach Südrußland und dem Kaukasus v. 12.August bis zum 9.0ktober 1913 veranstaltet von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin 1913, S.62-66; ZGIA Baku, f.58, op.l, d.33, Bl.19-35, sowie Auszug aus den Lebenserinnerungen von Theodor Hummel, in: Heimatbuch der Deutschen aus Rußland, Stuttgart 1956, S.49 9) Ibragimov, N.A.: Nemeskie stranicy istorii Azerbajdana, Baku 1995 10) noch 1916 die einzige Brauerei im Gouvernement mit einer Produktion von 42.000 Litern; der Wert wurde 1898 mit 13.000 Rubel bei 7 Arbeitskräften angegeben (Kavkazkij kalendar‘ na 1900, Tiflis 1900, S.50) 11) Professor Rauf Gussejnow, Taira Alijewa: Weinrebe von Elisawetpol (masimov.net) 12) Н. А. Ибрагимов: Немецкие страницы истории Azerbajdžana, Баку: Издать. Azerbajdžana, 1995 13) Gebrüder Vohrer; Deutsche Winzer im multikulturellen Umfeld Aserbaidschans. Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887-1979); Kommentiert und herausgegeben von Eva-Maria Auch 14) Kaukasische Post, Tiflis, diverse 1906 Hrsg. Kurt von Kutzschenbach, Artur Leist 15) 1 Vedro = 12,3 l 16) Hrsg. Alexander Mosler, Tiflis: Kaukasischer Kalender 1912 (Zur Gründung der deutschen Kolonien in Transkaukasien S. 79-89) 17) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA StPetersburg, f.595, op.3, d.266,1.53-54] 18) Lorenz Kuhn starb nach seiner Verhaftung 1938 in der Verbannung um 1942, Dr. med. Hurr wurde verhaftet und am 29.10.1937 erschossen, beide waren mit Vohrer – Frauen verheiratet 19) Vypiska iz dogovora ob obrazovanii polnogo tovariščestva pod firmoju torgovyj dom „Brat’ja Gummel’“ ot 16go dekabrja 1900 (Auszug aus dem Vertrag über die Gründung des Handelshauses „Gebrüder Hummel“ vom 16. Dezember 1900). In: Konkordija (2001), S. 225 227. Als Gründer agierten: Gottlob Georg Hummel, die Brüder Heinrich und Gottlieb Johannes Hummel, die Brüder Theodor und Hermann Heinrich Hummel sowie Eduard Andreas Hummel. 20) Eva Maria Auch: An der Wiege der Aserbaidschanischen Archäologie. Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe – Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 21) Matthias Theodor Vogt (Hrsg.), Jürgen Neyer (Hrsg.), Dieter Bingen (Hrsg.), Jan Sokol (Hrsg.): Der Fremde als Bereicherung ; Verlag: Lang, Peter Frankfurt; 2010 22) Beschluss Nr. GKO-744ss vom 8. Oktober 1941 des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, Aserbaidschanischen und Armenischen SSR“ 23) V. Herdt: Die Neuordnung des Sondersiedlungsregimes und das Dekret vom 26. November 1948. In: Von der Autonomiegründung zur Verbannung und Entrechtung. Die Jahre 1918 und 1941 bis 1948 in der Geschichte der Deutschen aus Russland. Hrsg.: Alfred Eisfeld. Stuttgart 2008, S. 204-211. 24) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [DA 1921.S.145] 25) Meldung des Generalkonsulats in Tiflis vom 11.12.1935, der Vorsitzende der „Union“ Katharinenfeld hatte sich nach dem Prozess im Gefängnis das Leben genommen 26) Hans-Hermann Graf von Schweinitz: Helenendorf, eine deutsche Kolonie im Kaukasus, Vossische Buchhandlung Berlin, 1910 27) Nationales Historisches Museum Aserbaidschan (NMGA), Baku 28) Главное- Političeskoe УПРАВЛЕНИЕ / Политическая Штаб-квартира 1934 – 1946 НКВД / Народный комиссариат внутренних дел СССР 29) Prof. Dr. Eva-Maria Auch: Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe– Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl 30) Foto: Г. Гуммель – скульптор. 2002г., Германия. Газета „Heimat – Родина“ 31) Kollektivierung der deutschen Kolonien Transkaukasiens. Rigasche Rundschau 3. April 1930 Nr. 77 p.6 32) Wirtschaftlicher Todeskampf der deutschen Kolonien in Sowjetrussland. Libausche Zeitung 21. April 1931 Nr. 87 33) Wappen aus: Der Deutsche in Transkaukasien für die Jugend zusammengestellt von Oberlehrer Jacob Hummel in Helenendorf (Aserbeidschan), Zweite Auflage, Verlag von Julius Beltz in Langensalza Berlin-Leipzig, 1929 w) Wikipedia, Wikimedia