Hinweis: die Daten entspringen der Erinnerung und decken sich daher teilweise nicht mit den tatsächlichen Daten in den Kirchbucheinträge zu den Personen.

Ausschnitt der Karte1 von Bayern um 1698 mit Wohnplätzen der Strehle

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Abschrift!

Die von Alois S t r e h l e gesammelte Nachrichten und Begebenheiten von der Zeit der Voreltern und unserer Herkunft theilweise erzählt von der Mutter Maria Strehle geborenen Schäfer in ihrem 84ten Lebensjahr 1881.

Es ist mein Wunsch, dass diese Beschreibung von den Gliedern unserer Familie, welche dafür Interesse haben, weitergeführt werde, denn es ist für jeden wichtig zu wissen die Herkunft und Verhältnisse der Voreltern. Es kommen im menschlichen Leben Fälle vor, wo solche Nachrichten zu Nutzen kommen, und Vieles daraus zu erfahren ist.

Die Heimat unserer Voreltern väterlicher Seite war Schnuttenbach bei Gensburg, Landgericht Burgau in Bayern an der Donau.

Der Urgrossvater Strehle war über fünfzig Jahre verheiratet und starb sehr schnell wahrscheinlich am Schlag, auf dem  Wege von Burgau nach Schnuttenbach. Beide Ortschaften liegen nahe beisammen; auf der anderen Seite nahe dabei liegt Gontrimingen, wo die Urgrosseltern beerdigt liegen, weil Schnuttenbach ein kleines Dorf ist und auch zu jener Kirche gehört, ebenso keinen besonderen Friedhof besitzt. Bei meiner Durchreise daselbst im Jahre 1864 gab ich mir Mühe die Gräber der Urgrosseltern aufzusuchen und fand alles, wie es mir beschrieben wurde seit der Auswanderung unverändert.

Die Kirche steht auf einer starken Anhöhe und um dieselbe der Friedhof mit einer Mauer umgeben. An der Rückseite des Friedhofes ist eine Thür und rechts beim Eingange nahe bei der Thüre liegen sie begraben. Ich fand auf derselben Stelle Stücke Holz von Kreuzen, auf welchen die Namen nicht mehr zu lesen waren, folglich konnte ich nicht unterscheiden ob dieselben von ihren Gräbern waren. Das vorelterliche Haus mit Hof und Garten fand ich ganz in demselben Zustande, wie es verlassen wurde. Nur ein einziger Baum von welchem mir der Vater und später der Onkel in Deutschland erzählte und für den ich mich sehr interessierte, der war das Jahr vorher vom Sturm umgerissen. Mit diesem Baum war folgendes Ereignis:  Als der Vater und seine Brüder noch Kinder waren und ihre Eltern Sonntags in der Kirche waren, machten sie ein Spiel. Sie schlachteten ihrer Mutter die jungen Gänse und benutzten denselben Baum als Galgen indem sie die Gänse daran aufhängten.

Einer verkaufte das Fleisch und die anderen spielten die Käufer. Als nun das Fleisch verkauft war, da holten sie die Gänse der Nachbarin und setzten das Spiel fort ohne zu denken, dass sie ein Unrecht begingen. Als nun die Eltern aus der Kirche kamen lief Anton, der Jüngste, ihnen voll Freude entgegen und erzählte was für ein schönes Spiel sie haben.

Der Grossvater Johannes Strehle war der Erbe vom ganzen Bauerngut. Er wurde geboren den 4ten Juli 1762 und starb in Sarata im Jahre 1839 den 27ten Oktober 6 Uhr morgens.

Seine Söhne waren: Der Vater Johannes Strehle, der älteste,

der 2.             Jakob    Strehle, Schmied in Sarata,

“ 3.                 Josef    Strehle, Pastor in Deutschland

“ 4.                 Anton    Strehle, später Kaufmann in Breslau,

die einzige Tochter, welche als Kind starb, wurde während der Franzosenkriege im Walde geboren, weil die Franzosen damals als Feinde im Lande waren und mit den Leuten unbarmherzig verfuhren, so flüchteten

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sich sämtliche Bewohner in die Waldungen. Als die Grossmutter niederkam da schlich sich der Grossvater bei Nacht aus dem Walde in das Dorf. Da sein Hof mit der Rückseite gegen den Wald stand wo die äussere Wand von der Scheune eine Oeffnung hatte, für die Wagendeichsel, da kroch er durch dieselbe und es gelang ihm einiges Bettzeug zu holen, ohne dass ihn die Franzosen bemerkten. Das war ein gewagtes Stück, denn hätten sie ihn bemerkt, so hätte es können schlimm ausfallen.

Der Vater Johannes Strehle kam auf drei Jahre nach Gensburg in die Schule und erwarb sich gute Schulkenntnisse. Seine Eltern wollten ihn studieren lassen, denn sie waren vermöglich, und hatten die Mittel dazu, aber er wollte nicht. Er hatte zwar eine Vorliebe zur Arzneikunde, und durch die Bekanntschaft eines Mannes, der zwar kein studierter Doktor, doch von der Natur so begabt war, dass der die Aerzte damaliger Zeit alle übertraf, erwarb er sich ziemliche Kenntnisse, so dass er später in Sarata als Tierarzt fungieren musste. Er thates aber nur aus Gefälligkeit, nahm nie dafür bezahlt, sondern bloss seine Zeit und Gesundheit opferte.

Der zweite Sohn Jakob kam nach Augsburg in die Lehre zu einem Schmied. Er war gross und stark und von aussergewöhnlicher Körperkraft.

Als eines Tages seine Eltern nach Augsburg fuhren um ihn zu besuchen, begegnete ihnen ein Bettler auf dem Wege, welcher den Hut hinhielt und bettelte, nämlich auf freiem Felde. Die Pferde waren sehr mutig, man rief ihm zu auf die Seite zu gehen, aber er liess sich nicht abtreiben. Die Pferde wurden scheu, sprangen auf die Seite und konnten nicht mehr erhalten werden, der Wagen fiel um und sie wurden mitgeschleppt, wobei dem Grossvater der rechte Arm verkrüppelt wurde, was ihm auch blieb bis zu seinem seeligen Ende.

Die Grossmutter Magdalena Strehle geborene Moser wurde den 25 ten Juli 1763 zu Wasserburg bei Gensburg geboren, und starb in Sarata den 27ten September 1828 im Alter von 65 Jahren 2 Monate und 2 Tage. Sie war eine grosse starke Person, aber frühzeitig gebrächlich geworden, wahrscheinlich durch die schweren Erlebnisse während der Franzosenkriege. Sie war eine reiche Müllerstochter und da ihr Vater für das naheliegende Kloster das Mehl lieferte, so war sie als Kind im Kloster gut bekannt und kam öfters hin. Einst traf es sich, dass die österreichische Kaiserin das Kloster besuchte, da wurde sie als Nonne angekleidet und durfte der Kaiserin ein Bouquett überreichen. Sie wurde sehr freundlich empfangen und die Kaiserin freute sich über das kleine Klosterfräulein. Es war die Kaiserin Maria Theresia, welche, als die Grossmutter geboren wurde, den siebenjährigen Krieg endigte.

Die Schwester der Grossmutter war durch ihre Schönheit in der ganzen Gegend bekannt. Sie verheiratet sich an Klughammer als sie 22 Jahre alt war und blieb im elterlichen Hause als Müllerin zu Wasserburg. Sie starb jedoch bald, und weil sie nach damaliger Meinung sich viel zu jung verheiratete, so sollte dies die Ursache ihres frühen Todes sein. Ihre Grabschrift lautete:

Franziska Klughammer gewesene Müllerin zu Wasserburg ihres Alters 22 Jahre.

”0 Mensch steh still und thun hier lesen
Wer du bist, bin ich auch gewesen
Was ich jetzt bin musst du auch werden
Staub und Asch in der Erden.

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Die Mutter Maria Strehle, geborene Schäfer wurde im Marktflecken Märie (oder Mering) den 2. Juli 1797 in Altbaiern geboren. Als sie 5 Jahre alt war zogen sie nach Rind im Landgericht Frindberg bei Augsburg.

Als sie 10 Jahre alt war starb ihre Mutter Katharina, geb. Find. Nach einem Jahre verheiratete sich ihr Vater wieder mit 60 Jahren. Nach 10 Jahren, als er 70 Jahre alt war, ging er über ein Wasser über welches nur ein Brett gelegt war, glitt aus, fiel ins Wasser und ertrank.

Im nächsten Jahre 1818 verheiratete sich die Stiefmutter wieder, da aber bald darauf die Auswanderung stattfand und die Mutter Maria Strehle in Russland keine Briefe erhielt, so sind weiter keine Nachrichten von den Stiefeltern.

Die Grossmutter von der Mutter Maria Strehle war 20 Jahre Witwe, sie war sehr reich, aber durch Ueberschwemmungen, welche damals in jener Gegend oft vorkamen, verlor sie alles und wurde arm.

Die ältere Schwester von der Mutter Maria Strehle, Marianna Schäfer, kam nach München und verheiratete sich an Andreas Trautmansberger, seines Handwerks ein Fassbinder.

Ihre erste Tochter Maria wurde geboren 1818, der Ignaz wurde geboren 1822. Die 2. Tochter Helene wurde geboren 1829 ob noch mehr Kinder waren und klein gestorben sind ist mir unbekannt. Ignaz lernte das Handwerk seines Vaters als Fassbinder und nachdem er sein Glück in der Fremde versucht hatte verheiratete er sich in Dresden und erhielt eine Stelle in der Brauerei zum Felsenkeller als Oberbüther. Helene verheiratete sich in München mit Josef Walter und ihre Schwester Maria war bei ihr bis zu ihrem Ende. Marias Tochter Rosalie wurde geboren ungefähr 1840. Sie blieb ledig und diente in München. Der Vater Andreas Trautmansberger starb den 11. Februar 1852. Die Mutter Marianna Trautmansberger starb den 12. Februar 1857. Der erste Sohn von ihrer Tochter Helene Walter, mit Namen Josef wurde den 15. Februar 1857 geboren, also denselben Tag da ihre Mutter beerdigt wurde.

Die Tochter Anna, das zweite Kind, wurde ungefähr 1860 geboren. Das 3. Kind Ignaz war im Jahre 1864 als ich sie besuchte ungefähr ein Jahr alt, er muss klein gestorben sein. Eine Tochter Therese wurde geboren nachdem ich in Deutschland war, ungefähr 1869. Josef Walter starb 1875 den 27. Juni 8 Uhr abends am Blutsturz. Maria Trautmansberger starb den 7. Oktober 1877. Der Sohn Josef Walter lernte als Bildhauer und war ein geschickter Arbeiter und eine Stütze seiner Mutter und starb in der Blüte seiner Jahre mit 26 Jahren 1883. Die Tochter Anna verheiratete sich dasselbe Jahr im August mit Ludwig Eder, seines Handwerks Maschinenbaumeister. Das Jahr darauf 1884 den 16. Januar, nach russischem Kalender den 4., Freitag abend 5 Uhr verunglückte derselbe durch ein Rohr welches explodierte und derart ihn zerschmetterte, dass er gleich darauf starb. Er hinterliess ein Töchterchen von 6 Monaten.

Nun sind noch einige Begebenheiten aus dem dreissigjährigen Krieg, welche von den Voreltern erzählt wurden, zu erwähnen:

Die Urgrossmutter, des Grossvaters oder des Vaters der Mutter Maria Strehle war ein junges Mädchen zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Sie erlebte folgendes:

Die wenigen übriggebliebenen Leute konnten sich nur dann aus ihrem Versteck hervorwagen, wenn kein feindliches Militär in der Nähe war. Und da die ganze Gegend zerstört und von Vieh oder Pferden nichts mehr zu finden war, so musste die benannte Urgrossmutter von Grossvater, um einige Saat zu besorgen und nicht Hunger zu sterben, anstatt Pferd selbst die Egge ziehen um die gesäte Frucht einzueggen.

Diese Gegend in Altbaiern wurde dermassen zerstört, dass im Marktflecken Mering, welcher ziemlich gross ist und drei Kirchen hat und

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noch zwei Dörfer, bloss neunzehn Menschen am Leben blieben. Aus einem Dorfe blieb nur eine Frau am Leben, welche sich mit einer Kuh unter der Lechbrücke verbarg, für welche sie, wenn keine Feinde in der Nähe waren, immer Futter sammelte, und so bleib sie, während die ganze Gegend zerstört wurde, am Leben. Allerdings wurden nicht alle Menschen ermordet, sondern Krankheit und Hunger rafften viele dahin.

Diese Verwüstung geschah erst nach dem Tode des Königs von Schweden, Gustav Adolf, denn derselbe erlaubte nicht, dass jemand Unrecht geschah auch waren es grössten Teils Deutsche aus der schwedischen Armee, welche am meisten wüteten. Es war dieses in den letzten Jahren des Krieges, als Baiern so verwüstet wurde, denn die Schweden suchten sich zu rächen, weil der Kurfürst von Baiern den Waffenstillstand gebrochen hatte und die Schweden wieder angegriffen, auch weil der baierische General Tilli mit Magdeburg so grausam verfahren war.

Die einzelnen Menschen die noch übrig blieben in den Dörfern, hielten beständig Waffe (Wache) auf den Kirchthürmen.

Eines Tages wurde auch ein Zeichen gegeben, dass Feinde kommen, es waren bloss 2 feindliche Soldaten, dieselben gingen in ein Haus, wo Mann und Frau sich unter dem Dache versteckt hatten. Auf dem Tische liessen sie ein halbjähriges Kind sitzen, denn sie fürchteten, dasselbe würde Laut von sich geben und sie verraten. Der eine ging hinein und als das Kind ihn sah lächelte es ihn an. Es that ihm leid es zu ermorden, ging hinaus und sagte es seinem Kameraden. Derselbe aber gab ihm einen Verweiss über sein Mitleid, ging hinein und spiesste das Kind auf sein Bajonett, trug es hinaus und warf es hin, worauf beide davongingen.

Die Eltern mussten aus ihrem Versteck dieses Schreckensbild mit ansehen. Dieses alles erlebten die Voreltern der Mutter, da in jener Gegend die grösste Verwüstung herrschte.

Die letzte Schacht in Baiern war bei Landsburg. Die Schweden nahmen das Städtchen ein und abends wurde für die höheren Persönlichkeiten ein Festmahl gegeben. Als nun alle an der Tafel sassen, kam auf einem Schimmel reitend ein Cavallerist dahergesprengt vom Lechfeld aus, näherte sich dem Hause, nahm durch das Fenster den schwedischen Feldherrn aufs Korn, und schoss ihn an der Tafel tot. Zu derselben Zeit wurde auch Prag eingenommen was endlich den österreichischen Kaiser bewog Frieden zu schliessen.

Die Leute bei Landsburg waren der Meinung den Frieden durch den Tod des schwedischen Feldherrn erlangt zu haben, was aber nicht der Fall war, sondern die Einnahme von Prag.

In dem Dorfe Lechhausen blieb ein schwedischer Soldat zurück und machte sich ansässig, und der Bauernhof heisst bis auf den heutigen Tag: „Beim Schwedenbauern“

Nun um auf die Auswanderung zurückzukommen, beschreibe ich die Begebenheit des Herrn Lindl, denn er war die Veranlassung der Auswanderung und der Gründung der Kolonie Sarata.

Da nun von der früheren Zeit vor der Auswanderung, von ihm keine Beschreibung existiert, sondern bloss eine von der katholischen Kirche zu Odessa, aus den Büchern (Kirchenbüchern) entnommene Abschrift, welche mit Gossners Beschreibung in Druck kam über den kurzen Aufenthalt in Odessa, desshalb konnte niemand bei dem fünfzigjährigen Jubiläum der Gründung Saratas eine genaue Auskunft von Lindl’s Lebenslauf geben. Nur die Mutter Maria Strehle war die einzige, die noch seinen ganzen Hergang wusste, da sie Landsleute und auch weitläufig verwandt waren.


fortsetzung

1Ausschnitt: Atlas Van der Hagen-KW1049B10 092-CIRCULUS SUEVICUS in quo sunt DUCATUS WIRTENBERGENSIS, MARCHIONATUS BADENSIS, & BURGOVIENSIS, COMITATUS OTTING, RECHBERG, KONIGSEK HOHENZOLERN, & FURSTENBERG, 1698, Sammlungen der Königlichen Bibliothek, der Nationalbibliothek der Niederlande. public domain, Wikimedia