In Anlehnung an Heinrich Heines „Loreley“ entstand dieses Gedicht von Willy Vöhringer (1913-1992) über die Geschichte des Ortes:


Katharinenfeld!

Ich weiß nicht was es bedeutet,

dass ich so traurig bin.

Ein Märchen aus uralten Zeiten,

das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Doch es ist nicht das Lied vom Rhein,

und nicht von der Jungfrau dort.

Es ist das Lied Tränen und Weinen

von unserem schönen Heimatort.

Es reisten viele Schwaben aus

von ihrem Heim, von ihrem Haus,

von wunderschönem Neckarstrand,

weit fort von deutschem Vaterland.

Im Jahre Tausendachthundertzehn und acht

wurde Dank und Gebet dem Herrgott gebracht,

dass endlich die armen Schwaben

nun wiederum eine Heimat haben.

Im grausigen wilden Asien,

am Georglesberg in Transkaukasien,

weit tausend Meilen fern vom Rhein

wird nun ihre neue Heimat sein.

In schwerer Arbeit, Müh und Schweiß,

begossen von Tränen und deutschem Fleiß,

in dieser traurigen einsamen Welt

entstand die Kolonie Katharinenfeld!

Im Winter und Sommer, bei Regen und Wind

Großvater, Mutter und Kind

mit Hacken und Spalten Jahr aus Jahr ein

erzeugten den edlen schwäbischen Wein.

Viele Jahre sind verflossen,

alles mit Schweiß begossen:

jeder Bauer, groß und klein,

jede Pflanze, jedes Heim.

Wo einstens Felsen und Steine lagen,

wo Georg den Lindwurm hat geschlagen,

reift nun der alte Rebensaft

von deutschen Müh´ und Streben erschafft.

Lieder schallen überall:

auf den Bergen, in dem Tal,

auf der Heide, auf dem Feld,

wo liegt ganz Katharinenfeld!

Doch die Freude war nicht lang,

es verstimmte Lied und Klang.

Eine Horde kam gefahren:

Kurden, Türken und Tataren.

Es war der 27. August.

Da brach vor Leid manch Herz und Brust

im 1826. Jahr.

Da drohte den Deutschen die Todesgefahr.

Mit Feuer und Schwert sind sie gekommen,

und haben so manchem das Leben genommen.

Lieber Gott! Welche schwerer Schlag,

der schreckliche Verstörungstag!

Die Mörder lärmen, töten und schlagen.

Sie kamen um Frauen und Kinder zu plagen.

Der Himmel war vom Feuer rot.

Die Sonne verstimmte ihre Strahlen des Lichts.

Man meinte, es wäre das letzte Gericht!

Die Grausamkeit vom Heidenfeld

musste leiden das arme Katharinenfeld!

Ja. Das waren schwere Zeiten.

Die Schwaben mussten viel erleiden.

Traurigkeit war rings herum.

Niemand sang kein Liedchen mehr.

Doch die Lebensjahre fliehen.

Die Wolken am Himmel ziehen.

Schwester und Bruder, Frau und Mann

fingen alles von Neuem an.

Das Leben bringt oft Kummer und Schmerz,

doch öfters bringt es Freude und Scherz.

Auf Heide und Feld erschallen wieder

wunderschöne deutsche Lieder!

Obwohl wir so manche Geschichte kennen,

wo sie uns dumme Schwaben nennen,

reinen schöneren Ort gibt es nicht auf der Welt,

als unser lustiges Katharinenfeld!

Grünes Blatt, mein lieber Ort

am Georglesberg, wie schön ist`s dort!

Oh, roter Felsen, wie schön bist du – edler Stein,

wie gerne möchte ich bei dir sein!

Am friedlichen Sonntagsmorgen

mit frischem Mut, ohne Sorgen,

hell übers Tal ein Lied erklang.

Der schöne Jünglingschor dort sang!

Hell leuchten die Sterne vom Himmelsrand.

Christkindlein zieht vom Land zu Land,

in tiefer Nacht bei Schnee und Wind

schenkt Freude und Segen der Mutter und dem Kind.

Wie friedlich tönte der Glockenklang,

bekleidet von Orgel, Gebet und Gesang.

Oh stille Nacht! Oh heilige Nacht!

Du hast uns immer viel Freude gemacht!

Die Sterne leuchten silber klar.

Prosit, ein glückliches Neues Jahr!

Es krachte der Büchse dumpfen Schuss,

belohnt von des Mädchens heißem Kuss.

So wünschen die Buben Neujahrsmorgen

ihren Mädchen Freude, Glück ohne Sorgen!

Neues Neujahr schreitet auf seinen Wegen,

und immer viel Hoffnung, Freude und Segen!

An Ostern gab es große Freude,

wenn alt und jung auf grüner Heide

den Tag mit Spiel und Scherz verbrachten,

manch lustigen Schwabenstreich machten.

Die Sonne geht alle Tage auf und unter,

doch die Schwaben sind immer lustig und munter.

In tiefer Nacht bei Mondesschein

klingen Lieder von Liebe, Lust und Wein!

Am Sonntagsmorgen mit glänzendem Helm

marschierte so mancher Schelm.

Am Sonntagsabend war Lust und Glück,

wann Hugo Böss mit seiner Musik

im Lustgarten draußen musizierte,

und nach müder Arbeit Tag und Nacht

die ganze Jugend sich dort amüsierte.

Hat man das Erntefest gemacht,

beschaut die Geschenke,

welch herrliche Pracht

hat man dem Schöpfer zum Danke gebracht.

Doch nach über hundert Jahren,

welche die Schwaben recht glücklich waren,

kamen wieder schwere Zeiten,

viele mussten unschuldig leiden.

Für deutschen Fleiß, Mut und Last

haben ja manche auf uns bitter geschaut.

Bei Mitternacht sind sie gekommen,

und haben so viele Männer fort genommen.

Morgenrot. Oh Morgenrot!

Du brachtest uns viel Kreuz und Not.

Kummer, Tränen, Leid und Sorgen

brachte uns jeder Morgen.

Unsere Aussiedlung nach Kasachstan.

Vergangen sind Fried, Freude und Glück.

Der zweite Verstörungstag kehrte zurück

im Jahre 1941,

wenn alles erzeugt und geerntet war.

Am 15. Oktober

traf Luxemburg der schwere Schlag:

Scheiden von ihrem Heimatland.

Vom eigenen Herd, vom eigenen Haus

jagten sie Mutter und Kinder heraus.

Nichts schlimmer konnte jemand hoffen,

so hat das Schicksal die Deutschen getroffen.

Groß war das Elend, groß war die Not.

In der Fremde fanden viele den Tod.

Nun ade, du, mein liebes Heimatland.

Liebes Heimatland, ade!

Und schaukeln die Wellen von Strand

zu Strand, liebes Heimatland, ade!

Wir fahren durch’ s Kaspische Meer.

Liebes Heimatland, ade!

Fahren fort zum fremden Strand.

Du, mein Heimatland, ade!

Das traurige Lied ist noch nicht zu Ende,

aber die Deutschen haben fleißige Hände.


Bild aus: Arkadij A. German 1948, Aleksandr N. Kurockin: Nemcy SSSR v “Trudovoj armii”: (1941–1945); Moskau Gotika 1998