Original von 1912 bearbeitet und ergänzt: J. Rzadkowski
(Eingesandt von Jakob Sommerfeld Karlsruhe im Kaukasus)1
Fortsetzung
Von hier an beginnt die energische Auswanderung der russischen Bevölkerung in die Gebiete des heutigen Neurußlands, und zwar die jetzigen Gouvernements Cherson und Jekaterinoslaw, sowie auch die strengere Unterscheidung zwischen den unter einem Heiman stehenden „oberen“ Kosaken im Kiejwschen, Tschernigowschen und Poltanwaschen, d. h. den registrirten und ihrer Verwandtschaft und Anhang einerseits und den unter Kosaken, den Saporogern, in unseren Steppen andererseits. Anfangs bevorzugen die Saporoger, wie sich alle in den russischen Städten Angesiedelten nannten, auch wenn sie vielleicht nur den Sommer hier, den Winter aber in der alten Heimath verbrachten das Land zwischen Dnjepr und Bug, so weit es nicht in den Händen der Tataren war, also die heutigen Kreise Alexandria und Jelisawetgrad, des Chersoner und Werchnednjeprpetrowsk und Jekatherinoslawschen Gouvernements. Im 17. Jahrhundert dehnten sie ihre Herrschaft auch über das Land am rechten Dnjeprufer aus. Hier reichte ihr Gebiet im Norden ungefähr bis zur Orel, im Osten bis zum Donez und im Süden bis zur Woltschja. In dem Gebiet, dass diesen Jägern und Kriegern von jeher das wichtigste gewesen war, d. Niederung zwischen dem heutigen Alexandrowsk und der Mündung des Rogatschik, dort befand sich an wechselnden Orten, immer auf der rechten Seite des Dnjepr (die Linke war tatarisch) der Sitz der Regierung dieser Aussiedler, die Sitsch2, wo nur ehelose Kosaken wohnen durften.
Karte der rechtsufrigen Gebiete nahc der Teilung 1667 durch den russisch-polnischen Vertrag von Andrussowo3
An der Spitze stand der Koschewoi Ataman4, der durch Wahl eingesetzt wurde und durch Stimmenmehrheit auch wieder abgesetzt werden konnte. Unter den Koschwoi standen die Atamans der Unterabtheilungen des ganzen Saporoger Heeres, der Kurenji, die den Charakter von Landsmannschaften trugen, da sich gewöhnlich die von einer Gegend Stammenden zu einer Kuren vereinigten. Solcher Kurenje gab es 38, deren Mitglieder ihren Wohnsitz hin und her im Lande, der Sitsch dagegen nur eine Vertretung hatten. – Die beste Einnahme hatten die Heeresregierungen von den fünf Ueberfahrten über den Dnjepr und der einen über den Bug, von bedeutendste bei der Mündung der Worskla ca. 12.000 Rubel jährlich Eintrug. Nächstdem brachte den meisten Gewinn die Abgabe von einem Rubel von jeder Familie der verheiratheten Kosaken, die über 12.000 Rubel im Jahr ausmachte. Eine nicht zu verachtende Einnahmequelle der Regierung war auch die Steuer von den zahlreichen Schenken. Abgaben der Kaufleute, die in der Sitsch oder an anderen bedeutenden Orten des Landes Handel trieben, oder der Tschumaken, die die Waaren aus der Krim und in die Krim beförderten, sowie verschiedene Strafgelder flossen zum kleinsten Theil in die Kasse des Heeres, sondern kamen mehr der örtlichen Behörde, die sie erhob oder auflegte, zu gut. Eine manchmal bedeutende, aber recht unsichere Einnahme der Heeresverwaltung waren die Geschenke von Moskau, Polen und von dem krimschen Chan.
Das Verhältnis der Saporoger, sowie auch der oberen Kosaken zum polnischen Reich war ein sehr wechselvolles. Bald werden sie vom König belobt und als Muster hingestellt, bald werden sie Feinde des Vaterlands genannt, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen – je nachdem sie gerade im Kampf gegen Türken oder Tataren oder den Zar von Moskau nöthig waren oder nicht oder je nachdem sie das gute Verhältniß zu diesen Staaten durch Räubereien, wofür die polnische Krone verantworten mußte, störten oder nicht. Die feindselige Stimmung gegen Polen wuchs jedoch beständig und endlich machten sich die Kosaken unter der Führung Bogdan Chmelnitzkis5 in der Entscheidungsschlacht an den Scheltya Wody, einem Nebenfluß des Ingulez, von diesem Reiche los und stellten sich unter die Oberherrschaft des Moskauischen Zaren.
„Der Tod des Stefan Potocki in der Schlacht von Zhovti Vody“ im Jahre 16486
In den darauffolgenden Kämpfen fielen die oberen Kosaken rechts vom Dnjepr wohl wieder an die polnische Krone zurück, aber die links vom Dnjepr wohnenden blieben endgültig bei Moskau, sowie auch die Saporoger. Diese letzteren freilich spielten auch jetzt das alte Spiel: von wem sie Vortheil erhofften, dem dienten sie, heute dem Zaren, morgen dem Polen, und wenn´s Nutzen versprach, übermorgen dem türkischen Sultan. Wir verstehen dieses Hin und Her aber besser, wenn wir im Auge behalten, daß sie im Grunde eine vollkommen unabhängige Stellung inne hatten, und wenn wir sehen wie sich die Beherrscher von Polen, der Türkei, des heiligen römischen Reichs und sogar der Zar von Moskau dem sie doch eigentlich unterthan waren, sich immer wieder um ihre Bundesgenossenschaft bewarben, zumal wenn die Bewerbungen von manchmal recht bedeutenden Geschenken und in der Regel von den verlockendsten Versprechungen begleitet waren. Aber das muss gesagt sein. Sympathie führten die Kosaken nur zu dem stamm- und glaubensverwandten Moskau, dem ihre Nachkommen denn auch in Treue dienen bis auf den heutigen Tag.
Der Kampf zwischen Tataren und Türken einerseits und den Saporogern, dem Moskauschen und dem polnischen Reich andererseits drückte dem Leben in unseren Steppen im 17. und bis tief ins 18. Jahrhundert hinein den Stempel auf. Dem Tataren war’s nicht genug, zwischen Berda und Donau seine Schafe und Pferde zu weiden, er wollte von Zeit zu Zeit auch schnellen und reichen Gewinn erjagen, und den konnte er nur auf Raubzügen in die angrenzenden Gebiete finden, die ihm oft große Beute an Menschen und Vieh brachten. Kleine Raubüberfälle in russisches Gebiet kamen Jahr für Jahr vor, dann und wann auch große, die in ihren Folgen immer höchst verderblich waren. Wie störend und schadenbringend diese fortwährenden Beunruhigungen und der damit verbundene Menschenraub für die Kolonisation der Steppen-Grenzländer des Moskauischen Reiches war, sieht man aus dem beständigen und angestrengten Bestreben dieses Reiches, solche Ueberfälle thunlichst zu verhindern durch einen außerordentlich entwickelten Wachpostendienst, durch Anlage von Grenzwällen mit befestigten Orten, die eine kriegstüchtige Einwohnerschaft erhielten, und endlich: kriegerische Unternehmungen größeren Stils, um die Räuber in ihren Schlupfwinkeln zu bestrafen und ihnen Furcht vor der Macht des Zaren einzuflößen. –
„Angriff der Tataren“ von Georges Marie Rochegrosse (1859-1938)7
Aber der Einbruch der tatarischen Banden geschah dadurch, daß jeder einzelne Reiter 2 – 3 Pferde mitnahm, die er nach Bedarf wechselte, mit so großer Schnelligkeit, daß gewöhnlich der Feind schon mit der Nachricht von seinem Anrücken ins Land kam. Die befestigten Wälle, so wirksam auch Gräben und Schanzen hergestellt waren, wie z. B an der heute noch imposanten, sogenannten Ukrainschen Linie zu sehen ist, im Süden des Poltawschen und Charkowschen Gouvernements vom Dnjepr zum Don zog, – die Tataren brachen durch, und ehe Hilfe dawer, waren sie meist schon wieder zurück und der Strafe entgangen. Auch die großen Strafzüge in die Krim, unter Golizyn im 17. und unter Minnich im 18. Jahrhundert, verliefen resultatlos, da die Tataren einer Schlacht auswichen und schließlich in den Einöden unsrer Steppen der Proviant für die zahlreiche Mannschaft und für die Pferde ausging, so daß nur der Rückzug die Heere vor großem Unglück bewahrte. – Der Moskauische Staat suchte übrigens dem massenhaften Verluste seiner Unterthanen bei den Raubzügen der Tataren dadurch zu begegnen, daß er von seinen Unterthanen eine besondere Abgabe erhob, eine sogenannte Gefangenensteuer, die zum Loskauf von Gefangenen verwendet wurde, und ferner dadurch, daß er zur Flucht aus der Gefangenschaft anspornte durch Verleihung besonderer Vergünstigungen an solche Gefangene, die sich durch Flucht in die Heimath gerettet hatten. Es ist aber doch begreiflich, daß unter diesen Umständen die Kolonisation der Steppe von Seiten des Moskauer Zarthums nur langsam von statten ging. Und auch die Besiedlung durch die Saporoger, obgleich sie immer weitere Gebiete umfaßte, war recht spärliche; Leute, die vornehmlich von Jagd und dem Ertrag irer Heerden leben, brauchen eben außerordentlich viel Raum.
Angriff der Kosaken in der Steppe8
Unsere Steppen begannen sich mehr zu bevölkern, erst als die Regierung zur Massenansiedlung schritt. Peter der Große griff als erster zu diesem Mittel und siedelte im Jahre 1723 ein Regiment Serben und Ungarn bei der Stadt Slawjansk an. In größeren Stil wurde die Besiedlung fortgesetzt von der Kaiserin Anna, die die „Ukrainsche Linie“ mit 20.000 Landwehrsoldaten besetzte, und von der Kaiserin Elisabeth, die Schaaren ausländischer Soldaten slawischer Abstammung als Ansiedler ins Land rief. In zwei großen Zügen, im Jahre 1751 und 1753, kamen sie herein und wurden im Nordosten des heutigen Chersonschen und im äußersten Osten dass sie Jekaterinoslawschen Gouvernements angesiedelt. Noch heute tragen viele Ortschaften im Osten des Bachmuter Kreises die Zahl der betreffenden Kompangie (pota), die sich damals da selbst niederließ, als allgemein gebräuchliche Namen, z. B. wird das Dorf Beprhee am Donetz Lissitschansk allgemein „dritte Rotte“ genannt und so haben wir eine „fünfte“ Rotte u.a.m. – Zum Schutz der bei dieser Kolonisation aus dem Jelisawetgradschen nach Süden gedrängten Altgläubigen wurde unter diesen in beträchtlicher Anzahl russisches Militär angesiedelt.
Und was sagen die Saporoger zur Besitzergreifung dieser Gebiete, die sie z. Th. seit mehr als 150 Jahren in unbestrittenen Besitz gehabt hatten? Sie protestirten; aber das war auch alles. Seit Peter, der ihnen anfangs sehr gewogen gewesen war, sie für ihr Bündniß mit Mareppa und Karl von Schweden im Jahre 1709 aus dem Lande vertrieben hatte, war ihre Macht dahin. Und als sie auf die Erlaubniß der Kaiserin Anna im Jahre 1733 wieder zurückkehrten, konnten sie ihre frühere Stellung als nur dem Namen nach abhängiger, in Wirklichkeit aber selbstständiger Staat im Staate nicht mehr zurückgewinnen. Sie hatten auch ihre Bedeutung verloren. Die Tataren war nicht mehr so zu fürchten wie einst, und man brauchte die Kosaken nicht mehr als Bollwerk gegen sie. Die enormen Gebiete zwischen Bug und Donetz, über die hin sie ihre Chutore und Ansiedlungen ausgebreitet hatten und über die sie allein verfügen wollten, versprachen dem russischen Reich einen vortheilhaften und schon lange erwünschten Gebietszuwachs; und schon darum durfte Rußland sie in keinen anderen Händen sehen, weil sie auf dem Wege zum Schwarzen Meer lagen, wohin es seit Jahrhunderten strebte. Aber trotzdem die Saporoger nur noch einen Schatten ihrer früheren Macht besaßen, gaben sie, von ihrem Recht überzeugt, ihre Ansprüche doch nicht auf und versuchten endlich sogar noch einmal mit Gewalt den Serben und Jelisawetgrad das Land, das Elisabeth ihnen angewiesen hatte, zu entreißen. Diese und andere Gewaltthätigkeiten veranlaßten die Kaiserin Katharina, den Saporogern ein Ende zu machen. Im Mai des Jahres 1775 wurde die Sitsch besetzt und der letzte Ataman mit dem ganzen Bestand des Heeresregierung gefangen genommen.
Bild einer Sitsch10
Die verheiratheten Kosaken, die hin und her zerstreut wohnten, blieben im Lande und genossen weiterhin die Rechte militärischer Ansiedler. Ein Theil der unverheiratheten, die den Kern des Heeres bildeten, wanderte an die Donau aus; ein anderer an den Kuban und bildete dort den Grundstock der hervorragend kriegstüchtigen Schwarzmeerkosaken9. Kurz vorher war auch endlich das größte Hinderniß der gedeihlichen Kolonisirung der südrussischen Steppen aus dem Wege geräumt worden. Nach langem blutigen Krieg mit der Türkei, zu dessen Beginn die Tataren noch einmal bei einem schrecklichen Raubeinfall den Boden der russischen Grenzlande mit Blut überschwemmt hatten, so daß diese furchtbare Zeit noch lange im Gedächtniß des Volkes haften blieb, – nach langem Krieg trat der Sultan im J. 1774 die Küstenländer von Kertsch bis Kinburn an Rußland ab und entsagte allen Hoheitsrechten über die Krim. Diese wurde darauf unter russisches Protektorat genommen und neun Jahre später mit dem Reich endgültig vereinigt.
Carte du Gouvernement de Tauride, Comprenant la Krimee et les Pays Voisins. Dezauche, Jean Claude. Paris, 178811
Jetzt galt es aber die Steppen zu besiedeln, denn was an Bewohnern vorhanden war, verschwand auf dem unendlichen Ebene ganz und gar. Trotz aller Colonisationsarbeit im 18. Jahrhundert konnte Potjemkin die Einwohnerzahl der Jekaterinoslawer Statthalterschaft die die heutigen Gouvernements die Jekaterinoslawer und Cherson, ein bedeutendes Gebiet des Taurischen und Theile des Poldawschen, und Podolischen Gouvernements umfaßte, nur auf 150.000 Seelen beziffern; heute hat jeder einzelne der 8 Kreise des Jekaterinoslawschen Gouvernements, eine größere, einige darunter eine doppelte und dreifache Einwohnerzahl. Um rieser Menschenarmuth des sonst so reichen Landes abzuhelfen, vertheilte die Krone an Personen aus dem Offizier- und Beamtenstand je nach dem Rang kleinere oder größere Ländereien, der Bedingung Eigenthum wurden, daß die Empfänger sie besiedelten mit „verheirathetem und seßhaftem Volk aus zuverlässigen und nicht verbotenen Orten.“ Die Durchführung dieser weisen Maßregel hat am meisten zur Besiedlung unserer südrussischen Steppen beigetragen und besonders aus Kleinrussland sehr viele Auswanderer angezogen. – Von fremdländischen Völkerschaften haben damals an der Besiedlung hauptsächlich theilgenommen: Armenier, Griechen und Deutsche. Die Armenier kamen im Jahre 1779 aus der Krim und legten die Stadt Nachitschewan am Don sowie 5 Kolonieen in der Steppe an, die bis jetzt existiren. Die Griechen, die im selben Jahre, 17.000 Seelen stark, die Krim verließen, erhielten im heutigen Mariupolschen Kreis Wohnplätze angewiesen und gründeten dort die Stadt Mariupol und 24 Kolonien.
Die Übersiedlung griechischer Christen von der Krim an die Küste des Asowschen Meeres in den Jahren 1778-178012
Das wichtigste Kolonistenmaterial stellten jedoch die Deutschen. Ueber deren Einwanderung, Verbreitung und gegenwärtige Lage wird im folgenden Abschnitt ein trefflicher Kenner unseres Südens dem Leser Bericht erstatten.
1Zeitungsartikel, erschienen in „Der Staats-Anzeiger, Bismarck, N.D.“ 21.11.1912, Abschrift wie im Original und kommentiert: J. Rzadkowski
2 kleine Städtchen und Siedlungen aus Holz
3Alex Tora – Own work by uploader (based on Енциклопедія українознавства (у 10 томах) / Головний редактор Володимир Кубійович. — Париж, Нью-Йорк: «Молоде Життя», 1954—1989.) Правобережжя 1.4.2009 CC BY-SA 3.0rechtsufrige Ukraine
4 Oberhaupt (Ataman koschewoi)
5 Anmerkung Chmelnyzkyj-Aufstand 1648-1657, siehe Wikipedia: „Die Kosaken begannen einen unaufhaltsamen Vormarsch Richtung Westen, wobei während des Feldzugs Massaker großen Ausmaßes an Polen, Jesuiten, römisch-katholischen Geistlichen und Juden begangen wurden. Wie viele Juden den Pogromen zum Opfer fielen, ist aufgrund der Quellenlage nicht mit Sicherheit auszumachen: Der VölkermordforscherGunnar Heinsohn schätzte, dass zwischen 34.000 und 42.500 Menschen ermordet wurden.Der in Israel lehrende Historiker Shaul Stampfer kam bei seinen Berechnungen auf 18.000 bis 20.000 Tote, was etwa der Hälfte der damals in der Ukraine (Rotruthenien dabei nicht mitgerechnet) lebenden Juden entsprach. „Die Grausamkeit der Kosaken setzte grauenerregende Vorbilder in die Welt.“ Viele Juden (möglicherweise mehr als 1000) konvertierten zur Orthodoxen Kirche, um ihr Leben zu retten. Mindestens 3000 Juden verkauften die Kosaken als Sklaven in das Osmanische Reich.“
9 Anmerkung: Die überlebende Kosaken nach dem Ukas “ Zaporozer Sic“ von 1775 formierten sich 1788 als Schwarzmeerkosaken Heer, wurden im Kampf gegen die Osmanen eingesetzt und als Bug Kosakenheer am Westufer des Schwazen Meeres angesiedelt, später am rechten Ufer des Kuban. Sie bewahrten ihre Traditionen auch im später geschaffenen Kuban Kosakenheer. siehe Andreas Kappler: Die Kosaken, C.H. Beck, München, 2013, p 38f
12 Kira Kaurinkoski: Les Grecs dans l’Empire russe et en Ukraine, Mondes méditerranéens et balkaniques (MMB) | 11; 2018; p. 51-86, Fig. 3 – Le transfert des chrétiens grecs de Crimée sur les rives de la mer d’Azov en 1778-1780.
Original von 1912 bearbeitet und ergänzt: J. Rzadkowski
(eingesandt von Jakob Sommerfeld Karlsruhe im Kaukasus1)
Die Steppen zwischen Donau und Don sind schon in vieler Herren Hände gewesen. Ersten Nachrichten über sie hat der kleinasiatische Gelehrte Herodot gebracht, mehr als 2300 Jahren bereist hat. Damals waren die Skythen, ein kriegerisches Hirtenvolk, hier die Herren. Sie fürchteten keinen Feind. Wenn je einmal ein Feind sich in ihr Land wagte, so zogen sie sich lange Zeit vor ihm zurück, und wenn die Angreifer in den endlosen Steppen bald weder ein noch aus wussten und schließlich durch Anstrengung und Entbehrung geschwächt waren, so fielen die Skythen über sie her und machten ihnen den Garaus. Da die meisten Skythen von Fleisch und der Milch ihrer Herden lebten, sie ihre Wohn- und Weideplätze oft und wohnten in Zelten, die schnell errichtet und schnell wieder zusammengelegt werden konnten.
Aehnlich wie die Skythen lebten auch die Tataren, die unsern Süden in geschichtlicher Zeit am längsten von allen Völkern im Besitz gehabt haben. Wir wissen, daß Charsaren, Petschenegen, Polowzer und andere Völker zwischen Donau und Don gewohnt haben, aber keines von diesen Völkern hat eine solche Rolle in der Geschichte Südrusslands gespielt wie die Tataren.
Kiewer Rus im 11. Jahrhundert2
– Wie gewiß vielen Lesern bekannt ist, haben vor langer Zeit ungeheuer große tatarische Horden von Morgen her Russland überfluthet. Die zahlreichen russischen Fürstenthümer wurden mit Feuer und Schwert verwüstet und tributpflichtig gemacht. Der ganze Osten und Südosten des europäischen Russlands aber wurde von den Tataren im Besitz genommen, die dort ein Reich gründeten, die „Goldene Horde“ genannt. Wegen Uneinigkeit trennten sich jedoch im Lauf der Zeit bedeutende Theile von diesem Reiche los.
Das Reich der Goldenen Horde im Jahr 13893
So zogen, wahrscheinlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts, viele Tataren unter Dewlet-Gerai in die südrussischen Steppen und gründeten dort ein selbstständiges Reich, dessen Beherrscher in der Krim residirte. Doch auch dieses zerfiel. Ein Theil der Tataren bildete das Reich der krimschen Chane, der andere aber, mit dem Chan Nogai an der Spitze, errichtete in der Steppe zwischen Kuban und Donau ein Reich von anfangs unabhängigen, später zum Theil dem krimschen Chan untergebenen Nomadengruppen, deren bekannteste und uns hier am meisten interessirende ihre Gebiete ungefähr folgendermaßen gegeneinander abgegrenzt hatten.
Westteil der Goldenen Horde im späten 14. Jahrhundert4
Die erste nomadisirte (wenn wir die jetzigen geographischen Benennungen gebrauchen) im Melitopoler, Berdjaner und im Norden des Dnjeprowschen Kreises des taurischen Gouvernements. Der Sitz ihrer Regierung war am Rogatschik, der unterhalb der Plawni in den Dnjepr fällt. Die zweite nomadisirte im Süden des Dnjeprowschen und im Norden des Perekoper Kreises und heute zur Hauptstadt Perekop. Die dritte nomadisirte in den Kreisen Cherson, Ananjew, Tiraspol und Odessa und hatte das den Polen abgenommene Otschakow zur Residenz. Die vierte nomadisirte zwischen dem Unterlauf des Dnjestr und der Donau. Ihre Hauptstadt war Akkerman, die „weiße Stadt“, wie die polnischen und russischen Chronisten sie gewöhnlich nannten. Diese 4. Horde, die den Namen der Butschazker oder Belgoroder Horde führten, hatte so viel Zugehörige, daß sie 30.000 berittene Krieger stellen konnte, und war wegen ihrer Tapferkeit und ihrer vorzüglichen Reiter weit und breit berühmt und gefürchtet.
Wir können also die Grenze des Landes der nogaischen Tataren ungefähr folgendermaßen bestimmen. Im Westen; die heutige russische Grenze von der Kiliamündung ca 150 Werst nach Norden zu; im Norden: Linie über Balta nach Schwedendorf, Nikolpol und Alexandrowsk; im Nordosten und Osten: eine Linie von Alexandrowsk nach Berdjansk; im Süden: das Asowsche Meer, die Krim u. das Schwarze Meer bis zur Kiliamündung. Das Gebiet, das der heutige Mariupoler Kreis und der Taganroger Bezirk einnehmen, war damals herrenlos, und erst auf der linken Seite des Don waren wieder Nomaden in buntem Gemisch anzutreffen, zusammenfassend die Groß-Nogaier genannt wurden im Unterschied von den eben beschriebenen Klein-Nogaiern.
Karte von Russland (Moscovia) von Sigismund von Herberstein, 1549. Die Nogaier Tartaren (Nagayski Tartare) sind an der Wolga eingezeichnet5
Das unter Dewlet-Gerai friedliche Verhältnis zwischen Tataren und Slaven wurde ein feindseliges, als am Ende des 15. Jahrhunderts die Krim in türkische Hände kam. Diese führten den Mohamedanismus ein und verbreiteten Hass gegen alles, was Christ war. Seit dann fingen die Tataren auch an, in größerem Umfang auf Menschenraub auszugehen, denn die Türken bezahlten die Sklaven mit schwerem Geld. Bald wurde Kafa, das heutige Feodosia, ein im ganzen Orient bekannter Markt für Menschenwaare, wo oft bis zu 30.000 Sklaven zum Verkauf standen.
Die Krim im 15. Jahrhundert grün: Fürstentum Theodoro rot: Genueser Kolonien blau: Khanat der Krim6
Aber ungeachtet aller Feinde und aller Gefahren drängten Russen, Polen und Litthauer von Norden und Westen in die Steppe hinein. – Im Moskauschen Zarenreich wurde die Kolonisation der Grenzländer von der Regierung organisirt und die besiedelten Gebiete durch befestigte Plätze geschützt. So schob das russische Reich durch schrittweise, friedliche Eroberung seine Grenzen gegen Ende des 16. Jahrhunderts bis Woronesch und Kursk und im 17. bis Charkow vor, unter fortdauernder Vervollständigung des Netzes von befestigten Plätzen in den schon besiedelten Gebieten. Die in der Mehrzahl aus Centralrußland stammenden Kolonisten erhielten Land und Geld und waren dafür verpflichtet, zur Vertheidigung des Landes gegen die Tataren ihr Möglichstes zu thun. Daß die doppelte Aufgabe, seinem Erwerb nachzugehen und gegen Ueberfälle allzeit gerüstet zu sein, große Schwierigkeiten bereitete, sehen wir daraus daß die Kolonisten ihre Erntearbeiten manchmal nur so bewerkstelligen konnten, das ein Theil die Feldarbeit verrichtete und der andere unter Waffen stand und die Wache hielt. – Die im 17. Jahrhundert mehr und mehr anwachsende Einwanderung der Kleinrussen (vornehmlich in das Gouvernement Charkow) war einer besonderen Unterstützung durch die Regierung nicht bedürftig.
Grüne Gebiete standen unter Herrschaft der Türken, orange unter jener der Tataren, gelbe unter ihrer Oberhoheit7
In Polen und Litthauen ging die Kolonisation wesentlich anders vor sich. So lange die Länderstrecken am mittleren Dnjepr ein Theil des Litthtauischen Reiches waren, ging es den die Hauptbevölkerung ausmachenden orthodoxen russischen Bauern leidlich gut. Wenn sie auch, wie z.B im Kiejewschen nach Verwandlung des russischen Fürstenthums in eine litthauische Wojewodschaft im Jahre 1471, ihr Recht auf Landbesitz verloren, so wurden sie doch nicht als Leibeigene betrachtet und konnten nach litthauischem Gesetz jederzeit einen Ort, der Ihnen nicht gefiel, verlassen und sich an einem anderen ansiedeln. Von diesem Recht machten in der That schon damals viele Bauern Gebrauch, verließen das waldreiche Innere und siedelten sich in den Grenzdistrikten an, wo sich Wald und Steppe vereinigen, zogen wohl auch darüber hinaus, in die Steppe hinein. Der Staat gewährte ihnen dort nirgends Schutz, wie Moskau seine Kolonisten durch feste Plätze und auch Soldaten, wenn´s Not that, sondern jeder musste sich selbst seine Haut wehren. Das erzog in jenen Grenzbewohnern ein furchtloses und kampffreudiges Geschlecht. Und Gelegenheit, die Waffen zu gebrauchen, gab´s genug: daheim, wenn es galt, einen Ueberfall abzuwehren, und in der Fremde, die den Bewohner der südlichen, polnisch-litthauischen Grenzländer noch viel mehr lockte als den Kolonisten der südlichen Grenzländer des Moskauischen Reiches. Das Land unterhalb der Stromschnellen des Dnjepr mit seinem fabelhaften Reichthum an Fischen und Wild und seiner vortrefflichen Weide zu allen Jahreszeiten lockte den Jäger und Fischer, und damals war fast jeder Bauer auch dies oder jenes, wie die Bauern an vielen Orten des mittleren und oberen Dnjepr noch heute. Dann war im Dnjepr eine bequeme, vor Angriffen tatarischer Reiter gut geschützte Verkehrsstraße vorhanden, und mancher blieb schließlich ganz im Süden wohnen, wo er seinen Lebensunterhalt reichlich fand, wenn auch ohne Schutz des Staates, der übrigens auch mitten in der litthauischen Heimat recht dürftig war, in jeder Beziehung als freier Mann lebte. Diese Jäger und Fischer kamen mit den Tataren in häufige Berührung sowohl bei der Ausübung ihres Gewerbes als bei feindlichem Anlass; sie lernten den Charakter und die Kampfesweise der Tataren dabei genau kennen und nahmen vieles davon an. Von ihnen haben sie auch den Namen „Kosak“ entlehnt, den die Nomaden in den Kirgisensteppen noch heute führen und der soviel bedeutet wie „herumziehender leichter Reiter“. Nur fügten sie zu der mongolischen Schlauheit und Vorsicht die echt russische Verwegenheit, was sie zu einem für Krieg und Sieg geradezu wie geschaffenen Volkselement machte. Mit dem ehrenvollen Namen „Kosak“, schon im 15. Jahrhundert vorkommt, nannten sich bald alle freiheitslustigen Bewohner der Grenzdistrikte und sogar des Innenlandes. Die Staroste Lanzkoronski und der weitblickende Daschkowitsch gaben ihnen im Beginn des 16. eine gewisse Organisation und von nun an hörten sie nicht auf, von ihren Thaten zu Land und zu Wasser aller Welt reden und staunen zu machen.
Wie gesagt: das Land, daß die Kolonisten an der Grenze besetzten, wurde damals für nahezu wertlos gehalten und kein Edelmann fragte danach, da nur dasjenige Land für werthvoll galt, daß viel Wald hatte. Ueberdies gab’s in den Ländereien an und über der Grenze allerlei Gefahren, die so einen Edelmann sein Leben nicht recht genießen ließen, darum sahen die Herren des Landes einer Besitzergreifung jenes Grenzgebietes durch ihre Bauernbevölkerung gleichmüthig zu, ja waren wohl noch zufrieden damit, da diese Leute an der Grenze etwas wie ein Bollwerk gegen die räuberischen Einfälle der Tataren darstellten.
Diese für die Bauernbevölkerung verhältnismäßig günstigen Verhältnisse in änderten sich aber vollständig, nachdem in der Lublinischen Union vom Jahre 1569 Litthauen und Polen, ihr seit bald 200 Jahren wohl immer zusammen einen König, aber doch sonst verschiedene Verfassung gehabt hatten, zu einem Reiche verschmolzen wurden und polnisches Recht auch in den altrussischen Gebieten am Dnjepr an Stelle des litthauischen das herrschende wurde.
Adelsrepublik der Lubliner Union 1569. Farblich abgehoben: Litauen (nicht königlich, sondern großfürstlich) und die beiden der Union nur als Lehen unterstehenden Herzogtümer Preußen und Kurland8
Das polnische Recht kannte nur drei Stände: Adel, Bürgerthum und Leibeigene; für freie Leute, die nicht von Adel waren und nicht in den Städten einem oft durch recht peinliche Bestimmungen eingeengten Gewerbe oder Handel nachgingen, sondern sich ihren Lebensunterhalt verschaffen wollten, wie es gerade gefiel, durch Landbau oder Jagd oder Fischfang oder Kriegsdienst usw., für solche war im polnischen Staat und Recht überhaupt kein Platz. Die polnischen Edelleute setzen auch ihren ganzen Einfluss daran, die freien Russen zu Leibeigenen zu machen. Denn nur dann konnten sie das Land, das sie etwa vom König zu erblicher Nutznießung, zum Lehen, erhalten hatten, sammt den Leuten darauf an den Juden verpachten, und nur dann konnten sie Steuern auflegen und hoffen, daß sie auch bezahlt würden, wenn die bäuerlichen Bewohner Leibeigene waren und an dem Ort leben mussten, wo es der Pan befahl. Hatten sich früher die Edelleute auch nicht im geringsten um jene Ländereien in den Grenzgebieten gekümmert, die weniger Wald aufwiesen und vornehmlich zum Ackerbau geeignet waren und wo sich im Laufe der Jahre die russischen Aussiedler, um dem Druck der litthauischen Regierung zu entgehen, allen Gefahren und Unbilden der Zeitläufe zum Trotz mehr oder weniger dicht angesiedelt hatten, – jetzt, da die Bevölkerung stark zugenommen hatte, die Waldwirthschaft sehr zurückgegangen war und auch jene früher unbeachtet gebliebenen Landstrecken einen Werth bekamen, jetzt bewarben sich die polnischen Edelleute, die außerdem nach Herstellung der Union sich ganz und gar als Herren allen Landes fühlten, und die Wette um die noch nicht vergebenen Ländereien in den Grenzgebieten, d. i. den heutigen Podolischen, Kijewschen, Tschernigowschen, und Poltawschen Gouvernements. Das Land in jenen Gebieten wurde auch größtentheils unter den polnischen Adel aufgetheilt und dann gemeinhin von den neuen Besitzern an Juden verpachtet. Was für einen kolossalen Besitz so ein Magnat oft sein eigen nannte, können wir uns vorstellen, wenn wir hören, daß dem Fürsten Jeremias Wischnewezki, von dem gesagt wurde, daß er „cala Polske na barkach sowich dzwigal“ (ganz Polen auf seinen Schiffen beförderte) ein Streifen Land gehörte, der sich vom Dnjeor beginnend durch das ganze heutige Gouv. Poltawa bis ins Tschernigowsche hinein hinzog, mit der Stadt Poltawa und außerdem mit 55 Städten, ein Gebiet, das über 39.000 Einwohner hatte und an jährlichen Einkommen ohne die Pacht von den Wassermühlen und Schenken die Summe von ungefähr 180.000 Rubel brachte, was nach heutigen Geldverhältnissen eine Million bedeutet. Gewöhnlich verpachteten die polnischen Adligen, was zu verpachten war, an Juden, was zu vielen Unzulänglichkeiten und einer grellen Mißwirthschaft führt. Der russische Bauer kam infolge dessen in vollständige Abhängigkeit der Juden, aus welcher sich viele dadurch zu befreien suchten, indem sie erklärten, sie seien Kosaken. Unter litthauischer Herrschaft bildeten diese eine Art Kriegerkaste, und man legte ihnen wegen der damals unleugbaren Verdienste um die Landesvertheidigung keine Lasten auf, auch wenn sie mitten im Lande lebten, auch die Polen respektirten anfangs die Kosaken und ließen ihnen ihre Freiheit. Als aber unter dem schweren Druck der neuen Regierung das ganze russische Volk in den polnischen Provinzen Kosak sein wollte, da wurde im Jahre 1583 die Zahl der Kosaken durch König Bathory auf 6000 festgesetzt. Diese 6000 wurden in ein Register eingetragen, und wer nicht in´s Register hinein kam, war nicht Kosak und sollte leibeigen sein.
5Karte von Russland (Moscovia) von Sigismund von Herberstein, 1549. Die Nogaier Tartaren (Nagayski Tartare) sind an der Wolga eingezeichnet, Sigismund von Herberstein – http://www.baarnhielm.net/~gorbaa/Kartor/Rysslandskartor/Rysslandskartor.htm ; there are other scans elsewhere, e.g. http://www.themaphouse.com/specialistcat/russiacat/rus1111.html Gemeinfrei
7 Inhalt: Gebietsverluste des Islam in der Ukraine und auf der Krim Darstellung: islamischer Herrschaft verlorengegangenes Gebiet 1812 bzw. 1792 (grün) islamischer Herrschaft verlorengegangenes Gebiet 1783 bzw. 1774 (orange) und islamischer Oberhoheit verlorengegangenes Gebiet 1739 bzw. 1699 (gelb) stark vereinfacht kann man Grün auch mit osmanisch-türkischer Herrschaft, orange mit krimtatarischer Herrschaft und gelb mit kurzzeitiger türkisch-tatarischer Oberhoheit über die Kosaken gleichsetzen (Ausnahme: das Gebiet von Cherson war bis 1774 türkisch, nicht tatarisch) Brent 18.6.2006 CC BY-SA 3.0
8Adelsrepublik der Lubliner Union 1569. Farblich abgehoben: Litauen (nicht königlich, sondern großfürstlich) und die beiden der Union nur als Lehen unterstehenden Herzogtümer Preußen und Kurland CC BY-SA 3.0
Sparwasser – aus Hessen über Schlesien nach Russland
Sparwasser – viele werden sagen: „Da klingelt doch was?“ Der bekannte Namensvertreter und Fußballer Jürgen Sparwasser ist jedoch nicht gemeint, sondern die Büdesheimer BrüderJohann Jacob1 (1.12.1745-24.3.1819) und Johannes1 (17.11.1752-19.5.1790) Sparwasser, welche dem Aufruf des Werbers Johann Hartmann Schuch, Verwaltungsbeauftragter der neuen Kolonien in Schlesien, folgten.
Schuch war ursprünglich selbst Kolonist, als Richter für eine neue Kolonie im Kreise Brieg vorgesehen, machte er eine Eingabe mit dem Verweis auf seine besondere Eignung als Werber an den Grafen Karl Georg von Hoym im September 1771, in der er erklärte, über 800 Familien geworben zu haben. Hoym, davon überzeugt, wendete ihn im Spätherbst und Winter 1771 in die Ämtern Nidda und Schotten, die Grafschaft Solms-Laubach, ins Hanauische und auch ins burgfriedbergische Territorium.
Seine Abwerbung blieb dort nicht unbeachtet, der Amtmann des Karbener Amtes meldete im Dezember die unerwünschte Tätigkeit Schuch’s, worauf das Burgregiment Friedberg am 20. Dezember 1771 eine Untersagung aussprach. Am 9. Januar 1772 wies die Burg den Amtmann an, Schuch, „falls er sich nicht fügen und den Ort räumen wolle, in Arrest zu ziehen und nach Burg Friedberg gefänglich einzuführen.“
Am 27. Januar 1772 teilt die Burg dem Amtmann zu Büdesheim mit, man sei wegen Schuch mit dem königlich preußischen Minister von Hochstetten in Korrespondenz getreten und am 3. Februar 1772 war ein Gesinnungswechsel eingetreten, Schuch konnte werben und den als Kolonisten angeworbenen wurde der Abzug gestattet, sofern sie Zehnt-Pfennig, Auszugs- und Ledigungsgeld bezahlt hätten.6
Wenn man sich nun fragt, warum Schuch überhaupt so erfolgreich war, und warum der Amtmann so harsch reagierte, muss man in diese Zeit zurückblicken:
Einerseits waren die Lebensbedingungen der Landbevölkerung durch Leibeigenschaft geprägt, Leibeigene gehörten dem Grundherrn, sie bewirtschafteten seine Ländereien und waren zu Frondiensten verpflichtet, durften ohne seine Genehmigung weder wegziehen noch heiraten und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit, im Gegensatz dazu waren Bürger einer Stadt freie Menschen. Während Frankreich diesen Zustand 1789 beendete, war man auf den deutschen Territorien in dieser Frage uneins, im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel seit 1433 aufgehoben, behielt man sie in Mecklenburg bis 1822 bei und erst 1832 wurden die Frondienste in Sachsen abgeschafft. Im Großherzogtum Hessen wurde die Aufhebung der Leibeigenschaft per Gesetz am 25. Mai 1811 verordnet und zum 13. Juli 1813 rechtskräftig. Es wurde eine Entschädigungsleistung der ehemaligen Leibeigenen an die vormaligen Leibherren vorgesehen, was im Grunde die Abhängigkeit mangels Kapital aufrechterhielt.
Der zweite, viel wichtigere Aspekt war jedoch der Bevölkerungsmangel und damit verbundene Arbeitskräftemangel, der die Herrschaft aufhorchen ließ. Diese geht auf die erheblichen Hungerjahre zurück, die in Europa eine Ursache in der kleinen Eiszeit nahmen und durch kriegerische Auseinandersetzungen verstärkt wurden.
Die Verringerung der Sonnenaktivität, auch Vulkanismus mit erheblichem Ausstoß in die Atmosphäre und veränderten Meeresströmungen bestimmten bis ins frühe 19. Jahrhundert das Klima in Europa. Die Temperaturen gingen seit etwa 1570 deutlich zurück, bis 1610 reihten sich Missernten, Orkane und harte Winter aneinander und bildeten den Nährboden für Missgunst, Neid, Auseinandersetzungen und letztlich Kriege.
1636-1637. Schreckliche Hungersnoth in Deutschland und zum Theil in der Schweiz als Folge des 30-jährigen Krieges, ganz besonders in Sachsen, Hessen und Elsaß. Die Menschen verthierten infolge der entseglichen Zustände derart, daß sie nicht blos Gras, Baumblätter, Eicheln, Wurzeln, Baumrinden, Erde, Thierfelle und krepirte Thiere verschlangen, sondern sogar menschliche Leichname verzehrten, indem sie das Fleisch auf dem Schindanger holten, Leichen vom Galgen herabstahlen, die Gräber nach Menschenfleisch durchwühlten und lebende Kinder schlachteten. Blutsverwandte mordeten und fraßen sich auf und nahmen sich dann, über die entsehliche Sättigung in Wahnsinn verfallend, selbst das Leben. Es bildeten sich Banden, die auf Menschenfleisch behufs Verzehrens förmlich Jagd machten; so wurde z. B. zu Worms eine Menschenfresserbande vertrieben. Die Chroniken berichten so gräßliche Details und haarsträubende Episoden, daß man sich mit Eckel davon abwendet.
Unglücks-Chronik oder die denkwürdigsten elementaren Verheerungen und Zerstörungen in Natur- und Kulturleben aller Zeiten. Wenger, J.:Verlag: Bern Verlag von Rudolf Jenni’s Buchhandlung (H. Köhler). (Ca. 1889)., 1889 p.49
Hongersnood in Duitsland, 1637, Caspar Luyken2
Unsere Sparwasser waren in Büdesheim lange ansässig, Daniel, hochadlige schützischer Jäger und Waldförster, aus Florstadt stammend, heiratete 1666 in Büdesheim, der Pfarrer schätze sein Alter auf 31 oder 32 Jahre, nach dem Sterbealter war er schon 34. Er war der Vater von Georg Wilhelm, Daniels Schwiegervater Henrich Volz stammt aus der Zeit um 1600, Enkel Georg Philipp, Vater unserer Auswanderer kam im Jahre 1717 zur Welt, sie erlebten die Zeiten, mit Sommern, so kurz, dass Korn und Früchte nicht mehr reiften.
Die Not war extrem, man kannte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Kartoffelanbau, nur Hackfrüchte, die ebenfalls kaum wuchsen, die Preise explodierten für das Wenige, was vorhanden war, Fleisch war rar, da auch das Vieh nicht mehr versorgt werden konnte, das Wild zurückging, Seuchenzüge waren die Folge, sie trafen sowohl die geschwächten Menschen, als auch das Vieh.
Es folgten weitere Jahre mit extremen Teuerungen, auch verursacht durch Ankauf von guten Ernten und Preiswucher, die ebenfalls Hungersnöte ausbrechen ließen.
In den Jahren 1770 und 1771 fielen zudem nicht nur die Kornernten schlecht aus, weshalb es erneut zu einer erheblichen Verteuerung kam (europäische Hungerkrise 1770–1773), Ursache waren extremen globale Klimaanomalien – während es in Zentralamerika, Indien und Teilen Afrikas zu schweren Dürren kam, versank Europa im Schlamm verheerender Regenfälle, die überwiegend die Sommermonate betrafen. Die Ernteausfälle breiteten sich über den Kontinent von Frankreich bis in die Ukraine und von Skandinavien bis in die Schweiz. In Folge des sich ausbreitenden Hungers und der Nässe, die alles faulen ließ, grassierten Ruhr, Typhus und die Pest, die zu einer drastischen Sterblichkeit führten, die Preise explodierten um 300 bis 1000 Prozent.
So findet sich in der Chronik der Stadt Ellrich4 folgender Bericht:
Man kennt Zahlen aus Kur-Sachsen, wo 150.000 Menschen 1772 am Hunger und seinen Folgen starben, in Böhmen etwa 180.000 und das ebenso in allen anderen Teilen des damals noch zersplitterten Deutschlands.3
So versteht sich die Erklärung der künftigen Kolonisten, die 1772 die Auswanderung nach Schlesien wünschen, von selbst, da sie ,,bei diesen theuren und nahrungslosen Zeiten sich das benöthigte Brod zu ihrem Lebensunterhalte nicht zu schaffen vermögten und daher gesonnen seien, nach Schlesien zu ziehen, in Hoffnung, es daselbsten besser zu treffen“
Der weitaus größere Teil wanderte bis Ungarn, da diese Region von den Wetterunbilden verschont geblieben war.
Johann Jacob war zum Zeitpunkt der Auswanderung verwitwet, vermutlich hatte seine Frau den Hunger nicht überstanden, daher wanderte er mit den Kindern Johann Georg (1768 – nach 1814) und Anna Elisabeth (1770-1804) in die neu zu gründende Kolonie Süssenrode aus. Sein Bruder Johannes und dessen Frau waren noch kinderlos. Zuvor zahlte Johann Jacob Sparwasser 5 Guldenb, 15 Albusb, Bruder Johannes 3 Gulden Ledigung (Loslösung aus Leibeigenschaft)1.
Geburtseintrag Johann Jacob Sparwasser 1745 im Büdesheimer Taufregister 1701-1756 (Archion)
Geburtseintrag Johannes Sparwasser 1752 im Büdesheimer Taufregister 1701-1756 (Archion)
Für unsere kleine Sparwassersippe war es verlockend, Schuch versprach in Schlesien geschenkt ein Haus und Grundbesitz von 40 rheinischen Morgena, es sollte freies Bau- und Brennholz geben, eine Steuerfreiheit der nächsten acht Jahre, danach lediglich eine Abgabe von sechs Albus je Morgen, das klang gut. Zudem zahlte die preußische Regierung 2 Thalerc pro Kopf Reisekosten.6 So machte man sich Anfang März 1772 mit den anderen Kolonisten auf den rund 740 km langen Weg in die neue Heimat, für Süssenrode sollten 14 andere Familien die neuen Nachbarn sein. Der Zeitpunkt war so gewählt, dass die Ankömmlinge bei Ankunft noch die Saat einbringen konnten.
Strecke Büdesheim – Süssenrode (Mlodnik) (google maps9)
Die Strapazen der Reise waren unsäglich, Nahrung knapp und teuer, zehrte daher das wenige Habe auf, viele der Kolonisten wurden krank, wie schlimm es stand, berichtete Schuch dem schlesischen Provinzialminister Graf von Hoym, in den elf neuen Kolonien waren im Mai 1772 insgesamt 266 Männer, 195 Frauen und 449 Kinder, davon 113 krank, 31 Personen verstorben.7
In Süssenrode fand Schuch bei seiner Kontrolle am 21. Mai 1772 insgesamt 15 Männer, 14 Frauen und 22 Kinder vor, 6 davon inzwischen Waisen, 10 Erkranke, zwei Männer und zwei Frauen gestorben. Doch lesen wir selbst:
Nummero 10. d. 21. May 1772. Sussenrothen. Diese Colonie stehet unter der aufsicht des Herrn Oberfürsters Büttner; soll bestehen auß 16 wohnungen; sind aufgeschlagen vom Zimmerman und sind in voller arbeit. Die Colonisten von dieser Colonie sind nach folgender Liste: No 1) Casper Jost, ein Bauer und Schumacher von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 33; Fr.: 40; To.: 20; So.: 8 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 2) Jacob Sparwaßer ; ein Bauer von Biedesheim, kaiserl. Burg Frieb. Hoheit. alt: 27; So.: 4; To.: 2 Jahr; 3 Köpf. R.: Evangelisch. No 3) Joh. Schäfer ; ein Bauer von Biedesheim Friebbergischer Hoheit. alt: 56; Fr.: 58; So.: 18; So.: 12 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 4) Joh. Jacob Sparwaßer ; ein Bauer von Biedesheim Friebbergischer Hoheit, alt: 25; Fr.: 30 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch. No 5) Joh. Cun ; ein Bauer von Biches, Biedingischer Hoheit, alt: 30; Fr.: 35; So.: 8; To.:10; To.: l Jahr; 5 Köpf. R.: Reverwirtd. No 6) Daniel Sefftel; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 24; So.: 2 Jahr; 3 Köpf. R.: Reverwirth. No 7) Stofel Lipp ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 29; Fr.: 30; So.: 7; To.: 2 Jahr; 4 Köpf. R.: Reverwirth. No 8) Hein. Meister ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 20 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth. No 9) Anderas Nickelaus; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 24; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth. No 10) Martin Holtzheimer; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 30; Fr.: 25 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth. No 11) Peter Mehrling ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf; R.: Reverwirt. No 12) Casper Jost; ein Bauer von Ostheim aus ; der Grafschaft Hanau. alt: 30; Fr.: 40; So.: 8 Jahr; 3 Köpf. R.: Reverwirth. No 13) Joh. Lick ; ein Bauer von Ostheim auß der ; Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: (fehlt) No 14) Conrath Meßer ; ein Bauer von Biches, Biedingischer Hoheit. alt: 30; Fr.: 22 Jahr; So.: 4 Tage; Schwie.: 20 Jahr; 4 Köpf. R.: Reverwirth. No 15) Conrath Buhsch ; ein Bauer von Kroßen Karben Kayserl. Burg Frieb. Hoheit, alt: 46; Fr.: 45; So.: 20; To.: 12 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 16) Diese Nummero ist vagant;
Auf dieser Colonie befinden sich 15 Mann, 14 Frauen, 16 Kindern, die 6 weisen dazu gerechnet macht 22; Summa: 51 Seelen. Kranck: 10 Personen. Gestorben von dieser Colonie: 2 Mann, 2 Frauen; Summa: 4 Seelen. Auf dieser Colonie ist noch nichts von sommerfrüchten hinaußgesäet, weil diese Colonisten mehrst alle kranck gewesen sind; sie liegen noch alle in Butgewitz, weilen ihre Häuser noch nicht alle vom Zimmerman aufgeschlagen sind. Der Grund und Boden ist sehr gut; es stehet aber ein gar starcker wald drauf, daß es also hier zeit erfodern wird, biß er urbar gemacht wird, indem er naß liegt und ein starcker graben geschrodt werden muß. Diese Colonisten haben noch kein Vieh.
Monatsschrift für Sippenkunde und Sippenpflege, Heft 6 und 7, 1939, Berlin
Ortsplan Süssenrode6
Was den Kolonisten nicht bewusst war, man suchte in Schlesien vor allem Holzfäller, die den Wald roden sollten und die Hochöfen der Eisenproduktion mit Holzkohle versorgen. Daher waren die Landflächen nur als „Gartenwirtschaft“ ausgelegt, reichten daher einem Bauern nicht zur Vollversorgung seiner Familie, zumal nur ein kleines Stück gerodeter Acker zur Ansaat des Nötigsten übergeben wurde, den Rest mussten die Kolonisten selbst roden. Dafür erhielten sie pro Morgen 4-20 Taler, je nach Schwierigkeit des Geländes. Da ihre Kolonien noch nicht fertiggestellt waren, zog der Oberforstmeister Süßenbach, der diese Arbeiten überwachte, die Kolonisten zur Handlangerdiensten heran, dafür zahlte er 4 Groschen täglich. Zudem wurden die Kolonisten mit Brotgetreide und jeweils 2 Kühen unterstützt.
Süssenrode hatte einen nassen Wald, die Kolonisten waren die ungewohnt schweren Waldarbeiten nicht gewohnt und kränkelten und waren trotz aller Bemühungen und allen Fleißes in einem so erbärmlichen Zustand, dass der Oberförster Büttner 1774 nach Breslau schrieb:13
Die Hungersnot unter den Kolonisten ist nunmehr aufs höchste gestiegen und deren Jammern und klägliches Lamentieren mit Worten nicht zu beschreiben. Ich selbst muss bekennen, daß ungeachtet sich sämtliche das Roden mit besonderem Fleiß angelegen sein lassen, in Sonderheit bei dem harten Winter sie nicht im Stande sind, sich das Brot zu verdienen.
Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9 p77
Johann Jacob ehelichte 1773 in Tauenzinow (ehemals Ostenbrug) Anna Elisabeth Rohn (Rahn), sie war aus Gonterskirchen mit ihrem Vater Heinrich ausgewandert und findet sich ebenfalls in Schuch’s Bericht7.
Geburtseintrag Anna Elisabeth Rohn 1749 im Gonterskirchener Taufregister 1665-1767 (LDS)
Nummero 9. d. 21. May 1772. Ostenbrug. Diese Colonie stehet unter der aufsicht des Herrn oberforstmeister Büttner; soll bestehen aus 20 wohn Häuser, sind alle fertig vom Zimmermann und Mäuren biß zur folgender aufebauung der Scheuern. Diese Colonisten, die auf der Colonie wohnen sollen, sind nach folgender Liste:
No 1) Philippus Lenhing ; ein Bauer und Schmidt aus dem Fürstenthum Gedern. alt: 48; Fr.: 35; So.: 15; To.: 10; To.: 7; So.: 5; So.: 3 Jahr; 9 Köpf. R.: Evangelisch. No 2) Peter Weißbecker; ein Bauer und Zimmerman aus Käichen, Friebbergischen Hoheit. alt: 34; Fr.: 33; So.: 8; So.: 3 Jahr; 4 Köpf. R.: Catolisch. No 3) Thomas Görtler ; ein Bauer und Zimmerman aus Käichen, Friebbergischer hoheit. alt: 36; Fr.: 38; To.: 13; So.: 7; So.: 5; To.: l Jahr; 5 Köpf. R.: Revermirt. No 4) Joh. Georg Schmeißer ; ein Bauer aus dem Heilbrunnischen. alt: 48: To.: 22; To.: 18; To.: 15; So.: 11; S.: 8 Jahr; 6 Köpf. R.: Evangelisch. No 5) Andereas Marthin ; ein Bauer und Zimmerman auß dem Dorf Käichen, Frieb. hoheit. alt: 32; Fr.: 35; So.: 5 Jahr; 3 Köpf. R.: Catolisch. No 6) Georg Reinhart Dorß ; ein Bauer auß dem Württbergischen. alt: 28; Mut.: 55; Schw.: 20; Br.: 17; Br.: 15; Schw.: 8; Schw.: 6 Jahr; 7 Köpf. R.: Evangelisch. No 7) Joh. Conrath Fickel; ein Bauer aus Gonterskirchen aus dem Laubachischen. alt: 34; Schw.: 28; To.: l Jahr; 3 Köpf. R.: Evangelisch. No 8) Nickelaus Schneidmüller; auß Gedern ein Bauer. alt: 25; Fr.: 44; So.: 18; So.: 13 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 9) Conrath Weifert; ein Bauer von Kaichen Burg Frieb. Hoheit, alt: 32; Fr.: 36; So.: 4 Jahr; 3 Köpf. R.: Catolisch. No 10) Joh. Adam Geiger; aus der Pfaltz ampt Bocksberg. alt: 36; Fr.: 34; To.: 14; So.: 8 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 11) August Crach; ein Bauer, Burg Frieb. Hoheit. alt: 36; Fr.: 35; So.: 9; So.: 3 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 12) Johannes Löß; ein Bauer und Schuhmacher aus Gedern. alt: 32; Fr.: 24 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch. No 13) Heinrich Rahn ; aus Gonderskirchen ein Bauer.alt: 62; To.: 23 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch. No 14) Johannes Landmann ; ein Bauer aus dem Dorf Gedern. alt: 45; Fr.: 33; So.: 20; So.: 18 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 15) Jacob Hiltebrand ; ein Bauer und Steindecker auß Gedern. alt: 43; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch. No 16) Peter Hartman ; ein Bauer aus dem Dorf Freiesehe. alt: 26; Fr.: 36; So.: 3 Jahr; To.: 6 Wochen; 4 Köpf. R.: Evangelisch. No 17) Michel Bopp ; ein Bauer von Frohnhaußen, Grafschaft Biedingen. alt: 36; Fr.: 36 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth. No 18) Joh. Georg Mänttler ; ein Bauer aus dem Württbergischen. alt: 32; Fr.: 34; So.: 2; So.: l Jahr; 4Köpf. R.: Evangelisch. No 19) Joh. Nieckel aus Maul; auß dem Anspaischen. alt: 32; Fr.: 21; 2 Köpf. R.: Evangelisch. No 20) Johannes Dörr; ein Bauer von Erbstadt, Fürstl. Heßischer Hoheit. alt: 44; Fr.: 49; To.: 12; To.: 7; So.: 4 Jahr; 5 Köpf.
Diese Colonie bestehet auß 20 wirthe, 17 Frauens, 41 Kindern; Summa: 78 Seelen. Kranck sind auf dieser Colonie: 8 Personen. Diese Colonisten haben fleißig gearbeitet; sie haben mit der Hand gerothet zu 10 Schefel erdoffeln, 12 morgen zu hirsche, welches sath ihnen gereichet worden von Herrn oberfürster Büttner; hat auch ein jeder Colonist eine Kuh bekommen; haben auch ihr Land mehrentheils geräumt vom Holtz, daß sie können eine gute winder ernde hinauß stellen. Diese Colonie ist die beste, vor allem, indem der erdboden allhier sehr gut ist.
Monatsschrift für Sippenkunde und Sippenpflege, Heft 6 und 7, 1939, Berlin
Ortsplan Tauentzinow (Ostenbrug)8
Johann Georg Sparwasser, geboren am 21. Mai 1768 in Büdesheim heiratet am 23. Dezember 1793 in Tauenzinow, wie Ostenbrug später genannt wurde, Maria Magdalena Copp (um 1773 -1813), aus dieser Ehe sind vier Kinder bekannt, Johannes (1794-1876), Katharine (1796-1872), Johann Peter (1798-1805) und Gottlieb (1805-1809).
Geburt Johann Georg Sparwasser 1768 im Büdesheimer Taufregister 1757-1807 (Archion)
Eheschließung von Johann Georg Sparwasser mit Maria Magdalena Copp 1793 in Carlsruhe (Pokoj) (LDS)
aus: Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9, p73, (von mir colorisiert)
Warum nun wanderte Johann Georg aus?
Die Erklärung ist tatsächlich das Wetter, Schlesien erlebte seit der Ansiedlung mehrere Jahre mit Missernten, bereits 1784/1785,1789, 1795, 1800 und 1803/1804 waren Hungerjahre12, da es teilweise extrem nass war, sodass wieder alles Getreide faulte, die Krankheits- und Sterberate durch den Hunger war in den Kolonien erheblich. Entsprechend suchte man sein Heil in der Flucht nach Süden, in der Hoffnung, hier nicht nur die versprochenen Siedlungsbedingungen zu finden, von denen die Werber für Russlands Kolonien sprachen, sondern vor allem endlich bessere Witterungsbedingungen, um keinen Hunger mehr zu leiden.
Geburtseintrag Johannes Sparwasser 5. März 1794 in Tauenzinow (Okoly), KB Carlsruhe (Pokoj) (LDS) – Vermerk bei Johannes und Vater Johann Georg „nach Russland“
So zogen man erneut in die Fremde, diesmal auf einem Weg von etwa 1.960 km, die Reise dauerte mindestens 5 Monate, eher mehr, da man mit dem Wagen, meist von Ochsen gezogen, selten Pferdefuhrwerke, mit Zwischenlagern und je nach Wetter nicht so schnell wie heute unterwegs war. Es gab keine gut ausgebauten Straßen, sondern unbefestigte Wege. Die 900 km aus Hessen nach Schlesien hatten bereits gute 2 Monate gedauert.
Wanderweg von Tauenzinow über Grodno Richtung Molotschna (google maps9)
Am 27. Februar 1804 passieren sechs Kolonistenfamilien, fünf hatten sich unterwegs angeschlossen, unter der Führung von Johann Georg Sparwasser den Kontrollpunkt Grodno (Hrodna). Die Sparwasser bekamen für den Zeitraum vom 26. Februar bis 10. März 1804, also 13 Tage, 9 Silberrubel und 10 Kopeken Verpflegungsgeld, und für die nächsten 40 Tage 28 Silberrubel, dazu in Banknoten und Kupfermünzen 50 Rubel Futtergeld für Pferde. Außer ihnen war nur noch eine Familie mit Pferden unterwegs.10
Nach kurzem Lager zogen sie innerhalb eines Monats nach Schitomir und erhielten auch dort ein Verpflegungsgeld von 21 Rubel zur Weiterreise, wie wir der erhalten gebliebenen Akte entnehmen können:14
Etwa Mitte Mai 1804 trafen sie in Jekaterinoslaw (Dnipro) ein, wo sie zusammen mit 209 anderen Familien für ein Jahr im Quartier lagen, ehe sie ihre Kolonistenstellen übernehmen konnten.
1805 finden wir im Zensus von Wasserau den Vermerk: Sparwasser, Georg 40, seine Frau Magdalena 37, seine Kinder Johann 16 und Catharina 14. Wirtschaft: 12 Rinder, 1 Pflug, 1 Egge, 1 Wagen.11
Johann Georg wird noch einmal heiraten, eine Witwe, seine Frau hat die Strapazen der Auswanderung ebenso wenig verkraftet, wie seine jüngsten Söhne. Die beiden ältesten Kinder bekommen noch ein kleines Geschwisterchen, ehe sie eigene Familien gründen.
Die zahlreichen Nachkommen finden sich heute nicht nur wieder in der alten Heimat Deutschland, sondern auch in den USA und Kanada.
Anmerkungen:
a1 rheinischer Morgen = 3176 m²
b1 Reichstaler = 1 ½ Gulden = 22 ½ Batzen = 30 Groschen = 45 Albus = 90 Kreuzer = 360 Pfennige = 384 Heller
c1 Reichsthaler in Preußen = 90 neuen Groschen zu je 18 Pfennig
dReverwirth – Ansiedler der ein Revers (Dokument) unterschreiben musste
Sachakte HStAD, R 21 B, NACHWEIS Sparwasser, Johann Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel: Schlesien. – Alter/geb.: 25 Jahre. Bemerkungen: Mit Frau. Zahlt 5 Gulden, 15 Albus für Loslösung von Leibeigenschaft
verz227144 Signatur: HStAD, R 21 B, NACHWEIS Beschreibungsmodell: Sachakte Titel: Sparwasser, Johann Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel:
2Hongersnood in Duitsland, 1637, Caspar Luyken (print maker), Johann David Zunnern (publisher) Kupferstich, Rijks Museum, Amsterdam, Objektnr. RP-P-1896-A-19368-1952, public domain
3Unglücks-Chronik oder die denkwürdigsten elementaren Verheerungen und Zerstörungen in Natur- und Kulturleben aller Zeiten. Wenger, J.:Verlag: Bern Verlag von Rudolf Jenni’s Buchhandlung (H. Köhler). (Ca. 1889)., 1889 p.49
4Chronik Stadt Ellrich von K. Heine, Rektor in Ellrich Ellrich. verlag der G Krause´schen Buchhandlung 1899, p20
5Abbildung Hungergedenkmünze aus: Die Auswirkungen der Hungerjahre 1770-1772 auf die letzte Großepidemie der Mutterkornseuche und die damals und in der Folgezeit veranlaßten Gegenmaßnahmen Von Karl Böning, München [Nachrichtenbl. Deutsch. Pilanzenschutzd. (Braunschweig) 24. 1972, 122-127] p.123
6Schlesienwanderer aus dem Freigericht Kaichen Fritz H. Herrmann Sonderdruck aus Band 9 der „Wetterauer Geschichtsblätter“ Friedberg L H., 1960 inkl. Karte Süssenrode
7Schuch’s Siedlerlisten von 1772 Friderizianische Kolonistenverzeichnisse aus Schlesien von Staatsarchivrat Dr. Karl G. Bruchmann 1939
10Litauer Grodnoer Schatzkammer Oktober 1803 bis 16. März 1809. RGIA Akte 347 Nr. 38 Akte freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Taurien e.V.
11Stumpp K. Die Auswanderung aus Deutschland nach Rußland in den Jahren 1763 bis 1862. – Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland. 8. Auflage, 2004
12Joachim Poppe: Podewils in Oberschlesien: Zur Geschichte des Dorfes im Kreis Oppeln. 250 Jahre Friderizianische Kolonisation Books on Demand 2022 9232
13Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9, p77 Hrsg. Stumpe, Friedrich. , Obmann der „Vereinigung der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft im Kreise Oppeln“ Verlag: Heimatkreisstelle Oppeln
14Listen des Gouverneurs von Schitomir. RGIA Akte 215 Nr. 1. Akte freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Taurien e.V.
Geschichtliche Ortsnachrichten von Brieg und seinen Umgebungen herausgegeben von Karl Friedrich Schönwälder, Professor am Königl. Gymnasium Erster Theil Einleitung, Vorstädte, Umgebung In Commission bei I. U. Kern in Breslau, Druck von G. Falck in Brieg 1845/1846
Dominik Collet: Die doppelte Katastrophe Klima und Kultur in der europäischen Hungerkrise 1770–1772 in: Umwelt und Gesellschaft Bd. 18 Herausgegeben von Christof Mauch und Helmuth Trischler 2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525355923 — ISBN E-Book: 9783647355924
Thore Lassen Hungerkrisen Genese und Bewältigung von Hunger in ausgewählten Territorien Nordwestdeutschlands 1690-1750 2016 Universitätsverlag Göttingen
Wikipedia
genealogische Recherche, Bildbearbeitung, inklusive Karten, und Text: Jutta Rzadkowski
Blicken wir zunächst kurz in die Geschichte, die Gründe für diese notwendige Besiedlung begann im Jahre 1453 nach dem Zerfall des Byzantinischen Reichs, als die Osmanen begannen, ihr Reich nach Europa auszudehnen. Viele Völker unterwarfen sich und zogen für die Osmanen in den Krieg, obwohl sie Christen waren (u.a. Griechen, Bulgaren, Albaner, Serben, Walachen), andere bekämpften die einfallenden Truppen erbittert, dazu gehörte die Republik Venedig, das Königreich Ungarn, die Habsburgermonarchie mit dem Heiligen Römischen Reich und Polen-Litauen, ab dem späten 17. Jahrhundert auch Russland.
Andere Europäer verbündeten sich mit den Osmanen gegen gemeinsame Feinde, so Frankreich und Schweden, Polen-Litauen im 17. Jahrhundert mit dem Khanat der Krimtataren.
Die Ausdehnung des Osmanischen Reiches168312
Am 14. Juli 1683 begann die Belagerung von Wien, am Morgen des 12. September begann der Angriff in der Schlacht am Kahlenberg des 80.000 Mann starken Entsatzheeres unter Polens König Jan III. Sobieski, der die Türken vertreiben konnte. So endete diese Besatzung.
Bildausschnitt aus dem Gemälde Belagerung und Entsatz der Stadt Wien im September 168313
Das erste habsburgische Impopulationspatent zum Zwecke der Wiederbesiedlung des im Kriege verwüsteten Königreichs Ungarn wurde von Kaiser Leopold I. bereits am 11. August 16891 erlassen.
1716 konnte auch das Banat nach 164 Jahren als letztes ungarisches Gebiet unter Prinz Eugen von Savoyen von der osmanischen Herrschaft befreit werden. Dieses Gebiet war das Grenzland zwischen den damals aufständigen Madjaren (Kuruzenkriege) und den ihnen freundlich gesinnten Türken, so wurde das befreite Banat zu einer Krondomäne und als unveräußerliches Krongut des Herrschers verwaltet, Privatobrigkeit durch Kirche oder Großgrundbesitzer gab es nicht.
1722/1723 wurde dem Preßburger Landtag ein Gesetzesentwurf2 zur Wiederansiedlung der leeren Landschaft und Sicherung der Region durch ausländische Kolonisten vorgelegt, dieser Zuzug wurde später als „Drei Schwabenzüge“ bekannt. Die Schwaben wanderten jedoch nicht nur innerhalb dieser besonders großen Auswanderungswellen, sondern auch in vielen kleinen in ihre neue Heimat.
Der Erste (Karolinische) Schwabenzug ins Banat war unter Kaiser Karl VI. 1723 bis 1726, mit etwa 15.000 – 20.000 Einwanderern aus dem Elsass, Lothringen, Hessen, Franken, Baden und der Pfalz. Ihre Ansiedlung erfolgte nach strategischen Gesichtspunkten zur Grenzsicherung entlang der nördlichen Grenze, der Marosch und im Süden entlang der Donau. Die Kolonisten gelangten so nach Guttenbrunn, Werschetz, Perjamosch, Deutschsanktpeter, Pantschowa, Weißkirchen, Jahrmarkt, Ulmbach, Tschakowa, Detta, Rekasch, Lugosch und Deutschbokschan.
Bereits am 8. Juni 1724 erfolgt ein Auswanderungsverbot des Erzbischofs von Trier3, die erzbischöfliche Regierung zu Trier warnt vor der Auswanderung nach Ungarn, die nur für Personen mit mindestens 200-300 Gulden Vermögen in Betracht käme, da alle Kosten der Übernachtung und Verpflegung selbst getragen werden müssen und der Kaiser überhaupt nicht arme Leute als Einwanderer im Banat haben will.
Grund dieser Maßnahme war vermutlich die zuvor erhobene Beschwerde15 von rund 500 schwäbische Untertanen, die sich auf der Durchreise nach Ungarn befanden, und sowohl in Marxheim als auch Wien erneut Fuhrgeld entrichten sollten, obwohl sie gemäß den ihnen verliehenen Privilegien von allen derartigen Abgaben befreit waren.
Es folgt am 28. August 1724 ein Patent des Schwäbischen Kreises gegen die Auswanderer nach Ungarn4. Der Bischof Johann Franz von Konstanz und Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg machten bekannt, daß künftig nur noch Familien mit entsprechenden Geldmitteln und einem Paß der kaiserlichen Hofkanzlei über die ungarische Grenze gelassen werden, da zahlreiche arme Auswanderer in Ungarn vom Betteln leben müssen und häufig sogar zurückkehren. Es wird grundsätzlich vor den Versprechungen falscher Kommissare gewarnt, die die Auswanderer betrügen wollen.
Am 11. Juni 1728 wurde in Wien zwischen der Hofkammer und dem kaiserlichen Kameral-Oberverwalter Johann Franz Falck ein Kontrakt5 über die Ansiedlung deutscher Kolonisten in Ungarn abgeschlossen. Falck verpflichtete sich, 150 in Acker- und Weinbau erfahrene Familien aus dem Römischen Reich für die Ansiedlung auf dem Kameralgut Rakamas bei Tokaj anzuwerben und für deren Transport auf eigene Kosten bis Ofen zu sorgen. Dafür verpflichte sich die Hofkammer, ihm für jede Familie den Betrag von 4 Gulden zu entrichten, ohne Abzug. Dazu erfolgt die Ausfertigung von diesbezüglichen Patenten durch die kaiserliche Reichshofkanzlei für die Werbung im Reich und von Pässen für den Transport.
Im Jahre 1734 gab es im Banat bereits 46 deutsche Ortschaften, bis 1773 wurden 31 Ortschaften neu gegründet und 29 Siedlungen erweitert.
Am 30. September 1736 veröffentlichte der kaiserlichen „Populations-Kommissar“ Joseph Anton Vogl eine in Ulm6. Versprochen wurden:
Kostenfreie Fahrt von Marxheim bei Donauwörth bis nach Temeschburg.
In fruchtbaren Gebieten soviel Äcker und Wiesen, Weide, Wald und Weingärten, wie selbst die reichsten Bauern in Deutschland nicht innehaben.
Die zum Beginn erforderliche Einrichtung mit: einem Haus für 30 Gulden, Wagen, Pflug und Eggen für 14 Gulden, 4 große Ochsen für 44 Gulden, 2 Pferde für 22 Gulden; 4 Kühe und Kälber für 40 Gulden; 2 Zuchtschweine für 3 Gulden und Nahrung bis zur ersten Ernte für 47 Gulden, zusammen 200 Gulden. Wer sich aus eigenen Mitteln diese Dinge anschafft, erhält fünf steuerfreie Jahre.
Nach fünf Jahren sind die gewöhnlichen Zehnten zu bezahlen; für seine Person jedoch nicht mehr als 6 Gulden. Ansonsten sind Abgaben von dem einzelnen Viehbesitz zu bezahlen.
Der erste Transport soll Mitte März 1737, der zweite am 15. Juni und der dritte am 15. September in Marxheim abgehen
Am 15. Oktober 1756 untersagt Fürst Joseph Wilhelm Ernst von Fürstenberg inoffiziell7, dass bemittelte Untertanen seiner Herrschaft in die österreichischen Lande ziehen, wobei er sich auf eine ähnliche österreichische Verordnung bezieht.
Der Zweite (Theresianische) Schwabenzug unter Kaiserin Maria Theresia 1763 bis 1773 siedelte aus allen Ländern des Kaiserreiches – Deutsche, Madjaren, Kroaten, Franzosen, Italiener, Spanier Bulgaren und Slowaken – aber auch aufständische, verbannte Salpetererfamilien aus dem südbadischen Hotzenwald und Einwanderer aus dem nördlichen Schwarzwald an. Rund 25.000 Katholiken strömten in die Dörfer der Banater Heide, darunter Hatzfeld, Tschatad, Großjetscha, Grabatz, Bogarosch, Marienfeld, Gottlob, Triebswetter und Billed. Mercydorf, Jahrmarkt, Sackelhausen, Lippa, Tschakowa, Neuarad und Bruckenau wurden in der Bewohnerzahl aufgestockt.
Am 11. Januar 1772 wird der Kaiserin die Impopulations Haupt Instruction8 vorgelegt. Diese enthielt 103 Paragraphen mit detaillierte Vorschriften zur der Ansiedlung von neuen Kolonisten im kaiserlichen Banat. Unter § 1 bis 5 wurden Grundsätze für die Landesvermessung geregelt, § 6 bis 25 regelten die Aufgaben der Ingenieure, § 26 bis 42 die Anlegung und Erbauung der Dörfer, § 43 bis 46 den Kirchenbau. Unter § 47 bis 72 die Art, die Kolonisten anzusiedlen, § 73 bis 79 behandeln das Rechnungswesen. § 80 bis 95 verschiedenen Einrichtungen und Veranstaltungen in den Dörfern, § 96 bis 100 das Gesundheitswesen, § 101 bis 103 Aufgaben der Landesadministration mit jährlich abzufassender, ausführlicher und gründlicher Hauptrelation und Aufstellung eines Entwurfs für das künftige Jahr.
Das Banat wurde im Jahre 1778 Ungarn zugeschlagen, so, wie es ein Vertrag aus dem Jahre 1741, den Maria Theresia mit den Ungarn geschlossen hatte, vorsah. Ihr Sohn Joseph II. verkaufte 164 Banater Orte später in öffentlichen Versteigerungen an den Meistbietenden. Die zuvor freien deutschen Bauern, die nur der Hofkammer unterstanden, wurden dadurch wieder Leibeigene.
Der Dritte (Josephinische) Schwabenzug Joseph II. 1782 – 1787 zog aus dem gesamten deutschen Sprachgebiet rund 30.000 Familien an. Diese mussten das unfruchtbare Wald- und Bergland im Südosten von Temeswar besiedeln, Hier entstanden Dörfer wie Bakowa, Nitzkydorf, Moritzfeld, Ebendorf, Liebling, Zichydorf, Freudenthal und mehr.
Karte Schwäbische Kolonien im Banat11
Am 18. April 1784 untersagten die Fürsten von Fürstenberg die Auswanderung aus der Baar9 und am 7. September 1784 wird in der Augspurgische Ordinari Postzeitung10 durch Franz von Blanc, wirklicher Hofrat und Landvogt der Grafschaft Ober- und Nieder-Hohenberg, bekannt gegeben, daß durch Befehl der allerhöchsten Behörde vom 23. August 1784 mitgeteilt wurde, daß in Galizien und Ungarn auf ein Jahr keine neuen Kolonisten angenommen werden, um die dort bisher eingetroffenen Kolonisten ordnungsgemäß unterbringen zu können.
Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft 1785 erhielten die Menschen das Recht auf Freizügigkeit, sie durften den Ansiedlungsort verlassen und gründeten weitere Tochtersiedlungen.
Am 16. Januar 1790 warnte Herzog Karl Eugen von Württemberg seine Untertanen vor übereilten Entschlüssen, sich durch in das Land eindringende Anwerber zum Auswandern veranlassen zu lassen. Als Drohung weist der Herzog darauf hin, daß bei einem Wegzug aus dem Lande eine Rückkehr in dasselbe ausgeschlossen sei.18
Auch die Batschka war nach dem Ende der Türkenkriege weitgehend verlassen. Seit 1699 in Besitz der Habsburger, profitierte sie mit dem Dritten Schwabenzug von überwiegend rheinhessischen Familien, die angeworben wurden und Torschau (ungarisch Torszà, serbisch Torža) 1784 als erstes von sieben protestantischen deutschen Dörfern (Bulkes, Jarek, Kleinker, Neuverbas, Sekitsch, Tscherwenka) gründeten. Erstansiedler Torschau (Torsza) 1784 (pdf)
Es folgte kurz darauf die Gründung von elf katholischen (Almasch, Besdan, Brestowatz, Tschonopel, Kernei, Kula, Palanka, Parabutsch, Miletitsch, Stanischisch und Weprowatz) und zwei protestantischen Dörfern (Schowe und Neu-Siwatz), hier lebten neben den Deutschen Siedlern auch Ungarn, Böhmen, Kroaten, Slowaken und Serben. Die Deutschen waren u.a. aus dem französischsprachigen Elsass, der Rhein- und Mosel Gegend, aber auch Schwaben.
Karte Schwäbische Kolonien in der Batschka und in der schwäbischen Türkei / Ofen Pest und Umgebung11
Wie erfolgte nun die Wanderung im Frühjahr 1784, kurz vor dem Auswanderungsverbot?
Die schwäbischen Siedler sammelten sich im Frühjahr 1784 aus zwei Richtungen, sie kamen über Nürnberg, bzw. Ulm, Günzburg, Donauwörth nach Regensburg, dort lagerten sie 3 Tage. In dieser Zeit wurden die Dokumente überprüft (Markierung in der Karte mit Zöllner), man musste eine Erlaubnis zur Ausreise als Kolonist vorlegen, seinen Reisepass und die Bewilligung, als Kolonist vor Ort angenommen zu sein.
Hier müssen wir uns von der Idee des armen Auswanderers verabschieden, niemand dieser Siedlungswilligen war wirklich arm, man musste eine Mindestsumme vorweisen können, in der Heimat seine Schulden tiilgen und eine Summe hinterlegen, vor Ort wurde ebenfalls eine gewisse Summe ausbezahlt zum Aufbau der Kolonistenstelle. Man fand Gelder von 500-2.500 Gulden in den Listen der Aussiedler, das nach Ungarn gezahlte Durchschnittserbe der Ansiedler waren 93 Gulden, dafür erhielt man in Ungarn im Schnitt 10 Ochsen.
Es wurden auch keine Ulmer Schachteln benutzt, sondern reguläre Flussschiffe. Die Ulmer Schachtel hatte den Sinn, vor Ort zerlegt zu werden, um das Holz zu nutzen. Die Siedlerschiffe waren dagegen mit richtigen Fahrgasträumen ausgelegt, Männer und Frauen wurden getrennt untergebracht waren. Die Kapitäne kehrten danach zurück.
Die Strecke Regensburg – Wien dauerte in der Überfahrt etwa 24 Tage. Man fuhr nur am Tage, weil die Donau im Sommer wenig Wasser führte, gefährliche Steine und Stromschnellen beobachtet werden mussten. In Wien wurden alle Dokumente in die Botschaft gebracht, nach der Prüfung wurden neue Dokumente zur Weiterfahrt ausgegeben.
Danach dauerte die Reise Wochen, viele Kolonisten kamen im Herbst an und wurden erst im Frühjahr darauf angesetzt (Tscherwenka, Neu Verbas z.B.). Dem oft geäußerten Wunsch in Wien, nach Polen abzuwandern, wurde nicht entsprochen, Polen war zu diesem Zeitpunkt voll besetzt und nahm keine Kolonisten mehr auf. Torschau (Torzsa) hatte im März 1784 angefangen, die Siedlungsfläche auszuweisen, daher der Zeitpunkt der Abreise. Da, wo das Komitat Baranya heute liegt, siedelte die Familie Tschamber, sie schrieb sich später Schamber und zog weiter auf die Krim. Ludwig Schamber (1798-1844) war mit Christina Sophia Traxel (*1799) verehelicht, sie heiratete nach seinem Tod Ludwig Friderich Geckle (1798-1851), wo sich der Kreis in meine Vorfahren schließt.
Wie üblich, gab es Freijahre, sie varrierten zwischen drei und 15 Jahren, je nach Beruf und Qualifikation des Kolonisten, als jedoch die Steuerzahlungen begannen, begann auch das Weiterziehen, so dass ab 1794 eine größere Abwanderung nach Russland einsetzte, die bis etwa 1807 anhielt, denn es lockte eine erneute Steuerbefreiung. Auswanderer aus Torschau (Torsza) 1794-1807 nach Russland (pdf)
Der genutzte Weg war häufig weiter die Donau hinunter mit dem Schiff, Reni, Ismail und Galatz waren Hafenstädte, die für die Kolonisten Quarantänelager hatten. Hier wurden nicht nur Pässe kontrolliert, sondern auch die Verteilung der Kolonisten vorgenommen, da sie zumeist einige Zeit lagerten, ehe sie sich in die zugeordnete Kolonie aufmachen konnten. Landpassagen waren äußerst beschwerlich, es dauerte wesentlich länger mit Karren und zu Fuß, einige Passstellen sind trotzdem auf dem Landweg von mir verzeichnet worden.
Quellen:
Wikipedia, Karten der Wanderung mit google earth selbst erstellt
2 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 1, München 1974, S. 85 f. Nr. 52; H. Rößler, Der Wiener Hof und der ungarische Landtag 1722/1723, in: Südostdeutsches Archiv 7 (1964) S. 110 ff
3 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 1, München 1974, S. 110 f.
4 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, München 1974, S. 118 f. Nr. 79.
5 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. vonA. Tafferner, Bd. 3, Stuttgart 1978, S. 178 ff.
6 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 1, München 1974, S. 136ff., TafelXInach S. 144.
7 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 2, Stuttgart 1977, S. 291 f. Nr. 355; O. Hienerwadel, Der Anteil der Baar am Schwabenzug nach Ungarn. II. Teil: Hergang bei der Abwanderung und Stellungnahme der fürstenbergischen Regierung dazu, in: Deutsch-Ungarische Heimatblätter 2 (1930) S. 323 f.
8 Impopulations Haupt Instruction, 1772 Jänner 11, 26 Blätter, Hofkammerarchiv Wien Archiv, Banater Akten, rote Nr. 154 A, fol. 44-69
9 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 2, Stuttgart 1977, S. 338 Nr. 379.
10 Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. ökonomischen Neuigkeiten Nro. 238 Montag, den 4. Oct. 1784, S. 4, Bayrische Staatsbibliothek
11 Paul Langhans – Deutsche Kolonisation im Osten I. Donau-Länder. Aus Langhans Deutscher Kolonial-Atlas, Karte Nr. 6. Gotha, Justus Perthes, abgeschlossen Februar 1897.
15 Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte, hg. von A. Tafferner, Bd. 4, Stuttgart 1982, S. 168 f. n. 734; Tafel V
16Porträt Maria Theresias, das sie als „erste Dame Europas“ in einem kostbaren Kleid aus Brabanter Klöppelspitze zeigt. Zu ihrer Rechten liegen die ungarische Stephanskrone, die böhmische Wenzelskrone und der österreichische Erzherzogshut als Symbole ihrer Macht und Würde (Gemälde von Martin van Meytens, um 1752). gemeinfrei, um 1752/53
Torzsa und seine Ansiedlung: aus Veranlassung des am 15. Mai 1884 abgehaltenen 100 jährigen Jubelfestes erzählt und herausgegeben Gustav Adolf Famler, ev. Pfarrer, Neusatz, Buchdruckerei v. A. Pajevics 1884
Zur Geschichte der deutschen Kolonien am Schwarzen Meer
Abschrift vom Original mit Ergänzungen von J. Rzadkowski
aus einem Brief von Jakob Großmann1
Neumontal.6 Diese Kolonie wurde im Jahre 1815 angesiedelt. Die Vorfahren der Bewohner von Neumontal ließen sich ebenfalls 1804 im Molotschnatale bei Altmontal nieder, brachen dann aber ihre Gebäude im oben genannten Jahr ab und siedelten auf der Steppe an, wo sie das Land bequem rings um das Dorf her haben. Dieses Dorf hat wie auch Grüntal und Andreburg bei der Bodenbearbeitung viel vor den Taldörfern voraus, weil das ganze Land keine Bodenerhöhungen aufweist. Das Dorf hat eine gerade Straße, die von Osten nach Westen führt. Höfe sind nur 40 mit ca. 242 Seelen (131 männl.,111 weibl.). Zur Kirche, Wolostamt und Doktor sind 12, zur Bahnstation Prischib 15 und zur Kreisstadt 58 Werst2. Die Schule ist ein älteres Gebäude. Die Fenster schmal, weshalb das Licht auch nur in ungenügendem Maße eindringen kann. In hygienischer Hinsicht lässt dasselbe überhaupt viel zu wünschen übrig. Die Bänke sind unpraktisch. Die Lehrerwohnung ist eng und klein, was übrigens auch im größten Teile der übrigen Dörfer dieser Wolost der Fall ist. Jeder Bauer beansprucht für sich und seine Familie 4 – 6 Zimmer – der Lehrer hat zwei, schreibe und sage zwei. Zu seiner Arbeit hätte er doch dringend ein besonderes Arbeitsstübchen nötig, aber – das muss er sich denken. Im Jahr 1912 waren 49 Schulkinder, die von einem Lehrer unterrichtet werden. Zeitweise hatte die Kolonie auch einen Hilfslehrer. Das Gehalt des Lehrers ist gering. Rechnet man die Belohnung für den Schreiberdienst, der mit Ausnahme Prischibs, Heidelbergs und einiger anderer Kolonien sonst leider überall noch mit dem Lehreramt verbunden ist, ab, so bleibt dem Lehrer höchstens – ein Knechtlohn. In Weinau und einigen anderen Orten hat man schon eingesehen, daß, da die Preise auf alle Lebensmittel und was man sonst zur Lebensnahrung und Notdurft gebraucht, so sehr gestiegen sind, der Lehrer mit einem Gehalt von 500 – 600 Rbl. nicht bestehen kann. – Hier sei noch ehrend eines Mannes – Jakob Bogdanowitsch Schwarz – gedacht, der, aus dieser Kolonie hervorgegangen, nach Absolvierung der Universität sich in Berdjansk niederließ, wo er zuerst гласный3 war, dann Präsident der Semstwouprawa4 wurde. In diesem Amt blieb er bis zu seinem Tode im Jahr 1909. Er tat viel für die Hebung der Bildung des Volkes. – Neumontal ist wie alle Dörfer auf der Steppe ein Ackerbau treibendes Dorf. Handel und Gewerbe sind schwach vertreten. Zum Dorf gehören 1.765,3 Deßjat.5 brauchbaren und 32,8 Deßj. unbrauchbaren Landes. Der Boden eignet sich vortrefflich zum Anbau aller Getreidearten. Da aber Ackerbau rationell betrieben wird, so sind die Ernten in den letzten zwei Jahrzehnten auch gute, selten mittelmäßige und unter mittel gewesen. Schöne Pferde sind der Stolz des Bauern, und für die Aufzucht schöner Tiere scheut er keine Kosten. Nach der letzten Statistik hatte das Dorf 285 Pferde, 195 Stück Rindvieh und 105 Schweine.
Foto Neumontal6, im Vordergrund die Schule [koloriert J. Rzadkowski]
Neumontal, gegründet 1816 (evang.)7, 21 Fam. kamen aus Altmontal
1 Baitinger, s. Friedrichsfeld Nr. 16
2 Bischler
3 Ebert, s. Alt-Montal Nr. 34: Ebert, Georg 41, aus Hochstetten/Karlsruhe-Ba. seine Frau Maria 36, seine Kinder Jacob 17, Elisabeth 17, Georg 16, Regina 12, Adelgunda 11, Christina 6, Mathias 5, Maria 4 und Frantz 1. Wi: 5 Rd. und 1 Wag.
4 Gilling
5 Grosse
6 Guggenheimer, s. Hochstaedt Nr. 28
7 Hoffmann
8 Jung
9 Kaefer, s. Alt-Montal Nr. 6: Kaefer, Jacob 30, aus Muenchweiler/Pirmasens-Pf, seine Frau Magdalene 30, sein Sohn Jacob 3, seine Brueder Valentin 25 und Adam 16. Wi: 3 Pfd., 4 Rd., 1 Pfl., 1 Wag., 1 Sprd.
10 Keck aus Nordheim/Heilbronn-Wue
11 Kirschmeier, s. Alt-Montal Nr. 44: Kirchmeyer, Michael 31, seine Frau Anna 25, seine Kinder: Johann 6, Michael 3, Ferdinand 2, Anna 1, „Wirths Mutter“ Anna 61, Sohn Gottlieb 25 und Tochter Maria 20. Wi: 5 Rd., 3 Schw., 1 Pfl., 1 Wag. und 1 Sprd.
12 Koehler, s. Leutershausen Nr. 19
13 Kuebler, s. Alt-Montal Nr. 7: Kuebler, Michael 31, seine Frau Anna 45, seine Kinder Heinrich 17 und Anna 13. Wi: 7 Pfd., 11 Rd., 8 Schw., 1 Pfl., 1 Egg., 1 Wag., 1 Sprd. und 1 Wbst.
14 Leippi, aus Steinfurt/Sinsheim-Ba
15 Lutz, s. Hochstaedt Nr. 19
16 Mermann
17 Morast aus Schriesheim/Mannheim-Ba
18 Nasseide
19 Neuberger, s. Friedrichsfeld Nr. 19
20 Neusser
21 Olegaln?
22 Ott aus Ehrstaedt/Sinsheim-Ba
23 Palmtag, s. Weinau Nr. 17
24 Pfeffer, Jakob Ullrich siehe Alt-Montal Nr. 49, Pfeffer, Ulrich 39, seine Frau Catharina 27, seine Kinder Carolina 4 und Johann 3. Wi: 3 Pfd., 3 Rd., 1/2 Pfl. und 1 Wag.
1 Abdruck in der Eureka Rundschau, 24. Oktober 1917
2 1 Werst = 1,0668 Kilometer
3 гласный (glasnyy) im vorrevolutionären Russland: Mitglied der lokalen Regierung (z.B. Stadtduma)
4 Semstwo = eine Form der Selbstverwaltung der Kreise und Gouvernements in Russland 1864 – 1917, bestand aus Vertretern des Adels, der Bürger und der Bauern; der Wahlmodus sicherte die Vorherrschaft des Adels. Uprawa = Verwaltung
Alt-Schwedendorf – Staroschwedske – Gammalsvenskby, der nordöstlichste Gemeindeteil der Gemeinde Smijiwka, welche sich in der südukrainischen Oblast Cherson befindet. Dieses wurde von schwedischen Siedlern 1781 gegründet. Auch heute lebt noch eine kleine schwedische Minderheit im Dorf, welche noch immer schwedisch sprechen.
Auszug aus der „Statistisch-historischen Beschreibung der Kolonien im schwedischen Gebiet betreff ihres 100-Jährigen Bestehens von Wilhelm Isert, 1904. Lehrer an der Schule zu Schlangendorf, Gouv. Cherson.
Seite 3: Statistischer Teil, 1. Grund und Boden.
Das ganze schwedische Gebiet umfasst einen Flächenraum von 8.700 Dessj. brauchbaren und 2.588 Dessj. unbrauchbaren Landes, von welchem im Ganzen auf die Steppe 9.700 und auf die Dnjeperniederung 1.588 Dessj. kommen. Dieses Land zieht sich in einer Ausdehnung von ungefähr 6 Werst Breite und bis 12 Werst Länge nordöstlich am Dnjeperufer entlang, wodurch, wie ersichtlich, der für eine gedeihliche Wirtschaftsführung so nachteilige Übelstand sich ergiebt, dass die Plane der Kolonien ausserordentlich schmal und lang werden mussten.
Seite 3: Statistischer Teil, 1. Grund und Boden.
Das ganze schwedische Gebiet umfasst einen Flächenraum von 8.700 Dessj. brauchbaren und 2.588 Dessj. unbrauchbaren Landes, von welchem im Ganzen auf die Steppe 9.700 und auf die Dnjeperniederung 1.588 Dessj. kommen. Dieses Land zieht sich in einer Ausdehnung von ungefähr 6 Werst Breite und bis 12 Werst Länge nordöstlich am Dnjeperufer entlang, wodurch, wie ersichtlich, der für eine gedeihliche Wirtschaftsführung so nachteilige Übelstand sich ergiebt, dass die Plane der Kolonien ausserordentlich schmal und lang werden mussten.
Seite 4/5 : Bevölkerung.
Der ganze Flächenraum des schwedischen Gebiets wurde ursprünglich den, durch die Kaiserin Katherina II aus der Leibeigenschaft frei-gesprochenen, und von der Insel Dagö – aus den Kirchspiel Roisk – zur Ansiedlung hierher gewiesenen Schweden bestimmt und zugeteilt. Es war ihnen gestattet, ein geeignetes Stück Land auf der ganzen Strecke von Nikopol bis Berislaw {Kisik-Kirmen) zu wählen. Die Anzahl der Schweden kann nicht mehr genau ermittelt werden, muss sich jedoch auf 1.200 Seelen beiderlei Geschlechts belaufen haben, die denn auch hinlänglich gewesen wären, den ganzen Plan zu besiedeln. Sie verliessen ihre alte Heimat unter Aufsicht und Führung eines ihnen von der Regierung beigegebenen Beamten – Iwan Maximowitsch Sinelnikow – am 20. August 1780 und kamen am 1.Mai 1781 hier an. Den Winter des Jahres 1780 verbrachten sie in der Nähe von Poltawa im Dorfe Restschitilowka. – Im Jahre 1794 wurden durch Potjemkin noch 30 Kriegsgefangene schwedische Soldaten aus Theodosia hierher zur Ansiedlung beordert. Auch aus Italien sind zwei Familien hier angesiedelt worden, nämlich Krakowsky. Der Stammhalter war aus der Stadt Scala – in Italien – gebürtig.
Seite 6:
Das veränderte Klima aber hatte schon unterwegs so nachteiligen Einfluss auf die Gesundheit der Auswanderer, dass grosse Massen hinstarben und nur 70 Familien hier ankamen, Auch hier starben in der ersten Zeit noch viele, hauptsächlich an der Ruhr, so z.B. im ersten Jahr ihres Wohnens hieselbst 318, und im zweiten 116 Personen, bis man sich endlich mehr und mehr an die veränderte Luft und Temperatur gewöhnte und demnach die ungewöhnliche Sterblichkeit nachliess. Es blieben 30 Familien mit einer Seelenzahl von 71 Seelen männlichen und 64 Seelen weiblichen Geschlechts nach. Diese ungewöhnliche Sterblichkeit hatte natürlich auch zur Folge gehabt, dass die ökonomischen Verhältnisse darunter sehr litten, und die Schweden auf keinen grünen Zweig kommen konnten. Es ist deshalb gar nicht zu verwundern, wenn die Regierung im Jahre 1802 die Schweden, welche das 30. Lebensjahr erreicht hatten, zur Verheiratung zwang. Wer dieser Forderung kein Gehör leisten wollte, musste 1 Jahr Hirte sein und wären nicht die Deutschen hergekommen, wer weiss ob die Schweden nicht ganz ausgestorben wären!
Seite 8:
Im Jahre 1804 zählte die Kolonie Alt-Schwedendorf 97 Seelen männlichen und 91 Seelen weibl. Geschlechts und besass: 80 Pferde, 612 Stück Hornvieh, 692 Schafe, 233 Schweine, 23 Pflüge, 33 Eggen, 37 Wagen, 30 Spinnräder und 21 Webstühle. Jetzt zählt die Kolonie Alt-Schwedendorf 710 Seelen männl. und weibl. Geschlechts und besitzt 2701 Dessj. brauchbaren und 545 Dessj. unbrauchbaren Landes, 501 Pferde, 556 Stück Hornvieh und 309 Schweine, 75 Pflüge, 150 Eggen, 60 Mähmaschinen und 150 Wagen.
Seite 10:
Da nun die Anzahl, der ursprünglich für das hiesige Gebiet bestimmten schwedischen Ansiedler durch die ungewöhnliche Sterblichkeit der ersten Jahre so ausserordentlich sich vermindert hatte, wurden später auf diesem Gebiete von der Krone hoch drei andere Kolonien angesiedelt. Schon 1786 kam ein Transport Einwanderer als der Gegend der preussischen Stadt Danzig hier an, um hier angesiedelt zu werden. Sie verliessen aber schon im folgenden Jahre den hiesigen Ansiedlungsplan wieder und wurden 15 Werst von der Stadt Elisabetgrad sesshaft, und die Besiedlung des hiesigen Planes blieb anstehen bis zum Jahr 1804, wo die Kolonie Schlangendorf zuerst mit 19, Mühlhausen mit 16 und Klosterdorf mit 30 Wirten gegründet wurden.
Seite 11/12:
Im Mai des Jahres 1805 kam noch ein Transport neuer deutscher Auswanderer, zirka 35 Familien, meistens römisch-katholischer Konfession, hier an und Hessen sich in den Kolonien nieder. Die Schlangendörfer kamen aus den früheren polnischen, damals preussisch gewordenen Wäldern der jetzigen Provinz Posen, auch aus Würtemberg, Hessen-Darmstadt, Elsass-Lotringen u.a. Gegenden. Die Klosterdörfer kamen meistens aus Österreich, die Mühlhäuser hatten sich aus Würtemberg, Preussen der Schweiz, Baden, Polen u.a. Ländern zusammengefunden. In den Adern mehrerer Kolonisten-Familien der Kolonien Schlangendorf und Mühlhausen fliesst nicht nur germanisches, sondern auch mongolisches Blut. Der ausgeprägte mongolische Typus dieser Personen lässt auch heute noch mit Bestimmtheit auf diese merkwürdige Erscheinung schliessen. Der Ur- grossvater der jetzt sehr zahlreichen Familie Quadrizius, Andreas Quadrizius, aus Sachsen gebürtig, heiratete, nachdem er längere Zeit in Russland gelebt, ein Tatarenmädchen. Der Überlieferung nach wäre diese Verheiratung auf Wunsch und Willen der Kaiserin Katharina II geschehen. Nachdem die Kolonisten mehrere Jahre hier gelebt hatten, wurden noch mehrere Familien aus dem Molotschnaer, Josephstaler und Mariupoler Gebiet der Kolonien angesiedelt.
Quelle: Records of the National Socialist German Labor Party (NSDAP) : National Archives Microcopy no. T-81 Verfasser: Deutsches Ausland-Institut (Stuttgart) (Main Author) American Historical Association. Committee for the Study of War Documents (Added Author) Veröffentlichung: Washington, D.C. : American Historical Association. American Committee for the Study of War Documents, 1956 Mikrofilm 008878487 Frame 2463685 ff.
Aus „1838 – 1913 Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Kaisertal, Gouvernement Taurien, Kreis Melitopol, Wolost Eugenfeld) in den ersten 75 Jahren ihres Bestehens.” Jubiläumsschrift, herausgegeben im Verein mit mehreren Gemeindegliedern von J. Stach, Pastor. Verlag Eugenfeld“, Ergänzungen und Anmerkungen Jutta Rzadkowski
Die Ansiedlung
Die Kolonie Kaisertal wurde im Frühling 1838 von folgenden 49 Wirten angesiedelt:
Nr.
Namen d. Ansiedler
Wo geboren
Aus welcher Kolonie anges.?
Wann gestorben?
1.
Jakob Keck
unbekannt
Kronsfeld
1885
2.
August Büschler
„
Hoffental
1889 zu Johannesruh
3.
Christian Fust
„
Walldorf
13.Sept. 1872, 61 J.
4.
Christoph Nagel
„
Tiefenbrunn
unbekannt
5.
Fredrich Linder
„
Leitershausen
„
6.
Karl Ullrich
„
Karlsruh
10.Okt. 1864, 75 J.
7.
Karl Wundersee
„
„
1. Juli 1868, 62 J.
8.
Michael Bloch
Polen
Tiefenbrunn
25. Juni 1878, 77 J.
9.
Gottlieb Büschler
unbekannt
Hoffental Vater v. Nr. 2.
1885
10.
Johann Maihöfer
„
Friedrichsfeld
10.Nov.1864, 51 J. 8 Monate
11.
Michael Kirchmeier
„
Neumontal
1855
12.
Philipp Meier
„
Leitershausen
gest. bei Kertsch
13.
Karl Kühne
„
Durlach
26. Sept.1864, 50 J. 9 M.
14.
Friedrich Leinich
„
Kronsfeld
d. erste, der v. d. Ansiedlern starb
15.
Friedrich Schatz
„
„
wand. n. Grusien aus
16.
Karl Märtins
„
Karlsruh
31. Juli 1876, 64 J. 8 M.
17.
Gottlieb Föll
Reichenberg i. Württ.
Reichenfeld
14. März 1880,70 J
18.
Johann Fischer
Deutschland
Neunassau
2. Juli 1877, 60 J. 10 M., als Landb. i. Ebenfeld.
19.
Gottlieb Hein
unbekannt
Tiefenbrunn
unbekannt
20.
David Renner
„
Weinau
1863
21.
Friedrich. Dreher
„
Prischib
1846
22.
Johann Hessel
„
Reichenfeld
1857
25.
Christoph Freund
Reichenfeld
„
1. März 1868, 50 J.
24.
Alex. Burghardt
Jekaterinosl.
Prischib
29. Dez. 1889,77 J. 8. M.
25.
Michael Lörke
unbekannt
Rosental
1887
26. .
Karl Seel
„
Neunassau
26. Juni 1864, 55 J.
27.
Jakob Schlecht
St.Petersh.
Kronsfeld
7. Febr. 1875, 64 J.
28.
Gottlieb Jekel
unbekannt
Rosental
1891
29.
Adam Ebinger
„
Hochstädt
1855 in Okretsch
30.
Friedrich Sanne
„
Altmontal
12. Sept. 1888, 78 J. 7 M.
31.
Christian Balle
„
Kronsfeld
unbekannt
52.
Nikolaus Eva
„
Karlsruh
1861
33.
Michael Breit
„
Prischib
1854
34.
Sebastian Föll
Steinheim a. d. Murr in Wü.
Karlsruh
1. Aug. 1897, 91 J. 5 M.
55.
Johann Ruff
unbekannt
Weinau
unbekannt
36.
August Probst
„
Altmontal
31. Mai 1882,72 J. 4 M.
37.
Christian Konrad
„
Rosental
1885
38.
Friedrich Galster
Polen
Durlach
17. Apr. 1866, 65 J.
39.
Karl Märtins
unbekannt
Karlsruh
31. Juli 1876, 64 J. 8 M.
40.
Gottlieb Erstein
„
Prischib
unbekannt
41.
Georg Morgenstern
„
Altnassau
„
42.
Johann Ziebarth
Polen
Hochstädt
30. Okt. 1892, 87 J.
45.
Johann Fust
unbekannt
Walldorf
18. Dez. 1866, 59 J.
4
Christian Harwardt
„
Weinau
17. März 1891, 84 J. 7 M.
45.
Johann Polle
Stockholm
Kronsfeld
14. Apr. 1884, 83 J. 3 M.
46.
Gottlieb Ruf
unbekannt
Weinau
29. Apr. 1872, 55 J.
47.
Jakob Ullrich
„
Durlach
12. Nov. 1877, 57 J.
48.
Johann Wolf
unbekannt
Friedrichsfeld
1855
49.
Jakob Weber
„
Neunassau
1898
Freiwirte:
1.
Joh. Andreas Beek
Gouv. St. Petersburg
Karlsruh
6.Aug.1867, 45 J. 3 M.
2.
Georg Morgenstern
unbekannt
Altnassau
unbekannt
3.
Friedrich Seel
„
Neunassau
„
Abschrift DAI, Kommando Stumpp 1941
Alle Siedler aus den alten Mutterkolonien an der Molotschna waren junge Leute, die ohne Hof blieben und daher beschlossen, neues Land zu besiedeln. Nach langen Verhandlungen gab es Land von der Krone, jedoch keine weitere Unterstützung. Ein großes Problem war die Bedingung, dass die Siedler nicht ohne Kühe zur Ansiedlung aufbrechen durften, was Nachverhandlungen erforderte.
Die ersten Siedlungsjahre waren sehr schwer, zunächst wurden die Parzellen zu je 60 Dessjatinen (etwa 65 1/2 Hektar) festgelegt, man brach nach Ankunft 1838 das Land um, bestellte den Acker, grub einen Brunnen und baute sich einfachste Lehmhütten zur Unterkunft.
Das Land befand sich im Tal einer Hügelkette, die in späteren Jahren als „die alte Wertschaft“ bezeichnet wurde, hier befand sich zur Ansiedlung bereits ein altes Gebäude. Im zeitigen Frühjahr wurde dieses Gebiet aufgegeben und an seiner Stelle der heutige Siedlungsstandort gewählt.
Ein Teil der Siedler war gegen diesen Ort, weil ihnen eine Überschwemmung im Frühjahr durch den kleinen Utljuk-Fluss wahrscheinlich schien. So entschied der Dorfschulz, die Befürworter des Ortes sollen rechts siedeln, die anderen nach links, wobei sich die rechte Seite durchsetzte. So entstand das neue Dorf mit breiter Hauptstraße, rechts und links davon die Gehöfte mit ihren Gärten.
Warum das Dorf den Namen Kaisertal trägt, ist allerdings ungeklärt, sein russischer Name Золота Долина bedeutet „Goldenes Tal“.
Die Kolonie befand sich etwa 24 Werst südöstlich der Kreisstadt Melitopol, wobei 1 Werst = 1,0668 Kilometer entspricht. Um Bauholz zu beschaffen, musste man mit dem Ochsenkarren nach Iwanenko und Kamenka, eine Entfernung von 70 bis 100 Werst, Zimmermannsbretter mussten aus Jekaterinoslaw beschafft werden, über 200 Werst entfernt. Ebenso schwierig war der Weg zur Mühle in Schönwiese, in der Nähe der Stadt Alexandrowsk am Dnjepr, die rund 130 Werst entfernt lag, Getreidehandel fand in Berdjansk statt, ebenfalls rund 120 Werst entfernt. Daher gründeten die Siedler bereits im Jahr ihrer Ankunft ein Transportunternehmen.
Kleine Gemeindechronik
1838 war sehr verregnet, so verfaulte ein Teil der geringen Getreideernte, die Schilfdächer der Lehmhäuser stürzten ein. Nur mit größter Anstrengung gelang es den Siedlern, sich notdürftig auf den ersten Winter vorzubereiten, trotzdem wurden die Kinder unterrichtet, Carl Märtins (1811-1875), genannt „Krim-Märtins“, unterrichtete die Kinder gegen eine bescheidene Entschädigung der Gemeinde in seinem eigenen Haus, wo er Sonntags-, Fest- und auch Lesegottesdienste abhielt, da der Pfarrer die Gemeinde nur zweimal im Jahr besuchte, weshalb die zu konfirmierenden Kinder jedes Frühjahr nach Molotschna fuhren.
Da es zunächst weder eine Kirche noch eine Kirchenglocke gab, wurde ein hölzernes „Kirchenbüchel“ eingeführt, welches jeden Sonntagmorgen vor Beginn des Gottesdienstes von Haus zu Haus zirkulierte. Wenn das „Kirchenbüchel“ nicht ausgegeben wurde, fiel der Gottesdienst aus. Wer dem Gottesdienst fernblieb, zahlte 10 Kopeken Strafe. Um sich vor Raubüberfällen, wilden Tieren und Feuern zu schützen, gab es einen Nachtwächter- und Gerichtsvollzieherdienst, den jeder Wirt abwechselnd wahrnahm. Dazu übergab der diensthabenden Nachtwächter die eiserne „Gemeinschaftslanze“ und der Gerichtsvollzieher den hölzernen „Bürgermeisterhammer“ an den jeweils Beauftragten.
Der Gerichtsvollzieher ließ Bestrafungen durchführen, Männer wurden mit der Rute geschlagen, bei Diebstählen musste man mit den gestohlenen Gegenständen durch das ganze Dorf ziehen und die Männer riefen die Namen der gestohlenen Gegenstände. Für verbotenes Tanzen oder Streiche wurden die Jugendlichen mit gemeinschaftlicher Arbeit bestraft, wie dem Ausheben von Gräbern, dem Ausheben von Löchern für Zaunpfähle und so weiter.
Bereits 1839 kam der Lehrer Schill nach Kaisertal und 1840 wurde das erste Bet- und Schulhaus mit Lehrerwohnung gebaut, dringend notwendig, da es über 100 Schulkinder gab. Im gleichen Jahr wurde auf behördliche Anordnung die Anpflanzung von Obstbäumen vorgeschrieben. Bei einer Zählung 1864 hatte Kaisertal auf den 49 Höfen 6.300 Obstbäume und 86.522 in Waldstücken und Baumschulen gepflanzte Bäume und Setzlinge, eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, nach dem Regenjahr folgten Dürren. Eine Missernte wechselte sich mit der nächsten ab, immer wieder musste um Hilfeleistung aus der Mutterkolonie Molotschna gebeten werden. Alles war vonnöten, Brot, Saatgetreide, Viehfutter und alles musste per Ochsenkarren herangeschafft werden, die Fuhrleute auf den langen Wegen hungerten ebenfalls, da in der Steppe keine Unterkunft zu finden war.
Die Enttäuschung der Siedler war groß und mancher entschloss sich, Kaisertal zu verlassen, die Abwanderung wurde jedoch 1843 behördlich untersagt, da mancher nach Grusien aufbrach, wo es seit 1818 deutsche Kolonien gab, die recht erfolgreich wirtschafteten.
Der Ackerbau erlitt weiterhin teilweise völlige Ernteausfälle (1848, 1855 nach Heuschreckenplage, 1863, 1864, 1871, 1873, 1887), man verfütterte die Strohdächer an das Vieh als Futter, nur die Schafzucht half über die Zeiten der bitteren Not. Trotz allem war der Fortschritt nicht aufzuhalten,
Um 1850 errichtete der Siedler Galster die erste Ziegelei und bald wichen die Lehmhütten massiven Gebäude aus gebrannten Ziegeln, zudem errichtete er die erste Putzmühle für das Getreide. Im Haus des Siedlers Maihöfer wurde ein Laden von einem Kondakower eröffnet.
Der Krimkrieg verlangte den Kaisertalern einiges ab, da vom 26. März bis 17. November 1855 in 54 Transporten 10.711 Kranken in ein eigens geschaffenes Lager gebracht wurden. Für den Krankentransport waren jeweils ein Beamter, ein Chirurg, ein Arzt oder Assistenzarzt und weiteres Hilfspersonal zuständig. Die Beerdigung verstorbener Soldaten erfolgte meist im Beisein von Offizieren.
Die durchreisenden Soldaten litten häufig an Typhus und Ruhr. Durch Infektionen verbreiteten sich die Krankheiten im gesamten Kaisertal und dadurch wurden etwa 10 Familien ihres Hausherrn und Versorgers beraubt.
Die Gemeinde spendete drei Waggons mit Kartoffeln und Hafer und beteiligte sich aktiv, oft unter Lebensgefahr, am Transport von Heu und Hafer von Sewastopol zum Einsatzgebiet. Auf einem solchen Transport kam der Kaisertaler Siedler Ebinger auf der Krim ums Leben.
Am 6. Oktober 1857 wurde die junge Frau Margaretha Föll abends auf dem Heimweg von einem Tanz am elterlichen Gartenzaun ermordet aufgefunden, der Täter nie ermittelt.4
Ein weiteres, besonders tragisches Unglück folgte am 1. März 1862. An diesem Tag sollte die Hochzeit von Christian Schatz und Katharina Wundersee stattfinden. Am frühen Morgen fuhren Braut und Bräutigam in Begleitung von 6 Personen zur Trauung in den etwa 60 Werst entfernten Pfarrort Hochstädt. Plötzlich kam von weit oben im Flusstal von Nowonikolajewka durch warmes Tauwetter und Schneeschmelze ein Hochwasser und der Wagenkasten wurde mit Wasser gefüllt. Es ertrank die ganze Gruppe zusammen mit den Pferden. Das Wasser, welches erst nach drei Tagen zurück ging, bedeckte sogar die Pferde so weit, ihre Köpfe wären auch dann bedeckt gewesen, wenn man sie hoch gehalten hätte. Die Namen der Unglücklichen lauten: Bräutigam Christian Schatz (*1840), Braut Katharina Wundersee (*1841), Daniel Föll, Katharine Galster (*1845), Bruder Jakob (*1844) und Schwester Rosina Schatz (*1842), darunter die beiden Fuhrleute Bruder der Braut Christian Wundersee (*1836) und Johann Gerbershagen (*1825).
Vorstehendes Brautpaar Christian Schatz und Katharina Wundersee ist mit den diesselbe begleitenden sechs Personen am 28 Februar 9 Uhr Vormittags in einem bedekten Wagen von Kaiserthal nach Hochstädt abgefahren um sich am 1 März in der hiesigen Kirche trauen zu lassen, allein sie kamen nur 20 Werst weit wo sie nahe bei dem Dorfe Schilowky in einem Thal zwischen zwei Dämmen in den, durch den schnellen Abgang der grossen Schneewasser des Gewässer schnell und hoch angeschwollen und gespannt war, sämtliche acht Personen ertrunken gefunden wurden. Vorstehende drei ertrunkene Personen sub. No. 55, 56 und 57 sind nach gerichtlicher Untersuchung und Erlaubnis zur Beerdigung, von dem Schullehrer Ludwig Dieno ohne die Ankunft oder einen Auftrag des Orts Predigers abzuwarten, eigenmächtig auf dem Gottes Aker zu Kaiserthal zur Erde bestattet worden. Beerdigt am 09.03.1862 Vorstehende fünf Personen sub. 58 bis No. 62 inclusive sind in Folge gerichtlicher Untersuchung und Erlaubniss zur Beerdigung eingesegnet und beerdigt worden auf dem Gottes Aker zu Marienfeld von dem Pastor Föll. Beerdigt am 10.03.18624
So kam es, dass dieser Tag zu einem jährlichen Bußtag innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland wurde, an dem niemand eine Hochzeit feiern durfte. Dieses Unglück war ein weiterer Grund für die Gründung der Eugenfelder Pfarrei.
Bereits in den Jahren 1858 und 1859 wurden wegen der Ernteausfälle der vergangenen Jahre zur Notversorgung ein Gemeindegetreidelager gebaut mit Vorrat an Brotgetreide zum Backen und Saatgut. Dieser Vorrat war auch deshalb notwendig, da die Gemeinde jährlich 60 % des geernteten Getreides zur Zahlung von Sachsteuern abgeben musste. So erhielt der Pferdeinspektor 7 ½, derSchullehrer 18 ½, die Hirten 30 und die Nachtwächter 4 Tschetwert (1 Tschetwert enthält rund 210 Liter Getreide). Aus Steuern und Pachten der Gemeinde erhielt der Lehrer 140 Rubel und 3 Dessj. Land, der Pfarrer 100 Rubel, der Bürgermeister 50 Rubel, der Arzt 25 Rubel und die Hirten 150 Rubel für ihre Arbeit.
Gegen Ende der 1850er und zu Beginn der 1860er Jahre begann das Handwerk zu blühen, ging jedoch kurze Zeit später wieder zurück, da die Handwerker nicht mit den Anforderungen der damaligen Zeit durch die Gründung von Fabriken Schritt halten konnten, so blieb ihnen überwiegend der Wagenbau und andere einfache Arbeiten. Im Allgemeinen fehlten den Handwerkern zudem die Kenntnisse über den Bau und die Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte. Jeder, egal wie unfähig, hatte das Recht, sich Meister zu nennen und mit dem beruflich fähigen Arbeiter zu konkurrieren, die bestehenden Gesetze waren für die Handwerker damals insgesamt sehr ungünstig. Entsprechend dominierten die Hersteller landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen der Mennonitengemeinde den Markt.
Zu dieser Zeit wurde auch der Maisanbau eingeführt, da er das Land für den Getreideanbau verbesserte und Ernteausfälle kompensierte. Seit Mitte der 1860er Jahre wurde zudem der Weizen nicht mehr nach Berdjansk gebracht, sondern nach Genitschesk.
Es erfolgte die Gründung eines Männergesangsvereines 1864, der 1914 sein 50. Jubiläum feierte.
Der Grundstein für den Neubau eines Schul- und Bethauses aus gebrannten Ziegeln wurde 1866 mit der Einweihung während des Reformationsfestes am 23. Oktober gelegt. Dieses Schulhaus war lange Zeit das größte der Pfarrei, so dass fortan Konfirmationen und große Pfarrgottesdienste in Kaisertal abgehalten wurden.
Mit öffentlichem Rundschreiben vom 21. Mai 1869 unter Nr. 5393 teilte man den den Dorfämtern mit, das sie es sich zur Aufgabe zu machen haben, den Unterricht in den Dorfschulen zu verbessern und die jungen Leute mit zeitgemäßem Wissen für das zukünftige Leben auszustatten; durch den Einsatz von Lehrkräften, die ausschließlich in diesem Bereich kompetent sind und keinem anderen Nebenziel nachgehen dürfen. Es gab gut gemeinte Anregungen an Geistliche und Lehrkräfte zur freiwilligen Umsetzung und vor allem eine Verlängerung des Schuljahres, bisher war nur im Winter Unterricht, nun sollte am Ende der Frühjahrssaat bis Ende Mai und dann Mitte oder Ende August erneut der Unterricht beginnen. In den 1870er Jahren wurden Heinrich Fust, Friedrich und Gottlieb Polle an die Prischiber Zentralschule geschickt.
Zu Beginn der 1870er und frühen 1880er Jahre konnten erstmals größere Flächen mit Winterweizen eingesät werden, da man nun den sächsische Pflug und den Spindelmäher verwendete. Jedoch verlief der Beginn der 1870er recht unerfreulich, 1871 wurden die Kolonien der Gemeinden Prischib und Hochstädt von verheerenden Bränden heimgesucht, die Ernte war nicht nur sehr schlecht, die Getreidepreise auch extrem niedrig.
Spindelmäher (Haspelmähmaschine)
Im September 1871 waren Wahlen, am 20. September wurde Friedrich Leinich, ursprünglich Kaisertaler Kolonist, vom Pfarrer als erster Oberbürgermeister (Oberschulz) des Regierungsbezirks Darmstadt vereidigt.
Dann wütete 1872 in Mordwinowka und Umgebung die Cholera, der Herr Cornies vom Gut Taschtschenak und der Kaisertaler Kolonist Christian Fust zum Opfer fielen und 1873 kam es zu einem erneuten totalen Ernteausfall.
Die Unglücke wollten nicht abreißen, am 27. Februar 1875 verfing sich der sechzehnjährige Christian Renner beim Schmieren der Mühle mit seiner Kleidung im Zahnrad und kam ums Leben. Ein Jahr später kam in derselben Mühle ein russischer Mühlenarbeiter auf ähnliche Weise ums Leben. Masern und Diphtherie traten 1877 auf. Am 15. Januar 1877 wurden drei Kinder begraben, am nächsten Tag zwei weitere. Die Diphtherie-Epidemie endete erst 1879, in vielen Familien starben alle Kinder.
Am 3. Dezember 1875 wurden die Militärrekruten in Melitopol vereidigt und am 12. Dezember nahmen sie an der Heiligen Kommunion im Eugenfelder Schulhaus teil. Christian Freund, Johann Keck, Daniel Märtins, Christian Probst, Karl Seel, Johann Renner, Jakob Ruf und Karl Weber. Johann Renner traf es doppelt schwer, da er mit Magdalena geb. Burghardt bereits verheiratet war.
Diese erste Rekrutierungsaktion hinterließ bei allen deutschen Kolonisten einen tiefen Eindruck, da sie nun ihre Söhne für sechs lange Jahre als Soldaten abgeben mussten, die schrecklichen Erinnerungen an den Krimkrieg waren noch allzu präsent.
Im Jahr 1878 brach die Rinderpest aus, sodass im ganzen Dorf nur noch 13 Rinder überlebten, die arg gebeutelten Bauern wurden erneut 1882 durch auftretende Rinderpest schwer getroffen.
Pastor Stach schreibt, am 22. Mai 1883 wurde das Schulhaus Kaisertal zur Krönung Seiner Majestät Kaiser Alexander III. und Ihrer Majestät Kaiserin Maria Fjodorowna genutzt.8 Tatsächlich fand die Krönungsfeierlichkeiten des Kaiserpaares am 27. Mai 1883 in der MoskauerMariä-Entschlafens-Kathedrale statt. Daher ist anzunehmen, es handelt sich um eine Feier der Gemeinde anläßlich der Krönung. Am 29. Oktober desselben Jahres fand die Feierlichkeit zum 400. Geburtstag von Dr. Martin Luthers statt.
Der 1886 gegründete Waisenfond zur Unterstützung der Waisenkinder erhielt im Zuge der besseren Jahre mit guten Ernten beträchtliche Mittel zur Versorgung. Natürlich gab es nach und nach auch einen verfeinerten Lebensstil, vor allem in Bezug auf Kleidung und Dinge des Hauses, aber auch in der Bildung, es stieg die Zahl der Abonennten des St. Petersburger Sonntagsblattes, der Odessaer Zeitung und vieler anderer Blätter.
Im Jahre 1886 wurde zudem eine neue Talsperre errichtet, leider ertrank hier am 11. Juni 1891 der Familienvater Daniel Freund beim Schwimmen. Bereits im alten Damm ertranken einige Kaisertaler (Friedrich Kirchmeier, Linder und andere). Nikolai Föll ertrank 1905 im Alter von neun Jahren, im selben Jahr, in dem sein Bruder von einem Dreschstein erschlagen wurde. Eine Tochter Ludwig Märtins, Rosine, ertrank zweijährig 1880 in einem Fass. Ein Sohn von Karl Beck, Johann, fiel 1874 einjährig in einen Brunnen und ertrank. Die Jungfrau Margaretha Beck wurde aus Unachtsamkeit von einem Jugendlichen erschossen (Mischlinsky). Beim Holztransport aus Akimowka kam Heinrich Fröscher, Sohn von Martin Fröscher, ums Leben. Frau Schwitzgäbel starb an Tollwut.
Im Jahr 1887 gab es eine derart schlechte Ernte, die Hungersnot groß, allein in der Gemeinde Eugenfeld wurden 167 Menschen bestattet, was etwa 50 % über der Norm lag, in Kaisertal starben 14 Kinder, als Folge der Schwäche, an Diphtherie, in einigen anderen Gemeinden sogar noch mehr. Daher wurde die Grünbrache1 eingeführt, um den Boden in der Fruchtfolge zu entlasten und zu verbessern, 1888 konnte man erstmals eine überdurchschnittliche Ernte von 12-16 Tschetw. pro Dessjatine einfahren, in den 1890er Jahren folgte der Einsatz von Schwarzbrachen2. Als die Dreschmaschine, der Bündelbinder (Garbenbinder), Naphta-Motoren und Federzugwagen in den Dienst des Bauern gestellt wurden, stiegen nicht nur die Erträge, leider auch die Preise für Ackerflächen, weshalb man begann, außerhalb der örtlichen Gemeinschaft Land anzukaufen. Johann Fischer war der erste Kaisertaler Siedler, der bereits 1859 Außengrundstücke erwarb in Ebenfeld, nahe des Bahnhofs Rykowe im Kreis Melitopol. So wurde er ein Mann von beträchtlichem Vermögen und seine Söhne und Enkel Großgrundbesitzer.
Im Spätherbst 1893 erhielt die Kirchengemeinde die Genehmigung zum Bau einer Pfarrkirche, die Einweihungsfeier der Kirche fand am 12. April 1895 statt.
Wie in den Anfängen der Errichtung der Gemeinde befürchtet, kam es in Kaisertal zu zahlreichen Überschwemmungen. Die größte ereignete sich am 24. Mai 1897, verursacht durch einen Wolkenbruch. Dadurch stürzten acht Häuser völlig ein und elf weitere wurden baulich so beschädigt, dass sie durch neue ersetzt werden mussten. Für die Geschädigten wurde am 13. Juni im Rahmen der Einweihung der neu erbauten Pfarrkirche auf Betreiben des damaligen Bezirksarztes eine Kollekte in Höhe von 90 Rubel gesammelt.
Am 27. September 1898 wurde der Kaisertaler Leseverein mit 20 Mitgliedern gegründet, wodurch eine kleine Bibliothek mit 521 gebundenen Exemplaren entstand und es wurden neue Lehrer angestellt, daher unterrichteten 1899 drei Lehrer.
Im Jahr 1900 wurde die örtliche Konsumgenossenschaft „Soglasstje“ gegründet, sie eröffnete den Bau des großen Lagers und Wohnhauses für die Mitarbeiter am 4. August 1910. Den größten Verlust erlitt die Genossenschaft durch den Tod des Mitarbeiters Friedrich Mann, bei dem die Genossenschaft aus Kulanzverpflichtung seiner Familie 1.500 Rubel zahlte. Alle Mitarbeiter waren deutsche Staatsangehörige, das heißt die drei Geschäftsführer, fünf Buchhalter, 12 Verkäufer und Auszubildende, drei Hilfskräfte. Zwei Personen starben bis 1913 während ihrer Arbeit in der Genossenschaft.
1903 entstand ein Jugendverein, aus dem 1906 die Blaskapelle mit 16 Blechblasinstrumenten hervorging mit über 1.000 Rubel Vereinskapital.
Im November 1904 wurden für den Russisch-Japanischen Krieg die Heeresreserven einberufen und natürlich auch die Unteroffiziere der Infanterie. Jedes Dorf musste zulassen, dass einige seiner Bewohner eingezogen wurden, von denen die meisten verheiratete und unabhängige Bauern waren. Aus Kaisertal: Karl Burghardt, Friedrich Lörke, Jakob Ullrich, Friedrich Föll, Friedrich Breit, Christian Ullrich, Johann Polle, Heinrich Lörke, Friedrich Propst, Friedrich Beck, Jakob A. Propst, Philipp Propst, Jakob F. Propst . Außer den beiden Jakob Propst sah niemand einen aktiven Kampf. Einige von ihnen erlebten jedoch in verschiedenen Städten den ganzen Schrecken der Revolution.
1905 wurde das bestehende Schulhaus in ein geeignetes Gebäude mit drei Räumen umgewandelt: das Klassenzimmer, ein Zimmer für den Lehrer und ein Korridor für die Schüler, nun gab es Platz für 160 Schüler. Im selben Jahr wurden einstimmig 100 Rubel für Unterrichtsmaterialien bereitgestellt und eine deutsche Schulbibliothek gegründet
Bald darauf wurde ein extra Wohnhaus für den Lehrer mit Studentenwohnheim gebaut. Verantwortlich für den Bau dieses Gebäudes waren die Kaisertaler Siedler Philipp Kirchmeier, Johann Fust und Johann Lutscher. Viele Mitglieder der Kaisertalgemeinde waren Mitglieder der Eugenfelder Schulgesellschaft. Aus diesem Verein entstand 1907 eine Landwirtschaftsschule, an der Kaisertal maßgeblich beteiligt war, so spendeten etwa 15 Personen an die 20 Dessj. Grundstücke, Ehren- und Lebensmitgliedschaften wurden gezeichnet, über 800 Wagenladungen Baumaterial wurden unentgeltlich zur Verfügung gestellt und darüber hinaus wurde mit Hilfsgütern aller Art und Weise unterstützt, Mitglieder übernahmen die Führung beim Materialtransport, bei der Bauleitung, der Ressourcenbeschaffung usw.
Eine Reihe von sehr armen Familien wanderten 1906 und 1907 nach Sibirien aus. Sie erlebten auch dort viele Misserfolge, daher gab es zahlreiche private und kirchliche Spendensammlungen, um sie zu unterstützen.
Zum 75. Jahr der Gründung der Gemeinde wurde 1907 eine kostenlose, beheizten Unterkunft mit Stall für Reisende geschaffen. Es besuchen drei Jugendliche die Hochschule, zwei in Theologie: J. Föll in Dorpat und G. Breit in Basel; G. Weber am Riga Polytech. In der Mittelschule und speziell in den oberen Klassen gab es sechs junge Männer; in Zentral- und Landwirtschaftsschulen 10 Schüler. Der erste Kaisertaler Kolonist und zugleich der erste aus dem Kreis Eugenfeld, der das Gymnasium abschloss, war Jakob Jak. Bischler. Augustine Renner war die erste weibliche Schülerin, die in der Mädchenschule eingeschrieben wurde, da die Bildung von Frauen im Allgemeinen wenig Interesse fand.
1913 lebten in Kaisertal in 66 Häusern 100 Familien mit insgesamt 585 Seelen. 55 Familien waren in der Landwirtschaft tätig, 13 Familien waren Handwerker. Die Gemeinde hatte einen Viehbestand von 535 Pferden, 220 Kühen, 28 Hornrindern und 290 Schweinen.
Ein Kaisertaler: Pfarrer Johann Christian Föll
Pfarrer Johann Christian Föll 5
Pfarrer Johann Christian Föll (*30.10.1891 Kaisertal † 24.1.1976 Altenheim Faberschloss, Schwarzenbruck, Bayern, BRD) wurde im August 1918 zum Pastorengehilfen für Eigenfeld ordiniert, betreute dann ein Jahr lang die Gemeinde zu Kronau, war 1919-1930 Pfarrer im Kirchenspiel Grunau und wurde im Oktober 1930 verhaftet, sein Leidensweg wurde in einem Buch veröffentlicht6.
Pastor Johann Föll hatte sich noch 1928 auf der Generalsynode in Moskau eines merkwürdigen Gefühls nicht erwehren können, als er feststellte, daß er der einzige Pastor unter den Synodalen war, der bis dahin noch nicht zu einem Verhör bei der GPU vorgeladen gewesen war. Im Oktober 1930 wurde er verhaftet und brachte drei Monate im Gefängnis seines Heimatortes zu. Wenn er zum Verhör geführt wurde, gingen Polizisten mit gezogenen Pistolen vor und hinter ihm, um seinen Gemeindegliedern Furcht und Schrecken einzujagen. Die weiteren Leidensstationen — wir schildern sie stellvertretend für viele andere Schicksale — waren: drei Monate schwere Verhöre mit schlaflosen Nächten in Stalino, zweieinhalb Monate in einer Todeszelle im Gefängnis von Artjemowsk, anderthalb Monate Transportgefängnis in Charkow und ein halbes Jahr im Sowjos der GPU bei Charkow, dann drei Monate schwere Waldarbeit im Besserungslager in Potjma. Im Februar 1932 wurde Föll – nach einer 16tägigen Fahrt in einem Transport mit 500 Geistlichen und Mönchen – in Mariinsk im Gefängnis und auf einer Gemüsefarm zur Arbeit eingesetzt. Schon einige Wochen später setzte sich die unfreiwillige Wanderschaft fort: zum Bau des Weißmeerkanals bei Murmansk, schwere Arbeit bei ständig gefrorenem Boden. Nach einigen Monaten leichterer Arbeit wurde er in ein Moskauer Gefängnis gebracht und wiederum anderthalb Monate später, im Januar 1933, nach Deutschland ausgewiesen. Er war einer der wenigen, die der Hölle der Lager und Gefängnisse entkommen konnten.
Und siehe, wir leben! : Der Weg d. evang.-luther. Kirche Russlands in 4 Jh. Johannes Schleuning ; Heinrich Roemmich ; Eugen Bachmann. Mit e. Geleitw. von Ernst Eberhard;Martin-Luther-Verlag 1977
Es gelang Pfarrer Föll, gemeinsam mit seiner Frau Hildegard Margarethe Lindenberg, im Februar 1933 nach Pfersdorf bei Hildburghausen,Thüringen zu kommen, dort war er Pfarrer bis 1949, (1940 – 1945 Kriegsdienst)7, danach bis 1956 Pfarrer in Waldbach (Baden-Württemberg).
Was vermutlich weniger bekannt sein dürfte , ist seine nicht minder gebildete Familie mütterlicherseits.
Bischler Nachkommen
Christiane Bischler (1865-1933) ehelichte Johann Christians Vater Daniel (1863-1937) im Jahre 1886. Bekannt sind noch neun Geschwister von Johann Christian.
Seine mütterlichen Großeltern Jakob Pischler (1842-1885) und Elisabeth geb. Lutz (1843-1903) – die Schreibweise variierte in den Jahren nach der Einwanderung zu Büschler und Bischler – hatten elf bekannte Kinder.
Der Bruder seiner Mutter, Jakob (*1866), verehelicht mit Sophie Kübler (*1873, uneheliche Tochter des Michael Luessi), war Vater von Dr. med. Robert Bischler (1895-nach 1952). Dieser studierte zunächst in Dorpat (1914–1918) und promovierte an der Universität Breslau im Jahre 193112. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges hatte er in der Waldenburger Freiburger Str. 15a eine Arztpraxis (Schlesien). Im Adressbuch irrtümlich als Norbert Bischler ausgewiesen.13
Nach Kriegsende war er in Baden-Württemberg, seine Spur verliert sich 1952.
Foto aus der Studentenakte der Kaiserlichen Universität Tartu EAA.402.1.2485
Eine weitere interessante Persönlichkeit war Elsa Amalie Rosenstein (1907-1987). Elsa wurde als Tochter des u.a. in Odessa tätigen estnischen Arztes Dr. med. Waldemar Engelhard Rosenstein (1865-1946) und der Kaisertalerin Eugenie Bischler (1881-nach 1956) in Kronau geboren.
Elsa war eine der bekanntesten estnischen Silur-Fossilienwissenschaftler der 1930er Jahre und verfasste neben Artikeln zu Fosslilienfunden mehrere Werke im Bereich Geografie und Geologie. Es gibt Fossilien, die ihr zu Ehren benannt wurden.
Um Juni 1944 verließ sie Tartu und ging auf der Flucht vor der Roten Armee nach Freising in Bayern, studierte dort Medizin und eröffnete eine Privatpraxis. Ihre Mutter lebte zuletzt bei ihr, sie starb ledig.14
Elsa Amalie Rosenstein 194815
Ein weitere Verwandter ist Dr. phil. August Bischler (1865-1957), mit Pfarrer Johann Christian Föll über beide Eltern verwandt, da dessen Vater August WiIhelm Pischler (*1844) mit Christine Föll (*1845) verehelicht war.
Die Familie lebte in Karlsruhe (Taurien), er studierte zunächst in Charkow, dann in Genf in der Schweiz. Hier promovierte er mit der Schrift“Condensationsproducte aus Basen der Papareihe mit Paranitround Metanitrobittermandelöl“ (VZU 1451), war 1893-1899 PD für Chemie in Zürich, später in Basel und wurde 1924 in Genf eingebürgert.16 In späteren Lebensjahren war er in der Industrie tätig.
Nachruf aus der La Tribune de Genéve vom 27.5.1957 Nr. 123
Dessen Sohn Prof. Dr. Wladimir Bischler (1899-1962) wurde ein bekannter Arzt und Psychologe, der neben eigenen Werken auch Arbeiten anderer Wissenschaftler und Mediziner aus dem Französischen ins Deutsche übersetze.
Nachruf aus der La Tribune de Genéve vom 29.3.1962 Nr. 75
Die Tochter Dr. med. Vera Bischler (1902-nach August 1974) war eine bekannte Schweizer Augenärztin.
Ebenso unvergessen ist Dr. med. Wilhelm Vogel (1894-1965). Er verbindet nicht nur über seine Mutter Catharina Pischler/Bischler (1855-1904) die gemeinsamen Bischler Vorfahren, sondern ist durch Eheschließung mit Else Melitta Vohrer (1900-1951) ein Mitglied der Vohrer-Familie aus Helenendorf geworden.
Dr. med. Wilhelm Vogel wurde in Johannistal geboren, verließ durch Eintritt in das Deutsche Heer 1918 seine Heimat und begann 1919 an der Universität Tübingen Medizin zu studieren, mit der Absicht, Zahnarzt zu werden. Die Lage war für den von der Heimat abgeschnittenen Studenten ausserodentlich schwer, auch das DAI konnte ihn zuletzt aus dem erschöpften Studienfond nicht mehr unterstützen. Trotz der widrigen Umstände gelang ihm der Abschluss, er praktizierte in Berlin. Nach dem Tod seiner Ehefrau gab es 1957 eine weitere kurze Ehe, welche geschieden wurde.
Immatrikulation 1919/1920 der Universität Tübingen17
Sein Sohn Dr. med. Heinz Gerhard Vogel (1926-2016) wurde ein bekannter und beliebter Psychiater in Madison, USA. Er hinterließ vier Kinder und drei Enkelkinder.18
Ruf – Ruff
Zwei weitere studierte Kaisertaler waren die Brüder Eduard Ruff (1891-1938), der Philologie studierte, eine Vorraussetzung, um als Lehrer im höheren Schuldienst arbeiten zu können, und Dr. med. Heinrich Ruff (1895-1981). Er studierte in Tartu, Tübingen und Halle19, und war Chefarzt in Braunschweig, in der heute noch bestehende Frauenarztpraxis am Steintorwall 21. Ein Sohn wurden ebenfalls Arzt in der Praxis am Steintorwall, einer Architekt, zudem hatte er noch eine Tochter.20
Akte des Heinrich Ruff, UAT 258/15629 1918-192119
Eduard Ruff, Foto aus der Studentenakte der Kaiserlichen Universität Tartu EAA.402.1.2337021
Einigen der folgenden weggezogenen Kaisertalsiedler gelang es, erheblichen Wohlstand zu erreichen:
Daniel und Johann Keck; Johann, Friedrich und August Fust; Friedrich Banns und Söhne; Christoph Nagel; Jakob und Karl Wundersee; August Bischler mit seinen Söhnen Gottlieb, Christian, August, Friedrich, Karl und Jacob; Friedrich Bischler und seine Söhne August, Jakob, Friedrich und Johann; Jakob Bischler und sein Sohn Jakob; Philipp Kirchmeier mit seinen 6 Söhnen; Friedrich und Karl Kühne; Friedrich Leinich; Andreas und Lorenz Meier; die Brüder Friedrich, Gottlieb, Jakob, Johann und Ludwig Märtins; Philipp Dreher mit seinen Söhnen Friedrich, Jakob und Philipp; Christian Renner; Friedrich Hessel und seine 5 Söhne; die Brüder Christoph, Johannes und Christian Freund; die Brüder Karl und August Burghardt; die Brüder Karl, Christian, Johann, Daniel, Heinrich und Wilhelm Lörke; Wilhelm Lörke und Christian Lörke; die Brüder Johann, Friedrich, Jakob und Karl Seel; Johann, Karl und Samuel Hessel; die Brüder Friedrich und Christian Schlecht; die Brüder August, Daniel und Friedrich Jäckel; Karl, Friedrich, Joseph und Jakob Galster; Friedrich Sanne und sein Sohn Johann; die Brüder Johann, Gottlieb und Heinrich Renner; Wilhelm Polle mit seinen 5 Söhnen; die Familie Eva; Johann Breit; Johann Föll; Christian Fust; die Familie Propst; die Familie Konrad; die Brüder Christian und Heinrich Fust; die Familie Erstein; Johann Ebinger; die Familie Morgenstern; Friedrich und Johann Ziebarth; die Brüder Christian, Johann, Jakob, Friedrich, Gottfried und August Harwardt; die Brüder Martin, Gottlieb und Johann Ruf; die Brüder Jakob und Friedrich Ullrich; Gottlieb Burghardt.
bekannte Namen ehemaliger Lehrer mit Jahr der Anstellung in Kaisertal:
Karl Märtins (1838-1839)
Schill (1839-1840)
Ruhmann (Ausländer) (1840-1841)
Dino (1841-?)
Kneib (?)
Wild (?)
Rheinländer (Ausländer) (1855-1856)
Dino (1856-1863)
Karl Hoffmann (1863-1868)
Pade (1868-1869)
Mahnsey (1869-1878)
Eduard Beck (1878-1883)
Immanuel Fröscher (1883-1887)
Julius Mensch (1887-1890)
August Hoffmann (1890-1894)
Gottlieb Gellert (1894-1898)
Johann Jedig (1898-1907)
Wilhelm Nass (ab 1907)
Bürgermeister mit Amtsjahr waren:
Karl Märtins (nicht dieselbe Person wie der erste Lehrer Karl Märtins),
Philipp Meier,
Johann Fischer,
K. Märtins,
Christian Fust, während dessen Amtszeit eine Zahlung für das Amt von 19 Rubel und 28 ½ Kopeken eingeführt wurde
Gottlieb Föll (1855),
Christian Konrad (1857-58),
Johann Fust (1859-60),
Alexander Burghardt,
Jakob Weber,
Jakob Renner, Sr.,
Daniel Breit (1867-68),
Jakob Leinich (1869-70),
Karl Föll (1871-72),
Jakob Bischler Sr ., (1873-74),
Wilhelm Polle (1875-76),
Jakob Hartwig (1877-78),
Johann Föll (1879-81),
Friedrich D. Breit (1882-84),
Friedrich Burghardt (1885-87),
Johann Ullrich (1888-90),
Jakob Renner (1891-93),
Philipp Kirchmeier (1894-96),
Jakob Bischler Jr., (1897-99),
Christian Polle (1900-02),
Johann Renner,
Daniel Föll,
Christian Seel,
Johann Kühne,
Christian Föll,
Heinrich Renner ,
Karl Burghardt.
Älteste der Kirche mit Amtsjahr waren:
Johann Fischer,
Johann Fust,
Sebastian Föll,
Gottlieb Föll,
Alexander Burghardt (1869-?),
Daniel Breit ?-1877 (langjähriger Kirchenvorstand, dessen Amt einst vom Amt des Kirchenältesten getrennt war, später ein einziges Amt),
Jakob Renner 1878-80 und 1887 bis 1889,
Karl Föll 1881-1883 und 1890-18892,
Wilhelm Polle 1884-86,
Johann Ullrich 1893-1902,
Jakob Renner Jr. 1903,
Friedrich Breit 1904-1905,
Daniel Föll 1906-1908,
Christian Polle (1909 bis 1909)
Pfarrer10/11 mit Amtsjahr waren:
Hugo Rudolf Woldemar Plohmann, *29. November 1833 in Ponjewesch † (August 1863 – 21. Juli 1874)
Jojakim Tschachmachsjanz, *17. August 1841 Baku † 1913 Orenburg (28. September 1875 – 10. Februar 1882)
Karl Christian Marian Schott, *19. April 1937 Sachsgrün/Sachsen † 6. August 1919 in Reval/Estland (14. November 1882 – 22. Juni 1906) . Pfarrer Schott war bereits seit dem 13. November 1881 als Vikar für die Gemeinde tätig.
Wilhelm Konrad Johann Hörschelmann, *3. Mai 1871 Fellin/Livonia † 4 April 1936 Arnstad (11. Juli 1899 – 12. Juli 1906)
Jakob K. Stach, *23. September 1865 Grunau † 23. November 1944 Katzenelnbogen/Taunus (18. Oktober 1906 -1916)
Carl Eduard Ney, *2. Februar 1879 Reval/Estland † 5. März 1964 Seggenbruch bei Stadthagen/Lippe, Deutschland (1916-1919)
Eduard Friedrich Heinrich Steinwand, *9. Juli 1890 Odessa †17. Februar 1960 Erlangen/ Deutschland
Albert Maier, *16. April 1892 Totanai/Krim † nach 1937 (1919-1933)
Grünbrache – Brache mit Vegetation die meist gesät wird aber auch von selbst entstehen kann. Nach einiger Zeit wird der Bewuchs in den Boden eingearbeitet oder auch geschnitten. Grünbrache kann die Stickstoffversorgung verbessern Unkraut unterdrücken und ist gut für die Entstehung von Humus und die Bodenstruktur.
Schwarzbrache – Durch Pflügen oder andere Maßnahmen vegetationsfrei gehaltene Brache. Sie wird z.B. dazu eingesetzt eine Fläche unkrautfrei zu bekommen. Eine schwarzbrache Fläche ist anfällig für Wind- und Wassererosion.
Ortsplan Heimatbuch der Russlanddeutschen 1957
Kirchenbuch Hochstädt
Arhivaal EAA.402.1.27313
Carlo von Kügelgen: Das übertünchte Grab: Erinnerungen eines evangelischen Pfarrers aus der Sowjet-Union, Nibelungen-Verlag, 1934
Thüringer Pfarrerbuch Band 10: Thüringer evangelische Kirche 1921 ‐ 1948 und Evangelisch‐Lutherische Kirche in Thüringen 1948 ‐ 2008; Zusammengestellt von Friedrich Meinhof, 2015, Heilbad Heiligenstadt
„1838 – 1913 Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Kaisertal, Gouvernement Taurien, Kreis Melitopol, Wolost Eugenfeld) in den ersten 75 Jahren ihres Bestehens.” Jubiläumsschrift, herausgegeben im Verein mit mehreren Gemeindegliedern von J. Stach, Pastor. Verlag Eugenfeld“
Wikipedia
Erik Amburger: Die Pastoren der evangelischen Kirchen Rußlands vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1937″. Ein biographisches Lexikon. Institut Nordostdeutsches Kulturwerk. Martin-Luther-Verlag 1998.
R 57/1281 [DAI 1278] Handakte Eduard Krause, enthält u.a. 1838 – 1913 Die Evangelisch-Lutherische Gemeinde Kaisertal, Gouvernement Taurien, Kreis Melitopol, Wolost Eugenfeld) in den ersten 75 Jahren ihres Bestehens.” Jubiläumsschrift, herausgegeben im Verein mit mehreren Gemeindegliedern von J. Stach, Pastor. Verlag Eugenfeld
Bischler , R. * Stieldrehung beim Myom . Breslau , 1931. 44p
Verzeichnis der Haushaltungen von Waldenburg im Adressbuch der Stadt Waldenburg (Schlesien) 1937
Carte du Gouvernement de Tauride, Comprenant la Krimee et les Pays Voisins. Dezauche, Jean Claude. Paris, 17881
Taurien, einstiges Gouvernement, welches die Halbinsel Taurien (Krim), die nördlich liegende nogaische (krimsche) Steppe, das Land der tschernomorskischen Kosacken und die zwischen der Kubanmündungen gelegene Halbinsel Taman umfaßte. Mit dem Festland ist die Halbinsel durch die Landenge von Perekop verbunden.
Es findet sich im Norden der Halbinsel eine baumlose Steppe mit einigen Salzseen, im Süden längs der Küste ein Kalkgebirge, durchzogen von waldige Höhen und fruchtbaren, wasserreichen Tälern. Das milde Klima ist ideal für den Anbau von Wein, Obst und Südfrüchten. Die Halbinsel Taman besitzt zudem einige Bergteerquellen, ein natürliches Vorkommen von Asphalt.
Zur Zeit des antiken Griechenlands Sitz der Skythen und Amazonen, gab es auch griechische Kolonien. Phanagoria, auf der Halbinsel Taman, Pantikapaion und Theodosia im Osten der Krim. Chersonesos (Heraklea) auf dem Steppenplateau, oder etwa Olbia an der Mündung des Bug.3 Die Geschichte Tauriens war wechselhaft, wie ich unter Krim geschrieben habe, zogen im Laufe der Jahrhunderte viele Völkerschaften in diesen Gegend, eroberten und zogen wieder von dannen. Am Ende des 12. Jahrhunderts waren die Genueser Herren der Krim und gründeten Caffa. Hier war der Sitz einer Administration im Netzwerk von Handelsstützpunkten im Schwarzen Meer. Im 13. Jahrhundert eroberten Tataren die Krim und im 15. Jahrhundert Türken. 1771 von den Russen erobert, wurde 1774 die Unabhängigkeit der Krim anerkannt. 1783 wurde die Krim zu russischem Eigentum erklärt und als solches 1784 von der Türkei förmlich anerkannt. Unter dem Namen Taurischer Chersones, kurz Taurien, wurde die Krim 1784 dem russischen Reich angegliedert.
Grigori Alexandrowitsch Potjomkin erhielt als Dank für die Eroberung den Beinamen „der Taurier“, der kaiserliche Titel erweitert als dem „Zaren des taurischen Chersones“.
Als Teil des Kolonisationsgebietes Neurussland wurde eine Oblast Taurien eingerichtet. Dabei wurde der antike Name Taurien wiederbelebt, als Name für die Krim setzte sich Taurien außerhalb von offiziellen Dokumenten allerdings nicht durch. 1796 von Zar Paul I. aufgelöst, wurde es 1802 von Alexander I. als Gouvernement wiedererrichtet. In dieser Form bestand es bis Oktober 1921.
Potjomkins Ansiedlungsversuche brachten nicht den gewünschten Erfolg, erst unter Alexander I. begann um 1803/1804 eine gezielte Ansiedlung von Deutschen und rund 60 Schweizer Familien.
Carte generale du gouvernement de la Tauride, Piadyshev, Vasilii Petrovich, 18222
Die Gründungen der deutschen Kolonien erfolgte rasch (am unteren Ende der Tabelle ist ein Schieberegler für die volle Breite):
Kolonie
heutiger Name
Gründung
Herkunft der Kolonisten
Hoffental
heute im nördlichen Teil von Wynohradne
1804
ev.
einige Familien sind 1802 – 1807 aus Baden und Württemberg nach Preußisch Polen ausgewandert; 1810 kamen noch zwei Familien aus Württemberg und 17 Familien aus Westpreußen
Rosental
Nowe Pole, Нове Поле
1804
ev.
Zu den ursprünglichen Familien kamen 1810 drei Familien aus Preußisch Polen und 3drei aus Baden. 1823 kamen noch zwei Familien und 1833 acht Familien aus der aufgelösten Kolonie Neudorf. Insgesamt waren es 28 Familien.
großteils zerstört, der größte Teil der Einwanderer kam aus Württemberg und Baden. Später weitere Einwohner aus den verschiedenen Teilen Deutschlands und den umliegenden deutschen Kolonien
Wasserau
Wodne, Водне
1805
ev.
1802 kamen Einwanderer aus Württemberg, Kreis Rottenburg nach Preußisch Polen, dann 1804 mit einigen anderen dortigen Familien (insgesamt 38 Familien) nach Südrussland. 1810 kamen 4 Familien aus Baden-Durlach dazu. 1823 übersiedelte die ganze Gemeinde an einen günstigeren Ort, da das Land im ursprünglichen Ort sich über 12 km ausdehnte und daher die Bearbeitung umständlich war..
Weinau
Tschapajewka, Чапаєвка
1805
ev.
1802 aus der Stuttgarter Gegend, lebten die Kolonisten einige Jahre in Preußisch Polen. 1810 kamen noch 12 Familien aus Baden. 1815 zogen 15 Familien nach Wasserau und 1840 drei Wirte nach Kronsfeld.
Waldorf
Schowtnewe, Жовтневе
1809
kath.
Durlach
1810
ev.
zerstört, südlich von Tschapajewka, Чапаєвка
Grüntal
1810
ev.
zerstört, bei Tschornosemne, Чорноземне
Heidelberg
Nowohoriwka, Новогорівка
1810
kath.
die meisten Familien kamen aus Baden: Mannheimer, Heidelberger und Rastatter Umgebung; 1822 kamen zu den 82 Familien noch weitere 10 hinzu
Hochstädt
Wyssoke, Високе
1810
ev.
Kostheim
Pokasne, Показне
1810
kath.
Badener Familien aus dem Raum Bruchsal, Elsässer, Pfälzer aus der Gegend um Landau und Speyer
Leiterhausen
Traktorne, Тракторне
1810
kath.
Familien aus der Gegend von Mannheim, Heidelberg und dem Elsaß
Reichenfeld
Plodorodne, Плодородне
1810
ev., kath.
30 evangelische und eine katholische Familie aus der Gegend um Mannheim und Heidelberg. Dazu einige Württemberger aus dem Raum Stuttgart und einige Pfälzer aus dem Bistum Speyer. 1823 kamen noch 6 evangelische und 4 katholische Familien aus Zarskoje Selo bei Petersburg, wohin sie 1807 – 1809 eingewandert waren.
Friedrichsfeld
Rosdol, Роздол
1812
ev.
Familien stammen aus dem Raum Mannheim und Heidelberg; dazu 4 Familien aus der Stuttgarter Gegend; 1811 kamen weitere Familien, die 1804 aus Preußisch Polen nach Neudorf eingewandert sind und dann nach Friedrichfeld umsiedelten.
Neu Nassau
Suwore, Суворе
1814
ev.
12 Familien stammen aus dem Schwarzwald (Württemberg) und 20 aus Hessen-Nassau.
Karlsruhe
Sraskowe, Зразкове
1815
ev.
15 Familien kamen aus Weinau und 16 aus Wasserau; 1821 zogen weitere 5 Familien aus dem Durlacher und Eppinger Raum in Badens zu; einige aus dem Elsaß
21 Familien kamen aus Altmontal, 1823 kamen weitere 7 hinzu
Hochheim
Komsomolske, Комсомольське
1818
ev.
Tiefenbrunn
Tschystopillja, Чистопілля
1820
ev.
Blumental
Riwne, Рівне
1822
kath.
Nachkommen der Kolonien Kostheim, Leiterhausen, Heidelberg und Waldorf
Kronsfeld
Marjaniwka, Мар’янівка
1825
ev.
Die Kolonie wurde von Familien, die aus der Gegend von Heidelberg und Tübingen auswanderten und zunächst bei Petersburg (Zarskoje selo) siedelten, gegründet. Es waren 19 Familien, die unter ihrem Schulzen Adam Schatz Kronsfeld gründeten. 1833 musste die Kolonie 12 weitere Familien aus dem aufgelösten Neudorf aufnehmen. 1839 kamen weitere 3 Familien aus Weinau hinzu.
3Skizzen aus der Geschichte der Krim Vortrag, gehalten im Stadthaus zu Weimar den 20. März 1855 Autor: Sauppe, Hermann (1809-1893) Professor, deutscher klassischer Philologe, Pädagoge und Epigraphiker, 1855
Um Ihnen, werter Leser, die Gelegenheit zu geben, sich mittels weniger beispielhafter Zeitzeugenberichte selbst ein Verständnis der Geschehnisse zu verschaffen, hier einige Verweise, diese Links stehen weder in meiner Verantwortung, noch geben sie meine Ansichten wieder:
Brief von Gisela Sch. an die Eltern – geschrieben nach dem unmittelbaren Erleben des Angriffs auf Dresden – diesen Angriff mussten auch unsere Angehörigen erleben, Autorin: Gisela Sch. bzw. Original1
Ella Steingräber, geboren 1932 in Bessarabien spannt in mehreren Videos einen Bogen von der Kindheit in die heutige Zeit, erzählt über Umsiedlung und Flucht als Zeitzeugin3
Artur Weiss, Buchautor, 1931 in Bessarabien geboren und einer der wenigen Zeitzeugen, die in der DDR lebten und auch aus dieser Sicht ihren Lebensweg schildern5
Da für viele unbegreiflich ist, weshalb sich die Umsiedler zur Waffen-SS haben einziehen lassen, sind diese Berichte vielleicht ein Ansatz zum Verständnis:
Weiterführend wäre das Buch Die „Rückführung“ der Volksdeutschen am Beispiel der Bessarabiendeutschen von Heinz Fieß, dazu eine Rezension der „Revista BUNĂ – Zeitschrift für Befreiung & Emanzipation – nicht nur in Rumänien“ mit zahlreichen Quellbelegen.