Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.
Anzeige Phänomen-Fahrradwerke 1999
Die stabilen Fahrräder der Fahrradfabrik Gustav Hiller, Zittau/Sachsen, die unter der Marke „Phänomen“ bekannt waren, wurden in Blumenfeld häufig genutzt, allerdings führte die Zwangsabgabe der Bereifung im 1. Weltkrieg zum Erliegen des zivilen Radfahrens.
„Notreifen“ aus Stahlfedern
So wurde 1916 jegliche „Benutzung von Fahrrädern zu Vergnügungsfahrten“ durch die Militärbehörden untersagt, bei einem Verstoß gegen die Regelung drohte ein Jahr Gefängnis. Die Wirtschaftsblockade und der Devisenmangel nach dem Krieg besserte die Situation nicht, man nutze seinen Erfindergeist und versuchte mittels Stricken, Wasserschläuchen oder Leinwandgurten die Felgen fahrtauglich zu bespannen. Verschiedene Hersteller vertrieben alsbald „erlaubte Bereifungen“ wie die Spiralfederbereifung. Als es endlich wieder Gummibereifungen gab, wurde das Radfahren zum Volkssport.
Kunstradfahrer Richard Steyer, Berlin (1905) mit Saalmaschine
Überall bildeten sich Radfahrvereine, so auch 1922 in Blumendorf unter der Leitung von Paul Neumann. Es wurden gemeinsame Wanderfahrten veranstaltet. Der Verein kaufte sechs neue „Saalmaschinen” Spezialräder, mit denen auf den Sälen von Meißner und Urban Reigen gefahren und Radball gespielt wurde.
Der Wimmer-Schneider (Bldf. Nr. 17, sp. Rehnert) fertigte einheitliche Kleidung (Jacken, Kniebundhosen und Mützen) an. Dazu wurde eine dreifarbige Schärpe getragen. Mitglieder des Vereins spielten im Winter unter der Leitung des Gärtners Wotschkow in Meißners Saal Theater. Wotschkow war vom Fach und besaß einen reichhaltigen Fundus an Requisiten und Kostümen.
1924 wurde ein Vereinsbanner angeschafft. An der Bannerweihe nahmen sechs auswärtige Vereine teil. Auf der eigens im Garten von Reinhold Kittelmann (sp. Tietze-Bauers Wiese) aufgebauten Reigenfahrbühne wurde mit den Gastvereinen Radball gespielt und Preis-Reigenfahren veranstaltet.
„Reigen“. Bannenweihe 1924. Von links: Paul Kretschmer, Gustav Frischling, Richard Günther, Willi Knobloch, Alfred Nocke, Hermann Rindfleisch, Bruno Knobloch (Nr. 4), Bruno Knobloch (Nr.32)
Auf der Straße von Blumendorf nach Steinhäuser wurde „Corso” gefahren. Bewertungskriterien waren Fahrweise, Kleidung, sowie Zustand und Schmuck der Räder.
„Corso“ nach Steinhäuser 1924
Graf Schaffgotsch stiftete zur Bannerweihe einen wertvollen, in der Josephinenhütte in Schreiberhau gefertigten Glaspokal. Das gräfliche Wappen und der Name „Wanderlust Blumendorf“ waren im Pokal eingeschliffen.
1934 gab Paul Neumann – Bürgermeister, Standesbeamter und Brandmeister der Freiwilligen Feuerwehr – den Vereinsvorsitz an Alfred Nocke ab. Durch den politischen Umschwung und die zunehmende Motorisierung (Motorräder) verloren viele Mitglieder das Interesse am aktiven Radsport, daher löste Alfred Nocke 1936 den Verein auf.
Der Pokal wurde durch Kleinkaliber-Schießen an Nocke vergeben. Alfred Nocke war 1995 mit 90 Jahren das einzige noch lebende Mitglied des Radfahrvereins.
Scheibenübergabe an R. Gottwald nach KK-Schießen. V. l. unten: Bruno Knobloch (Nr. 32), Paul Neumann, Bruno Knobloch(Nr.4), Bruno Nerger; hinten: Paul Zölfel, Alfred Nocke, Reinhold Schneider, Paul Stein, . Hermann Rindfleisch, Emil Heinze, Oswald Enge, Willi Knobloch, Gustav Joppe, Gustav Müller.
Klub rowerowy w Kwieciszowicach“Wanderlust Blumendorf“ veröffentlicht in: Czasopismo Społeczności Lokalnej Gminy Mirskiokolic Gminy Mirsk i okolic, Wyd. luty 2009, nr 6 S. 11
Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.
Wie in der kurzen Chronik bereits geschildert, besaß Blumendorf 1846 einen Anteil an der Kunzendorfer Feuerspritze. Mit dem Wachstum der Einwohnerzahl entstand etwa 1895 die Freiwillige Feuerwehr Blumendorf. Die Gemeinde baute ein Spritzenhaus und schaffte eine eigene Feuerspritze an.
Aufnahme etwa 1920: Reihe 1 Joppe Paul, Knobloch Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche die Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf. Wie in der kurzen Chronik bereits geschildert, besaß Blumendorf 1846 einen Anteil an der Kunzendorfer Feuerspritze. Mit dem Wachstum der Einwohnerzahl entstand etwa 1895 die Freiwillige Feuerwehr Blumendorf. Die Gemeinde baute ein Spritzenhaus und schaffte eine eigene Feuerspritze an. Bruno. R. 2 ? Knobloch Willi (Butter-K.), Nocke Alfred. R. 3 ? Weise Ernst, Meißner Herbert, Gringmuth Alfred, John Alfred. Urban Erich, Härtel Paul, R. 4 Kindler Willi, Raschke Reinhard, Müller Alfred, Theuner Reinhold, Tietze Bruno, Schneider Reinhold, Friedrich Reinhard, ? Nerger Bruno, Pohl August, Hornist re. Rindfleisch Hermann. R. 5 Kluge-Schmied, Neumann Paul, Müller Gustav, Enge Richard, Engmann Wilhelm, Theuner Willi, Bergmann Fritz.(sitzend). Auf der Spritze: Bergmann, Linke Julius. Vor der Spritze: Hornist Daniel Bruno, Rüffer
Die nächste Aufnahme zeigt die Mitglieder zu ihrem 40-jährigen Stiftungsfest 1935.
Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.
Kurze Chronik
Ansicht Blumendorf um 19001
Am Rande des Isergebirgswaldes, unterhalb des Hohen Iserkammes und des Kemnitzkammes, liegt Blumendorf an der alten Zittauer Handelsstraße – eines der ältesten Dörfer im Isergebirge. Urkundlich erstmals 1305 erwähnt, deutet der Name Blumendorf auf gutes Weideland hin; (mhd Bluombesuoch =Weidegang).
Ausschnitt Neue Specialkarte des Riesengebirges / bearbeitet von Brey2
13.6.1449, der königliche Hofnotar Laurentius Scholz, Sohn des verstorbenen Johannes Scholz aus Blumendorf, fertigt eine Urkunde in Liegnitz an3
1527 zahlt Blumendorf 386 Taler Türkensteuer
1647-1651 war nachweislich eine Schule in Blumendorf vorhanden4
Ende des 17. Jahrhunderts entstehen auf den Lehden (ndd Leegde = Brachland) der Scholtisei 22 Häuslerstellen – „Lehdenhäuser“.
Um 1700 entsteht die Kolonie Steinhäuser, zuerst baut der Hauptmann Ducius von Wallenberg den Steinkretscham, so genannt wegen der vielen herumliegenden Steine, bald stehen 9 Häuser.
1702 reißt das Hochwasser 9 Häuser und 3 Scheunen in Blumendorf mit sich und verwüstet die Äcker.
1738 erhalten die Lehdenhäuser den Namen des regierenden Grafen Karl Gotthard von Schaffgotsch: Gotthardsberg.
16.12.1740 Besetzung Schlesiens durch Preußen
1742 (gleich zu Beginn der preußischen Zeit) wird im Haus des Christoph Bergmann eine Schule eingerichtet, von ihm stammte auch die erste Blumendorfer Chronik
20.1.1742 der Richter Johann Christoph Feist aus Blumendorf und Gottfried Hoffmann, Gerichtsgeschworener von Antoniwald, erhalten die Erlaubnis zum Bau eines evangelischen Bethauses in Kunzendorf, die stärkere Gemeinde Blumendorf hatte dem Begehren der Kunzendorfer nachgegeben, weiter der Giehrener Kirche angehören zu wollen4
18.5.1742 Wiederaufnahme der Amtshandlungen mit dem Blumendorfer Begräbnis des halbjährigen Sohnes des Schenken Gottfried Wiesner4
23. Mai 1742 Wiederaufnahme der Amtshandlungen mit dem Täufling aus Blumendorf Helena Hain, Tochter des Häuslers Hans Christoph Hain4
1765 der Blumendorfer Johann Gottlieb Dreßler wird Pastor in Giehren
1781 Kanzel und Altar für die ev. Kirche
1792 zum 50-jährigen Jubelfest der Kirche erschien ein Büchlein von Pfarrer Ephraim Gottfried Künzel (Kunzendorf unterm kahlen Berge)
1793 erscheint Nachricht von der Kirche zu Kunzendorf durch Mag. Fr. Hermann, Lauban (Kunzendorf unterm Walde)
1795 Dorfbrand
1802 Bau des Gemeindehauses
1806 Bau des Schulhauses in Blumendorf4
1817 baut Graf Schaffgotsch die Försterei Gotthardsberg.
1820 wurde die ev. Kirche Kunzendorf für 476 Reichstaler staffiert, davon waren 53 durch den Blumendorfer Bauern Feist gestiftet worden4.
1825 hat Blumendorf 1 evangelische Schule, 9 Bauern, 10 Gärtner, 75 Häusler, 1 Brettmühle, 1 Wassermühle und 471 Einwohner.
1830 Blumendorf hat 105 Häuser, 466 Einwohner, 1 Schule in Kunzendorf, 1 Lohmühle, 1 Sägemühle, 1 Wassermühle, dazu 22 Lehdenhäuser in Gotthardsberg und den Ortsteil Steinhäuser an der Hirschberger Strasse10
1832 wird eine neue Schule gebaut.
Evangelische Schule, Foto Edwin Bauer 19145
1837 die Schulwirth Fischerschen Eheleute aus Blumendorf schenken der Kunzendorfer Kirche 2 Taler11
14.1.1841 wurde der 34-jährige Schuhmacher Johann Ehrenfried Krause aus Erdmannsdorf auf dem Heuboden eines Wiesengutes von Gendarmen festgenommen und am 16. Januar nach Jauer in das Zuchthaus überführt. Krause war bereits mehrfach wegen Raub vorbestraft, war 1836 aus dem Zuchthaus ausgebrochen, steckbrieflich und gegen Belohnung gesucht. Die Belohnung erhielten der Gendarmerie-Wachtmeister Zumbrunn, Hirschberg; die Gendarmen Flauder, Schumann und Krebel, Jauer; die Gendarmen Baatz und Tschierschwitz, Löwenberg, der pensionierte Förster zu Warmbrunn12, 13, 14, 15
1842 brennt das Gemeindehaus ab
1846 sind im Dorf 1 Schule, 3 Bauern, 10 Gärtner und 86 Häusler, sowie 1 Sägewerk, 2 Wassermühlen und 1 Lohmühle (zum Rinde mahlen für Gerbstoffe, spätere Hausnummer 25, Nocke / Neue). Die Gemeinde, eingepfarrt nach Kunzendorf, hat Anteil an der Kunzendorfer Feuerspritze.
1848 Parochie Kunzendorf am Kahlen Berg mit den Dörfern Kunzendorf, Blumendorf, Steinhäuser, Gotthartsberg und Antoniwald, insgesamt 1.160 Seelen. Es gibt in Kunzendorf eine Schule mit 70 Schülern, der Organist Talke ist Lehrer seit 1836, in Antoniwald, Gotthartsdorf und Blumendorf gibt es Nebenschulen, versorgt durch 2 Adjunkten., Schulvermögen 1.260 Taler.7
15.12.1851 zur Gerichtskommission Liebenthal gehören die Stadt Liebenthal und die Dorfschaften Antoniwald, Blumendorf, Gotthardsberg, Birngruetz, Geppersdorf, Hennersdorf, Krummoelse, Kunzendorf und Langwasser10
1860 vermacht die Bauerngutsbesitzerwitwe Eisner, geborene Feist, der Blumentaler Schule ein Legat von 50 Reichstalern8
1864 wird Blumendorf an das Bahnnetz der Strecke Görlitz – Breslau angeschlossen und bekommt eine Haltestelle.
1914–1918 sind 14 Blumendorfer im Ersten Weltkrieg als Soldaten gefallen bzw. vermisst.
Gefallenendenkmal Erster Weltkrieg6
1922 Gründung Radfahrverein „Wanderlust Blumendorf“
1925 ergibt die Volkszählung 389 Personen, davon 188 männlich. 356 Einwohner sind evangelisch, 33 katholisch.
Anfang der 20er Jahre nimmt Blumendorf Flüchtlinge und Ausgewiesene aus Posen-Westpreußen und Ost-Oberschlesien auf, deren Heimat Polen zugesprochen wird; z. B. unseren Lehrer Paul Jaster (Westpreußen) sowie Familie Roesner (Ost-Oberschlesien). Auch Lehrer Wengelewski/Antoniwald ist Westpreuße.
1931 hat Blumendorf 90 Häuser, 98 Haushaltungen und eine Flächengröße von 375 Hektar. Der Grundsteuerreinertrag liegt bei 16,05 RM pro Hektar.
1933 ergibt die Volkszählung 384 Einwohner,
1939 sind es 351 Einwohner. Es gibt 43 landwirtschaftliche Betriebe bis 5 ha (ehemals „Häuslerstellen“), 21 „Gärtner“ mit 5 – 10 ha und 5 Bauern: Friedrich Lorenz; Oskar Tietze; Ida und Reinhard Bergmann; Paul Neumann und Richard Enge. Waldarbeit und Rechenmachen sind Nebenerwerb für viele Häusler. Handwerker waren: Böhm (Schmied), Nocke (Mechaniker), Rehnert (Stellmacher), Boese (Müller), Gotsche (Bäcker), Gierth (Schreiner), Hentschel (Maler), Kittelmann (Schneider), Heue (Gärtner), Gringmuth (Fleischer), Emler, Hanke und Merdon (Schuster), Stannek (Gemüsehändler), Daniel und Schmidt (Kaufmann), Thomas (Fotograf). Meißner „Gerichtskretscham“ und Urban „Steinkretscham“ (Gastwirte).
1939 – 1945, II. Weltkrieg, die meisten wehrfähigen Männer wurden zur Wehrmacht und in den Landwirtschaften durch Fremdarbeiter ersetzt, ab 1939 Polen, ab 1941 Ukrainer, die sich durch Abzeichen „P“ bzw. „OST“ kenntlich machen müssen.
1940 wurde bei Heimann, Haus Nr. 39, ein Lager für 10 französische Kriegsgefangene eingerichtet. Bei Günther, Gotthardsberg Nr. 37, 9 gefangene Belgier untergebracht.
Januar 1945 Flüchtlingstrecks ziehen durch Blumendorf, andere – so ein Treck aus Weißenfels, Kreis Neumarkt – bleiben, als sich die Front stabilisiert, Monate einquartiert.
Mai 1945 Kapitulation und Einmarsch der „Roten Armee“. 35 Blumendorfer hatten als Soldaten an der Front oder in der Gefangenschaft ihr Leben gelassen, unter ihnen der Bürgermeister Paul Neumann – seit 10. 5. 1945 in Bunzlau vermisst.
1. 7. 1945, Schlesien kommt unter polnische Verwaltung. Änderung der Ortsnamen: Blumendorf – Kwieciszowice; Gotthardsberg – Jaroszyce.
2 Neue Specialkarte des Riesengebirges / bearbeitet von Brey, domaine public Identifiant : ark:/12148/btv1b84394217 Source : Bibliothèque nationale de France, GED-509 Notice du catalogue : http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb40723540f Provenance : Bibliothèque nationale de France Date de mise en ligne : 04/07/2011
3Chronik von Lähn und Burg Lähnhaus am Bober; Augustin Knoblich, Breslau 1863, p. 86
4Jubelbüchlein für die evangelische Gemeinde zu Kunzendorf, Blumendorf und Antoniwald. Zur Feier ihres hundertjährigen Jubelfestes am 11. Juli 1842; Gottlob Friedrich Degner, evangelischer Pfarrer, Landholt Hirschberg
5 Foto: Bauer, Edwin, vor 1914, Aufn.-Nr.: df_hauptkatalog_0504845 Originalnegativ (Glas, 9/12 cm, schwarzweiß), Eigentümer: SLUB / Deutsche Fotothek, Detail: Giebelansicht mit Einfriedung, Permalink
1) Ich, Sobieslaus, Herzog der Böhmen1) , tue allen Gegenwärtigen und Zukünftigen kund, daß ich in meine Gnade und meinen Schutz nehme die Deutschen, die in der Prager Vorburg wohnen, und es beliebt mir, daß diese Deutschen, so wie sie von den Böhmen durch die Volkszugehörigkeit verschieden sind, auch von den Böhmen und von ihrem Gesetz oder ihrer Gewohnheit geschieden sein sollen. 2) Ich räume also diesen Deutschen ein, nach dem Gesetz und Rechte der Deutschen zu leben, das sie seit der Zeit meines Großvaters, des Königs Wratislaus 1), gehabt haben. 3) Einen Pfarrer, den sie nach ihrem Belieben für ihre Kirche 2) auswählen mögen, räume ich ihnen ein und einen Richter. In ähnlicher Weise soll auch der Bischof ihrem Verlangen keineswegs widersprechen. 4) Wegen Diebstahls … sollen sie mit sieben Händen schwören. 5) Zu keiner Heerfahrt sollen sie ziehen, außer wenn für das Vaterland zu kämpfen wäre. 6) Wenn der Herzog außerhalb Böhmens auf einer Heerfahrt ist, dann sollen die Deutschen Prag bewachen mit zwölf Schilden bei jedem Tore. 7) Über Tötung zu richten steht dem Fürsten zu, und zwar sollen dem Fürsten für einen Totschlag zehn Talente Pfennige Regensburger Münze gezahlt werden oder die rechte Hand des Töters oder es werde nach Gnade beigelegt. 8) Wer den Frieden unter ihnen gebrochen hat, der Schuldige zahle dem Fürsten zehn Talente. 9) Wenn ein Böhme mit einem Deutschen eine Rechtssache hat, die mit Zeugen bewiesen werden soll, da habe der Böhme gegen den Deutschen zwei Deutsche und einen Böhmen, alle getreu. 10) In ähnlicher Weise wenn ein Deutscher mit einem Böhmen eine Rechtssache hat, dann habe der Deutsche gegen den Böhmen zwei Böhmen und einen Deutschen, aber getreue. 11) Ähnliches gilt von Romanen3) und Juden. 12) Weiters, wenn ein Böhme oder Romane 3) oder wer immer einen Deutschen beschuldigt hat, dann soll der oberste Kämmerer 4) einen Boten an den Richter der Deutschen senden und der Richter der Deutschen wird diese Sache richten, und da steht dem Kämmerer nichts weiter zu. 13) Und ich räume den Deutschen auch ein, daß sie frei seien von Gästen. Fremden und Ankömmlingen. Wißt, daß die Deutschen freie Leute sind! 14) Jeder Ankömmling oder Gast, von welchem Land er kommt, der mit den Deutschen in der Gemeinde wird wohnen wollen, soll das Gesetz und die Gewohnheiten der Deutschen haben. 15) Wenn eine gestohlene Sache bei einem Deutschen ist, soll sie in Gegenwart des Richters der Deutschen herausgenommen werden. 16) Wenn der Dieb ein Deutscher ist, dann wird der Fürst über ihn richten. 17) Wenn ein Dieb in der Nacht ergriffen wird, wird er gehängt. Wenn er bei Tag ergriffen wird, wird er öffentlich ausgestäupt und wird die Gemeinde abschwören; wenn er nachher ergriffen wird, wird er gehängt. 18) Was immer die Deutschen tun, so werden sie nicht gefangengenommen, noch in den Kerker gesetzt, wenn sie Bürgen oder ein eigenes Haus haben. 19) Welcher Sache immer die Deutschen schuldig oder beklagt sein werden, so sollen ihre Kinder und Ehefrauen keinerlei Schaden oder Bedrängnis erleiden. 20) Wenn jemand nachts durch die Siedlungen der Deutschen gegangen wäre und keine Fackel gehabt hätte, wenn der getötet wird, sind die Deutschen unschuldig. 21) Wenn falsches oder zerbrochenes Geld in der Truhe eines Deutschen gefunden worden wäre, ist der schuldig, dessen die Truhe ist. Würde es aber im Hofe oder im Hause gefunden, ist der unschuldig, dessen das Haus oder der Hof ist, wegen der übelwollenden und mißgünstigen Menschen, die solches in Häuser oder Höfe hineinzuwerfen pflegen. 22) Wenn ein gestohlenes Pferd bei einem Deutschen erkannt worden wäre, dann wird der,der das Pferd erkennt, vorher schwören, daß er die Sache dieblich verloren habe; dann wird der Deutsche schwören, stehend in einem Kreise, der mit dem Schwert auf der Erde gezogen ist, daß er das Pferd oder die Sache nicht gestohlen habe, sondern gekauft, und daß er den Verkäufer oder dessen Haus nicht kenne. 23) Nirgends sollen die Deutschen schwören als vor der Kirche des heiligen Petrus2), es sei denn des Fürsten Auftrag. 24) Wenn eine heimliche Schenke im Haus eines Deutschen entdeckt worden wäre, dann soll der Herr des Hauses gefangengenommen werden, in Gegenwart des Richters der Deutschen oder seines Boten, und niemand anderer.
Freiheitsbrief für die Prager Deutschen
1) Ich, Sobieslaus, Herzog der Böhmen1) , tue allen Gegenwärtigen und Zukünftigen kund, daß ich in meine Gnade und meinen Schutz nehme die Deutschen, die in der Prager Vorburg wohnen, und es beliebt mir, daß diese Deutschen, so wie sie von den Böhmen durch die Volkszugehörigkeit verschieden sind, auch von den Böhmen und von ihrem Gesetz oder ihrer Gewohnheit geschieden sein sollen.
2) Ich räume also diesen Deutschen ein, nach dem Gesetz und Rechte der Deutschen zu leben, das sie seit der Zeit meines Großvaters, des Königs Wratislaus 1), gehabt haben.
3) Einen Pfarrer, den sie nach ihrem Belieben für ihre Kirche 2) auswählen mögen, räume ich ihnen ein und einen Richter. In ähnlicher Weise soll auch der Bischof ihrem Verlangen keineswegs widersprechen.
4) Wegen Diebstahls ... sollen sie mit sieben Händen schwören.
5) Zu keiner Heerfahrt sollen sie ziehen, außer wenn für das Vaterland zu kämpfen wäre.
6) Wenn der Herzog außerhalb Böhmens auf einer Heerfahrt ist, dann sollen die Deutschen Prag bewachen mit zwölf Schilden bei jedem Tore.
7) Über Tötung zu richten steht dem Fürsten zu, und zwar sollen dem Fürsten für einen Totschlag zehn Talente Pfennige Regensburger Münze gezahlt werden oder die rechte Hand des Töters oder es werde nach Gnade beigelegt.
8) Wer den Frieden unter ihnen gebrochen hat, der Schuldige zahle dem Fürsten zehn Talente.
9) Wenn ein Böhme mit einem Deutschen eine Rechtssache hat, die mit Zeugen bewiesen werden soll, da habe der Böhme gegen den Deutschen zwei Deutsche und einen Böhmen, alle getreu.
10) In ähnlicher Weise wenn ein Deutscher mit einem Böhmen eine Rechtssache hat, dann habe der Deutsche gegen den Böhmen zwei Böhmen und einen Deutschen, aber getreue.
11) Ähnliches gilt von Romanen3) und Juden.
12) Weiters, wenn ein Böhme oder Romane 3) oder wer immer einen Deutschen beschuldigt hat, dann soll der oberste Kämmerer 4) einen Boten an den Richter der Deutschen senden und der Richter der Deutschen wird diese Sache richten, und da steht dem Kämmerer nichts weiter zu.
13) Und ich räume den Deutschen auch ein, daß sie frei seien von Gästen. Fremden und Ankömmlingen. Wißt, daß die Deutschen freie Leute sind!
14) Jeder Ankömmling oder Gast, von welchem Land er kommt, der mit den Deutschen in der Gemeinde wird wohnen wollen, soll das Gesetz und die Gewohnheiten der Deutschen haben.
15) Wenn eine gestohlene Sache bei einem Deutschen ist, soll sie in Gegenwart des Richters der Deutschen herausgenommen werden.
16) Wenn der Dieb ein Deutscher ist, dann wird der Fürst über ihn richten.
17) Wenn ein Dieb in der Nacht ergriffen wird, wird er gehängt. Wenn er bei Tag ergriffen wird, wird er öffentlich ausgestäupt und wird die Gemeinde abschwören; wenn er nachher ergriffen wird, wird er gehängt.
18) Was immer die Deutschen tun, so werden sie nicht gefangengenommen, noch in den Kerker gesetzt, wenn sie Bürgen oder ein eigenes Haus haben.
19) Welcher Sache immer die Deutschen schuldig oder beklagt sein werden, so sollen ihre Kinder und Ehefrauen keinerlei Schaden oder Bedrängnis erleiden.
20) Wenn jemand nachts durch die Siedlungen der Deutschen gegangen wäre und keine Fackel gehabt hätte, wenn der getötet wird, sind die Deutschen unschuldig.
21) Wenn falsches oder zerbrochenes Geld in der Truhe eines Deutschen gefunden worden wäre, ist der schuldig, dessen die Truhe ist. Würde es aber im Hofe oder im Hause gefunden, ist der unschuldig, dessen das Haus oder der Hof ist, wegen der übelwollenden und mißgünstigen Menschen, die solches in Häuser oder Höfe hineinzuwerfen pflegen.
22) Wenn ein gestohlenes Pferd bei einem Deutschen erkannt worden wäre, dann wird der,der das Pferd erkennt, vorher schwören, daß er die Sache dieblich verloren habe; dann wird der Deutsche schwören, stehend in einem Kreise, der mit dem Schwert auf der Erde gezogen ist, daß er das Pferd oder die Sache nicht gestohlen habe, sondern gekauft, und daß er den Verkäufer oder dessen Haus nicht kenne.
23) Nirgends sollen die Deutschen schwören als vor der Kirche des heiligen Petrus2), es sei denn des Fürsten Auftrag.
24) Wenn eine heimliche Schenke im Haus eines Deutschen entdeckt worden wäre, dann soll der Herr des Hauses gefangengenommen werden, in Gegenwart des Richters der Deutschen oder seines Boten, und niemand anderer.
1) Basis der Rechtsstellung der Prager Deutschen waren die Festlegungen König Wratislaws II. (1061-1092), die Sobieslaw II. (1173-1178) in diesem Dokument bestätigte. 2) Die (in Ziff. 23 genannte) deutsche Pfarrkirche St. Peter. 3) Vermutlich: Aus den Niederlanden gekommene Wallonen. 4) Zugleich einer der obersten Richter.
aus: „Quellenbuch zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie“; hsg. v. Karl Schober; Bd. I; Wien, 1886; S. 302 ff.
Karte des Sudetenlandes 1:75.000 (3756) – Friedland in Schlesien 2
Die Geschichte unserer Vorfahren führt mich in die Vergangenheit der Deutsch-Böhmen zurück. Eine Bezeichnung, die seit 1902, als der Geograph Franz Jesser den Begriff Sudetendeutsche in Anlehnung an die zusammenfassenden Bezeichnungen für die Alpendeutschen und Karpatendeutschen prägte, ebenso verschwand, wie die Bezeichnungen Deutschmährer oder Deutschschlesier und nach 1918 durch die tschechoslowakische Behörden sogar gänzlich untersagt wurde.
Bereits im 12. Jahrhundert räumte Herzog Sobieslav II. (1173–1178) der deutschen Zuwanderung eine Reihe von Rechten ein: „Wisst, dass die Deutschen freie Leute sind!“.
Eine weitere Zuwanderung Deutscher erfolgte nach den Hussitenkriegen (1419–1439), Pestepidemien und durch die Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648), zudem durch Binnenwanderung aus den deutschsprachigen Regionen der Habsburgermonarchie.
Diese Zuwanderer waren nach den Hussitenkriegen zunächst Protestanten, nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) wurde in Böhmen mit der Rekatholisierung begonnen und das Land konnte wieder den Habsburger Ländern von Ferdinand II. zugeschlagen werden, aus diesem Grund bekamen bis zum Toleranzpatent von 1781 in Böhmen nur Katholiken Bürgerrecht und Ämter.
Unsere Seifert Vorfahren gehörten zur deutschen katholischen Bevölkerung.
Woher sie ursprünglich einwanderten, ist im Moment eine Familienlegende, es sollen Hessen gewesen sein. Ob das richtig ist, wird sich vielleicht eines Tages klären, im Moment kann ich nur einen Teil ihres Weges rekonstruieren, der vor dem Zweiten Weltkrieg in Schlesien endete.
Heimat unserer Vorfahren 3
1 Nationalhymne von Tschechien. Der Text stammt aus dem Theaterstück „Fidlovačka“ („Das Schusterfest“) von Josef Kajetán Tyl, die Melodie wurde von František Škroup komponiert.
Kde domov můj? Wo ist meine Heimat? Kde domov můj? Wo ist meine Heimat? Voda hučí po lučinách, Das Wasser braust auf den Wiesen, bory šumí po skalinách, Wälder rauschen auf den Felsen, v sadě skví se jara květ, Im Garten strahlt des Frühlings Blüte, zemský ráj to na pohled; es ist das irdische Paradies für’s Auge! a to je ta krásná země, Und das ist das schöne Land, země česká, domov můj! Böhmerland, meine Heimat! země česká, domov můj! Böhmerland, meine Heimat!
2Internetmuseum für historische Kartographie Landkartenarchiv.de – Michael Ritz – Mönchengladbach 3Regnum Bohemia eique Annexae Provinciae : ut Ducatus Silesia Marchionatus Moravia, et Lusatia quae sunt Terrae Haereditariae Imperatoris ; cum Privelegio Ordinum Holland. et West-Frisiae / Per T. Danckerts. – [Ca. 1:970 000]. – Amstelodami, [um 1709]. – 1 Kt. : Kupferst. ; 59 x 50 cm; online Deutsche Fotothek
Die Potsdamer standen in den Trümmern und bauten sich ihre Stadt neu auf. Es wurde alles verbliebene, was scheinbar oder tatsächlich von Wert war, abgebaut und als Reparationsleistung in die Sowjetunion geschickt. So war es doppelt schwer für die Bevölkerung, eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen. Man war ständig bemüht, irgendwie Lebensmittel und Heizmaterialien zu beschaffen.
Die Frauen unserer Familie standen als Trümmerfrauen zwischen Stahlträgern, Mauerresten und Balken, zogen schwer beladene Wagen und Loren mit der eigenen Körperkraft, da meist keine Pferde oder Lastwagen zur Unterstützung vorhanden waren. Reichten in langen Menschenketten Steine von Hand zu Hand weiter, damit aus den vom Mörtel befreiten Steinen neue Häuser entstehen konnten. Alles für einen Stundensatz von rund 70 Pfennigen, nur die Lebensmittelrationen stiegen für diese Schwerstarbeit. Fett etwa 400 g/Monat, 500 g Brot und 100 g Fleisch in der Woche. Der tatsächliche Nährwert der Nahrung lag größtenteils bei etwa 700 Kalorien/Person/Tag. Salat aus Brennnesseln, Löwenzahn standen neben den erneut unvermeidlichen Rüben auf dem Speiseplan. „Brat mir einer einen Storch“ war nicht nur eine Redensart, aus berufenem Munde wissen wir, wie tranig er schmeckt. Auf dem Heiligen See schwamm kein einziger Schwan mehr, man war dankbar über jeden Rinderfuß, den man irgendwo erhalten konnte.
Meine Mutter erinnerte sich an diese Zeit:
„Nach dem Krieg haben viele Leute in ihren Wohnungen das eine oder andere Zimmer vermietet, weil viel zerstört war und die Leute auch Geld brauchten. So auch Ur-Oma und Ur-Opa! Sie hatten ihr Schlafzimmer an „Fräulein Lorke“ vermietet. Ihre Mutter wohnte eine Treppe höher, auch sehr beengt. Fräulein Lorkes Schwester lebte in New York und schickte regelmäßig Geld, Päckchen und Briefe und Karten. Sie kam auch einige Male zu Besuch. Ich kannte sie. Da ich als Kind sehr viel bei Ur-Oma war, kam ich natürlich auch viel mit Lorkes zusammen (Ur-Opa nannte sie immer die Misses). Ich ging gern zu ihnen, weil sie nicht nur sehr nett waren, sondern sie hatten (Fräulein Lorke) das ganze Bett voller schöner Puppen aus Amerika und ich durfte mit ihnen auch spielen. Einmal bekam ich wunderschöne, handgearbeitete „Opanken“, das waren Sommersandaletten aus beigem Leder, mit kleinem Absatz. Ringsherum mit zartgrünen Lederbändchen eingefasst und schmalem Fesselriemchen und kleiner Schnalle. Sie wären auch heute noch hoch modern! Fräulein Lorke hatte oben seitlich einen Goldzahn, der blitzte, wenn sie lachte und eine gutturale Stimme, vielleicht, weil sie rauchte. Ihre Mutter war eine richtige Omi, wie man sie sich vorstellt, alle jedenfalls sehr nett. Als dann im Hause etwas frei wurde, zogen sie zusammen und Ur-Oma hatte ihr Schlafzimmer wieder. Bis dahin schliefen sie in der kleinen Stube hinter der Küche. Diese Kleine Stube war dann noch viele Jahre immer wieder an Studenten der Pädagogischen Hochschule vermietet, die von Ur-Oma und Ur-Opa immer wie eigene Söhne behandelt wurden und es gut bei ihnen hatten. Es war für sie wie Familienanschluß. Ich muß immer wieder sagen, dass Ur-Oma und Ur-Opa sehr moderne aufgeschlossene Menschen waren mit sehr gutem Charakter! So etwas findet man heute selten, man muß auch sehen, aus welcher Zeit sie stammten und es auch noch andere Werte waren! Heute gibt es doch fast nur noch Egoisten!“
meine Mutter und Enkelin
Neue Zeit, 8.8.19451
Uropa hatten jedoch seine Arbeit bei Kesslau, da alle Betriebe, die in der Lage waren, Autoreparaturen durchzuführen, dringend benötigt wurden und zusammen bauten, was sich reparieren ließ.
Um des Hungers Herr zu werden, wurde im September 1945 die Bodenreformverordnung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) verabschiedet. Man hoffte, durch Enteignung und Neuverteilung ab 1946 die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln.
Jedoch brach 1946/1947 einer der strengsten Winter über Deutschland herein, der wie der Winter 1944/1945 zu einem Hungerwinter werden sollte.
Das folgende Jahr sorgte für eine erneute Inflation. In den westlichen Besatzungszonen wurde die Deutsche Mark eingeführt, nun wurden die dort wertlos gewordene Reichsmarkbestände in größeren Mengen in die SBZ gebracht, um sie einzutauschen gegen Waren. Diese Geldschwemme sorgte für eine Inflation, die faktisch über Nacht alle privaten Bargeldbestände in Ostdeutschland wertlos machten. Um diesen Geldfluss einzudämmen, wurde zwischen dem 24. und 28. Juni 1948 ein Bargeldumtausch durchgeführt.
Herman Wilhelm Seifert links, auf der Treppe sein Chef Herr Bormann und rechts dessen Sekretärin bei Firma Kesslau
Pro Person durften maximal 70 Reichsmark 1:1 umgetauscht werden. Spareinlagen im Betrag bis zu 100 Reichsmark wurden ebenfalls 1:1 getauscht, im Betrag von über 100 bis 1000 Reichsmark im Verhältnis 5:1, wer mehr besaß, musste die Herkunft des Geldes erklären. Oma erzählte dazu einmal, jetzt standen sie mit 40 Mark da, das war ihr ganzer Besitz, für den sie zuvor geschuftet hatten.
Trotz allem, es gelang ein Wiederaufbau der Stadt, die Menschen fanden sich in der neuen Ordnung zurecht, auch, als am 23. Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland und als Antwort darauf am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik gegründet wurden. Nun war es offiziell, man lebte als Familie in zwei getrennten deutschen Staaten.
Betriebsjubiläum bei Kesslau 1953, zwischen Uroma und Uropa sein letzter Geselle Willi, neben Uroma links der Chef Herr Bormann
Potsdam wurde im Sommer 1952 zur Bezirkshauptstadt des neu gegründeten Bezirks Potsdam. Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 schien noch einmal die Hoffnung aufkommen zu lassen, als würde sich die Politik in ihrer Richtung ändern, ein Trugschluss.
So erlebte Uropa am 4. April 1956 sein 45. Betriebsjubiläum bei Kesslau, ehe er in Rente ging. Man konnte nach wie vor nach „West“-Berlin fahren, jedoch mehrten sich die Anzeichen, dass auch diese Möglichkeit bald verschlossen sein würde, da es der Regierung ein Dorn im Auge war, tausende Arbeitskräfte als Grenzgänger im Westteil der Stadt arbeiteten lassen zu müssen. Dieses „Problem“ hatte sich seit der Währungsreform 1948 deutlich verschärft, die neue Deutsche Mark war ein Vielfaches einer DDR-Mark wert.
Zwischen 1949 und 1961 hatten rund 2,6 Millionen Menschen den „Osten“ verlassen, beinahe die Hälfte der Ost-Grenzgänger waren 1961 Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn, die übrigen darstellende Künstler, Musiker, hochqualifizierte Wissenschaftler und Techniker oder sie gehörten zum Personal der beiden christlichen Kirchen. In den Augen der Regierung entzogen sich diese „Verräter und Schmarotzer“ dem „Aufbau des Sozialismus“. Bei einer Besprechung zwischen Nikita Chruschtschow und Walter Ulbricht am 3. August 1961 in Moskau fiel die Entscheidung zur Schließung der Sektorengrenze am 13. August. Es folgte der Mauerbau, Symbol einer Teilung, die bis zum 10. November 1989 Bestand haben sollte.
Uroma und Uropa feierten am 7. Juni 1968 ihre Goldene Hochzeit und am 7. Juni 1973 ihre diamantene Hochzeit im Kreise ihrer Familie, die inzwischen angewachsen war um drei Urenkel.
Die diamantene Hochzeit war für mich ein besonderes Ereignis, es ging in den Potsdamer „Klosterkeller“ gegenüber meiner Schule. Es gab Kotelett und Uroma packte in einer Serviette den Knochen für den Schäferhund der Nachbarn ein, der auf dem Hof hinter dem Haus seinen Zwinger hatte. Mich amüsierte das ungemein, wo wir doch alles so fein angezogen waren, Uroma ihre beste Handtasche dabei hatte und diese Gaststätte eine damals wirklich begehrte in Potsdam war, wo Tische lange vorbestellt wurden. Alle anderen nicht verzehrten Speisen ließ sie ebenfalls einpacken, damit sie diese noch zu Hause verbrauchen konnte.
Sie kochte immer noch selbst und ich bin manches Mal nach der Schule zu ihr gegangen, um Mittag zu essen. Dann klopfte ich an die Scheibe und sie fragte, wer da wäre, da sie an Star erkrankt war und kaum noch sehen konnte. Weil Uropa Diabetiker war, hatte sie einen Trick, auf allem, was für ihn bestimmt war, Geschirr oder Eingewecktes, hatten sie einen dicken Farbklecks gemalt, den sie erfühlte. Ihre Hände waren vom vielen Arbeiten mit dicken Knoten gezeichnet und sie fasste daher immer in sehr heißes Abwaschwasser. Mich erstaunte immer wieder, wie sie das vertrug. Am Herd fühlte sie ebenfalls mit der Hand über die Flamme, ob sie an war, doch all das hielt sie nicht davon ab, ihrer gewohnten Hausarbeit nachzugehen.
Dieses lange gemeinsame Leben endete am 28. Oktober 1975, als Uropa nach einem Schlaganfall zu Hause verstarb. Uroma lebte danach im Luisenstift, ehe sie am 2. August 1983 für immer von uns ging. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits Ur-Ur-Großmutter.
Quellen: Privatarchiv Wikipedia 1Neue Zeit, Mi. 8. August 1945, Jahrgang 1, Ausgabe 15, S. 3
Zumindest eine Hochzeit sollte noch gefeiert werden. Am 5. Oktober 1939 schritten mein Opa Fritz und meine Oma Irmgard in der Potsdamer Garnisonskirche zum Traualtar.
Die Hoffnung, das Uropa 1939 bereits 51 Jahre alt war und nicht mehr eingezogen werden würde, erfüllte sich nicht. So hatte Uroma nicht nur Bangen und Hoffen um die Söhne, sondern in einem zweiten Weltkrieg erneut um den Ehemann.
Am 3. Mai 1940 ordnete das Reichsluftfahrtministerium eine einheitliche und allgemeine Verdunkelung für ganz Deutschland zwischen Sonnenuntergang und -aufgang an. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 1940 gab es den ersten Fliegeralarm in Berlin mit einem Angriff auf ein Industriegebiet, am 25. August 1940 fielen Bomben auf Berlin. Der Krieg war bedrohlich nah. Es folgte am 13. Oktober 1940 eine Anordnung des Führers zur sofortigen Durchführung baulicher Luftschutzmaßnahmen. Durch die Bombardierungen wurden ganze Schulklassen wegen Luftkriegsgefahr geschlossen verlegt. Die Evakuierung (Kinderlandverschickung) von Kindern beginnt.
Potsdam wurde im Frühjahr 1941 zum Luftschutzort erster Ordnung und erhielt 15 Bunker für die Bevölkerung. Überall fanden sich nun Markierungen an den Häusern, wo der nächste Keller zu finden ist, um Schutz zu suchen. Der Alltag war geprägt von Verordnungen, Lebensmittelmarken und Sirenen-Luftschutzwarnungen, doch nach wie vor schienen die vom Führer versprochenen Geheimwaffen einen guten Ausgang herbei zu führen.
Als im Februar 1942 fünfzehnjährige Schüler der höheren Schulen als Luftwaffenhelfer für den Kriegsdienst rekrutiert wurde, wird langsam klar, der Endsieg ist nicht so sicher, wie der Führer glauben machen wollte. Doch alle Sorge galt nun „Irmi“, die meinen Urgroßeltern bald den ersten Enkel bescheren sollte.
Um die Eisenbahn umfassend für Kriegstransporte einzusetzen, wurden ab März für unbegründete Privatreisen mit dem Zug schwere Strafen angedroht, die wöchentliche Brot- und Fleischration wurden verringert, nun war es nicht so einfach, aufs Land zu fahren, nach Alt-Landsberg oder nach Kapsdorf.
Uroma musste nun auch jeden Tag zum „Kriegsdienst“, seit dem 20. April wurden die Frauen im Reich in die Rüstungsindustrie verpflichtet. Immer häufiger wurden Großstädte bombardiert, was Luise in große Sorge brachte, da Potsdam so nah an Berlin lag. Doch allen Umständen zum Trotz schrie im Sommer 1942 ein gesundes Kind in der Eisenhartschen Heilanstalt, Behlertstraße 10, der Welt entgegen, umsorgt von Mutter und zwei Großmüttern.
Im Herbst wurden Bucheckern gesammelt und zur Abgabestelle gebracht, da die Versorgung mit Öl gesichert werden musste, wieder ein Ersatz mehr, neben der „Lorke“ die sich Kaffee nannte.
In den Wochenschauen wurde im Winter 1942 nach wie vor vom Endsieg geredet, während vor Stalingrad über 230.000 Soldaten eingekesselt waren. Im Januar 1943 zogen sich die deutschen und italienischen Verbände in Nordafrika nach Tripolis zurück. Anfang Februar erfolgte die Kapitulation der Truppen vor Stalingrad und am 11. Februar begann die zwangsweise Rekrutierung der übrigen Fünfzehnjährigen als Luftwaffenhelfer. Auf Anweisung Hitlers vom 24. Februar sind Befehlsverweigerer der Wehrmacht „auf der Stelle zu erschießen“.
Im Potsdam bereitet man sich inzwischen auf die Ankunft des zweiten Enkels vor, der im Spätherbst das Licht der Welt erblicken sollte. Verwandtenbesuche waren allerdings nicht möglich, am 10. Dezember wurde privater Weihnachtsreiseverkehr im ganzen Reich verboten. So blieb es beim Schreiben, allerdings war zu beachten, ab 1. Januar 1944 wurden neue Postleitzahlen eingeführt.
Als am Muttertag die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink zum Muttertag die deutschen Frauen zu „Geburtshöchstleistungen“ auffordert, konnte „Irmi“ nur lachen, waren doch zwei Kinder innerhalb von 15 Monaten geboren worden, die es auch in diesen mageren Zeiten zu ernähren galt.
Dann kam der Sommer, Truppen der Alliierten landeten in der Normandie und Oberst Graf von Stauffenberg versuchte mittels Attentat am 20. Juli den Führer zu töten. Fast alle, die das Attentat mit vorbereitet hatten, wurden anschließend vom Volksgerichtshof verurteilt und hingerichtet, darunter auch eine Reihe von Offizieren des Potsdamer Infanterie-Regiments Nr. 9.
Langsam begann sich das Gefühl breit zu machen, es könnte alles anders kommen…. doch der Führer versprach eine neue Wunderwaffe, die „V2„. Am 25. September ordnete Hitler die Erfassung aller wehrfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren für den „Volkssturm“ an. Mein Uropa kam nach Frankreich, stand an der selben Front wie mein Opa Fritz.
Die Russen marschierten unaufhaltsam Richtung Deutschland, am 30. Januar 1945 torpedieren sie von einem U-Boot aus das deutsche KdF-Schiff „Wilhelm Gustloff“. In der Danziger Bucht starben tausende von Flüchtlingen, die sich aus Ostpreußen retten wollten. Trecks zogen Richtung Deutschland, auf der Flucht vor der heran rückenden Front. Überall sah man nun Flüchtlinge auf den Straßen.
Am 14. April 1945 gabe es um 19.30 Uhr mal wieder einen Voralarm, es waren seit Jahresanfang etwa 130 gewesen. Um 20.45 Uhr endete der Gottesdienst in der Garnisonkirche. Dann, um 22.15 Uhr Fliegeralarm! Viele Potsdamer gingen nicht mehr in die Luftschutzkeller, warum auch, bisher wurde die Stadt nicht angegriffen, weshalb dann in dieser Nacht?
Um 22.30 Uhr kreisten Flieger, nun wurde klar, die Lage war ernst. Um 22.39 Uhr standen die „Christbäume“, Leuchtbomben, am Himmel, um das Ziel zu markieren – die Innenstadt. Eine gezielte Vernichtung dessen, was man für die „Identität“ des preußischen Staates hielt.
Luftbild von Potsdam kurz nach dem Luftangriff durch die Royal Air Force am 14. April 19454
Dann kam der unfassbare Moment, die Bombardierung Potsdams begann um 22.40 Uhr. 490 schwere viermotorige Lancaster der britischen Royal Air Force luden 1700 Tonnen Sprengbomben, Minenbomben und Brandbomben über der Stadt ab. Über tausend Gebäude wurden in der Innenstadt zerstört, es starben 1593 Menschen, etwa 60.000 Menschen wurden obdachlos. Heftige Detonationen erschütterten den Stadtbahnhof, da ein Munitionszug „in die Luft flog“.
Ab 23.00 Uhr endet der Luftangriff, danach hörte man immer wieder die Detonationen der Zeitzünderbomben. Eine halbe Stunde später kamen die Menschen aus den Bunkern, Kellern und Häusern hervor. Sirenen zur Entwarnung gab es nicht mehr, sie waren zerstört.
Garnisonkirche5
In der Brandenburger Straße war das Warenhaus Karstadt zerstört, die Junkerstrasse ist die Parallelstraße, wo meine Urgroßeltern wohnten. Was meine Familie gerettet hatte, war der Umstand, das es sehr windig war in dieser Nacht und die Leuchtbomben in Richtung Ravensberge abgetrieben wurden. So ging die Hauptlast dort herunter. Bis heute ist die Stadt von diesem Angriff gezeichnet, immer wieder muss die Innenstadt abgesperrt werden, um Bomben zu räumen. Wir haben als Kinder nicht nur Belehrungen zum Thema Fundmunition in der Schule erhalten, sondern diese auch anwenden müssen. Bei einem „Pioniermanöver“ in den Ravensbergen fanden wir eine dieser Fliegerbomben, einen Blindgänger, der gesichert wurde und später von Sprengmeistern gesprengt. Das es ständig Sprengungen von Abrisshäusern gab, wir in den Ruinen der Nebenstraßen spielten, war für uns ein ganz normaler Alltag. Und selbst heute, über 70 Jahre nach Kriegsende, tragen viele Häuser noch immer die Narben des Krieges.
Durch den Feuersturm sprang das Feuer auf die scheinbar intakt gebliebene Garnisonkirche über. Während sich das Feuer durch das Gebälk fraß, gelang es, einige Gegenstände, wie Kruzifix, Leuchter und Altartisch in Sicherheit zu bringen, ehe ein Blindgänger von der enormen Hitze ausgelöst, im Kirchenschiff explodierte. Auch die einzelnen Glocken des Glockenspiels begannen sich zu lösen und stürzten fast 80 Meter in die Tiefe.
Dieses Glockenspiel galt als eines der schönsten in Europa. Die „Singeuhr“ spielte fast 150 Jahre lang zu jeder halben Stunde „Üb’ immer treu und Redlichkeit“, zu jeder vollen Stunde ertönte der Choral „Lobe den Herren“. Nun lag es zerborsten und geschmolzen am Boden. Aus diesen Trümmern retteten meine Urgroßeltern eine kleine Glocke, die fortan als Andenken in der Familie aufbewahrt wurde. Am Samstag, den 8. Juni 2014 um 18 Uhr war es soweit, im Pfingstgottesdienst konnte Pfarrerin Cornelia Radeke-Engst die Glocke willkommen heißen. Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist bereits in der Planung.
Potsdam- Ruinen6
Es dauerte nur noch wenige Tage, dann erfolgte die Kapitulation des tausendjährigen Reiches. Für Uropa und Sohn Fritz endete der Krieg in Frankreich, für Sohn Heinz in Berlin, dort war er als Flakkommandant zum Zoobunker abkommandiert worden.
Potsdam wurde noch einmal Zentrum der Geschichte, als das „Potsdamer Abkommen“ am 2. August 1945 Deutschland den Alliierten unterstellte, Reparationen festlegte, die Behandlung der Kriegsverbrechen festlegte und neue Grenzen fest schrieb.
Diese Festlegungen sorgten für weitere Vertreibung und Umsiedlung, Fluchtwellen und bildete die Grundlage einer Teilung Deutschlands in zwei Staaten. Da sich die Sowjetische Besatzungszone politisch gänzlich anders entwickeln sollte, wurde unsere Familie getrennt, meine Urgroßeltern blieben mit Sohn Fritz und dessen Familie in Potsdam, während Sohn Heinz im „Westen“ eine Familie gründete.
Fortsetzung
Quellen: Privatarchiv Wikipedia 4This artistic work created by the United Kingdom Government is in the public domain. 5Wikimedia: Garnisonkirche, April 1945, Die Ruhestätte Friedrich des Großen: von englischen Luftpiraten zerstört. Bei einem Terrorangriff der englischen Luftgangster auf die Reichshauptstadt in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 wurde auch die historische Garnison-Kirche in Potsdam, die letzte Ruhestätte Friedrich des Großen, restlos zerstört. UBz: Die Aussenansicht der vollständig ausgebrannten Garnison-Kirche. Fot. Hoffmann17.4.45 [Herausgabedatum] Zentralbild 17.4.1945; Text, siehe oben. Ausnahme Friedrich des Großen ersetzt durch Friedrich IIBundesarchiv, Bild 183-J31422 / CC-BY-SA 3.0 6Wikimedia: Potsdamer Ruinen, Bundesarchiv, Bild 170-422 / Max Baur / CC-BY-SA 3.0
Die Weißstickerei, beschränkt sich auf Verzierung der Wäsche und des Tischzeugs in Leinwand oder Baumwolle. In der so genannten französischen oder hugenottischen Weißstickerei herrscht mehr der Plattstich, in der englischen (der durchbrochenen Arbeit) der Bindlochstich vor; doch kommen bei beiden noch der Languettenstich und verschiedene Phantasiestiche zur Anwendung. Die venezianische Weißstickerei, bei der stellenweise der Grund nach der Arbeit entfernt wird, so dass die durchbrochenen Stellen durch feine Fadenverschlingungen gefüllt werden, streift schon nahe an die Spitzennäherei.
Sie beherrschte das Sticken und Nähen außerordentlich gut, was ihre Wäsche zu Hause bewies, dort gab es auch sehr schöne Gobelins, sie hatte unter anderem zahlreiche Kissenplatten mit diesen Millimeter großen Stichen bestickt, die Geduld dafür habe ich immer sehr bewundert.
Das junge Ehepaar zog in die Junkerstrasse 54 in Potsdam, hier kamen mein Opa Fritz und dessen Bruder Heinz zur Welt.
Leider war ihre Freude an der jungen Ehe schnell getrübt, da der Krieg über sie herein brach. Wie es meinen Urgroßmüttern und ihren Kindern erging, kann man sich vielleicht besser vorstellen, wenn man sich meine Ausführungen über den Steckrübenwinter 1916/1917 in Erinnerung ruft.
Zu dem Foto der beiden Söhne erzählte meine Mutter mir folgende Familiengeschichte:
„Sie sind im Sommer immer für 4-5 Wochen nach Kapsdorf in ihre schlesische Heimat gefahren. Ur-Opa hatte dort noch 4 oder 5 Geschwister, die dort ihr Land hatten und Bäcker oder auch Fleischer waren. Die Ur-Oma fuhr also mit den beiden Jungs, mit dem Zug vom Schlesischen Bahnhof ab. Sie mußten früh aufstehen, da war es noch dunkel und später im Zug, als es hell war, sah sie, dass Opa in seinem Anzug wie in einer Presswurst saß und Onkel Heinz in seinem fast ertrank. Im Dunkeln hatten sie die Anzüge vertauscht !
Ur-Oma, sie hatten damals auch nicht viel Geld, fuhr mit den Jungs von einer Verwandtschaft zur anderen, und nähte und flickte und besserte Wäsche und Kleidung bei ihnen aus. Die Kinder erholten sich, bekamen frische gute Sachen zu essen, denn alle hatten Landwirtschaft und Viehzeug. Sie lernten so ihre Cousins und Cousinen kennen, Onkel u. Tanten und lernten auch gleich, wo die Kälbchen, Ferkel und Küken her kommen. Sie hatten den Stadtkindern so Einiges voraus ! Wenn Ur-Oma in den 4 Wochen so fast alle besucht hatte, kam Ur-Opa für die letzten 14 Tage und holte sie ab. Im Gepäck dann schöne Dinge, wie frische Eier, Speck und Wurst, selbst gebackenes Brot und Geschlachtetes, das dann noch eine Weile an die schönen Ferien in Schlesien erinnerten. Noch eine Anekdote aus dieser Ferienzeit: Opa und Onkel Heinz liefen dort, wie die Dorfkinder, natürlich barfuß. Opa war in einen Kuhfladen getreten, die „Schiete“ quoll durch die Zehen und Opa sagte zu Onkel Ernst, dass er in „Muh-AA“getreten ist, der sagte: „Was, „Muh-AA“ ? Kuh-Scheiße ist das!!!“ Wir haben mit Opa alle gelacht, es war immer nett, wenn wir von „Alten Zeiten“ gesprochen haben.“
Kaum war der Krieg zu Ende, kehrte Uropa an seinen angestammten Arbeitsplatz zurück. Arbeit gab es genug, jedoch gelang es zunächst in keinster Weise, wirtschaftlich voran zu kommen. Deutschland hatte als Folge des Krieges Reparationen zu leisten, das Geld verlor von Tag zu Tag mehr an Wert, die Kaufkraft schwand dahin. Am 15. Juli 1920 erhielt man in Potsdam einen 50 Pfennig Gutschein als Notgeld. Eine neue Auflage vom 28. November 1921 war mit verschiedenen Soldatenmotiven sehr ansehnlich, aber faktisch wertlos.
Politisch gärt es gewaltig im Staat. Bereits am 13. März 1920 versuchten rechtsgerichtete Militärs durch einen Putsch in Berlin die Regierung zu übernehmen und die Weimarer Republik zu stürzen. Weitere Unruhen fanden 1921 statt, am 24. Juni 1922 wurde der Reichsaußenminister Walter Rathenau durch einen Attentäter im Grunewald erschossen. Schließlich marschierten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen in das Ruhrgebiet ein, da sich die Reparationszahlung geringfügig verzögert hatte. Die Reichsregierung proklamierte den „passiven Widerstand“, der folgende Generalstreik lähmte die Wirtschaft. Nun geriet die Inflation völlig außer Kontrolle, im November 1923 zahlte man 4,2 Billionen Deutsche Papier-Reichsmark für einen US-Dollar. Im Dezember 1918 erhielt man diesen noch für 7 RM!!
Der 100 Millionen Schein wurde nicht einmal mehr auf der Rückseite bedruckt, da man mit der Gelddruckerei gar nicht mehr hinterher kam. Oma erzählte dazu immer, wie sie als Kind einen Millionenschein fand und dachte, nun sei sie reich. Voller Freude lief sie zum Krämer und war schwer enttäuscht, als es dafür nur einen Schokoladenmaikäfer gab.
Sie erzählte aber auch, wie die Frauen zum Fabriktor liefen, um freitags dem Wochenlohn ihrer Männer in Empfang zu nehmen und eiligst einzukaufen, da man am Montag für das Geld schon nichts mehr bekam. Ein 1000g Brot kostete zuletzt 428 Milliarden Mark in Berlin.
Die Inflation bedeutete für Uropa ebenfalls einen Verlust ganz anderer Art. Ihm sollte sein Erbteil ausgezahlt werden, er hatte die Wahl, ob er Geld möchte oder Immobilienbesitz in Schlesien. Seine Brüder hatten dort alle vom Vater ein Haus mit Grund und Boden erhalten, in dem sie ihr Handwerk ausübten. Uropa hatte sich dagegen entschieden und meinte, seine Entscheidung sollte uns eine Lehre sein, Land bleibt, Geld ist „futsch“, seines reichte noch, um sich einen Mantel dafür zu kaufen.
Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung Berlin2
Um der Verelendung Einhalt zu gebieten und eine erneute Hungersnot abzuwenden, wurde Ende 1923 eine Währungsreform durchgeführt. Eine Billion Mark wurde in eine Rentenmark getauscht und sorgte dafür, dass sich das Leben ab 1924 wieder normalisierte.
Eine neue Sorge bahnte sich für meine Urgroßeltern im Winter 1926/1927 an, als ein Hochwasser die Pegelstände von Nuthe und Havel bedrohlich steigen ließ. Die Wiesen zwischen Horstweg und Schlaatz standen ebenso unter Wasser, wie der Park von Sanssouci und die Bahnlinie im Wildpark. Da weite Teile Potsdams auf einem sumpfigen Untergrund erbaut wurden, stieg das Wasser in den Kellern und flutete das Heizmaterial ebenso, wie das Eingeweckte. Dazu erzählte meine Grundschullehrerin einst, wie sie als Kind in der Zinkwanne im Keller der Großeltern zum Regal mit dem Eingeweckten paddelte. So lustig es sich anhörte, so gefährlich war das für die Gesundheit der Stadtbewohner. Nässe und Kälte bringt Erkrankungen mit sich, Typhus war Potsdamern nicht unbekannt, doch nun brach mit dem Beginn des Jahres 1927 eine erneute Grippe-Epidemie aus.
Trotz allem, innerhalb kürzester Zeit änderte sich das Leben, man ging zu Sportveranstaltungen, saß am Rundfunkgerät, legte Schallplatten auf und ging tanzen. Die „Goldenen Zwanziger“ wurden für viele zum „Tanz auf dem Vulkan“, am 24. Oktober 1929 kam es zum Börsencrash in New York, dieser läutete die Weltwirtschaftskrise ein.
Die Folge war auch in Deutschland zu spüren, Anfang 1931 waren bereits fünf Millionen Menschen als arbeitslos registriert. Der Deutsche war schon damals ein Protestwähler und machte bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 wutentbrannt sein Kreuz bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), 37% der Stimmen entfielen auf einen wortgewaltigen Mann, der ein neuer „Heilsbringer“ sein sollte. Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler wurde nicht nur das Ende der Weimarer Republik am 30. Januar 1933 besiegelt, aber das ahnte noch keiner.
Uropa und Uroma wohnten inzwischen längst in der Junkerstrasse (Gutenbergstraße) 89. Zu ihrer Wohnung gehörten die beiden Fenster unten rechts vom Eingang des gelben Hauses. Hier lag ihr Wohnzimmer, nach hinten hinaus das Schlafzimmer. Über den Flur ging es in die Küche und ein kleines Zimmer, in dem Opa und sein Bruder schliefen. Auch Schlafgäste, wie man das damals nannte, wenn man Betten vermietete als kleine Nebeneinnahme.
Hinter dem Haus war ihr Garten und Uropa´s Schuppen. Dort hatte er eine kleine Werkstatt mit allerlei Sattlermaschinen. Im Garten wurde sogar Tabak angebaut und nach der Ernte getrocknet, um die Pfeife zu stopfen oder eine Zigarre zu drehen.
Mit in den Garten zu gehen, bedeutete, die Werkstatt zu besuchen, für mich immer etwas besonderes, vor allem, weil ich mir dann einen Ball aussuchen durfte. Davon stand ein ganzer Sack in der Ecke, über Jahre gesammelt im Garten von all den Kindern, welche ihm ihre Bälle über die Mauer schossen und sie nicht mehr abholten. Uropa hatte es aufgegeben, sie aus seinen Beeten zu sammeln und zurück zu werfen, sie lagen alsbald wieder da – zu meiner Freude.
Als Kind bewunderte ich Uroma´s mannshohe Staude. Die straffen grünen Pflanzen mit ihren wunderbaren satt gelben Blütenbällen, auf welchen sich viele Insekten nieder ließen, pflanzte ich als Ableger in meinen Garten, viele Teilungen und Umzüge hat sie inzwischen überlebt.
Doch zurück zur Geschichte, am 7. April 1933 wurde ein „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ erlassen, Zweck war der Nachweis der „arischen“ Abstammung, Beamte und öffentliche Angestellte mussten, um weiterhin im Dienst bleiben zu können, ihre Eltern und Großeltern belegen. Hier war Sohn Fritz, mein Opa, betroffen, da er im Januar 1934 Schutzpolizist wurde.
Bald darauf waren Ärzte und Rechtsanwälte genötigt, am 15. September 1935 wurden alle Bürger mit den Nürnberger Gesetzen gezwungen, einen Ariernachweis zu führen, daher wurde eine „Reichsstelle für Sippenforschung“ (Reichssippenamt) gegründet. So kam es zu einer regen Ahnenforschung, von der ich erheblich profitiert habe, da alle Verwandten angeschrieben wurden, um die Familiendaten zu erfassen. Viele dieser Dokumente sind uns erhalten geblieben.
Potsdam- Wilhelmsplatz, Synagoge ganz links3
Während beide Söhne inzwischen bei der Luftwaffe waren und der Arbeitsalltag seinen Lauf nahm, zog eine schwarze Gewitterfront über Deutschland auf, nicht nur die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung per „Ahnenpass“ aus dem öffentlichen Laben wurde tatenlos mitangesehen, am 1. Oktober 1938 zog eine deutsche „Schutztruppe“ für die Deutsche Minderheit in die Tschechoslowakei ein und half bei der Errichtung des „Protektorats“. Am 9. November 1938, währen der „Reichskristallnacht„, wurde die Potsdamer Synagoge zerstört und geplündert, ebenso jüdische Geschäfte, der jüdischen Friedhof. Menschen wurden geschlagen, vertrieben, verhaftet – jüdische Menschen.
Später, als dieser Platz „Platz der Einheit“ hieß, stand ich öfter im Durchgang neben der Hauptpost. Man gelangte von hier zu den Häusern und einer Grasfläche, an der Wand zur Post war eine Tafel eingelassen – „An dieser Stelle stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde Potsdams. In der Nacht vom 9. zum 10. Nov. 1938 wurde sie von den Faschisten ausgeplündert und zerstört.“
Natürlich hörte man im Unterricht einiges, aber ich hatte beim Anblick dieser Tafel immer die Vorstellung von lauter bunten Glasbruchstücken, die auf dem Boden lagen, da ich mir vorstellte, die Fenster waren, wie in den anderen Kirchen, bunt verglast. Alleine diese Vorstellung erschien mir als ungeheurer Frevel. Die freie Grasfläche im Innenhof hatten die Potsdamer beim Wiederaufbau ihrer Stadt nach dem Krieg angelegt, um der jüdischen Gemeinde einen Platz für den Neuaufbau zu schaffen.
Nach diesem „Auftakt“ wurde im März 1939 die restliche Tschechoslowakei „kampflos“ besetzt, das Memelland per Vertrag wieder an Deutschland angegliedert und Hitlers 50. Geburtstag im Reich gefeiert. Nach Bekanntgabe eines Abkommens mit der Sowjetunion im August erklärt Hitler den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, dass der Krieg gegen Polen unmittelbar bevorstehe, gleichzeitig unterzeichneten die Außenminister von Ribbentrop und Molotow in Moskau einen deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, der in einem Geheimen Zusatzabkommen die Interessengebiete in Osteuropa aufteilte.
Uroma und Uropa hatten am 7. Juni 1938 Silberhochzeit feiern können, zwei Söhne in der Luftwaffe, Fritz hatte bereits seine Braut „Irmi“ ins Haus gebracht, doch mit dem Überfall auf Polen durch die Beschießung von polnischen Munitionslagern auf der Westerplatte bei Danzig begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg.
Mein Urgroßvater Hermann Wilhelm Seifert kam am 9. September 1888 in Kapsdorf (Czernczyce), Kreis Schweidnitz zu Welt und erlernte den Beruf eines Sattlers. Seine Brüder wurden Metzger, Bäcker und Bauer.
Warum er sich im Jahre 1907 nach Berlin aufmachte, um dort eine Anstellung zu finden, ehe er in der Potsdamer des Gardes du Corps Kaserne ebenfalls als Sattler tätig war, ist nicht wirklich sicher. Vielleicht, weil er sich hier ein besseres Auskommen versprach, vielleicht hatte er auch ein bisschen Fernweh und wollte mehr von der Welt sehen. Möglicherweise hatten Erzählungen der Familie ihn für die Gegend interessiert, da bereits ein Bruder seines Großvaters mütterlicherseits in jungen Jahren nach Fürstenwalde an die Spree kam, um Brauer zu werden. Leider wurde er nur 19 Jahre alt, da er in den Braukessel stürzte und an den Folgen der Verbrühung starb.
Möglich ist aber auch, dass er durch den Militärdienst nach Berlin gelangte und daher in der Kaserne als Sattler blieb.
Kaiserpaar1
Seinen Militärdienst leistete er laut Familienerinnerungen als Kürrassier des Gardes du Corps, Inhaber des Regiments waren Seine Majestät der Kaiser und König Wilhelm II., Berlin, Garde-Kavallerie-Division Berlin, 1. Garde-Kavallerie-Brigade Berlin, Garnison Potsdam.
Parade am Stadtschloss, Potsdam 1910
Die Kürassiere trugen bei der Parade natürlich eine Uniform, die nicht im Felde zum Einsatz kam. Um 1894 sah ihre Uniformteile so aus, wie dargestellt. Als einziges Kürassierregiment hatte das GdC zwei Sätze von Kürassen. Neben den blank polierten, hatte jeder Kürassier noch einen zweiteiligen (Brust- und Rückenstück) schwarzen Kürass. Die schwarzen Kürasse, siehe Reiterbild, hatte der russische Zar dem Regiment 1814 als Zeichen der Freundschaft und Bündnistreue zum Geschenk gemacht.
Nach Familienerzählungen besaß dieser Kürass noch einen Kugelschuss, sichtbar als Vertiefung, um die Schussfestigkeit zu prüfen.
Bereits am 4. April 1911 nahm er seine Arbeit als selbständiger erster Sattler in der Wagenfabrik Kesslau auf und feierte hier am 4. April 1956 sein 45. Betriebsjubiläum.
Die Wagenfabrik des Gustav Kesslau wurde bereits 1860 gegründet und hatte ihren Sitz in der Elisabethstraße 20, später Charlottenstrasse 61 in Potsdam. Sie war weit über die Grenzen Deutschlands hinweg für ihre Pferdewagen, Kutschen, von Pferden gezogenen Omnibusse, Krankenwagen und Pferdeschlitten bekannt.
So inserierte man auch in der Ostafrikanischen Zeitung.
Menelik II.
Als Sattler hatte Uropa in einige Kundschaft, zu der auch echte Berühmtheiten zählten. So durfte er eine Kalesche bauen für Menelik II. Kaiser von Äthiopien.
Deutschland eng verbunden, fuhr Menelik II. übrigens auch einen Double-Phaeton 35 HP, den er 1908 von dem deutschen Geschäftsmann Arnold Holtz als Geschenk erhielt.
Zu dem Geschäftsfeld der Wagenfabrik gehörten natürlich auch Ausstattungen der Kraftfahrzeuge, u.a. der Phaeton, die als Karosserie geliefert, von ihnen aufgebaut wurden.
Einen kleinen Überblick bieten Kataloge der Firma aus unserem Familienarchiv. hier und hier
Die Jagdleidenschaft Hermann Görings, dessen Waldhof „Carinhall“ in der Schorfheide ganz in Potsdamer Nähe lag, fanden mit dem Jagdwagen, welcher von meinem Urgroßvater gebaut wurde, sogar Erwähnung in der Historie. Selbst in den Erinnerungen von Zeitzeugen, gesammelt vom Deutschen Museum für Geschichte in Berlin, findet er sich wieder, mit der Erinnerung an dessen Füchse, aber auch die Ponys der Kinder, welche vorgespannt wurden.
Die Zeiten änderten sich und mit ihnen auch die Kundschaft, so fertigte er für den russischen Stadtkommandanten von Potsdam, Oberst Andrej Werin eine Kalesche, welche mit rotem Leder ausgeschlagen war.
Als Kalesche wurde ein leichter, offener Wagen bezeichnet, welcher ursprünglich mit einem einzelnen Pferd bespannt, später auch zwei- und vierspännig gefahren wurde, wie man auf neben stehendem Bild sehen kann.
Nach 1945 gelang der Wagenfabrik der Sprung in die Moderne durch ihre Karosseriebau-Tradition. Es wurden IFA-Karosserien repariert und Karosserien des Schienentrabis gebaut. Der Schienentrabi Typ 1 war ein Gleiskraftrad (GKR ) und wurde Ende der fünziger Jahre als Kontrollfahrzeug entwickelt, das auf Schienen zum Einsatz kam. Die Verwendung war unter anderem bei den Bahnmeistereien. Der Name Schienentrabi kam durch die Verwendung des Trabant P50 als Basis des Antriebs, die technische Entwicklung wurde im VEB Lokomotivbau „Karl Marx“ Babelsberg, Außenstelle Berlin-Adlershof vorgenommen. Die Karosserien eines etwas weiter entwickelte Typs wurden bei Kesslau zwischen 1962 und 1965 gefertigt.4
Fortsetzung
Quellen: Privatarchiv Wikipedia 1Wikimedia: Kaiserpaar; Empress Auguste Viktoria (1858-1921) and emperor Wilhem II (1859-1941) of Germany. Postcard from circa 1910 in the collection of Fredrik Tersmeden (Lund, Sweden). Photographer: Th. Voigt, Homburg; public domain 2Wikimedia: Schorfheide, Lord Edward Frederik Halifax, Hermann Göring; 20. November 1937; Aktuelle-Bilder-Centrale, Georg Pahl (Bild 102); Bundesarchiv Bild 102-17986; CC-BY-SA 3.0 3Wikimedia, Kalesche; Foto: Janez Novak; Castle Podstreda; CC BY-SA 3.0;Erstellt: 22. September 2007 4Geschichte des Gleiskraftrad Typ 1
I. Die derzeit erste mir bekannte Generation meiner Seifert-Vorfahren waren der Schäfer Ernst Gottlieb Seifert, gestorben 1872 in Poselwitz (Postolice), Legnica, Polen und seine Ehefrau Marie Rosine Berendtin, sie starb 1875.
Poselwitz1
Heute gehört Poselwitz zur Landgemeinde Groß Wandriß (Wądroże Wielkie) in Polen. Die St.-Martins-Kirche aus dem 15. Jahrhundert, ein kleiner Bau aus Stein und Ziegelstein mit einem sehr reich verzierten, für den Barockstil charakteristen Haupt- und Nebenaltar erhalten, beachtenswert ist die schöne Skulptur der gotischen Madonna. Die Skulptur stammt entweder aus dem nicht mehr bestehenden Kastenaltar oder einer anderen der Gemeinde, sie findet sich hier erst nach 1945. Die Kirche wird von seinem Friedhof umgeben, der aus dem 14. Jahrhundert stammt.
II. Ihr Sohn Johann Ernst Gottlieb Seifert wurde am 19. November 1815 in Poselwitz (Postolice) geboren und starb am 30. Oktober 1886 in Schönau (Ogrodnica).
Von Beruf war er Pachtschmiedemeister mit einer Wirterei im Unterdorf von Schönau.
Johann Ernst Gottlieb Seifert heiratete Marie Rosine Langer. Sie wurde 1819 in Dromsdorf (Drogomilowice), Legnica geboren und starb am 28. Januar 1875 in Schönau (Ogrodnica).
Schönau1
Schönau hatte um 1895 rund 125,4 ha Fläche, bestehend aus einem Wohnplatz, 41 Gebäuden, mit etwa 200 Einwohnern, zur Hälfte evangelischen, zur Hälfte katholischen Glaubens.
III. Sohn der beiden war der Kaufmann und Stellenbesitzer Karl Heinrich Seifert, geboren am 12. Oktober 1851 in Mönchhof (Gadków) , Legnica und getauft am 19. Oktober 1851 in Groß Baudiß (Budziszów Wielki), Legnica. Er starb am 24. Oktober 1927 in Kniegnitz (Ksieginice), Legnicki im Alter von 76 Jahren.
Er heiratete am 25. Januar 1876 Pauline Auguste Süßmann. Sie wurde am 5 Aug. 1852 in Mittel-Faulbrück (Moscisko), Walbrzych geboren und am 8. August 1852 in Königlich Gräditz (Grodziszcze), Walbrzych getauft. Im Alter von 80 Jahren starb sie in Kapsdorf (Czernczyce), Kreis Schweidnitz am 12. Mai 1933.
Mönchhof und Groß Baudiß1
Zur Zet des Mittelalters befand sich das Dorf Groß Baudiß auf dem Handelsweg von Leipzig nach Breslau, welcher „Hohe Straße“ genannt wurde. Im 12. Jahrhundert gehörte Groß Baudiß den Neisser Kreuzherren vom Orden der regulierten Chorherren und Wächter des Heiligen Grabes zu Jerusalem, mit dem doppelten roten Kreuz in Breslau (Wrocław), 1221 fand eine Ortsbestimmung, die dem deutschen Recht unterlag, statt. In Groß Baudiß befindet sich die Guter-Hirte-Kirche, die wahrscheinlich im Jahre 1250 entstand. An der Kirche befindet sich ein Friedhof aus dem 13. Jahrhundert. Das Gebäude blieb bis in unsere Zeit erhalten. Der spätere Hofbesitzer war Paul Müller-Baudiss, der die Umgebung der Residenz für Erholungsziele bestimmte.
Kapsdorf1
Kapsdorf (Czernczyce), Kreis Schweidnitz war ihr Wohnort, dort kamen ihre 7 Kinder zur Welt.
IV. Mein Urgroßvater Hermann Wilhelm Seifert kam am 9. September 1888 in Kapsdorf (Czernczyce), Kreis Schweidnitz zu Welt und starb am 28. Oktober 1975 in Potsdam. Am 7. Juni 1913 heiratete er in Altlandsberg Anna Marie Luise Paul. Uroma wurde dort am 28. Februar 1893 geboren und starb am 2. August 1983 in Potsdam.
Hier werde ich ein wenig mehr über Uropa erzählen.
V. Mein Opa Fritz Seifert kam am 6. Februar 1915 in Potsdam zur Welt. Damit war er der erste „Brandenburger“ Seifert unserer Familie.
Über sein Leben werde ich hier ein wenig mehr erzählen.
Am 21. Juli 1969 blieb ich eine ganze Nacht lang mit meinem Großvater auf. Wir standen im feuchten Gras, den Kopf gespannt im Nacken, vom See zog Dunst über das Grundstück und wir atmeten die Gerüche der Nacht ein. Er erklärte mir den Sternenhimmel und meinte, diese Nacht solle ich niemals vergessen, sie wäre ein historischer Moment – der erste Mensch auf dem Mond. Vorher hatte wir im Fernsehen die Berichterstattung gesehen, nun warteten wir gespannt auf die Meldung „Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed!“
Er meinte zu mir, „schau hin, man kann den Lichtreflex der Basis auch hier unten sehen“, und mir erschien es, als hätte ich es gesehen. Ich weiß nicht, ob meine Fantasie mir einen Streich spielte, oder ob er wirklich da war, aber die Tatsache, mit meinem Opa diesen großartigen Augenblick erlebt zu haben, machte diesen Moment für mich noch einzigartiger, zumal ich in dieser Nacht aufbleiben durfte, wo es doch sonst zeitig für uns Kinder ins Bett ging.