Zur Erinnerung an unsere Vorfahren, die als Migranten aus Süddeutschland in die Welt zogen

Kategorie: Schlesien (Seite 1 von 3)

Fort – nur fort …

Sparwasser – aus Hessen über Schlesien nach Russland

Sparwasser – viele werden sagen: „Da klingelt doch was?“ Der bekannte Namensvertreter und Fußballer Jürgen Sparwasser ist jedoch nicht gemeint, sondern die Büdesheimer Brüder Johann Jacob1 (1.12.1745-24.3.1819) und Johannes1 (17.11.1752-19.5.1790) Sparwasser, welche dem Aufruf des Werbers Johann Hartmann Schuch, Verwaltungsbeauftragter der neuen Kolonien in Schlesien, folgten.

Schuch war ursprünglich selbst Kolonist, als Richter für eine neue Kolonie im Kreise Brieg vorgesehen, machte er eine Eingabe mit dem Verweis auf seine besondere Eignung als Werber an den Grafen Karl Georg von Hoym im September 1771, in der er erklärte, über 800 Familien geworben zu haben. Hoym, davon überzeugt, wendete ihn im Spätherbst und Winter 1771 in die Ämtern Nidda und Schotten, die Grafschaft Solms-Laubach, ins Hanauische und auch ins burgfriedbergische Territorium.

Seine Abwerbung blieb dort nicht unbeachtet, der Amtmann des Karbener Amtes meldete im Dezember die unerwünschte Tätigkeit Schuch’s, worauf das Burgregiment Friedberg am 20. Dezember 1771 eine Untersagung aussprach. Am 9. Januar 1772 wies die Burg den Amtmann an, Schuch, „falls er sich nicht fügen und den Ort räumen wolle, in Arrest zu ziehen und nach Burg Friedberg gefänglich einzuführen.“

Am 27. Januar 1772 teilt die Burg dem Amtmann zu Büdesheim mit, man sei wegen Schuch mit dem königlich preußischen Minister von Hochstetten in Korrespondenz getreten und am 3. Februar 1772 war ein Gesinnungswechsel eingetreten, Schuch konnte werben und den als Kolonisten angeworbenen wurde der Abzug gestattet, sofern sie Zehnt-Pfennig, Auszugs- und Ledigungsgeld bezahlt hätten.6

Wenn man sich nun fragt, warum Schuch überhaupt so erfolgreich war, und warum der Amtmann so harsch reagierte, muss man in diese Zeit zurückblicken:

Einerseits waren die Lebensbedingungen der Landbevölkerung durch Leibeigenschaft geprägt, Leibeigene gehörten dem Grundherrn, sie bewirtschafteten seine Ländereien und waren zu Frondiensten verpflichtet, durften ohne seine Genehmigung weder wegziehen noch heiraten und unterlagen seiner Gerichtsbarkeit, im Gegensatz dazu waren Bürger einer Stadt freie Menschen. Während Frankreich diesen Zustand 1789 beendete, war man auf den deutschen Territorien in dieser Frage uneins, im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel seit 1433 aufgehoben, behielt man sie in Mecklenburg bis 1822 bei und erst 1832 wurden die Frondienste in Sachsen abgeschafft. Im Großherzogtum Hessen wurde die Aufhebung der Leibeigenschaft per Gesetz am 25. Mai 1811 verordnet und zum 13. Juli 1813 rechtskräftig. Es wurde eine Entschädigungsleistung der ehemaligen Leibeigenen an die vormaligen Leibherren vorgesehen, was im Grunde die Abhängigkeit mangels Kapital aufrechterhielt.

Der zweite, viel wichtigere Aspekt war jedoch der Bevölkerungsmangel und damit verbundene Arbeitskräftemangel, der die Herrschaft aufhorchen ließ. Diese geht auf die erheblichen Hungerjahre zurück, die in Europa eine Ursache in der kleinen Eiszeit nahmen und durch kriegerische Auseinandersetzungen verstärkt wurden.

Die Verringerung der Sonnenaktivität, auch Vulkanismus mit erheblichem Ausstoß in die Atmosphäre und veränderten Meeresströmungen bestimmten bis ins frühe 19. Jahrhundert das Klima in Europa. Die Temperaturen gingen seit etwa 1570 deutlich zurück, bis 1610 reihten sich Missernten, Orkane und harte Winter aneinander und bildeten den Nährboden für Missgunst, Neid, Auseinandersetzungen und letztlich Kriege.

1636-1637. Schreckliche Hungersnoth in Deutschland und zum Theil in der Schweiz als Folge des 30-jährigen Krieges, ganz besonders in Sachsen, Hessen und Elsaß. Die Menschen verthierten infolge der entseglichen Zustände derart, daß sie nicht blos Gras, Baumblätter, Eicheln, Wurzeln, Baumrinden, Erde, Thierfelle und krepirte Thiere verschlangen, sondern sogar menschliche Leichname verzehrten, indem sie das Fleisch auf dem Schindanger holten, Leichen vom Galgen herabstahlen, die Gräber nach Menschenfleisch durchwühlten und lebende Kinder schlachteten. Blutsverwandte mordeten und fraßen sich auf und nahmen sich dann, über die entsehliche Sättigung in Wahnsinn verfallend, selbst das Leben. Es bildeten sich Banden, die auf Menschenfleisch behufs Verzehrens förmlich Jagd machten; so wurde z. B. zu Worms eine Menschenfresserbande vertrieben. Die Chroniken berichten so gräßliche Details und haarsträubende Episoden, daß man sich mit Eckel davon abwendet.

Unglücks-Chronik oder die denkwürdigsten elementaren Verheerungen und Zerstörungen in Natur- und Kulturleben aller Zeiten.
Wenger, J.:Verlag: Bern Verlag von Rudolf Jenni’s Buchhandlung (H. Köhler). (Ca. 1889)., 1889 p.49

Hongersnood in Duitsland, 1637)
Caspar Luyken, Rijks Museum, Amsterdam
Hongersnood in Duitsland, 1637, Caspar Luyken2

Unsere Sparwasser waren in Büdesheim lange ansässig, Daniel, hochadlige schützischer Jäger und Waldförster, aus Florstadt stammend, heiratete 1666 in Büdesheim, der Pfarrer schätze sein Alter auf 31 oder 32 Jahre, nach dem Sterbealter war er schon 34. Er war der Vater von Georg Wilhelm, Daniels Schwiegervater Henrich Volz stammt aus der Zeit um 1600, Enkel Georg Philipp, Vater unserer Auswanderer kam im Jahre 1717 zur Welt, sie erlebten die Zeiten, mit Sommern, so kurz, dass Korn und Früchte nicht mehr reiften.

Die Not war extrem, man kannte zu diesem Zeitpunkt noch keinen Kartoffelanbau, nur Hackfrüchte, die ebenfalls kaum wuchsen, die Preise explodierten für das Wenige, was vorhanden war, Fleisch war rar, da auch das Vieh nicht mehr versorgt werden konnte, das Wild zurückging, Seuchenzüge waren die Folge, sie trafen sowohl die geschwächten Menschen, als auch das Vieh.

Es folgten weitere Jahre mit extremen Teuerungen, auch verursacht durch Ankauf von guten Ernten und Preiswucher, die ebenfalls Hungersnöte ausbrechen ließen.

In den Jahren 1770 und 1771 fielen zudem nicht nur die Kornernten schlecht aus, weshalb es erneut zu einer erheblichen Verteuerung kam (europäische Hungerkrise 1770–1773), Ursache waren extremen globale Klimaanomalien – während es in Zentralamerika, Indien und Teilen Afrikas zu schweren Dürren kam, versank Europa im Schlamm verheerender Regenfälle, die überwiegend die Sommermonate betrafen. Die Ernteausfälle breiteten sich über den Kontinent von Frankreich bis in die Ukraine und von Skandinavien bis in die Schweiz. In Folge des sich ausbreitenden Hungers und der Nässe, die alles faulen ließ, grassierten Ruhr, Typhus und die Pest, die zu einer drastischen Sterblichkeit führten, die Preise explodierten um 300 bis 1000 Prozent.

So findet sich in der Chronik der Stadt Ellrich4 folgender Bericht:

In den Jahren 1770 und 1771 war Mißwachs, große Theurung und Hungersnoth; noch zu Ende 1769 kostete ein Scheffel Rocken 15 bis 18 gr,, Anfangs 1770 1 rthl. 8 gr. und Ende 1771, und Anfangs 1772 3 rthl. bis 3 rthl. 16 gr., die übrigen Früchte waren verhältnißmäßig eben so theuer. Beym Steigen der Preise und der Hungersnoth wurden unter den ohnehin schon schlechten, zum theil bey der Nassen Erndte ausgewachsenen Rocken, alle Arten von Früchte selbst Hafer und Drespe, untergemahlen, Kartoffeln gekocht und hinzugethan, und von der Armuth mit samt der Kleye verbacken, ja die Noth stieg endlich so hoch, daß Hieselbst arme Leute, von Hunger und Aberglauben getrieben, eine Art Kalck im Jtel geholet haben, welcher vom Frost zermalmet gewesen, welchen sie dafür angesehen, daß derselbe Mehl sey, welches Gott zu ihrer Rettung aus der Erde hervorgehen lasse, und diesen Kalck haben sie würklich unters Mehl gemenget und mit verbacken. Dieses verbreitete sich dazumal in hiesiger ganzen Gegend, und Schreiber dieses erinnert sich noch sehr gut, daß auch ins Hannoversche nach Scharzfels, wo derselbe dazumal war, dieses Gerücht erscholl, worauf die Armuth in den umliegenden Dorsschaften, ein ähnliches Wunderwerk bey Nüxey entdeckt zuhaben glaubte, wo sie eine Art weißen ganz feinen Mergel, Dux genannt, holeten, mit unters Brodt backten, davon krank wurden und häufig davon starben; so daß Obrigkeitswegen dergleichen verbothen, von den Kanzeln der Jrrthum erkläret, von der Hannoverischen Regierung aber Früchte hergegeben, verbacken, und das Brodt unter die Armuth vertheilet wurde. Des Frühjahres 1772 holeten die Menschen die ersten grünen Kräuter, um solche zu kochen, sie trafen mitunter viele schädliche, weil ihnen jegliches grüne Keimchen angenehm war, und auch dadurch und durch den lange erlittenen Hunger wurden noch viele Menschen krank und starben sehr häufig. Dies waren traurige, traurige Jahre, selbst für den Wohlhabenderen, dies Leiden, ohne Allen helfen zu können, mit ansehen zu müssen, viele Familien gingen ganz zu Grunde, andere haben es lange Jahre nach her, und manche noch nicht verwinden können, der Mittelstand unter Bürger und Bauer, versetzte, verkaufte, borgte, nahm ausstehende Capitalien aus und setzte sein ganzes kleines Vermögen zu, und dieser giebt es am mehrsten, der Wohlhabenden nicht so viel. Das Jahr 1772 und die gute Erndte desselben machte dieser höchst erbärmlichen Scene ein Ende.

Man kennt Zahlen aus Kur-Sachsen, wo 150.000 Menschen 1772 am Hunger und seinen Folgen starben, in Böhmen etwa 180.000 und das ebenso in allen anderen Teilen des damals noch zersplitterten Deutschlands.3

So versteht sich die Erklärung der künftigen Kolonisten, die 1772 die Auswanderung nach Schlesien wünschen, von selbst, da sie ,,bei diesen theuren und nahrungslosen Zeiten sich das benöthigte Brod zu ihrem Lebensunterhalte nicht zu schaffen vermögten und daher gesonnen seien, nach Schlesien zu ziehen, in Hoffnung, es daselbsten besser zu treffen“

Der weitaus größere Teil wanderte bis Ungarn, da diese Region von den Wetterunbilden verschont geblieben war.

Johann Jacob war zum Zeitpunkt der Auswanderung verwitwet, vermutlich hatte seine Frau den Hunger nicht überstanden, daher wanderte er mit den Kindern Johann Georg (1768 – nach 1814) und Anna Elisabeth (1770-1804) in die neu zu gründende Kolonie Süssenrode aus. Sein Bruder Johannes und dessen Frau waren noch kinderlos. Zuvor zahlte Johann Jacob Sparwasser 5 Guldenb, 15 Albusb, Bruder Johannes 3 Gulden Ledigung (Loslösung aus Leibeigenschaft)1.

Geburtseintrag Johann Jacob Sparwasser 1745 im Büdesheimer Taufregister 1701-1756 (Archion)

Geburtseintrag Johannes Sparwasser 1752 im Büdesheimer Taufregister 1701-1756 (Archion)

Für unsere kleine Sparwassersippe war es verlockend, Schuch versprach in Schlesien geschenkt ein Haus und Grundbesitz von 40 rheinischen Morgena, es sollte freies Bau- und Brennholz geben, eine Steuerfreiheit der nächsten acht Jahre, danach lediglich eine Abgabe von sechs Albus je Morgen, das klang gut. Zudem zahlte die preußische Regierung 2 Thalerc pro Kopf Reisekosten.6 So machte man sich Anfang März 1772 mit den anderen Kolonisten auf den rund 740 km langen Weg in die neue Heimat, für Süssenrode sollten 14 andere Familien die neuen Nachbarn sein. Der Zeitpunkt war so gewählt, dass die Ankömmlinge bei Ankunft noch die Saat einbringen konnten.

Strecke Büdesheim – Süssenrode (Mlodnik) (google maps9)

Die Strapazen der Reise waren unsäglich, Nahrung knapp und teuer, zehrte daher das wenige Habe auf, viele der Kolonisten wurden krank, wie schlimm es stand, berichtete Schuch dem schlesischen Provinzialminister Graf von Hoym, in den elf neuen Kolonien waren im Mai 1772 insgesamt 266 Männer, 195 Frauen und 449 Kinder, davon 113 krank, 31 Personen verstorben.7

In Süssenrode fand Schuch bei seiner Kontrolle am 21. Mai 1772 insgesamt 15 Männer, 14 Frauen und 22 Kinder vor, 6 davon inzwischen Waisen, 10 Erkranke, zwei Männer und zwei Frauen gestorben. Doch lesen wir selbst:

Nummero 10. d. 21. May 1772.
Sussenrothen.
Diese Colonie stehet unter der aufsicht des Herrn Oberfürsters Büttner; soll bestehen auß 16 wohnungen; sind aufgeschlagen vom Zimmerman und sind in voller arbeit.
Die Colonisten von dieser Colonie sind nach folgender Liste:
No 1) Casper Jost, ein Bauer und Schumacher von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 33; Fr.: 40; To.: 20; So.: 8 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 2) Jacob Sparwaßer ; ein Bauer von Biedesheim, kaiserl. Burg Frieb. Hoheit. alt: 27; So.: 4; To.: 2 Jahr; 3 Köpf. R.: Evangelisch.
No 3) Joh. Schäfer ; ein Bauer von Biedesheim Friebbergischer Hoheit. alt: 56; Fr.: 58; So.: 18; So.: 12 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 4) Joh. Jacob Sparwaßer ; ein Bauer von Biedesheim Friebbergischer Hoheit, alt: 25; Fr.: 30 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch.
No 5) Joh. Cun ; ein Bauer von Biches, Biedingischer Hoheit, alt: 30; Fr.: 35; So.: 8; To.:10; To.: l Jahr; 5 Köpf. R.: Reverwirtd.
No 6) Daniel Sefftel; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 24; So.: 2 Jahr; 3 Köpf.
R.: Reverwirth.
No 7) Stofel Lipp ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 29; Fr.: 30; So.: 7; To.: 2 Jahr; 4 Köpf. R.: Reverwirth.
No 8) Hein. Meister ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 20 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth.
No 9) Anderas Nickelaus; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 24; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth.
No 10) Martin Holtzheimer; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 30; Fr.: 25 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth.
No 11) Peter Mehrling ; ein Bauer von Ostheim aus der Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf; R.: Reverwirt.
No 12) Casper Jost; ein Bauer von Ostheim aus ; der Grafschaft Hanau. alt: 30; Fr.: 40; So.: 8 Jahr; 3 Köpf. R.: Reverwirth.
No 13) Joh. Lick ; ein Bauer von Ostheim auß der ; Grafschaft Hanau. alt: 25; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: (fehlt)
No 14) Conrath Meßer ; ein Bauer von Biches, Biedingischer Hoheit. alt: 30; Fr.: 22 Jahr; So.: 4 Tage; Schwie.: 20 Jahr; 4 Köpf. R.: Reverwirth.
No 15) Conrath Buhsch ; ein Bauer von Kroßen Karben Kayserl. Burg Frieb. Hoheit, alt: 46; Fr.: 45; So.: 20; To.: 12 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 16) Diese Nummero ist vagant;

Auf dieser Colonie befinden sich 15 Mann, 14 Frauen, 16 Kindern, die 6 weisen dazu gerechnet macht 22; Summa: 51 Seelen.
Kranck: 10 Personen.
Gestorben von dieser Colonie: 2 Mann, 2 Frauen; Summa: 4 Seelen.
Auf dieser Colonie ist noch nichts von sommerfrüchten hinaußgesäet, weil diese Colonisten mehrst alle kranck gewesen sind; sie liegen noch alle in Butgewitz, weilen ihre Häuser noch nicht alle vom Zimmerman aufgeschlagen sind.
Der Grund und Boden ist sehr gut; es stehet aber ein gar starcker wald drauf, daß es also hier zeit erfodern wird, biß er urbar gemacht wird, indem er naß liegt und ein starcker graben geschrodt werden muß.
Diese Colonisten haben noch kein Vieh.

Monatsschrift für Sippenkunde und Sippenpflege, Heft 6 und 7, 1939, Berlin

Ortsplan Süssenrode6

Was den Kolonisten nicht bewusst war, man suchte in Schlesien vor allem Holzfäller, die den Wald roden sollten und die Hochöfen der Eisenproduktion mit Holzkohle versorgen. Daher waren die Landflächen nur als „Gartenwirtschaft“ ausgelegt, reichten daher einem Bauern nicht zur Vollversorgung seiner Familie, zumal nur ein kleines Stück gerodeter Acker zur Ansaat des Nötigsten übergeben wurde, den Rest mussten die Kolonisten selbst roden. Dafür erhielten sie pro Morgen 4-20 Taler, je nach Schwierigkeit des Geländes. Da ihre Kolonien noch nicht fertiggestellt waren, zog der Oberforstmeister Süßenbach, der diese Arbeiten überwachte, die Kolonisten zur Handlangerdiensten heran, dafür zahlte er 4 Groschen täglich. Zudem wurden die Kolonisten mit Brotgetreide und jeweils 2 Kühen unterstützt.

Süssenrode hatte einen nassen Wald, die Kolonisten waren die ungewohnt schweren Waldarbeiten nicht gewohnt und kränkelten und waren trotz aller Bemühungen und allen Fleißes in einem so erbärmlichen Zustand, dass der Oberförster Büttner 1774 nach Breslau schrieb:13

Die Hungersnot unter den Kolonisten ist nunmehr aufs höchste gestiegen und deren Jammern und klägliches Lamentieren mit Worten nicht zu beschreiben. Ich selbst muss bekennen, daß ungeachtet sich sämtliche das Roden mit besonderem Fleiß angelegen sein lassen, in Sonderheit bei dem harten Winter sie nicht im Stande sind, sich das Brot zu verdienen.

Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9 p77

Johann Jacob ehelichte 1773 in Tauenzinow (ehemals Ostenbrug) Anna Elisabeth Rohn (Rahn), sie war aus Gonterskirchen mit ihrem Vater Heinrich ausgewandert und findet sich ebenfalls in Schuch’s Bericht7.

Geburtseintrag Anna Elisabeth Rohn 1749 im Gonterskirchener Taufregister 1665-1767 (LDS)

Nummero 9. d. 21. May 1772.
Ostenbrug.
Diese Colonie stehet unter der aufsicht des Herrn oberforstmeister Büttner; soll bestehen aus 20 wohn Häuser, sind alle fertig vom Zimmermann und Mäuren biß zur folgender aufebauung der Scheuern.
Diese Colonisten, die auf der Colonie wohnen sollen, sind nach folgender Liste:

No 1) Philippus Lenhing ; ein Bauer und Schmidt aus dem Fürstenthum Gedern.
alt: 48; Fr.: 35; So.: 15; To.: 10; To.: 7; So.: 5; So.: 3 Jahr; 9 Köpf. R.: Evangelisch.
No 2) Peter Weißbecker; ein Bauer und Zimmerman aus Käichen, Friebbergischen Hoheit. alt: 34; Fr.: 33; So.: 8; So.: 3 Jahr; 4 Köpf. R.: Catolisch.
No 3) Thomas Görtler ; ein Bauer und Zimmerman aus Käichen, Friebbergischer hoheit. alt: 36; Fr.: 38; To.: 13; So.: 7; So.: 5; To.: l Jahr; 5 Köpf. R.: Revermirt.
No 4) Joh. Georg Schmeißer ; ein Bauer aus dem Heilbrunnischen. alt: 48: To.: 22; To.: 18; To.: 15; So.: 11; S.: 8 Jahr; 6 Köpf. R.: Evangelisch.
No 5) Andereas Marthin ; ein Bauer und Zimmerman auß dem Dorf Käichen, Frieb. hoheit. alt: 32; Fr.: 35; So.: 5 Jahr; 3 Köpf. R.: Catolisch.
No 6) Georg Reinhart Dorß ; ein Bauer auß dem Württbergischen. alt: 28; Mut.: 55; Schw.: 20; Br.: 17; Br.: 15; Schw.: 8; Schw.: 6 Jahr; 7 Köpf. R.: Evangelisch.
No 7) Joh. Conrath Fickel; ein Bauer aus Gonterskirchen aus dem Laubachischen. alt: 34; Schw.: 28; To.: l Jahr; 3 Köpf. R.: Evangelisch.
No 8) Nickelaus Schneidmüller; auß Gedern ein Bauer. alt: 25; Fr.: 44; So.: 18; So.: 13 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 9) Conrath Weifert; ein Bauer von Kaichen Burg Frieb. Hoheit, alt: 32; Fr.: 36; So.: 4 Jahr; 3 Köpf. R.: Catolisch.
No 10) Joh. Adam Geiger; aus der Pfaltz ampt Bocksberg. alt: 36; Fr.: 34; To.: 14; So.: 8 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 11) August Crach; ein Bauer, Burg Frieb. Hoheit. alt: 36; Fr.: 35; So.: 9; So.: 3 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 12) Johannes Löß; ein Bauer und Schuhmacher aus Gedern. alt: 32; Fr.: 24 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch.
No 13) Heinrich Rahn ; aus Gonderskirchen ein Bauer.alt: 62; To.: 23 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch.
No 14) Johannes Landmann ; ein Bauer aus dem Dorf Gedern. alt: 45; Fr.: 33; So.: 20; So.: 18 Jahr; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 15) Jacob Hiltebrand ; ein Bauer und Steindecker auß Gedern. alt: 43; Fr.: 22 Jahr; 2 Köpf. R.: Evangelisch.
No 16) Peter Hartman ; ein Bauer aus dem Dorf Freiesehe. alt: 26; Fr.: 36; So.: 3 Jahr; To.: 6 Wochen; 4 Köpf. R.: Evangelisch.
No 17) Michel Bopp ; ein Bauer von Frohnhaußen, Grafschaft Biedingen. alt: 36; Fr.: 36 Jahr; 2 Köpf. R.: Reverwirth.
No 18) Joh. Georg Mänttler ; ein Bauer aus dem Württbergischen. alt: 32; Fr.: 34; So.: 2; So.: l Jahr; 4Köpf. R.: Evangelisch.
No 19) Joh. Nieckel aus Maul; auß dem Anspaischen. alt: 32; Fr.: 21; 2 Köpf. R.: Evangelisch.
No 20) Johannes Dörr; ein Bauer von Erbstadt, Fürstl. Heßischer Hoheit. alt: 44; Fr.: 49; To.: 12; To.: 7; So.: 4 Jahr; 5 Köpf.

Diese Colonie bestehet auß 20 wirthe, 17 Frauens, 41 Kindern; Summa: 78 Seelen.
Kranck sind auf dieser Colonie: 8 Personen.
Diese Colonisten haben fleißig gearbeitet; sie haben mit der Hand gerothet zu 10 Schefel erdoffeln, 12 morgen zu hirsche, welches sath ihnen gereichet worden von Herrn oberfürster Büttner; hat auch ein jeder Colonist eine Kuh bekommen; haben auch ihr Land mehrentheils geräumt vom Holtz, daß sie können eine gute winder ernde hinauß stellen.
Diese Colonie ist die beste, vor allem, indem der erdboden allhier sehr gut ist.

Monatsschrift für Sippenkunde und Sippenpflege, Heft 6 und 7, 1939, Berlin

Ortsplan Tauentzinow (Ostenbrug)8

Johann Georg Sparwasser, geboren am 21. Mai 1768 in Büdesheim heiratet am 23. Dezember 1793 in Tauenzinow, wie Ostenbrug später genannt wurde, Maria Magdalena Copp (um 1773 -1813), aus dieser Ehe sind vier Kinder bekannt, Johannes (1794-1876), Katharine (1796-1872), Johann Peter (1798-1805) und Gottlieb (1805-1809).

Geburt Johann Georg Sparwasser 1768 im Büdesheimer Taufregister 1757-1807 (Archion)

Eheschließung von Johann Georg Sparwasser mit Maria Magdalena Copp 1793 in Carlsruhe (Pokoj) (LDS)

aus: Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9, p73, (von mir colorisiert)

Warum nun wanderte Johann Georg aus?

Die Erklärung ist tatsächlich das Wetter, Schlesien erlebte seit der Ansiedlung mehrere Jahre mit Missernten, bereits 1784/1785,1789, 1795, 1800 und 1803/1804 waren Hungerjahre12, da es teilweise extrem nass war, sodass wieder alles Getreide faulte, die Krankheits- und Sterberate durch den Hunger war in den Kolonien erheblich. Entsprechend suchte man sein Heil in der Flucht nach Süden, in der Hoffnung, hier nicht nur die versprochenen Siedlungsbedingungen zu finden, von denen die Werber für Russlands Kolonien sprachen, sondern vor allem endlich bessere Witterungsbedingungen, um keinen Hunger mehr zu leiden.

Geburtseintrag Johannes Sparwasser 5. März 1794 in Tauenzinow (Okoly), KB Carlsruhe (Pokoj) (LDS) – Vermerk bei Johannes und Vater Johann Georg „nach Russland“

So zogen man erneut in die Fremde, diesmal auf einem Weg von etwa 1.960 km, die Reise dauerte mindestens 5 Monate, eher mehr, da man mit dem Wagen, meist von Ochsen gezogen, selten Pferdefuhrwerke, mit Zwischenlagern und je nach Wetter nicht so schnell wie heute unterwegs war. Es gab keine gut ausgebauten Straßen, sondern unbefestigte Wege. Die 900 km aus Hessen nach Schlesien hatten bereits gute 2 Monate gedauert.

Wanderweg von Tauenzinow über Grodno Richtung Molotschna (google maps9)

Am 27. Februar 1804 passieren sechs Kolonistenfamilien, fünf hatten sich unterwegs angeschlossen, unter der Führung von Johann Georg Sparwasser den Kontrollpunkt Grodno (Hrodna). Die Sparwasser bekamen für den Zeitraum vom 26. Februar bis 10. März 1804, also 13 Tage, 9 Silberrubel und 10 Kopeken Verpflegungsgeld, und für die nächsten 40 Tage 28 Silberrubel, dazu in Banknoten und Kupfermünzen 50 Rubel Futtergeld für Pferde. Außer ihnen war nur noch eine Familie mit Pferden unterwegs.10

Nach kurzem Lager zogen sie innerhalb eines Monats nach Schitomir und erhielten auch dort ein Verpflegungsgeld von 21 Rubel zur Weiterreise, wie wir der erhalten gebliebenen Akte entnehmen können:14

Etwa Mitte Mai 1804 trafen sie in Jekaterinoslaw (Dnipro) ein, wo sie zusammen mit 209 anderen Familien für ein Jahr im Quartier lagen, ehe sie ihre Kolonistenstellen übernehmen konnten.

1805 finden wir im Zensus von Wasserau den Vermerk: Sparwasser, Georg 40, seine Frau Magdalena 37, seine Kinder Johann 16 und Catharina 14. Wirtschaft: 12 Rinder, 1 Pflug, 1 Egge, 1 Wagen.11

Johann Georg wird noch einmal heiraten, eine Witwe, seine Frau hat die Strapazen der Auswanderung ebenso wenig verkraftet, wie seine jüngsten Söhne. Die beiden ältesten Kinder bekommen noch ein kleines Geschwisterchen, ehe sie eigene Familien gründen.

Die zahlreichen Nachkommen finden sich heute nicht nur wieder in der alten Heimat Deutschland, sondern auch in den USA und Kanada.

Anmerkungen:

a1 rheinischer Morgen = 3176 m²

b1 Reichstaler = 1 ½ Gulden = 22 ½ Batzen = 30 Groschen = 45 Albus = 90 Kreuzer = 360 Pfennige = 384 Heller

c1 Reichsthaler in Preußen = 90 neuen Groschen zu je 18 Pfennig

dReverwirth – Ansiedler der ein Revers (Dokument) unterschreiben musste

Quellen:

1Sachakte HStAD, R 21 B, NACHWEIS Sparwasser, Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel: Schlesien. – Alter/geb.: 27 Jahre. Beruf: Bauer. Anzahl Kinder: 2. Bemerkungen: Angesiedelt in Süßenrode

verz1332707
Signatur: HStAD, R 21 B, NACHWEIS
Beschreibungsmodell: Sachakte
Titel: Sparwasser, Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel:

Sachakte HStAD, R 21 B, NACHWEIS Sparwasser, (NN.), Herkunft: Büdesheim / Ziel: Schlesien. – Alter/geb.: 30 Jahre. Ehepartner: Johann Jakob S.‘. – Quelle: siehe Blat “Schlesien“

verz4858133
Signatur: HStAD, R 21 B, NACHWEIS
Beschreibungsmodell: Sachakte
Titel: Sparwasser, (NN.), Herkunft: Büdesheim / Ziel:

Sachakte HStAD, R 21 B, NACHWEIS Sparwasser, Johann Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel: Schlesien. – Alter/geb.: 25 Jahre. Bemerkungen: Mit Frau. Zahlt 5 Gulden, 15 Albus für Loslösung von Leibeigenschaft

verz227144
Signatur: HStAD, R 21 B, NACHWEIS
Beschreibungsmodell: Sachakte
Titel: Sparwasser, Johann Jakob, Herkunft: Büdesheim / Ziel:

2Hongersnood in Duitsland, 1637, Caspar Luyken (print maker), Johann David Zunnern (publisher)
Kupferstich, Rijks Museum, Amsterdam, Objektnr. RP-P-1896-A-19368-1952, public domain

3Unglücks-Chronik oder die denkwürdigsten elementaren Verheerungen und Zerstörungen in Natur- und Kulturleben aller Zeiten.
Wenger, J.:Verlag: Bern Verlag von Rudolf Jenni’s Buchhandlung (H. Köhler). (Ca. 1889)., 1889 p.49

4Chronik Stadt Ellrich von K. Heine, Rektor in Ellrich
Ellrich. verlag der G Krause´schen Buchhandlung 1899, p20

5Abbildung Hungergedenkmünze aus: Die Auswirkungen der Hungerjahre 1770-1772
auf die letzte Großepidemie der Mutterkornseuche und die damals
und in der Folgezeit veranlaßten Gegenmaßnahmen
Von Karl Böning, München
[Nachrichtenbl. Deutsch. Pilanzenschutzd. (Braunschweig) 24. 1972, 122-127] p.123

6Schlesienwanderer aus dem Freigericht Kaichen
Fritz H. Herrmann
Sonderdruck aus Band 9 der „Wetterauer Geschichtsblätter“ Friedberg L H., 1960 inkl. Karte Süssenrode

7Schuch’s Siedlerlisten von 1772
Friderizianische Kolonistenverzeichnisse aus Schlesien
von Staatsarchivrat Dr. Karl G. Bruchmann 1939

8Karte der 1772 innerhalb der Friderizianischem Kolonisation gegründeten Kolonie Tauenzinow im Kreis Oppeln Unbekannt, alte preußische Karte, erstellt um 1773. – Hans-Joachim Helmigk: Oberschlesische Landbaukunst um 1800. Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 1937. S. 190 CC BY-SA 4.0

9Nutzungsbedingungen für Google Maps/Google Earth

10Litauer Grodnoer Schatzkammer Oktober 1803 bis 16. März 1809. RGIA Akte 347 Nr. 38 Akte freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Taurien e.V.

11Stumpp K. Die Auswanderung aus Deutschland nach Rußland in den Jahren 1763 bis 1862. – Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland. 8. Auflage, 2004

12Joachim Poppe: Podewils in Oberschlesien: Zur Geschichte des Dorfes im Kreis Oppeln. 250 Jahre Friderizianische Kolonisation ‎ Books on Demand 2022 9232

13Oppelner Heimat-Kalender für Stadt und Land, 1934, Jg. 9, p77
Hrsg. Stumpe, Friedrich. , Obmann der „Vereinigung der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft im Kreise Oppeln“
Verlag: Heimatkreisstelle Oppeln

14Listen des Gouverneurs von Schitomir. RGIA Akte 215 Nr. 1. Akte freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Taurien e.V.

Geschichtliche Ortsnachrichten von Brieg und seinen Umgebungen
herausgegeben von Karl Friedrich Schönwälder, Professor am Königl. Gymnasium
Erster Theil Einleitung, Vorstädte, Umgebung
In Commission bei I. U. Kern in Breslau, Druck von G. Falck in Brieg 1845/1846

Dominik Collet: Die doppelte Katastrophe
Klima und Kultur in der europäischen Hungerkrise 1770–1772
in: Umwelt und Gesellschaft Bd. 18
Herausgegeben von Christof Mauch und Helmuth Trischler
2018 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783525355923 — ISBN E-Book: 9783647355924

Thore Lassen
Hungerkrisen
Genese und Bewältigung von Hunger in ausgewählten Territorien Nordwestdeutschlands 1690-1750
2016 Universitätsverlag Göttingen

Wikipedia

genealogische Recherche, Bildbearbeitung, inklusive Karten, und Text: Jutta Rzadkowski

Creative Commons Lizenzvertrag
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Erinnerungen aus der alten Heimat 1946-1957

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche dieser Bericht an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


In tiefer Dankbarkeit dem Autoren H. R. gegenüber, veröffentlicht jedoch aus Datenschutzgründen nur mit Namenskürzeln.


Erinnerungen aus der alten Heimat 1946-1957

Blumendorf hieß zunächst Kwietniwo, erst später bekam es dann seinen heutigen Namen Kwieciszowice. Wir waren noch daheim, fühlten uns aber nicht mehr zu Hause. Es herrschte große Wehmut nach all den lieben Nachbarn und Spielfreunden. Die noch verbliebenen deutschen Familien waren nun fast völlig schutzlos und mußten sich mit den polnischen Bedingungen abfinden. In der Öffentlichkeit traute man sich nicht einmal mehr Deutsch zu sprechen.

In Blumendorf lebten noch die Familien B., E., K. und E. N., ein Kriegsversehrter, der bei Ru. wohnte.

„Dicke Buche“1

Die Polen fällten zuerst unseren Symbol-Baum „die dicke Buche“ und verbrachten ihre Zeit hauptsächlich damit, nach Wertvollem zu suchen. Die Häuser wurden von den neuen polnischen Besitzern häufig gewechselt oder als Scheune, Stall und Brennholz-Spender benutzt. Polen, die das hinterlassene Gut bewahren wollten, wurden teilweise durch die eigenen Landsleute beraubt. Saufgelage waren an der Tagesordnung. Da es in den kleinen Dörfern noch keine Geschäfte gab, wurde der Wodka meistens in Eigenregie hergestellt. Es dauerte einige Jahre, bis sich die polnischen Strukturen, wie Verwaltung, Schulen, Geschäfte und Verkehrswesen, bildeten.

1949 wurde der Zloty aufgewertet (1000:1), gleichzeitig war alles teurer geworden. Alle Betriebe und Fabriken wurden verstaatlicht, Staatsgüter und Kolchosen gebildet. Die polnischen Bauern, die jetzt die Landwirtschaften bewohnten, erhielten je nur 1,5 ha Land zugeteilt und mußten davon entsprechende Abgaben leisten: Milch, Eier, Zuckerrüben und Gereide, für welche ihnen nur ein sehr geringer, staatlich festgelegter Preis gezahlt wurde. Nur wer mehr als das geforderte Soll ablieferte, bekam Gutscheine für dringend benötigte Güter. Auch das Abtransportieren von Langholz aus den Wäldern wurde den kleinen Bauern auferlegt. Die Zuckerrüben mußten sauber gewaschen abgeliefert werden. Die großen Staatsgüter und Kolchosen verfügten nicht über entsprechende Lagerräume und so wurde vieles im Freien gelagert, während bei den privaten Bauern die Scheunen verfielen. Auch wurde bei den privaten Landwirtschaften technisches Gerät und Mobilar abgezogen und meistens bei den staatlichen Betrieben unter freiem Himmel gelagert. Diese Dinge dienten dann als Ersatzteile, oder wurden verschrottet, bzw. zu Brennholz gemacht.

Die staatliche Planwirtschaft, die auch den meisten Polen nicht behagte, zeigte nun ihre ersten Misserfolge. Es fehlte technisches Gerät, um die riesigen Felder zur rechten Zeit zu bearbeiten. Die überall gebildeten großen Staatsgüter besaßen mehrere tausend Morgen Land. Um diese riesigen Ackerflächen zu bewirtschaften, betrug die Arbeitszeit in den Sommermonaten ca. 12 Stunden pro Tag. Zur Erntezeit mußten an den Wochenenden Helfer aus Verwaltungen oder auch vom Militär herangezogen werden. Und trotz aller Hilfe war die Ernte oft schon auf den Feldern verdorben.

Entlohnt wurden die Beschäftigten nur zum Teil mit Geld und Naturalien (Getreide, Milch), jedes Jahr erhielten sie ein anderes Stück Land zum Kartoffel-Anbau, um damit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Häuser wurden einfach verstaatlicht und den Betrieben als Arbeiterwohnungen zugeteilt. Allmählich wurde die Mechanisierung auf dem Lande verbessert, der robuste „Lanz-Buldog“ wurde original in Polen nachgebaut und hieß jetzt „Ursus“. Weitere Traktoren und Dreschmaschinen kamen aus der Tschechei, Raupenschlepper, Mähdrescher und LKWs aus Rußland. Auch die Amerikaner stellten den Polen Militär-LKWs, Jeeps und Traktoren zur Verfügung.

In den betrieblichen Wohnungen wurden Gemeinschaftslautsprecheranlagen installiert, über welche lediglich Radio Warschau zu empfangen war. Wer später ein eigenes Radio besaß, konnte kaum westliche Sender empfangen, da diese doppelt gestört wurden, zum einen in der DDR und zum anderen in Schlesien – hier hatte man eigens dafür im Waldenbuger Bergland riesige Störsender durch ausländische Firmen errichten lassen.

Den vielen staatenlosen Deutschen, welche in Industrie und Fabriken oder für russische Kolchosen arbeiten mußten, wurde in Breslau die deutschsprachige Zeitung „Arbeiterstimme“ gedruckt. Auch genehmigte man die Gründung deutscher Kulturgruppen in Bad Warmbrunn, Lauban und Liegnitz. Diese veranstalteten meistens einmal im Jahr einen gemütlichen Abend mit Theater und Tanz, der jedoch oft von den Polen gestört wurde.

In den Gegenden, wo noch viele Deutsche wohnten, gab es polnische Schulen mit Deutschunterricht, z.B. in Greiffenberg. Für das religiöse Leben durfte in Niederschlesien Pastor Steckel aus Liegnitz evangelische Amtshandlungen vollziehen. Die Vorbereitungen dazu wurden von Laien erbracht und in ausgeraubten oder beschädigten evangelischen Gotteshäusern vollzogen. Die meisten jugendlichen Deutschen aus den Kreisen Löwenberg und Lauban wurden erst im Alter zwischen 17 und 19 Jahren in der früher katholischen Laubaner Marienkirche, die ebenfalls durch den Krieg sehr mitgenommen war, konfirmiert. Zum Gottesdienst trafen wir uns mehrfach in der evangelischen Kirche in Friedeberg, die Dank der Obhut einiger dort lebender Familien bis zur Ausreise noch in gutem Zustand war. Herr S. aus Neu-Kemnitz verkündete Gottes Wort, wozu er sehr befähigt war. In Lauban bestand sogar ein evangelischer Posaunenchor, welcher bei Amtshandlungen den Gottesdienst feierlich gestaltete. In vielen Orten dagegen wurden die evangelischen Kirchen, Bethäuser, Friedhöfe und Grüften geplündert und geschändet. Deutsche Inschriften wurden – wie überall – zerstört oder überstrichen.

Die Eisenbahnbrücken in Moys bei Görlitz (Neiße), Hirschberg (Bober) und Löwenberg (Bober) wurden wieder hergestellt. Und so entwickelten sich Hirschberg, Greiffenberg und Löwenberg zu Eisenbahnknotenpunkten. Reichsbahnzüge fuhren nun über Görlitz nach Breslau weiter. Auch der Gütertransport funktionierte jetzt besser, so wurden viele Häuser und Ruinen aus der Frontgegend Löwenberg, Bunzlau, Lauban abgetragen und die Ziegel zum Wiederaufbau polnischer Städte verladen. Ebenso wurde ständig Holz verladen. Bei Goldberg eröffnete man einen riesigen Kupfer-Tagebau. Am Isergebirge hatte man die Suche nach Urangestein, die 1946 auch am Steinberg in Blumendorf begann, aus Mangel an Ertrag eingestellt, jedoch die Schürflöcher belassen. Die Basaltwerke in Rabishau wurden auch weiter betrieben, dort waren auch deutsche Facharbeiter aus Kunzendorf beschäftigt.

Die Gebiete nahe der tschechischen und deutschen Grenze wurden Sperrzonen und durften nur von der dort ansässigen Bevölkerung oder mit polizeilicher Sondergenehmigung bereist werden. So war ein Ausflug ins Gebirge sehr umständlich und mit vielen Kontrollen verbunden. Die Papiere wurden vor dem Besteigen der Schneekoppe einbehalten, nach dem Abstieg wieder ausgehändigt, so wäre das Fehlen von Personen sofort aufgefallen.

In den Dörfern richtet man jetzt auch polnische Schulen ein, da die Schulen in den Städten zu klein wurden. Genossenschafts-Läden wurden eingerichtet und stark vergittert. Der Warenbestand umfasste nur die wichtigsten Lebensmittel. Damit war jede Familien gezwungen, sich durch Tierhaltung und Gartenbau den Lebensunterhalt zu sichern. Der Verdienst reichte nur für das Allernotwendigste. Lediglich vor politischen Feiertagen konnten Luxusgüter, wie Fahrräder, Uhren oder Radios erstanden werden, die aber meistens nur mit Beziehungen und Wodka erhältlich waren.

Mitte der 50er Jahre hatte sich das Leben mehr oder weniger normalisiert. Der größte Teil der Bevölkerung war jedoch nur zwangsweise mit der kommunistischen Staatsform einverstanden. Man lauschte auf Kurzwelle den natürlich stark gestörten Sendungen von BBC London oder Freies Europa. Es wurde unruhig im Lande. Zur Posener Messe, wo auch weltliche Firmen ausstellten, begann Aufruhr, die vom Staat sofort gewaltsam unterdrückt wurde. Der bis dahin inhaftierte polnische Nationalpolitiker Gomulka wurde zum Präsidenten ernannt und das Volk beruhigte sich wieder, in der Hoffnung, das System würde sich ändern, was natürlich nicht geschah.

Die vielen Deutschen im Lande, die sich bis dahin vergeblich um die Ausreise nach Deutschland bemüht hatten, durften sich plötzlich um ihre Ausreise im Rahmen der Familienzusammenführung des deutschen Roten Kreuzes bewerben. Die DDR-Botschaft hielt sogar Versammlungen in den größeren Städten ab und versuchte auf diesem Wege Deutsche für ihre Republik zu werben (diese Veranstaltungen endeten meistens in Pfeifkonzerten). Wer keine Verwandten in Westdeutschland hatte, konnte sogar in die DDR zwecks Arbeits- und Wohnungssuche reisen, um dann mit Hab und Gut (auch Tieren) überzusiedeln. Also, wer wollte, konnte Polen verlassen, zumal inzwischen auch polnische Facharbeiter nachgebildet waren.

Auch wenige Deutsche, die noch in ihrer einst eigenen Landwirtschaft wohnten, deren Haus und Ländereien aber den Staatsgütern angeschlossen waren, durften nun ihr eigenes Haus vom polnischen Staat „zurückkaufen“ und eine kleine Landwirtschaft – gleich wie die Polen – betreiben. Deutsche, die die polnische Staatsangehörigkeit angenommen hatten, durften schon früher genau wie polnische Bauern wirtschaften. Auch diesen deutschen Polen wurde jetzt die Ausreise genehmigt – mit Bestechung war in Polen selbst das möglich.

Die Ausreiseaktion ging natürlich sehr umständlich und verbunden mit hohen Kosten vonstatten. Wegen den Anträgen und Reisepässen mußten wir mehrfach nach Breslau reisen, es war fast immer eine 24-stündige Reise, denn es war erforderlich, daß man dort sehr früh anstand um Auskunft zu erhalten, die dann meistens lautete, die Anträge seien noch nicht eingegangen oder bereits an die Kreisbehörden weitergeleitet, was in der Regel nicht den Tatsachen entsprach. Als dann die Ausreise endlich genehmigt war, mußten die an den Staatsgütern Beschäftigten erst noch die Ernte mit einbringen. Mobilar, Kleidung und Haushaltsgegenstände wurden in Kisten verpackt, listenmäßig aufgeführt und von der polnischen Behörde als Eigentum bescheinigt. Die Verzollung und Verladung unserer Sachen fand in Bad Salzbrunn zwei Wochen vor der Abreise statt.

Wer seine Sachen mit Fuhrwerk oder LKW dorthin brachte, mußte diese nach der Zollkontolle auf den Laderampen stehenlassen, da meistens zu wenig Waggons vorhanden waren. Bevorzugt wurde, wer nicht kleinlich mit Trinkgeldern oder Wodka umging. Die Sonderzüge für die Ausreise wurden in Stettin gestartet. Jeden zweiten Tag ca. 450 Personen mit sehr viel Gepäck, so daß wenig Platz zum Sitzen blieb.

Taxifahrer und Händler versuchten uns dort das letzte polnische Geld abzuhandeln, welches später ohnehin gegen eine wertlose Quittung eingezogen wurde. Die Fahrt von Stettin bis zur Grenze der DDR (ca. 15 km) dauerte ganze vier Stunden, bedingt durch mehrere Kontrollen. Die Züge fuhren nachts durch die DDR, morgens erreichten sie Büchen bei Hamburg, wo wir mit Posaunen und kleinen Begrüßungsgaben empfangen und anschließend nach Friedland weitergeleitet wurden. Von dort aus erfolgte dann schließlich die Verteilung in die einzelnen Bundesländer – je nach Zuzugsgenehmigung .

So begann nun für die sogenannten „Spätaussiedler“ ein neuer Lebensabschnitt in Freiheit. Im einzelnen könnte man über diese Jahre unter polnischen Verhältnissen lebender Deutscher noch viele Seiten schreiben.

September 1996 H.R.


1Die dicke Buche, im Volksmund auch „Lorenz -Buche“ oder „Schulzen  – Buche“ genannt, weil er auf dem Grundstück der Familie Lorenz stand. Lorenz war auch Schulze. Diese Buche, ein Zwieselbaum, war so dick, dass 7 ältere Männer benötigt wurden, um den Stamm umfassen zu können,  daher war er auf der Liste der nationalen Naturdenkmäler Schlesiens. Am Baum hing ein Schild mit der Aufschrift:

Von Eichenlaub ein deutscher Kranz,
verkündet deutschen Ruhmes Glanz.
Wie Buchen stark, wie Blätter grün,
soll Deutschlands Glück und Heil erblüh’n.

Blumendorf – Kriegsende und Vertreibung

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche dieser Bericht an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf, vor allem derer, die zum Kriegsende durch Willkür ihr Leben lassen mussten.


In tiefer Dankbarkeit dem Autoren W. Frischling gegenüber, veröffentlicht jedoch aus Datenschutzgründen nur mit Namenskürzeln.


Kriegsende und Vertreibung – eine Blumendorfer Chronik

Seit Februar 1945 verlief die Frontlinie durch unseren Heimatkreis Löwenberg. Der Niederkreis war von den Russen besetzt. Die Stadt Löwenberg fiel am 16. 2. Die Trecks der bei uns einquartierten Flüchtlinge zogen zum größten Teil weiter nach Westen. Auch viele der Evakuierten verließen unseren Ort. Die eingesessene Bevölkerung blieb geschlossen zurück. Im Wald wurden Holzhäuser und Unterstände gebaut, auch von den Kunzendorfern und Antoniwäldern. Als Verstecke vor der Roten Armee waren sie von zweifelhaftem Wert, da auch Ostarbeiter beim Bau mithalfen und somit die Verstecke kannten. Nach den erfolgreichen Abwehrkämpfen bei Lauban – das mehrmals den Besitzer wechselte – vom 26. Februar bis 5. März, stabilisierte sich die Frontlinie. Die den Rotarmisten durch Armeebefehl freigegebene Willkür im Rauben, Brennen, Morden, Plündern und Schänden, sowie übermäßiger Alkoholgenuß, lähmten die Schlagkraft der Roten Armee. Erst Mitte April trat sie wieder zu Großangriffen an und erzwang den Übergang über die Lausitzer Neiße.

Karte Kampf von Bautzen, Phase vom 21.-22. April 1945.1

Ihr nördlicher Angriffskeil war nicht zu stoppen und erreichte am 24.4. südlich von Torgau die Elbe. Der südliche Keil wurde jedoch in erfolgreichen Gegenstößen vom 19. bis 26. 4. schwer angeschlagen und Bautzen, Weißenburg und Niesky zurückerobert. Dadurch wurde den schlesischen Flüchtlingen bis kurz vor der Kapitulation der Treckweg nach Westen offen gehalten.

Am 8. Mai, dem Waffenstillstandstag, kamen die Russen bis Rabishau und Querbach. Uns Blumendorfer traf die Kriegsfurie nicht mehr mit voller Wucht.

8.5. Viele Blumendorfer – vor allem junge Mädchen – fliehen den Weinberg hoch nach Antoniwald bzw. Richtung Wald zu den gebauten Blockhäusern. Auf dem Weinberg erreicht sie die Nachricht, daß der Krieg aus sei. Sie kehren um. Am Nachmittag fährt ein Russe mit seinem Motorrad bis Steinhäuser und wendet dort.

9.5. Erstmals russische Soldaten im Ort. Sie übernachten bei B. Sie ordnen auch den Abzug der Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen an.

10.5. Unser Bürgermeister Paul Neumann (1884-1945) fährt die Ostarbeiter nach Bunzlau und wird seitdem vermißt.

11.5. O. T. und F. S. fahren die polnischen Arbeiter nach Bunzlau. Beide sind am nächsten Tag wieder zurück.

12.5. Die in Kunzendorf beschäftigten Polen werden nach Bunzlau gefahren. R. D.´s Pole bringt das Gespann heil zurück. Förster R. – mit O. W.´s Pferden – wird das Gespann abgenommen. Er selbst kann sich durch Flucht retten. Die französischen Gefangenen werden in Schreiberhau gesammelt. Albert, der kriegsgefangene Belgier bei I. G. in Gotthardsberg, will L. G. im Transport mitnehmen, was ihm von den Russen nicht gestattet wird. So machen sich die beiden Brautleute zu Fuß auf den Weg nach Belgien.

10. – 20.5. Durchziehende Russen, Vergewaltigungen und Plünderungen durch marodierende Gruppen. Geraubt werden vor allem Uhren, Schmuck, Stiefel, Pferde, Schweine, Eßwaren und Kleider. Die in geschlossenen Einheiten abziehenden Russen sind wieder diszipliniert, nehmen nur Eßwaren und leisten sich keine Übergriffe. Mongolische Kampftruppen werden fast wie Gefangene zurückgeführt. Sie übernachten bei D. in Kunzendorf auf einer Viehweide. Als Verpflegung holen sie eine Kuh von O. K. Die im Dorf verbliebenen Flüchtlinge – z.B. aus Weißenfels, Krs. Neumarkt – packen wieder ihre Habe auf Fuhrwerke und fahren heimwärts. Andere, die schon weiter nach Westen geflüchtet waren, kommen auf dem Heimweg durch unseren Ort. Die aus dem Sudetenland kommen, sind von den Tschechen ausgeplündert worden. Besonders in Gotthardsberg haben wir bis in den Juni hinein Übernachtungen von Landsern, die der Gefangenschaft entgehen wollen und am Waldrand entlang nach Westen ziehen.

Am 14. 5. z.B. übernachten bei uns (Frischling) 16 Mann, darunter eine Gruppe aus Recklinghausen. Diese lehnen Quartier im Haus ab und schlafen in der Scheune, die ein Schlupfloch nach hinten raus hat. Sie stellen die ganze Nacht über Wachen aus. Drei andere: „Wir sind schon zweimal getürmt; ein drittes Mal kriegen sie uns nicht!“

18.5. Freitag vor Pfingsten werden in Kunzendorf grfl. etwa 20 Männer unter 50 Jahren und etwa ebenso viele Landser angeblich zum Arbeitseinsatz mitgenommen. Nach langen Verhören wird O. W. – unser Ortsgruppenleiter – aussortiert. Er kommt mit Lehrer H. und dem Direktor der Spinnerei aus Friedeberg, sowie P. und D. aus Giehren in das Zuchthaus Bautzen, Mitte Juli in das Lager Tost bei Gleiwitz O/S. Etwa 8000 Deutsche kommen in den fünf Monaten bis Dezember 1945 in dem Lager durch Erschießen, Mißhandlung, Hungerruhr, Hungertyphus und andere Krankheiten ums Leben. Außer kleinen Parteifunktionären hatten die Russen Kapitalisten wie Gutsbesitzer und Fabrikanten, Polizisten, Kriminalbeamte, aber auch willkürlich Förster , Ärzte u.a. verhaftet und im Lager dezimiert. Die restlichen etwa 800 werden im Dezember entlassen: darunter auch O. W.. Aus Ludwigsdorf / Rsgb, sterben im Lager Oskar Felsmann und der Bäcker Laschtowitz. Förster Harbig stirbt auf dem Heimweg in Breslau.

Pfingsten: Razzia auf arbeitsfähige Männer in Blumendorf. F. R. , unser Stellmacher, versteckt sich den ganzen Tag unter dem Holz in der Werkstatt. Die mitgenommenen Männer kommen nach Tagen wieder. Plünderungen und Mißhandlungen der Bevölkerung durch polnische Banden.

21.5. Ablieferung von Motorrädern, Fahrrädern, Radios und Waffen (Jagdgewehre von Förster D. und R. E.) bei R. E.. Er und O. J. fahren das Beutegut mit Ackerwagen nach Birngrütz oder Rabishau.

26.5. K. E. – ein ausgebombter Sachse, der bei K. wohnt, wird Bürgermeister. Die für uns zuständige Kommandantur ist in Ludwigsdorf /Rsgb. Dorthin sind auch Ablieferungen zu leisten. Zum Schutz gegen die Überfälle und Plünderungen durch die Polen wird eine deutsche Polizei eingerichtet. Mit weißen Armbinden und Trompeten gehen sie abends auf Streife. In einer Mainacht treffen die Gotthardsberger auf zehn voll bewaffnete Soldaten der Wlassow – Armee, die Lebensmittel wollen. In der nächsten Nacht einigt man sich darauf, die Russen – darunter ein Volksdeutscher – als Arbeitskräfte bei den Landwirten im Dorf zu verteilen. So kommt einer zu I. M. und einer zum T. – Bauer. Kommen Rotarmisten, verstecken sie sich.

Juni 45: Auf den Straßen weiterhin durchziehende Kolonnen von Polen und Russen. Weißrussen, die in ihrer Heimat plötzlich zum Arbeitseinsatz verpflichtet wurden, bauen die Oberleitung und ein Gleis der Bahnstrecke Berlin – Breslau ab. Es sind Männer von 40 bis 50 Jahren, z.T. mit bunten gestickten Mützen bekleidet. Sie werden schlecht verpflegt. In Rabishau gehen sie oft in die Häuser und bitten um Essen. Sie bedanken sich mit russischen Liedern. Flüchtlinge und jetzt auch aus der Gefangenschaft entlassene Soldaten sind auf dem Weg nach Hause.

Am 15. 6. kommt auch mein Vater, G. F. der in 14 Tagen von Bayern zu Fuß nach Hause gelaufen war. Bürgermeister E., der am 2.6. von P. R. die Gemeindekasse und den Standesamtsposten übernimmt, gibt Quartierscheine aus. Wir bekommen oft Quartiergäste, die auch mit verpflegt werden.

1.7. Polen übernimmt die Verwaltung der deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie.

10.7. Es liegt etwas in der Luft! Viele Landser und die zehn Wlassow- Russen ziehen ab. Diese bekommen – wohl von E. – Pässe als Ostarbeiter. So haben sie eine Überlebenschance. Auch einige Dorfbewohner verschwinden am nächsten Morgen in den Wäldern.

11.7. Erste wilde Austreibung der Blumendorfer durch Militärpolen. Die Polen nennen diese Aktion den „Hitler-Marsch“. Unter wildem Geschieße werden die Leute aus ihren Häusern geholt und wie Vieh fortgetrieben. Einige Familien dürfen bleiben zum Kühe melken und Vieh versorgen. Es sind bisher kaum Polen im Ort. Der Marsch geht über Neusorge nach Rabishau. Dort gelingt einigen Familien die Flucht, z.B. K. E., R., M. und F. Die anderen übernachten beim S. – Bauer in Rabishau in der Scheune. Am nächsten Tag geht der Marsch weiter über Giehren, Krobsdorf und Bad Schwarzbach zum tschechischen Schlagbaum. (Das Sudetenland haben die Tschechen nach Kriegsende wieder vereinnahmt.) Die Tschechen lassen jedoch keinen mehr durch. So wird in in einer Fabrik in Bad Schwarzbach übernachtet und am 13. 7. geht es „ohne Begleitschutz“ zurück nach Blumendorf. Die „Waldgänger“ und die „Ausreißer“ waren schon einen Tag früher wieder im Dorf, nachdem die Polen abgezogen waren. Diese hatten an dem einen Tag fleißig gearbeitet: Die leerstehenden Häuser waren durchwühlt; in manchen Gärten fanden sich Grabespuren. Oft waren sie fündig geworden; sie hatten wohl einen Blick dafür.

30. 7. Unser ehemaliger Lehrer Paul Jaster – schwer an Bronchialasthma leidend – wählt in Rabishau den Freitod. Er hatte 1920 seine westpreußische Heimat verlassen müssen, weil er nicht für Polen optieren wollte. Nun sah er auch für die Deutschen in Schlesien keine Zukunft mehr und beschwor seine Familie, in den westlichen Teil Deutschlands zu fliehen. Bürgermeister K. E. und der Lehrer A. S. werde von den Polen eingesperrt. Herr S. wird in Steinhäuser sehr verprügelt. Der Kaufmann E. S. – der polnisch spricht – wird als polnischer Bürgermeister eingesetzt. Büro ist in der Schule.

3. 8. Ablieferung von Getreide (je 4 Ztr.) nach Kunzendorf. Haussuchungen sind an der Tagesordnung. Einweisungen polnischer „Verwalter“. Die ersten Polen im Ort sind „Ernst“ (so wurde der ehem. Kutscher von L. genannt), B.´s Pole und der berüchtigte Pr. bei R. E.. Pr. nimmt die Einweisungen vor. Von E.´s verlangt er alle Schlüssel und schließt alles ab. Brauchen sie Lebensmittel oder ein Kleidungsstück, müssen sie ihn darum bitten. Die polnische Verwaltung wird jetzt fühlbar. Alle Deutschen müssen weiße Armbinden tragen. Die Männer werden in die Schule bestellt und verhört. Parteigenossen – auch Mitglieder der NSV (Volkswohlfahrt) werden aussortiert. Es wird ihnen eröffnet, daß sie bei irgendwelchen Vorkommnissen als Geisel haften.

7. 8. Scheinhinrichtungen der Gotthardsberger Jungen am Waldrand unterhalb des Schmiedelsberges. Die Jungen werden einzeln in den Wald geführt. „Pistoliette jest?“ (Hast Du Pistole?) Dann pfeifen einem einige Pistolenkugeln um die Ohren. Schlimmer erwischt es W. G. bei einer anderen Aktion. Er wird brutal verprügelt und an einem Strick hochgezogen. Er flieht in der folgenden Nacht. Etwa um diese Zeit werden die Kunzendorfer Jungen vier Wochen im Lager Lauban inhaftiert und mißhandelt. Die Blumendorfer Jungen müssen sich gegenseitig verprügeln. Dann werden sie an der Böschung aufgestellt und die Polen feuern über ihre Köpfe hinweg.

Oktober 45: Ständig kommen neue Polen ins Dorf. Kartoffeln müssen abgeliefert werden und auch Vieh. Die Ställe sind bei uns noch voll und die Abgabe von ein oder zwei Kühen geht nicht an die Substanz. Manche hatten noch Kühe aus dem Kampfgebiet aufgenommen, die im März 1945 hier ankamen.

5. 11. A. N., (unser Schlosser und Mechaniker), A. B. (Müller) und E. S. (Kaufmann u. z.Z. Bürgermeister), verlassen mit ihren Familien heimlich unser Dorf. Ihr Ziel ist Obercunnersdorf / Lausitz, wo N.´s Vater eine Landwirtschaft betreibt. S. zieht weiter nach Berlin. Bei ihm (ehem. Lebensmittelgeschäft) werden große Vorräte an Lebensmitteln gefunden.

6. 11. „Ernst“ macht sich zum Bürgermeister und zieht in das Haus von Kaufmann S.

21.11. Großer Viehabtrieb: Vieh wird aus den Ställen geholt und zum Schulhof getrieben. I. N., H. T., G. K., E. G. und H., sowie zwei Landser, werden als Treiber mitgenommen. Am Abend des zweiten Tages setzen sie sich in Liebenthal oder Langwasser ab und laufen nach Hause.

5. 12. Eine Kommission zählt sämtliches Inventar.

9. 12. Hermann Zölfel verunglückt tödlich. Er mußte für die Polen Stroh nach Krobsdorf fahren. Am Abend findet er auf seinem Wagen ein Gefäß „wie eine Ölkanne“. Er nimmt es mit in die Stube und betätigt dabei den Zünder der Handgranate. Er will noch das ihm unheimlich werdende Ding nach draußen bringen, da explodiert es und reißt ihm den Bauch auf.

20.12. Das Büro des Bürgermeisters und der Miliz wird bei S. eingerichtet.

26. 1. 46 Ausgabe der polnischen Kennkarte. Die ehemals selbständigen Landwirte werden darin als „robotnik rolny“ (Landarbeiter) geführt. Der Fingerabdruck ergibt nur einen blauen Fleck. Das Stempelkissen war wohl reichlich mit Tinte gefüllt worden.

April 46 Der Landwirt und Waldarbeiter Albert Hase, Blumendorf Nr. 33, wird bei einem nächtlichen Raubüberfall von Polen ermordet. T. K. findet ihren allein wohnenden Großvater am nächsten Morgen. Schon zweimal war er in den Wochen vorher heimgesucht worden. Einmal hatten die Räuber ihn im Bett gefesselt und geknebelt.

30. 4. In Rabishau wird P. J.´s Schwiegervater, der Kantor Max Engwicht, von der polnischen Miliz zu Tode geprügelt. Auch H. und I. J. werden schwer mißhandelt. Nach diesem Mord greifen die Russen ein. Es kommt zur Verhandlung in Löwenberg, wo die Täter verurteilt werden. J.´s erhalten Warnungen, daß sich die Polen dafür an ihnen rächen wollen. So fliehen sie mit Frl. F. und Frau B. nach Kohlfurt, wo die Engländer alle Vertriebenentransporte entlausen und in den Westen weiter leiten. Eie Restfamilie J. kommt mit ihren Gefährtinnen in den Südharz.

22. 5. Eine Kommission prüft die Getreidevorräte. Dabei werden auch – wohl in Absprache mit dem jeweiligen polnischen Verwalter – Haussuchungen größeren Stils vorgenommen. Bei uns müssen sechs deutsche Männer unter Aufsicht Heu, Stroh und Holz systematisch umpacken. Pr. – für solche Sachen berüchtigt – verprügelt meinen Vater G. F. und schlägt ihm einen Zahn aus. Ich darf mir in T. – Bauers Busch ein Grab schaufeln. Zum Antreiben gibt es Kolbenstoße und das übliche Geschieße.

Pfingsten 46: Während in der Gastwirtschaft „Urban“ die Tanzmusik spielt, dringen zwei Polen bei R. ein und plündern. Weder die Trauringe an der Hand, noch die 15- und 17-jährigen Töchter, werden verschont. Mit dem Messer bedroht, müssen sie sich fügen. P. R. meldet das Verbrechen bei der Kommandantur, aber außer endlosen Verhören der Opfer kommt nichts dabei raus, obwohl die Täter bekannt sind: Polen aus Gotthardsberg. Die Bewohner von Häusern ohne polnischen Verwalter sind Freiwild für rabiate Polen, siehe Hase, R., H. Allerdings ist das Zusammenleben mit den Polen in manchen Häusern ein Martyrium ohne Ende, siehe R. E. und B. G. Wenn sie besoffen sind, wird es ganz schlimm: J. zerschlägt einmal einen eichenen Spazierstock auf B. G.´s Rücken. Oft behalten die Deutschen nur eine Stube und die persönliche Habe wechselt zum größten Teil den Besitzer. Manche Polen suchen mehr nach versteckten Sachen, andere betätigen sich als Wegelagerer. Rühmliche Ausnahmen sind die meisten „Galizierpolen“, die sich den Deutschen gegenüber menschlich verhalten. In manchen Dörfern – wie Johnsdorf, wo viele Galizier hingekommen sind – ist das Zusammenleben von Deutschen und Polen viel besser. In Blumendorf geben die radikalen Elemente den Ton an.

11. 7. Ein uniformierter Pole auf einem Motorrad bringt die Nachricht der Ausweisung. Unser „Chef“ reduziert unser Fluchtgepäck beträchtlich.

12.7. Vertreibung der Deutschen aus Blumendorf, Kunzendorf und Antoniwald. Als wir am Morgen in Gotthardsberg aufwachen, werden schon die Antoniwälder durchgetrieben, die man schon um 3 Uhr aus den Betten geholt hat. In Blumendorf werden Leute z.T. aus den Häusern herausgeprügelt und die letzte Habe wird noch weggenommen. (N.´s Beschwerde in Plagwitz hat Erfolg: Ihr Pole muß für jeden ein Federbett herausgeben). Der Abschied von der Heimat wird uns von den Polen leicht gemacht! Die Hunde bereiten Probleme: Sie wollen mit. An der Blumendorfer Schule sammeln sich die Ausgewiesenen. Zurück bleiben nur die Familien des Stellmachers F. R., des Schmiedes F. B., sowie von O. E., J. L., P. F., R. K. und E. N. Die Familie B. bekommt wegen der durch Schlaganfall gelähmten Mutter L. eine Woche Aufschub. In Gotthardsberg bleiben neben G. T., (Maurer), O. W., (Zimmermann), A. F. (Straßenwärter), auch ältere Leute wie F. S., H. W., G. K. und O. mit Familien zurück, sowie F. D.

Während die Polen von Meißners Garagendach den Auszug filmen, setzt sich der Zug der Vertriebenen in Bewegung. Auf Schubkarren, Handwagen, Kinderwagen, Reisekörben auf Rädern u.ä. fahren sie mit dem Rest ihrer Habe – die kleinen Kinder oben drauf – ins Ungewisse.
Manche tragen nur ihren Rucksack. Nur wenige Fuhrwerke sind dabei für alte Leute und Gepäck, so N.´s und L.’s , welches F. R. lenkt. O. J.´s Pole holt – als er die Misere sieht – J.´s Ochsengespann und fährt damit einiges Gepäck bis Plagwitz, obwohl die Ochsen eigentlich nicht mehr können. Der Marsch geht über Birngrütz, Rabishau, Hayne, Langwasser, Hennersdorf, Liebenthal, Schmottseifen und Löwenberg, ca. 35 km. Auch die Menschen sind am Ende, als sie gegen Abend das Lager (Schloß Plagwitz, ehem. Irrenanstalt) erreichen.

13.7. Ausfüllen der Wagenlisten (ca. 35 Personen für einen Güterwagen) Fast alle Blumendorfer werden durch die Kontrolle geschleust (noch einmal gefilzt) und verladen. Nach einer Woche erreichen sie Troisdorf / Siegkreis im Rheinland.

15.7. Mit dem nächsten Transport verlassen die restlichen fünf Familien, zusammen mit den Nachbardörfern, die schlesische Heimat. Über Kohlfurt, Ülzen und Siegen geht es ins Sauerland. Die Antoniwälder kommen nach Lüdenscheid, die Kunzendorfer in die Nähe von Meschede bzw. nach Schmallenberg und Finnentrop.

27. 11. Eine Serie von Morden versetzt die wenigen verbliebenen Deutschen in Angst und Schrecken. Schon im Hochsommer war ein Arztehepaar (Bombenflüchtlinge aus Berlin) an der Reichsstraße 6 zwischen Berthelsdorf und Reibnitz erschossen worden. Wochen später ein Lustmord an der stellv. Organistin von Reibnitz und ihrer Mutter.
Nun, am 1. Advent, begehen in Berthelsdorf „zwei in Uniform und zwei in Zivil“ (Polen) einen Raubüberfall auf das Haus des Deutsch – Amerikaners Hopf. Dabei werden seine Schwägerin und zwei Besucher (ein Facharbeiter aus Fliegels Fabrik und die Rote-Kreuz-Schwester Maria Brüggmann) ermordet. Herr Hopf stirbt nach fünf Tagen an seinen Wunden. Die Verbrecher werden später gefaßt und die Haupttäter zum Tode verurteilt.

27.11.46 Der Mord an Schwester Maria hat Folgen für die Rote-Kreuz-Schwestern M. S. (Alt-Kemnitz) und C. O. (Berthelsdorf, fr. Kunzendorf grfl.). Sie, die schon auf der Ausweisungsliste stehen, müssen bis 1950 bleiben. Schw. M. übernimmt die ev. Seelsorge in den umliegenden Pfarreien. Schw. C. spielt die Orgel.

8.12.46 Ausweisung der Gotthardsberger Familien T., W., S., W., G. und O. K.. Sie müssen bei tiefem Schnee und starker Kälte die 20 km nach Hirschberg laufen. Nur die alten Leute werden auf Fuhrwerke gesetzt. Am Hirschberger Bahnhof wird bei der Kontrolle der W. – Fleischer aus Ludwigsdorf/ Rsgb. noch kräftig ausgeplündert. Die Polen gießen ihm aus Schikane Sirup in die Federbetten. Ida Tietze stirbt, noch auf „polnischen“ Gebiet, auf dem Transport. Sie wird von Polen mit Fußtritten aus dem Güterwagen gekippt und bleibt dort liegen. Der Transport geht nach Riesa/Elbe, wo W.´s bleiben. Die anderen werden nach eigenen Wünschen über ganz Sachsen verteilt, (nach Sayda, Döbeln, Freyburg , Chemnitz und Calbe .

2.7.47 Eine neue Ausweisungswelle erfaßt die Familien E., B., F., K.und F.. A. F. arbeitete bis zum 1.7. als Straßenwärter, der Sohn H. betrieb für B. G.´s Polen die Landwirtschaft, die Tochter A. führte B. K.´s Polen den Haushalt. Die Ausgewiesenen werden in Greiffenberg in Güterwagen verladen. Vom Lager Görlitz-Moys geht es über Lauban, Kohlfurt, Sagan nach Bitterfeld in die damalige Ostzone. Die Familien F. und K.kommen nach Halle/Saale, E. und F. nach Bernburg/Saale und B. nach Aken/Elbe. Die Familie des Stellmachers F. R. muß in Blumendorf zurückbleiben, da M. R. hochschwanger ist. Ende September werden sie von Greiffenberg wieder zurückgeschickt, weil Frau R. nach der Geburt ihrer Tochter B. schwer erkrankt ist.

Nov. 47 Deutsche aus Greiffenberg, Friedeberg, Bad Flinsberg, Blumendorf, Giehren und Birngrütz werden nach Löwenberg umgesiedelt, weil sie „zu nahe an der tschechischen Grenze wohnten“. Elend untergebracht, müssen sie für den Hungerlohn von 17 Zloty bei der Stadt arbeiten. (1 l. Milch kostet 40 Zl.) Sie wechseln auf ein Staatsgut in Nieder-Görisseifen, wo F. R. wieder als Stellmacher arbeitet. Die Ernährung ist wenigstens gesichert! Dort sterben die Eltern Heinrich und Anna R.

20.2.49 Frau N., Blumendorf, die Mutter des kriegsbeschädigSchuhmachers E. N. aus Brieg, O/S, wird in Kunzendorf von Schw. M. beerdigt. Der 78-jährige J. L. aus Bldf. trägt das Kreuz voran. (J. L. und der beinamputierte E. N. erhalten in den 50er Jahren noch die Ausreise.)

22.2.50 Die Rote-Kreuz-Schwestern M. S. und C. O. dürfen Schlesien verlassen. Nun endet auch die kirchliche Betreuung der letzten ev. Deutschen in unserer näheren Heimat.“Vergessen Sie die fünf Jahre in Polen!“, sagte der polnische Lagerleiter von Breslau-Hundsfeld zum Abschied.

1950 – 1955 Offiziell gibt es jetzt keine Deutschen mehr in Schlesien. Als die Deutschen den polnischen Personalausweis ablehnen – der sie automatisch zu Polen gemacht hätte – werden die eingereichten Dokumente nicht zurückgegeben. Sie erhalten von der Gemeinde nur einen Meldezettel. Bei Staatsangehörigkeit ist „nicht feststellbar“ eingetragen. Die jungen Männer werden gemustert und sollen zum polnischen Militär gezwungen werden. H. R.und sein Freund entgehen dem polnischen Wehrdienst nur durch fremde Hilfe und Bestechung. Viele Wehrpflichtige wenden sich an die Botschaft der DDR in Warschau, um evtl. ihren Wehrdienst bei der NVA ableisten zu dürfen. Sie werden abgewiesen: „Die Aussiedlung ist beendet. Sie müssen sich polnischen Gesetzen fügen.“

1955 Unruhen in Ungarn und Posen. Gomulka sieht in den tausenden von staatenlosen Deutschen eine Gefahr. Ausreise kann jetzt als Familienzusammenführung beantragt werden. R.´s erhalten nach vielen Mühen und unter hohen Kosten die Ausreise in die BRD. Über Stettin, Hamburg und Friedland kommen sie als Spätaussiedler nach Rheinland-Pfalz. Wohnungs- und Arbeitsnachweis sind erforderlich, um in die Nähe der anderen Blumendorfer zu kommen. In Rauschendorf/ Siegkreis endet die Odyssee der letzten Blumendorfer Familie.


zur Datenbank Blumendorfer Bewohner




Quellen:

v. Ahlfen, Hans: Der Kampf um Schlesien: Ein authentischer Dokumentarbericht; Motorbuch, Stuttgart 1998

Scholz, Martha: Fünf Jahre im polnisch verwalteten Schlesien. Uelzen 1951

Bergmann, Reinh.: Aufzeichnungen

Wiesner, Oswald: Erinnerungen

Auskünfte der Fam. Neumann, Jaster, Enge R., Rädisch, Rehnert, Bühn, Wiesner O., Fischer, Günther, u. Knobloch W.

1wikipedia: Lonio17 / Orionist – Own work based on: File:Budziszyn 1945 a.png, in turn based on: Praca zbiorowa Boje Polskie 1939-1945 Przewodnik Encyklopedyczny, Bellona, Warszawa 2009; Map of the Battle of Bautzen, phase of 21-22 April 1945.; Created: 10 February 2012, CC BY-SA 4.0 

Beim Rechamacha zugeguckt

Mein Dank gilt Frau A. Relin für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


In tiefer Dankbarkeit dem Verfasser Heinz Hornig aus Ludwigsdorf (Chrośnica)/Rsgb. gegenüber, der uns einen Einblick in Handwerk und Mundart gibt:


Beim Rechamacha zugeguckt


Kindheitserinnerungen von Heinz Hornig aus der Bratmiehl (Ludwigsdorf/Rsgb.)


Var kennt a nee, insern ala Hulzrecha? Oaber wie asu vieles heutzutage is ar au aus der Mode gekumma. Vu ieberoall wurde ar doch gebraucht: eim Goarta, ims Haus rim an uff’m Felde, oaber hauptsächlich halt uff der Wiese beim Heemacha.
An doas schienste woar, ar wurde ju uff viela Stella ei insern Gebirgsderfern ei Heemoarbeit au salber gemacht, wenn im Winter viel Schnie loag an suste nee recht woas getoan warn kunnte. Ich salber hoab ei menner Kindheet ‚m Voater ufte zugeguckt, an dodervon will ich heut a bissel woas derzähln. Jitze is es ju vielleicht noch nee zu spät, oaber ei zahn oder zwanzig Juhrn, doo weeß doch kenner mehr woas dodervon.
Viel Oarbeit machte is schunt, bis aus da viela eenzelna Teelen a fertiger Recha wurde, an wie vielerlee Hamprichszeug woar nutwendig, denn maschinell woar do ju nee viel zu macha. An doas tullste woar, die Moansvölker machta doch die Recha nee bluß fer sich, do woar doch is mindeste ane Mandel, an doas woarn fufza Recha, oaber öftersch glei a ganzes Schook, an doas woarn sechzig.
Oaber nu wulln mer amol oafanga mit m Rechamacha: Do koam zuerschte der Stiel, an dar woar aus Fichtahulz. Eim Summer kunnte ma sich beim Förschter eim grußa herrschoaftlicha Pusche a Revier oaweisa loan zum Durchfurschta fer Brennhulz, an doa woarn schunt genug dünnere Stengel derbei, die fer Stiele poaßta. Knoapp zwee Meter mußta se schunt sein, an die wurda uff der Schnietbanke mit m Zugmasser uff die poassende Stärke vurgeoarbeitet an hingerhar mit ‚m Rundhubel glottgehubelt. A letzta Schliff kriegta se mit Sandpoapier.
Nu wurde unda oam dicka Ende der Länge nooch a Sticke eigesacht, asu drei Handbreet etwa, an die beeda Enda auseinandergespreizt an oagespitzt, doaß se nochhar ei a Rechaboalka poaßta.
Nu kimmt dar Rechaboalka droan, an dar woar aus hoartem Hulze, meestens woarsch Buche. Mei Voater ließ Boalka glei uff poassende Länge an Stärke – im an hoalba Meter rim lang – ei der Braatschneide saaga. Ei der eegna Werkstelle wurda dann mit der Buhrmaschine mit Fußantrieb die Löcher fer die Zinka gebuhrt. Vierzähner an Sechzahner woarn die gängigsta. Vurhar wurde jedes Loch akkurat mit ‚m Zirkel markiert. Nu wurda die gebuhrta Boalka vo oalla Seita schien glottgehubelt an die Kanta a bissel gekoappt. Doas soag schinner aus.
An nu koama die Zinka droan: Meest aus Ebereschahulze wurda Klötzel vo poassen- der Zinkalänge gesaagt an die dann mit der Zinkaklinge ei Toafeln ufgespoalta.
Vo da Toafeln wurda dann die eenzelna Zinka – jitze woarn se noch viereckig – oabgespalta. Die wurda nu durch a kurzes Sticke Eisa – oder Stoahlruhr – woas o am stabila Hackklutze seitlich festgemacht woar – durchgetrieba. Beim nächsta Rohling koam dann schunt der runde Zinke raus. Dar mußte nu uff der Zinkabank mit am runda Zinkamasser noch poassend oagespitzt warn. Doas Kopfsticke hoatte ju schunt die poassende Stärke fer doas Loch eim Boalka an kriegte nur noch is Koppel a bissel oabgerundet. Doas soag au schinner aus.
Nu wären die Vuroarbeita eegentlich fertig an is woar schunt asu moancher Handgrieff getoan. Wie ich schunt soate, wurda ju glei immer grissere Menga gemacht, an doo mußta au immer genug Eenzelteele fertig sein: Für a Schook Recha sechzig Stiele an sechzig Boalka, an fer sechzazinkiga Recha au neunhundertsechzig Zinka. Do koan ma sich vierstelln, woas do schunt für Oarbeit drinstackte.
Nu warn mer zusoammasetza: Zuerscht wurda die Zinka ei die Boalkalöcher gekloppt; Vurhar wurde oaber noch doas Kopfsticke vum Zinka – woas nochher eim Boalka stackte – durch die Zinkaquetsche a bissel zusoammagepreßt, an dar soaß dann au richtig feste. Woarn nu oalle Zinka eim Boalka, wurda die Spitza undarim noch a bissel oabgeschrägt, doaß au hie oalles schien aussoag.
Nu wurda fer a Stiel noch zwee grissere Löcher uff der Boalkaseite – asu drei Finger breet vo der Mitte – gebuhrt, an do poaßte der Stiel nei. Woar nu oalles poassend an ausgericht‘, wurde vu uba mit am dünna Buhrer je a Loch durch Boalka an Stiel gebuhrt an ei jedes koam a Harthulz-Keilcha, an doas hielt nu dan ganza Recha zusoamma an inser Recha woar fertig.
Zwölf oder fufza Biema goabs wuhl derfür an war geschickt woar, kunnte a Vinter über schunt a poar Schook macha. Ich hoab is jitze oals Rentner au amol versucht, ich wullte doch au an Recha salber macha an hoab is au geschoafft oaber neeoan eem Tage…

Und hier ein Video zur traditionellen Herstellung von fuchsvideo am 17.01.2010 auf youtube veröffentlicht:

Blumendorfer Potpourri

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


Fahrt nach Schloss Fürstenstein 4.9.1938

Ausflug zur Rambergschänke

Ausflug, wer weiß noch, wohin und wann?

Ausflug, wer weiß noch, wohin und wann?

Goldene Hochzeit der Familie Schäfer, gefeiert im Grand Hotel (Meissner) 11.6.1928

Zu diesem Foto schreibt Herr Weichert (vielen Dank dafür):

„Das Bild habe ich vorliegen. Es soll die Goldene Hochzeit von Carl Friedrich Neumann und Anna Pauline Bräuninger darstellen, Eltern von Anna Selma Neumann, später verheiratet mit Friedrich Lorenz. Auf diesem Bild ist meine Großmutter Liesbeth Lorenz, später Weichert, im Alter von 16 Jahren zu sehen.“

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920 

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Blumendorf auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Hof Lorenz nach 1945

Foto der Scheune

Scheune an der Rückseite des Hauses, aufgenommen 2019 von der heutigen Bewohnerin des Hauses Frau W. Cooper – vielen Dank dafür

Haus aus dem gleichen Winkel (Dorfpark) aufgenommen 2019 von der heutigen Bewohnerin des Hauses Frau W. Cooper – vielen Dank dafür

Antoniwald auf alten Ansichtskarten 1900–1920

Gotthardsberg

Sachsenlager 1938

Ein Spaziergang durch Blumendorf im Riesengebirge

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche neben Daten und Fotos zu Blumendorf auch dieses Gedicht an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


In tiefer Dankbarkeit dem Verfasser gegenüber:

Helmut Bühn (*31.03.1931, † 13.06.2012); Waldbröl, im September 1988

Kartenausschnitt Historisches Messtischblatt 19361

Ein Spaziergang durch Blumendorf im Riesengebirge.

Ich gleebe, es is wunderschien,
wieder a mol durchs Durf zer giehn!
Ober ees is ganz gewiß,
nee a su, wie’s heute is!
Ich meene a su wie vur viela Johrn,
wie mer noch derheeme worn!

Ich wor zu dar Zeit zwor noch jung,
doch is mer noch viel ei Erinnerung.
Und desholb will ich au probiern,
euch aus menner Sicht durch Blunnerf zer fiern.
Es kinnte sein, doas bei da Aal’n
hie an do tut etwoas fahln
und sullte dar eene oder andre woas vermissa
ich koan jo vu frieher nee olles wissa!
Zwor hoa ich mir mit Fleiß un Geduld
woas ich nee weeß, bei andern gehult.
Drimm seit mer ock nee zu peniebel
un nahmt mer Fahler nee zer iebel!

(Hausnr. 95)
Dar Spoaziergang um besta senn Oafang nimmt
wenn ma vu Kieferhäuser ei de Steenhäuser kimmt.
Glei bimm irschta Haus gibts an besonderen Grund,
weil doas diereckt o der Kreisgrenze stund.
Mir honn ei der Schule, ich hoas nee vergassa,
bei der Heimatkunde a mol die Grenze vermassa.
Domols hiß es, wenn Rädischas ginga ei’s Bette,
jeder ei am andern Kreise geschlofa hätte!

(Hausnr. 76)
Uf dar andern Seite eim Dinge naus,
do stieht dam Nerger Bruno sei Haus.

Nr. 75 Urban um 1910 und 20122

(Hausnr. 75)
Gegenieber der Kratschn ( Kretscham ) woar,
bei Urban’s wu ei monchem Johr
zer Kirms un zum Schissa vum Kriegerverein
ei de Kehle ging moancher Zahnmorkschein!

(Hausnr. 73)
Uf dar rechta Seite, vu Efeu ganz grien
sitt ma Enge Oswald’s Pauernhaus stiehn.

(Hausnr. 73)
Dann koama Theuner’sch un beim nächsta Haus.

(Hausnr. 70)
Hing moancher Blunnerfer im Schaukosta aus.
Denn wullte enner sei Konterfei
dann ging ar zum Foto Thomas nei.
Wenn dann moancher sei Bild soag uf m Passe,
meent ar : Bin ich doas mit dar schiefa Frasse ?

(Hausnr. 69)
Domit wem mer baal aus Steenhäuser naus,
denn dar Merdon – Schuster woar is letzte Haus.

Nr. 68 Richard Enge

(Hausnr. 68)
Wenn ma heim nächsta Waag tut rechts nei biega,
sitt ma Enge Richard sei Pauerngutt liega.
Dar Enge Richard goar monches Joahr
ei Blunnerf Ortsbauernführer woar.

(Hausnr. 67)
Direkt dernaba worsch’s Gemeendehaus,
durt guckte der Tietze Adolf zer Tiere raus.
Woas mer noch eifällt hei mem Reime,
ar hotte immer verm Haus anne gruße Feime (Holz).

(Hausnr. 66)
Uf sei Häusel mit dicka Bolka aus Hulz
woar der Friedrichs Reinhard sicher ganz stullz.
Un mit am Recha aus senner Hand
hot moncher schunn doas Heu gewandt!

(Hausnr. 64)
Der Scholz Richard hotte bluß enn Orm
und trug om liebsta die Boahnuniform.

(Hausnr. 63)
Im nächsta Häusel, glei dernaba,
toat Raschke Reinhold mit Foamilie laba.
Ich weeß noch, wie dar moanches Joahr
ein unserm Durfe der Nachtwächter woar.

(Hausnr. 107)
Wenn jitzt is die Rede vu Hulz un Eisa,
do wissa olle: jitzt sein mer bei Weisa!
Dar Ernst, dar woar ringsim im Land
ols guder Handwerker bekannt.

(Hausnr. 62)
Dar langer Reinhold surgte Joahr fir Joahr,
doas die Stroße immer ei Urdnung woar.
Doas woarn vu uns au noch Verwandte,
vu menner Mama Onkel un Tante.

(Hausnr. 61)
Eim nächsta Hause, wie’s su is
wohnte wieder enner, dar Reinhold hiß.
Toat der Schneider Reinhold uf ’s Feld, naus foahm
sponnte ar immer die Kieh’firr a Woarn.

Nr. 58 Paul Neumann bei der Feldarbeit

(Hausnr. 60)
Gegenieber, vu uns a poor Meter entfernt
do wohnte frieher der aale Berndt.
Dar woar immer su ernst un toat nie lacha,
im dann toata mir Kinner an Boga drimm macha!
Später, wie doas Häusel frei, zug der Raschke Oskar nei.

(Hausnr. 59)
Beim nächsta Hause, do braucht ich nee frurn,
doas kenn ich um besta, do bin ich geburn!
durt woar ich glicklich, liehe Leut‘,
während menner ganza Jugendzeit.
Friher woarsch oals Langer – Schustern bekannt,
zu menner Zeit wurd’s bei Biena (Bühn) genannt.
Und woas frieher de Mama bei moanchem Feste kreiert,
hoa ich später eben wettergefiehrt!

(Hausnr. 58)
Guckta mir vurne zum Fanster naus,
soaga mir genau uf Neumann’s Scheune un Haus.
Der Paul nee etwa bluß Pauer woar,
ar woar au Bürgermeester un Standesbeomter gor moanches Joahr.
Eis heute is es ungewiß,
wu ar domols ’45 geblieba is.
Bei Neumann’s , do woar meine zweete Welt,
wie ufft woar ich mi’m Fritz uf Acker un Feld!

Nr. 58 Neumann

(Hausnr. 57)
Und genau im Dreieck, schräge gegenieber,
guckte Kiesewalters Haus zu uns herieber.
Weil mer domols zu menn Jugendjohrn
ei“ dam Dreieck an ne Menge Kinder woarn,
honn mer uns besondersch wuhlgefiehlt
un moanche Stunde zersomma gespielt.
Die „Weiber“: Zweemohl Irmgard, Gerda, Ilse, Roswitha woarn zwoar
ei der lebermacht,
doas hoat mir, um Fritz un im Herbert nischt ausgemacht!

(Hausnr. 55)
Um Waage zum Boahnhof und nooch Neusorge naus,
stieht ols nächstes u der Ecke Kratzerts Haus

Nr. 52 Oswald John – es ist aufgeladen

(Hausnr. 52)
Vu Johna Oswald hierte ma soarn,
ar kinnte sugoar an Ombus (Amboß) troarn.

(Hausnr. 53)
Kittelmann Mathilde woar an ne’Frau vu eegener Oart, dar honn se,
gleebe ich, zu Unrecht moanches noochgesoart.
Der Wiesner Bruno wohnte au ei dam Hause drinne
un an ne Frau Horatscheck leit mer au noch eim Sinne.

(Hausnr. 50)
Beim Kurzer Herrmann woar Laaba ständig,
drei Madel und a Junge machta doas Haus schunn lebendig.

(Hausnr. 96)
Beim Henschel – Mooler toats gerne noach Forbe richa,
denn dar hoot uft u sam Häusel gestricha.

(Hausnr. 49)
Beim Tietze – Pauer goab’s „schwoarzes Guld“,
do honn mer immer de Kohlen gehult.
Und woar dar Teich wintersch zugefrurn,
sein mir Kinner geschindert un Schlittschuh‘ gefoarn.
Ich hoa mer soarn loon, durt hoot. schunn seit langa
die Fohne vum Kriegerverein gehanga.

(Hausnr. 45)
Fier Knobloch Willi’s Haus wurde nooch Blunnerfer Oart
eefach : Bei Hoasa Emma gesoart.

(Hausnr. 43)
Pohl Ida’s gemietliches, kleenes Haus
soag mit da viela Bluma ganz niedlich aus.

(Hausnr. 44)
Hinner John’s, a Stickel a Wiesawaag naus,
leit glei linker Hand Bergmann Reinhold sei Haus.

(Hausnr. 104)
Ei dam Häusel 104, zwischa Baache un Stroße
entstund moanche guude neue Hose.
Beim „Kittelmann – Schneider soarta mer bluß
durt goab’s frieher vu Vogel’s Tippei fier Honig un Mus.

(Hausnr. 42)
Ieber die Stroße nieber, woas frieher Kretschmer Selma woar,
hot später Krinke Herbert gewohnt moanches Joahr.

(Hausnr. 40)
Mit Fleiß und mit vereinter Kroft
betrieba Exner Heinrich un Müller Hulda ihre Landwirtschoft.
Wenn a mol a Kolb nee kumma wullt,
honn se a Exner Heinrich gehult.

(Hausnr. 39)
Im Hause Nummer 39, woar ganz frieher der Standesbeointe Kittelmann fleißig
Zu menner Zeit wohnte der Heimann Gerhard durt

und a Moan, namens Esche, doch dar ging später furt.
Wenn ich mich noch richtig zurück besinn,
woarn im Kriege durt Gefangene drin.

(Hausnr. 37)
Dann koam anne Summerfrische, gemietlich und still,
ich meene doas Haus vom Robert Schwill.

(Hausnr. 108)
Ieber der Baache, glei naber dam Teich,
do woar dam Giehrt Gustav sei Reich.
Durt sein mer oals Kinner ufft gewahn
und honn ihm bei’m Tischern zugesahn.

(Hausnr. 36).
Ei Baumert’s Haus is ei späteren Juhrn
eene Familie von Neffe eigezuhrn

Gärtnerei Neue, Apfelernte

(Hausnr. 25)
Vu Nocke – später wohnta Neue’s drin –
do kimmt mer groade ei a Sinn:
Ei dar Scheune dernaba soag ma stulz und schien
herrliche aale Pustauto’s stiehn.

(Hausnr. 38)
Jizt giehn mer nieber zum Spritzahaus,
glei u der Ecke guckt der Hain Willi raus.

(Hausnr. 24)
Und dar Joppe Gustav – war hoat’s :nee gewußt –
woar bei dar Telegraphen – Männern bei der Pust.

(Hausnr. 23)
Dar Stein Paul ols vielbeschäftigter Moan,
wor Tischer und gleichzeitig bei der Boahn.

Kaufladen um 1910 und einige Jahre später

(Hausnr. 20)
Glei u dar Stroße nooch Kunzendorf naus,
kimmt nu damm. Daniel Bruno sei Haus.
Dar “ Kolonialwaren – Laden, wie dar Hochdeutsch hieß,
doas woar für uns Kinner doas Paradies!
Do goab’s fier moncha sissa Rissel
olles zum Noascha, besondersch “ Nissel „

Nr. 22 Gerichtskretscham um 1910 und 20122

(Hausnr. 22)
Uf dar andern Seite, gruß und schien
soag ma Meißner’s Kratschn (Kretscham) stiehn.
Uf am Schilde, glei naher dar Eigangstier,
stund Reklame für “ HOHBERG – BIER “ .
Ich hoa mir erzähln loan vu frieheren Joahrn,
wie herrlich die Feste bei Meißner’sch woarn.

(Hausnr. 46+47)
Nu missa mer a Stickel zuricke gieh’n
weil u dar Chaussee noach zwee Häuser stieh’n .
Bo wäre zum eena der Tietze Fritz,
dar trug die Pust aus hei Schnie, Dunner und Blitz.
Beim Raschke Robert, a poar Meter dernaba,
toat später dar Schindler Paul drinn laaba.

Einweihung Sportplatz der Schule

(Hausnr. 21)
Nu wenda mer uns ei oller. Ruh‘
an em wichtiga Gebäude zu.
Ich meene die Schule, zu dar mer olle geganga
un mit Rechern un Schreiba hoan oagefanga.
Wu frieher dar Jaster um Pulte gethront,
hoat später der Scheibe Arthur gewohnt.
Nee, woas wor doas frieher schien,
ei anne richtige kleene Schule zer giehn.
Und honn mer au schunn a mol. obgeschrieba,
mir sein trotzdamm oaber nee dumm geblieba!
Mir lernta au Sport, Yölkerboll und baata
und im Schulgoarta lernta mer pflanza un jaata.
Uf dar Wiese dernaba jedes Joahr
Kirmes mit Karussel und Schießbuda woar.
Glei naber’m Schulhof um gleicha Grund
Blunnerf’s Kriegerdenkmol stund.

Nr. 19 Fleischer Gringmuth und Gustav Frischling im Einspänner

(Hausnr. 19)
Woas der Meißner fier a Burscht,
woar dar Gringmuth – Fleescher fier Fleesch un Wurscht.
Uf dan Kaller um Grundstück ich mich noch besinn,
durt woar doas Eis zum Wurscht macha drinn.

(Hausnr. 16)
Bei Linke, glei, wenn ma nei koam, u dar langa Wand
stund zum Recha macha, die Schnitzelbank.

(Hausnr. 26)
A poar Meter nieber, bei dar Baache,
do stieht Joppe Paul sei Haus dierekt um Waage.

(Hausnr. 27)
Zum Zölfel Hermann, doas weeß, ich noch heute,
koama ei senn Raiffeisen – Loada viele Leute.

(Hausnr. 15)
Bei Jausli’s kunnte ma au viel keefa,
vumm Komme bis zu guuda Seefa.

Nr. 17 Meisterstück: Fritz Rehnert, Beschlag: Fredrich Böhm 1939 Kinder: Horst Rehnert, Hannchen Böhm u. Besuch

(Hausnr. 17)
Brauchte jemand Schnieschuhe oder an Schlieta zum foahrn,
oder zum Pauern an Letterwoarn,
ob Jaucha – Roaber, ob anne Kitte mit Herzla un Sitz,
doas machte olles der Rehnert Fritz!

(Hausnr. 102)
Uf dar rechta Seite noch Kunzderf naus,
woar Theuner Ida is letzte Haus.

(Hausnr. 29)
Der Härtel Paul woar au immer uf Troab,
dar loas bei a Leuta die Lichtzähler oab.

(Hausnr. 32 + 31)
Dann kumma wieder zwee Knobloch und zum unnerscheeda,
soarta mer halt fier die beeda:
Beim Wiesa – Knoblich, weil dar um Wiesa – Wag stund
und beim Butter – Knoblich woar der Butterhandel der Grund.

(Hausnr. 33)
Doas letzte Haus um Wiesa – Wag naus,
woar dam Haase Albert sei Haus.
Wenn dar um Waage stund mit semm langa Boart,
honn mir Kinner immer vur damm Angst gehoat.

(Hausnr. 7)
Jitzt nieber zu Notzon, doas woar is letzte Haus
uf der linka Seite noch Kunzderf naus.

(Hausnr. 10)
Beim Bergmann – Pauer, do sitt ma gewiß,
doas doas a gruußes Pauerngutt is.
Dar guude Geist durt moanches Joahr
sicher Friedrichs Else woar.

(Hausnr. 11)
Ei de Schmiede nieber giehn mer nu:
Dar Böhm – Schmied schleet a Takt derzu.
Die Funka stieba aus a Kohln
wenn a toat a Pfard besohln.

Nr. 28 Nocke mit Werkstattkunden

(Hausnr. 28)
Zum Nocke Alfred sein mer uft gerannt,
denn durt woarsch immer interessant.
Woas honn mer do ei’s Schaufanster geguckt
und uns die Noasa plott gedruckt,
denn durte soag ma stulz und schien
die blitzenda D K W – Motorräder stiehn.
Su moancher, dar hie sitzt, koan vu sich soam:
Der Alfred hoot mich mimm Auto zum Teefa gefoahm
Damm Knobloch Willi haute ar doamols sugoar
anne Mähmaschine mit Antriebsmotor

(Hausnr. 12)
Dan Stanneck Fritz mimm Gemiese – Woarn,
sah ich heute nooch durchs Dörfla foahm
durt krichta mer immer billig un frisch
Obst un Gemiese uf a Tisch.

(Hausnr. 94)
Dermitt ei Blunnerf is goab keene Hungersnuut,
buuk der Gotsche – Bäcker für olle is Bruut.
Vu dar Körnern, die mit und ohne Schoaln
vum Böse – Müller fein ausgemoahln –
Und schunn ei dar holba Nacht
wurda Schlesische “ Wossersammeln “ gemacht.

(Hausnr. 14)
Mir dürfa nee verr lauter assa
Müller Gustav’s Haus vergassa.

Karl Lorenz mit Ochsen vor der Kutsche

(Hausnr. 13)
Um holba Berge, gruuß und schien
sitt ma Blunnerf’s grisstes Pauerngutt stieh’n.
Bei Lorenz, do kannte ich gutt mich aus,
uf’m Felde, ei dar Scheune, im Stoal un im Haus,
weil ich im Herbst goar moanches Joahr
ei menner Schulzeit durt Kieh hitta (Kühe hüten)

(Hausnr. 1)
Bei Rindfleisch wullta se huch hinaus,
denn doas woar Blunnerf’s oberstes Haus!
Vu durt sein mer im Winter ei roasender Foahrt
mit Schnieschuh’n und Schlieta nunner gejoart
und woar der Mühlteich zugefroarn,
sein mer au do noch drieber gefoahrn!

Schweinezucht Neumann

(Hausnr. 6)
Jitz wieder zurück bis zer Schmiede hien
denn mer missa jo noach ei’s Eberdurf gieh’n.
A Stickel nuff, glei linker Hand
leit Friedrich Paul sei Haus un Land

(Hausnr. 5)
Glei gegenieber, goar nee weit
Heinze Emil’s Haus und Grundstück leit.
woar.

(Hausnr. 4)
Nu is wieder a Knobloch, o der Reihe,
ich gleebe,mir hotta schun mindestens dreie!
Und weil dar au noch Bruno hiß,
loag der Unnerschied ei semm‘ Gebiß.
Wenn dar lachte, dar gude Moan,
soag ma ganz deutlich senn guldna Zoahn!

(Hausnr. 3)
Dann gieh’n mer beim Scholz Martin verbei
uf der linka Seite mit der Hausnummer drei.

(Hausnr. 2)
Uf dar selba Seite is letzte Haus
soag su schien bemoolt wie ei Bayern aus!
Summerfrischler aus nah‘ und fern
koama olljährlich zum Mooler Kern.
Sugor die Leute aus Berlin
funda Blunnerf wunderschien!

(Hausnr. 98)
Jitzt sein mer baal aus m Durfe naus,
rechts leit noch Emmler – Schustersch Haus.

„Dicke Buche“

(Hausnr. 105)
Mir sein nu endlich gottseidank
beim Rösner Hubert oagelangt.
Beim Lothar hie, omm letzta Haus,
ruhn mer uns a bissel aus.
Hie bleiba mer an Augablick stieh’n
bevur mer langsam wetter gieh’n .
Eh‘ ich ei de Laderhäuser gieh‘:
“ Tun Euch noch nee de Fisse wieh‘? „
Entweder mir gieh’n a Weinberg naus,
und ruh’n noch a mol beim Gedenksteen aus
wu sich beim Hulz huln vur viela Joahrn
hoot enner mim Schlieta tut gefoahrn.
Oder mir macha uns uf die Suche
über Lorenz Kiesgrube, verbei u der Buche.
War die nee gesah’n hoot, dar glebt es kaum,
a Oast vu dar woar su dick wie a grußer Baum!

Försterei, Gotthardsberg

(Hausnr. 101)
Kimmt ma ei de Laderhäuser nei,
is linker Hand die Försterei.
Durt regierte der Dyballa mit strenger Hand
ich hoa a vu der Schulzeit har noch gutt gekannt.
Weil mir im Kriege mit mehr oder weniger Lust
Tausende kleene Fichtel honn pflanza gemußt.

(Hausnr. 93)
A Titze Bruno hoa ich vu Lorenz har gutt gekannt,
wie ufft bin ich naher damm hinderm Pflug har gerannt!

(Hausnr. 92 + 91)
Der Wiesner Otto verdiente ols Zimmermoan sei Geld
und der Greth Erich hoot.ols Landwirt sei Feld bestellt.

Nr. 89 Gustav Frischling mit „Bremmer“ als Sattelochsen, 1939

(Hausnr. 89)
Beim Frischling Gustav, do kannt‘ ich mich aus,
durt woar ich frieher ufft im Haus!
Der Werner und ich hotta ees gemeen,
mir woarn die Klossa – Jingsta und Beede kleen!

(Hausnr. 88)
Im nächsta Haus, dar Fritze Schulz,
hotte im Pusche zu tun mit Hulz.

(Hausnr. 99)
Bei Klose woar links is letzte Haus,
uf dam Waage ei de “ Puschkate “ (Antoniewald) naus.
Die Aussicht vu do wird kenner vergassa,
wenn ar durt hoot bei schienem Water gesassa,
wenn doas Riesengebirge ei ganzer Pracht
mit der Schniekuppe zu emm rieber lacht!
Durt künnte stundalang ich stieh’n ,
doch mir missa wieder langsam uf Blunnerf zu gieh’n !

(Hausnr. 87)
Linker Hand, im Dinge nei,
gieh’n mer u Günther Ida’s Haus verbei.

(Hausnr. 86 + 85)
Der Daniel Paul woar “ Kunta – Paul “ nooch Schlesischer Oart,
und fir a Hanke Emil honn se “ Heinich – Schuster “ gesoart.

Blumendorfer Waldarbeiter mit Revierförster Brand v. l. Rindfleisch Hermann, Hase Albert, Daniel Bruno, Joppe Paul, Knobloch Willi, Knobloch Bruno

(Hausnr. 84)
Oals “ Hulzmeester “ woar “ Kunta Doaniel “ bekannt,
richtig wurde a Daniel Ernst genannt!
Durt wohnte au die Günther Annie, die mir mit gudem Roat
ei a Laderhäusern gehulfa hoot.

(Hausnr. 83)
U a Knobloch Otto, dan stämmiga Moan
ich mich noch gutt erinnern koan.
Dar zeigte uns Kindern geduldig un gutt,
wie ma kleene Fichtel gescheut pflanza tutt!
Goar ufft hoan mer im dann rimgesassa
und Aperna – Puffer mit Sirup gegassa!

(Hausnr. 32)
Der Kretschmer Ewald ist mim Langhulzwoarn
genau su sicher un gutt wie mit der Kutsche gefoahrn!

(Hausnr. 81)
Nu sein mer baal aus Gotthardsberg naus,
glei kimmt Wehner, oder au „Schuster-Hermann“ sei Haus.

(Hausnr. 80)
Ei Greth Brunos Stube, ei gruußer Runde
hielt Pastor Kraft die Bibelstunde.
Heilige woarn wul keene drunter,
vu a Wända guckta zwee Kaiser runter.

(Hausnr. 79)
Menzel Ewald litt au keene Nut,
seine Landwirtschoaft goab. Oarbeit an Brut..

(Hausnr. 78)
Ich weeß nee, ob der Knobloch Bruno hoot immer viel gespoart, z
u damm honn se nämlich „Millionen-Knoblich“ gesoart.

(Hausnr. 100)
Darm kimmt Stroaßmeester Fischers Haus,
durt giehts zum Wachature naus.

(Hausnr. 97)
Willner´s Haus kimmt noach m Fischer,
mit Reuner an dem Adolf-Tischer.

dann langa Spoziergang endlich geschofft!
Noch a poor Schritte zum Dyballa zu biega,
und schunn sahn mer Blunnerf wieder vier uns liega!

Ich weeß aus Erfoahrung, es is nimmer schien,
heut‘ zer Tage durch’s Durf zer gieh’n.
War es nimmer gesahn hoat, hoot nee viel verpoßt,
denn fier moancha wer’sch an schreckliche Loast,
wenn ar mit grußa Erwoartunga nieber gieht
und muß sahn, doaß vu semm Haus ieberhaupt nischt mieh stieht!
Hie meene ich ganz besondersch die Aal’n,
die sulln ’s ei guder Erinnerung haal’n!

Die Junga, die sull’n oalle niebergieh’n,
im die Landschoaft zer sah’n, die is wunderschien!
Obwohl zwoar der Pusch (Wald) stirbt und vieles verkimmt,
ei Gedanka uns kenner die Heimat nimmt!
Und vu dam Spoziergang doas“Resümee“ :

Vergaßt mer bluß unser B L U N N E R F nee !!!

Blumendorf und Steinhäuser 20182



1Historisches Messtischblatt 5059 Altkemnitz (1936), 5058 Friedeberg (1936), Ausschnitt neu zusammengesetzt

2google Kartendaten und streetview, ©google 2019, Blumendorf, Lizenz „Fair Use, angemessene Verwendung“

Kirchengeschichte Blumendorf

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Fotos und Personendaten an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


Unter Boleslaus I. kamen die ersten deutschen Siedler in die unberührte Wälder des Isergebirges und rodeten für ihre Ansiedlungen. Vermutlich um 1150 entstanden die beiden Dörfer Blumendorf und Kunzendorf (am kahlen Berge, auch Gräflich Kunzendorf), wobei Blumendorf die größere Ansiedlung war. Um 1660-1670 wurden durch Hans Wiesner 4 Häuser errichtet und die Ansiedlung Buschkäthe genannt, später zu Ehren des jungen Grafen Anton 1682 in Antoniwald umbenannt.

Die Parochie bestand aus Kunzendorf, Blumendorf mit Gotthardsberg, Antoniwald und die Besitzung Nonnenwald, die evangelischen Bewohner von Birngrütz und Neusorge kamen ebenfalls nach Kunzendorf.

Kartenausschnitt Historisches Messtischblatt 19361

  • Die Wolfgangskapelle, benannt nach dem Heiligen Wolfgang, lag etwa eine Wegstunde von Kunzendorf entfernt im Wald und diente den ersten Bewohnern als Ort ihrer Gottesdienste. Viele Wallfahrer aus Böhmen und der Oberlausitz besuchten diese Kapelle ebenfalls. Hier waren zudem einige Häuser errichtet worden, die man, als der Platz für die Bewohner zu klein wurde, abgetragen und in Blumendorf wieder aufgebaut hatte. Das waren das Haus Kiesewalter  (Nr. 67) und Ander (Nr. 5), einzelne, die im Wald standen wurden ebenfalls ins Dorf versetzt, so Ketzler (Nr. 9) und Elger (Nr. 15).

Kartenausschnitt Historisches Messtischblatt 19361

  •  um 1520/1525 wurde eine erste Kirche als Tochterkirche der Giehrener Kirche errichtet2
  • um 1530 wird die Kirche der Parochie Kunzendorf (am kahlen Berge) nachweislich evangelisch4, der Taufstein trägt die Jahreszahl 15252
  • bis 1552 gab es drei protestantische Geistliche in Kunzendorf2
  • 1552-1608  predigte Johann Krause2
  • um 1600 Bau einer neuen Kirche, der Taufstein wurde mitgenommen, die Glocke aus der Wolfgangskapelle ebenfalls und zwei (1601 und 1602) neu angeschafft, wie ihre Inschriften belegen2
  • 1608-1619 Magister Kaspar Tralles, ab 1604 Gehilfe des Johann Krause, ab 1606 Pastor, ging 1619 nach Zittau, wo er 1624 starb2
  • 20.8.1609 Zusicherung der Religionsfreiheit in Schlesien („Majestätsbrief„)
  • 1618-1648 Dreißigjähriger Krieg, man bedrängte die Einwohner, sich wieder dem katholischen Glauben zuzuwenden, das Vorgehen bekam den unrühmlichen Begleitnamen „Liechtensteiner Seligmacher“11
  • 1619-1654 Pastor Schwedler, zuvor Cantor in Friedeberg, predigte bis zur Wegnahme der Kirche in Kunzendorf, er starb 1656 und wurde in Meffersdorf begraben2
  • 1648 Westfälischer Friede, Zusicherung der freien Religionsausübung für die Protestanten, ev. Kirchen durften in den Städten Schweidnitz, Jauer und Glogau errichtet werden, aber nur außerhalb der Stadt, alle anderen Kirchen sollten jedoch weggenommen werden
  • 1652 Befehl Ferdinand III. zur Übergabe der Kirchen in den Fürstentümern Schweidnitz und Jauer
  • 8.12.1653-23.4.1654 Oberstleutnant Christoph von Churschwandt, Pater Georg Steiner (Erzpriester in Striegau) und Sebastian von Rostock, Domherr zu Breslau, enteigneten 250 Kirchen2, darunter die Kunzendorfer, in ganz Schlesien waren 578 Kirchen betroffen
  • 25.2.1654 Wegnahme der Kunzendorfer Kirche und Übergabe an Pater Joachim Rieß vom Zisterzienserorden. Im Übergabeprotokoll wurden die 3 Glocken gelistet, ein silberner und ein vergoldeter Kelch, 3 zinnerne Leuchter, 1 Altartuch, 1 Chorrock, ausgeliehen Gelder 695 Mark, von der Wiedmuth hat der Pfarrer jährlich 4 Fl., es kann über Winter und Sommer 4 Scheffel gesät werden. Pastor Schwedler zog auf sein Bauerngut in Giehren, da die Pastoren ihren Wohnsitz bei der Mutterkirche hatten2, auch die Giehrener als Mutterkirche wurde eingezogen, die Einwohner wenden sich nach Meffersdorf, Volkersdorf, später Gebhardsdorf und Nieder-Wiesa4, 9
  • 1656 Tod des Pastors Schwedler in Giehren
  • 1654-1742 die Bewohner mussten zum katholischen Pfarrer in Friedeberg, einen Erlaubnisschein bezahlen, um Taufen und Ehen in Meffersdorf oder Volkersdorf vollziehen lassen zu können, Begräbnisse mussten still vollzogen werden
  • 1709 Altarbau in der Kunzendorfer Kirche, er enthält die Gebeine des Heiligen Aemilian und der Heiligen Justina2
  • 16.6.1729 die Kirche wird von einem Blitzstrahl getroffen, zündet jedoch nicht2
  • 16.12.1740 Besetzung Schlesiens durch Preußen, Friedrich der Große erteilt den evangelischen Bewohnern Schlesiens volle Glaubensfreiheit und erlaubte den Bau von Kirchen und Schulen und die Anstellung von Geistlichen
  • 1741 Gottfried Hoffmann, Gerichtsgeschworener von Antoniwald, reist nach Glogau, um den Bau eines Bethauses zu beantragen, Giehren ersucht gleichzeitig um einen Neubau, Hoffmann, der nicht nachweisen konnte, wer die Kosten tragen würde, erhält abschlägigen Bescheid2
  • 20.1.1742 der Richter Johann Christoph Feist aus Blumendorf und Gottfried Hoffmann, Gerichtsgeschworener von Antoniwald, erhalten die Erlaubnis zum Bau eines evangelischen Bethauses in Kunzendorf, die stärkere Gemeinde Blumendorf hatte dem Begehren der Kunzendorfer nachgegeben, weiter der Giehrener Kirche angehören zu wollen2
  • Februar-März 1742 Pfarrer Johann Christoph Kretschmer wird angestellt und zieht ins Oberdorf (später Schröter Nr. 56)2
  • 23.2. 1742 – 14.1.1753 Pastor Paul Henrich Burchardi (3.8.1714 in Königshain bei Görlitz – 2.1.1777 Hirschberg i.S.)10 wird nach Kunzendorf gesendet und hielt am Palmsonntag seine Antrittsrede, er verließ 1753 die Gemeinde und ging nach Hirschberg.2
  • 18.3. 1742, Palmsonntag mit Wiedererlangung der Religionsfreiheit können wieder evangelische Gottesdienste gehalten werden, zunächst in der Scheune der Anna Maria geb. Theuner, Witwe des Bauern Christoph Elsner2
  • 3.4.1742 Wiederaufnahme der Amtshandlungen mit der Trauung des Witwers George Heinrich Weichert, Häusler und Schuhmacher in Seifershau, mit Jungfrau Elisabeth Theuner, Tochter des Häuslers Heinrich Theuner aus Kunzendorf2
  • 18.5.1742 Wiederaufnahme der Amtshandlungen mit dem Blumendorfer Begräbnis des halbjährigen Sohnes des Schenken Gottfried Wiesner2
  • 23. Mai 1742 Wiederaufnahme der Amtshandlungen mit dem Täufling aus Blumendorf Helena Hain, Tochter des Häuslers Hans Christoph Hain2
  • 1743 Bau des Pfarrhauses, auf dem Boden des Pfarrhauses, hier gab es einen Verschlag, der als Sakristei diente und einen Beichtstuhl2,4,9
  • 5.7.1744 die neue hölzerne, lehmgefachte Kirche, auf dem Platz des damaligen Scholtiseibesitzers Johann Heinrich Bachstein für 1.300 Reichstaler2 erbaut, wurde unter Pastor Paul Henrich Burchardi in Kunzendorf eingeweiht, die alte blieb katholisch. Ihre Glocken, läuteten jedoch bis zur Vertreibung auch für die evangelischen Bewohner. Burchardi war von 1742 bis 1752 Pastor in Kunzendorf.4

alte Ansicht Gräflich Kunzendorf3

  • 6.12.1752 Ephraim Gottfried Künzel (9.5.1721 Hirschberg i.S. – 17.5.1792 Kunzendorf) erhält die Pfarrstelle und hält am 28.1.1753 seine erste Predigt.
  • 1765 der Blumendorfer Johann Gottlieb Dreßler wird Pastor in Giehren
  • 1781 Kanzel und Altar für die ev. Kirche, beide mit Bildhauerarbeiten versehen, zu den Baukosten stiftete der Katholik, Vorwerksmann und Gerichtsgeschworene Joseph Frommelt aus Bürngrütz 50 Rthlr.2
  • 1792 zum 50jährigen Jubelfest der Kirche erschien ein Büchlein von Pfarrer Ephraim Gottfried Künzel (Kunzendorf unterm kahlen Berge)
  • 17.5.1792 Himmelfahrtstag, Pfarrer Künzel hielt vormittags noch eine Predigt, starb am selben Tag.2
  • 1792, 4. Advent Pfarrer Johann Gottfried Liebig (12.2.1764 Warmbrunn – 7.12.1735 Petersdorf) hält seine Antrittspredigt2
  • 1793 erscheint Nachricht von der Kirche zu Kunzendorf durch I. Fr. Hermann, Lauban (Kunzendorf unterm Walde)
  • 1798 verließ Pfarrer Liebig Kunzendorf2
  • 21.4.1798 Pfarrer Gottlob Friedrich Benedikt Künzel (21.5.1757 – 22.1.1825) übernahm die Stelle, er war der Sohn des verstorbenen Pfarrers Künzel.2
  • 1820 wurde die ev. Kirche für 476 Reichstaler durch den Staffierer Sturm aus Kaiserswaldau staffiert, davon waren 53 Rthlr. durch den Blumendorfer Bauern Feist gestiftet worden2. Die Kirche hat 1 Orgel mit 11 Stimmen, eine kleine Sakristei. Altar, Kanzel und Orgel in weiß und gold7, 9, mit Scharlachtuch verkleidet2, 24 gläserne Wandleuchter an den Säulen (später kamen noch 12 dazu)2, Vermögen 500 Taler4, 9
  • 22.1.1825 Tod des Pfarrers Gottlob Friedrich Benedikt Künzel2
  • 5.5.1825 Pfarrer Gottlob Friedrich Degner (*21.4.1797 Hirschberg i.S.) übernimmt die Pfarrstelle und ficht über Jahre einen Kampf gegen Grundsätze und Lehren, die in den Dörfern verbreitet waren, den christlichen Glauben jedoch in seinen Augen untergraben hatten2
  • 1826 Anschaffung gläserner Kronleuchter für die Kirche für 50 Rhlr.2
  • 1829 Neueindeckung von Kirche und Pfarre2
  • 1837 die Schulwirth Fischerschen Eheleute aus Blumendorf schenken der Kirche 2 Taler12
  • 1838 die Häusler-Witwe Böhmert, Universalerbin ihres Ehemannes, schenkt der Kirche 16 Rthlr. Aus freiwilligen Gaben der Junfrauen und Jünglinge der letzten Jahre kamen 112 Rthlr. zusammen, davon wurden eine Kanzel- und Altarbekleidung aus feinem Scharlachtuch, eine gleiche aus schwarzem Tuch mit weißen Fransen, eine gleiche aus grünem Damast mit gelben Fransen und ein dazu gehörendes Vortuch aus schwarzem Samt mit goldener Stickerei, sowie 2 gläserne Kronleuchter angeschafft.12
  • 11.7.1842 hundertjähriges Jubelfest, die Kirche erhält reichlich Geldspenden und Geschenke (1 Paar silberplatierte Altarleuchter, 1 Altarteppich, 2 Jubelfahnen, 1 silberner Kelch für Hauskommunionen, 1 silberne Abendmahlskanne, 1 Baßposaune, 1 Violine, 2 künstliche Blumenbouqets für den Altar, 2 gläserne Vasen, 1 Kruzifix, 1 silberne Hostienschale, 1 Paar Kerzen). Von den Spenden kaufte man scharlachtuchene Kanzel-, Altar- und Taufsteinbekleidung mit silbernen Fransen, Borten und Stickereien, dazu weitere musikalische Instrumente.2
  • 1848 Parochie Kunzendorf am Kahlen Berg mit den Dörfern Kunzendorf, Blumendorf, Steinhäuser, Gotthartsberg und Antoniwald, insgesamt 1.160 Seelen. Es gibt in Kunzendorf eine Schule mit 70 Schülern, der Organist Talke ist Lehrer seit 1836, in Antoniwald, Gotthartsdorf und Blumendorf gibt es Nebenschulen, versorgt durch 2 Adjunkten, Schulvermögen 1.260 Taler.7
  • 18.4.1867 der Bauer Johann Carl Ehrenfried Elsner hinterläßt der Kirche in Kunzendorf 50 Taler, der Blumendorfer Schule 75 Taler5
  • 1896 Tod des Pastors Reinhold Puschmann (1825-1896), Pastor zu Kunzendorf

Kunzendorf, Schule, ev. Bethaus u. kath. Kirche

Pfarrer Kraft mit Konfirmanden 1929:

Obere Reihe ganz rechts Karl Lorenz, untere Reihe im karierten Kleid Meta Wilner, wer kennt die anderen?

Nach Information von Herrn Weichert (herzlichen Dank dafür):

„Meine Großmutter Liesbeth Lorenz ist die Schwester des dort oben rechts stehenden Karl Lorenz. Nach unseren Notizen ist das Foto 1930 entstanden. Pastor Alfred Kraft, dann von links Alfred Feist, Walter Hoffmann, Karl Schneider, Ernst Menzel, Alfred Raschke, Karl Lorenz. Unten von links Minna Langer, Meta Fischer, Gerta Rösler, Frieda Schön.“



1Historisches Messtischblatt 5059 Altkemnitz (1936), 5058 Friedeberg (1936), Google Maps + Historische Meßtischblätter (TK25) 4859 Löwenberg (1937)

2Jubelbüchlein für die evangelische Gemeinde zu Kunzendorf, Blumendorf und Antoniwald. Zur Feier ihres hundertjährigen Jubelfestes am 11. Juli 1842; Gottlob Friedrich Degner, evangelischer Pfarrer, Landholt Hirschberg

3 Ausschnitt Ansichtskarte

4Historische Statistik der Evangelischen Kirche in Schlesien: nebst einer Kirchen-Charte, F.G. Anders, Glogau 1848, p604f

5Amts-Blatt der königlichen Regierung zu Liegnitz Nr. 52, 28.12.1867 p.427

7Historische Statistik der Evangelischen Kirche in Schlesien: nebst einer Kirchen-Charte, F.G. Anders, Glogau 1848, p604f

9Alphabetisch-Statistisch-Topographische Uebersicht aller Dörfer, Flecken, Städte und anderer Orte der Königl. Preuß. Provinz Schlesien, nebst beigefügter Nachweisung von Eintheilung des Landes nach den verschiedenen Zweigen der Civil-Verwaltung mit drei besonderen Tabellen; Johann Georg Knie, Breslau 1845, p.336

10Lausitzisches Magazin oder Sammlung verschiedener Abhandlungen und Nachrichten, Zehnter Jahrgang aufs Jahr 1777, Johann Friedrich Fickelscherer, Görlitz, p. 88ff

11Maximilian Fürst von Liechtenstein (6.11.1578-29.4.1645 Raab), kaiserlicher Feldmarschall. „ Seligmacher“ nannte man die Truppen Liechtensteins, die wegen ihrer gewaltsamen Rekatholisierungsmaßnahmen in den kaiserlichen Erblanden berüchtigt waren.

12Amts-Blatt der königlichen Regierung zu Liegnitz Nr. 35, 1.9.1838 p.264

Schulwesen Blumendorf

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche mir Personendaten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


Bereits 1647–1651 gab es eine Schule in Blumendorf , das ging aus der Leichenschrift für Gottfried Feist hervor, der aus Kunzendorf nach Leipzig wanderte als Bäckergeselle, nahe der Stadt überfallen wurde und an den zugefügten Stichwunden tags darauf starb. Die Zittauer berichteten, sein Vater, Martin Feist, Erb- und Gerichtsscholz zu Kunzendorf, hätte ihn von 1647 bis 1651 fleißig in die Blumendorfer Schule geschickt.1

1666 mussten alle Schulen geschlossen werden, so wurde geheim unterrichtet.

Stanislaus Rücker2

Zum Besten der armen Schulkinder in Kunzendorf und Blumendorf stiftete Stanislaus Rücker (17.12.1649 in Giehren – 14.4.1734 in Berlin), Königlich-Preußischer Accise-Direktor und Rathmann in Berlin, ein Legat. Aus diesem sollten beide Schulen jährlich 3 Rthl. 5 Sgr. zum Schulgeld für arme Kinder empfangen, auch unter die Hausarmen der beiden Gemeinden sollte jährlich 1 Rthlr. 25 Sgr. verteilt werden.1

Zu Beginn der preußischen Zeit in Schlesien, im Jahre 1742, wurde im Haus des Christoph Bergmann eine Schule eingerichtet.

Der erste Schullehrer und Cantor war Gottlieb Oertel, Häusler und gewesener kaiserlicher Accis-Einnehmer in Blumendorf, hier unterrichtete er zunächst in Bergmanns Haus, später in seinem eigenen und in Kunzendorf in Christoph Menzels Haus (Nr. 27), 1747 zog er nach Röhsrdorf a.O. und starb dort 1765.1

Ihm folgte am 9.10.1748 Johann Gottfried John (16.5.1725 Hermsdorf – 13.7.1796), welcher 1750 Anna Elisabeth Feist, Tochter des Blumendorfer Richters Christian Feist, ehelichte. In zweiter Ehe nahm er Anna Rosina Feist, Tochter des Kunzendorfer Kirchenvaters und Gerichtsgeschworenen Samuel Feist, zur Frau. Eine seiner Töchter verehelichte sich später mit dem Blumendorfer Gärtner Hübner.1

Am 16.11.1796 traf der neue Lehrer Karl Gottlieb Vogt (*9.4.1772 in Prausnitz) ein und blieb bis 1835 Lehrer in Blumendorf, ehe er im Ruhestand nach Antoniwald zog, wo sein Sohn eine Papierfabrik besaß.1

1806 errichtete man eine neue Schule, einen weiteren Neubau im Jahre 1832.

Lehrer und Kantor Wilhelm Talke (*17.1.1811 Agnetendorf) nahm am 24.1.1836 seinen Dienst auf.1

1860 vermacht die Bauerngutsbesitzerwitwe Eisner, geborene Feist, der Blumendorfer Schule ein Legat von 50 Reichstalern3 und am 18.4.1867 hinterläßt der Bauer Johann Carl Ehrenfried Elsner der Blumendorfer Schule 75 Taler.4

Lehrer an der einklassigen evangelischen Volksschule Blumendorf war bis 1920 Arthur Daum. Er wurde wegen schwerer Krankheit vorzeitig pensioniert.

Schulkinder 1914 mit Lehrer Daum, Jahrgänge 1900–1907

 von oben von links:
1. Fritz Urban, Oskar Merdon, ? Klose, Paul Joppe, Hermann Hampel, Adolf Tietze, Ewald Menzel, Alfred Gringmuth, Willi Kindler, Herbert Meißner, Reinhard Reich, ? Raschke, Bruno Knobloch
2. Bruno Daniel, Paul Urban, Else Günther, ?, Martha Langer, Meta Joppe, Anna Urban, Hedwig Linke, Lenchen Lorenz, Minna Frischling, ? Wiesner, Selma John, Oswald Tietze, Erich Joppe, Richard Günther
3. Martha Daniel, Selma Kratzert, Selma Friedrich,Herta Meißner, ? Kretschmer, Anna Joppe, Lehrer Daum, Hedwig Weise, Hedwig Zolfel (Bergmann), Anna Müller, Frieda Gringmuth, Emma Hoppe (Hase), Ida Gringmuth
4. Alfred Müller, Fritz Bergmann, Richard Friebe (Langner), Helene Raschke, Frieda Urban, Frieda Effner, Frieda Effner, Trudel Baier, Paul Zölfel, Willi Knobloch (Butter-K.), Alfred John
5. Gustav Frischling, Ernst Wehner (Kittelmann), Bruno Nerger, Ida Langer, Bruno Bergmann, Erich Urban, ? Tietze, Adolf Schröter, Emil Hanke
6. Ernst Frischling, Otto Günther, Reinhard Friedrich, Erich Merdon, Willi Knobloch, Oskar Langer, Alfred Nocke, Ewald Kretschmer, Bruno Knobloch

Es folgte von 1920 bis 1940 Paul Jaster, wegen schweren Bronchialasthmas musste er mit 61 Jahren in den Ruhestand versetzt werden, am 30. 7. 1945 wählte er in Rabishau den Freitod. 

Die Oberstufe der Volksschule Blumendorf mit Lehrer Paul Jaster 1933 Jahrgänge ca. 1918 – 1921

von oben links:
1 Erna Daniel (G), Helene Kratzert, Agnes Enge (St.), Walter Bergmann, Kurt Scholz, Alfred Enge.
2 Helene Merdon (St.), Hilde Bergmann, Frieda Langer, Reinhard Bergmann, Herbert Raschke.
3 Reinhard Theuner, Willi Ander, Bruno Gierth, Bruno Müller,
Margarethe Klose (G.), Liesbeth Stannek, Ilse Tietze.
4 Frieda Raschke, Frieda Daniel (G.), Gertrud Neumann, Lieselotte Hentschel, Erna Rindfleisch, Erika Kratzert, Frieda Bergmann.

Vertretungen im Krieg waren Lehrer Hähnel (Kunzendorf), Donath (Antoniwald), Gottschlich (Liebenthal), Seydlitz (aus Berlin).

Blumendorf Unterstufe ca. 1941

1. Reihe: Brigitte Wiesner, Gerhard Kurzer, Irmgard Knobloch, Walter Nerger, Hubert Weise, Werner Daniel, Anni Günther.
2.Reihe: Elvira Stein, Erna Friedrich, Gertrud Adolf, Günter Rädisch, Harry Kittelmann.

Gemeinsame Unterstufe Blumendorf und Kunzendorf vor dem Kriegerdenkmal

1. Herbert Vogel, Horst Rehnert, Walter Notzon, Erwin John,
Manfred Gringmuth, ? Fredrich, Helmut Notzon, Horst Notzon.
2. Friedhelm Wiesner, Käthe Knobloch, Elfriede Conrad, Käthe Benedikt, Swanje Neue, ? Ander, Anneliese Benedikt,?, Gerda Kiesewalter, ?,
3. Herbert Knothe, ?, Irmgard Ondraczek, Waltraud Knoblauch,
Inge Dressier, Ilse Bühn, Marianne Schroth, Hans Biemelt, ?, ?, Manfred Wiesner, Gerhard Kurzer, ?, ?, ? Rösner.

Erst 1943 erfolgte die Neubesetzung der Lehrerstelle bis 1945 mit Arthur Scheibe.

Kinderfest, ca. 1943/44 Kindergärtnerinnen mit Schul- und Vorschulkindern. Wer erkennt sich noch?

Reigengruppe: Anneliese Benedikt, Hans Rösner, Horst Rehnert, Gerda Kiesewalter, Walter Notzon, Wolfgang Rösner, Waltraud Knobloch, Ilse Bühn.



1Jubelbüchlein für die evangelische Gemeinde zu Kunzendorf, Blumendorf und Antoniwald. Zur Feier ihres hundertjährigen Jubelfestes am 11. Juli 1842; Gottlob Friedrich Degner, evangelischer Pfarrer, Landholt Hirschberg

2Paul Busch, † 1734: Stanislaus Rücker – Museum der Bundesfinanzakademie, Bonn, wikipedia Bild-PD-alt

3Amts-Blatt der königlichen Regierung zu Liegnitz Nr. 18, 5.5.1860 p.153

4Amts-Blatt der königlichen Regierung zu Liegnitz Nr. 52, 28.12.1867 p.427

Gefallene und Vermißte der Gemeinde Blumendorf (1939 – 1945)

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


Erster Weltkrieg 1914-1918

Gefallenendenkmal Erster Weltkrieg

 Blumendorf

Musk. Paul Tietze + 3.5.1914
Res. Paul Weichert + 25.2.1915
Musk. Bruno Küffer + 24.7.1915
Wehrm. Reinhold Kretschmer + 1.9.1915
Gefr. Paul John + 30.9.1916
Gefr. Reinhard Bergmann + 1.4.1918
Schütze Bruno Joppe + 22.4.1918
Ldstm. Robert Günther verm. 24.10.1916

Gotthardsberg

Jäger Ewald Greth + 10.3.1916
Ldstm. Julius Daniel + 28.10.1916
Kan. Paul Menzel + 10.8.1917
Musk. Reinhard Menzel + 21.9.1917
Serg. Erich Daniel + 28.8.1918
Grend. Gustav Gringmuth verm. 30.8.1918

Zweiter Weltkrieg 1939-1945
  1. Ogfr. Rindfleisch, Hermann, L.-Schtz.Btl. 438 *14.8.1890 + 31.8.46 Brest/R.
  2. Gfr. Rindfleisch, Helmut, Pz.Gr.Rgt.Feldherrnh. * 30.1.26 + Jan. 45 Liebenth.
  3. Uffz. Lorenz, Karl, IR. 83 *1.12.1915 + Meldentjewo/Wolga 6. 1.42
  4. Gfr. Theuner, Reinhard, IR. 54 *19.7.1921 + Koserowkka-Bar/Rußl.15.7.41
  5. Sold. Joppe, Paul, Sich.Rgt.1 *10.11.1901 + b.Kaluga/Rußland 20.1.46
  6. Knobloch, Bruno, Ogr.Sich.Btl. *6.8.1904 + verm. Kroatien 8. 9.44
  7. OT Hoffmann, Reinhard, BauBtl 22.3.1901 + Keuwschinowo/Rußl. 2.2.42
  8. Gfr. Daniel, Bruno, Sich. Btl. *26.5.1901 verm. Sarajewo/Jugos. 10.4.45
  9. Gfr. Baumert, Bruno, Gren. Rgt.261 *3.2.24 + Gorki b. Orscha/Rußl. 7. 2.44
  10. Gfr. Krinke, Herbert, IR.442 * 9.8.1912 + Storoshewoje/Rußl. 9.9.42
  11. Gfr. Raschke, Herbert, IR 8 *31.3.1921 + Goroditsche/Stalingr l4.9.42
  12. Ogfr. Bergmann, Alfred, Gr.R. 525 *1.6.1918 verm. Iwanowka/Rußl. Mitte Herbst 43
  13. Ogfr. Kurzer, Hermann,SichBtlVI *31.12.1907 + bei Wien/Ostfront Jan. 45
  14. Gren. John, Alfred, PzGr.R.21 *16.6.1906 + Pielgrzymka/Rußland 8.10.44
  15. Ogfr. Gottwald, Fritz,Kr.Btl. 61 *12.11.1913 + Laz.Bruckberg/Ansba. 26.12.43
  16. Uffz. Kiesewalter, Martin,Pi.B *9.9.1902 verm.Kielce/ Polen 12.1.45
  17. Neumann, Paul, *25.2.1894 “ Bunzlau/Schles. 10. 5.45
  18. Uffz. Raschke, Alfred, Pz.R.15 *15.12.1915 + vor Moskau / Rußl. 18.12.41
  19. Ogfr. Weise, Erich,Pzj.Abt.560 *20.1.1923 verm. Plattensee/Ung. 14.3.45
  20. Eisb. Scholz, Martin, *23.6.1914 Christinowka/Ukraine 15.1.44
  21. Gfr. Scholz, Kurt. AR 123 *2.10.1918 verm.Soberetsche/Rußl. 13.1.42
  22. Scholz, Ernst, 9.SS Pz.D. *29.8.1925 “ Traismauer/Donau 13. 4.45
  23. Gfr. Tietze, Reinhold,R.Abt181 *9.9.1923 + Sechino/Rußland 12.10.42
  24. Ofw. Enge, Gerhard, IR 102 *22.1.1914 + Lettland 30. 9.44
  25. Gfr. Merdon, Richard, IR 274 *29.8.1910 verm. Griechenland 9. 9.44
  26. Osch. Merdon, Fritz, *9.8.1913 + Mainz(Kriegsleiden) 9. 5.45
  27. Uffz. Merdon, Paul, Gr,R.Rhodos *5.12.1914 verm.Rhodos/Griechenl.
  28. Okt.44 Gfr. Enge, Paul, IR 354 *1.1.1912 “ bei Orel/Rußland 26.1.42
  29. PzSch. Rädisch, Walter, Pz.R.6 *18.12.1922 “ b.Rostow/Kaukasus 2. 1.43
  30. Ogfr. Menzel, Ewald, Flak Abt.61 *12.7.1901 + Brioude/Frankreich 31.8.45
  31. Sold. Kretschmer, Alfred, SS PGrE5 *20.8.1926 + b.Warschau/Polen 10. 8.44
  32. Sold. Günther, Heinz, SS Pgr.B.5 *23.6.1928 verm. Ellwangen/Jagst Apr. 45
  33. Gfr. Günther, Bernhard, IR 51 *16.8.1910 + Leuze/Belgien 22. 5.40
  34. Gfr. Günther, Gerhard, NR 511 *8.3.1912 verm.Bobruisk/Rußl. 29.6.44
  35. Gfr. Dyballa, Siegfried IR 54 *1.11.1920 + Koserowka-Bar/Rußl. 15. 7.41
  36. Uffz. Neue, Georg, Sich.Rgt. 122 *1.5.1906 + Minsk/Orscha, Rußl. Juli 44


Quelle: Unsere Heimat Blumendorf

Militärverein Blumendorf

Mein Dank gilt Frau A. Relin, durch welche Daten und Fotos zu Blumendorf an mich mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung übergeben wurden. In Erinnerung an alle Einwohner von Blumendorf.


Nach dem deutsch-französischen Kriege 1870/1871 bildete sich, wiefast überall, auch in Blumendorf ein Krieger – oder Militärverein.
Der Verein organisierte die jährlichen Schützenfeste, die immer zwischen Heu- und Getreideernte in Steinhäuser im Steinkretscham stattfanden.

Nach dem 1. Weltkrieg wurde neben der Schule ein Ehrenmal für die Gefallenen und Vermißten des Ortes errichtet. Bei der Einweihung sprach der Hauptmann der Artillerie, Dr. Dr. Bunzel (gefallen im September 1939 in Polen), damaliger Kunzendorfer Pastor. 

Gefallenendenkmal Erster Weltkrieg

Langjähriger – und letzter – Vorsitzender des Militärvereins war Richard Enge. Das Bild zeigt ihn bei einer Veranstaltung in Neukemnitz auf seinem Schimmel in der Uniform der Garde-Ulanen.


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Deutsche Kolonisten

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