Der Bürgerkrieg in Polen 1768 und die folgenden Unsicherheiten – Russland, Preußen und Österreich bekamen polnisches Land zugeschlagen, das Königreich Galizien und Lodomerien gründete sich auf polnischem Gebiet, ließ die Kolonisten um ihre Rechte bangen. Maria Theresia rief die Kolonisten ins Land. Joseph der II. ermöglichte mit seinem Ansiedlungspatent 1781 zahlreichen Kolonisten unter günstigen Bedingungen die Ansiedlung.

Sotzmannsche Karte der Neumark 1807, Warthebruch

Vor allem Pfälzer zogen nun rheinaufwärts bis Speyer und dann zwischen Schwarzwald und Odenwald hindurch bis nach Ulm. Von Ulm aus fuhr man auf der Donau in den so genannten Ulmer Schachteln bis nach Wien.

Die Zillen – „Ulmer Schachteln“, ein Spottname wegen der einfachen Bauweise, waren Boote, die nur in einer Richtung donauabwärts fuhren, denn sie wurden am Ende Ihrer Reise als Brennholz verkauft.

Dieser Weg wurde auch für den Weg nach Bessarabien genutzt bis Ismail. Sie waren etwa 20-30 Meter lang und 4-7 Meter breit, die Ruder dienten nur dem Lenken, Manövrieren und Bremsen und der Aufbau hatte maximal eine Giebelhöhe von 4 Metern. Um Kosten zu sparen, hatte man mit der Schifferzunft ab 1817 die Vereinbarung getroffen, die Reisekosten nicht nach Personenzahl, sondern nach der Anzahl der genutzten Boote zu entrichten. Entsprechend überfüllt waren sie, was sich vor allem auf die Hygiene auswirkte und Krankheiten begünstigte.

A Wien B Brünn C Olmütz D Mährisch Neustadt E Bielitz F Krakau ca. 570km

Von Wien aus ging die Reise auf dem Landwege weiter. Man zog mit Pferdewagen in größeren Gruppen über Brünn, Olmütz, Mährisch Neustadt, Bielitz bis nach Krakau und von dort weiter in die Bestimmungsorte.

In den Auswanderungsakten der Kolonisten findet sich des Öfteren als Auswanderungsziel Galizien oder Lodomerien (Wolhynien), das Ende der Reise war jedoch häufig Bessarabien. Wir finden unter den Kolonisten in Galizien viele Familiennamen, welche uns aus Bessarabien vertraut sind: Irion, Ackermann, Bender, Scherer, Bross (Brost), Weiß, Zahn, Singer, Tritthardt, Lutz, Roth, Armbruster (Armbrüster), Frey u.a.m.

Der Höhepunkt der Zuwanderung wurde jedoch unter der Regierung von Friedrich dem II. und III. erreicht, nachdem durch die neuerliche Teilung Polens weite Teile an Preußen fielen. Zwischen 1793 und 1807 entstanden so die meisten Kolonien. Nach der zweiten (1793) und dritten (1795) Teilung Polens zogen viele ehemalige Kolonisten in die Region um Kalisch, Krotoschin und Jarotschin in das Warthebruch, es finden sich die Namen unserer Vorfahren gehäuft auch in der Region Sompolno wieder.

Einige der künftigen bessarabischen Kolonisten waren bereits 1801 durch den preußischen Werbekommissar von Nothardt, Öhringen, Baden-Württemberg, angeworben worden, um im Domänenamt Leszno Wola die Dörfer Alt- und Neu-Ilvisheim, Ludwigsburg und Schwiningen zu gründen. Bei Warschau entstand Szopy Niemieckie, im Domänenamt Potycz Kanstadt, sie siedelten in polnischen Dörfern und übernahmen wüste Höfe, bis der Aufbruch nach Bessarabien und Cherson begann, der Zustrom nach Polen endete jedoch erst 1860.

Hintergrund dieses Weges über Polen war jedoch nicht nur eine bereits vorhandene Ansiedlung, viele von ihnen trafen ab 1810 auch in der Region Warschau ein, um ein Verbot des Zaren zur Zahlung der Tagesgelder, welches seit 1810 ausgesprochen war, zu umgehen, denn dieses Verbot galt nicht für die aus Polen kommenden Kolonisten. So ließ man sich für kurze Zeit nieder, um dann erneut „auszuwandern“. Vor allem die Separatisten, zurückgehend auf die Hugenotten und Waldenser, (unter ihnen unser Ahn Wornat), nutzen diese „Lücke“. Da man ihnen die Ansiedlung in Georgien später (nach 1819) unter Hinweis auf ihre „Halsstarrigkeit“ verwehrte, wanderten sie jedoch auf eigene Faust mit einer „Notlüge“ aus, sie behaupteten einfach, sie hätten bei dem Zaren vorgesprochen, als dieser in Aachen war. Viele dieser Auswanderer ließen sich später in Bessarabien nieder, da sie mehr Land erhielten, als in Georgien, auch schreckten Berichte von den schwierigen Bedingungen im Kaukasus ab.

Unsere Vorfahren wanderten überwiegend in das heutige Polen aus, ehe sie sich entschlossen, im Herbst 1813 nach Bessarabien aufzubrechen. Die Familie meiner Oma lebte in der Region um Tomaszów Mazowiecki, von wo einige der Kolonisten 1809 in die Kolonien um Sankt Petersburg weiterzogen.

Mit dem Wiener Kongress entstand 1815 das Königreich Polen aus dem ehemaligen Mittelpolen, durch seine Anbindung an Russland bis zum Ende des ersten Weltkrieges folgte für die deutschen Kolonisten wieder der Militärdienst, diesmal in der russischen Armee, was viele bewog, weiter zu wandern.

Da der Krieg die wirtschaftliche Lage in Polen ruiniert hatte, wurde mit dem Gesetz vom 2. März 1816 Einwanderern kostenloses Baumaterial, Freiheit von Einfuhrzöllen und Militärdienst sowie Steuerfreiheit zugesichert. Am 30. März 1821 wurde mit einem Vertrag für die deutschen Einwanderer die Grundlage der Neuschaffung der Textilindustrie Polens, gelegt, Tuchmacher aus Schlesien, Sachsen, Pommern, Brandenburg und der Eifel, wanderten erneut in Scharen – unter anderem in die Region um Lodz – ein. Bekannte Tuchmacherfamilien waren Quiram oder Appel – seit 1799 in Dombie, Namen, welche auch unter den Bessarabiern vertreten sind, ansässig waren u.a. auch Fribus (Friebus), Kunkel, Jahnke, die Tuchmacher wanderten später nach Lodz ab, viele gingen später nach Wolhynien.

Um 1855 setzte eine verstärkte Abwanderung nach Wolhynien ein, da man dort billig Land kaufen konnte, welches nur noch von den Stubben gerodet werden musste, bis 1885 zogen tausende Kolonisten dorthin, da die Unruhen des polnischen Aufstandes 1863 – 1865 vielen das Gefühl gab, in der Zukunft nicht mehr so leben zu können, wie bisher. Man verkaufte sein Land, manche verpachteten auch, kaufte sich für 25 Rubel einen Reisepass und brach auf eine 4 – 5 wöchige Reise auf, welche jedoch für die Kinder sehr strapaziös war, so dass viele ihr Ziel nie erreichten. Eine große Gruppe bildeten die „Braneborger“, die Märker, am zweiter Stelle die Pommern, Zitomir, Lutzk und Rowno mit ihren Waldgebieten wurden als Zielorte genannt.

Zeugnis meiner Oma in der Amtssprache polnisch, auch der deutsche Nachname wurde der polnischen Schreibweise angepasst.

Nach dem ersten Weltkrieg erlangt Polen durch den Vertrag von Versailles seine Unabhängigkeit, die Teilungen von 1772, 1793 und 1795 wurden annulliert, der überwiegende Teil von Westpreußen, Posen, Galizien, Westwolhynien und Teile Oberschlesiens fielen ab 1919 zurück an Polen. 1925 wurde ein Großteil des deutschen Grundbesitzes enteignet und Polen bei Landverkäufen ein Vorkaufsrecht gewährt, deutschen Gewerbetreibenden wurde die Konzessionen entzogen, daher wanderten etwa 1 Million Deutsche – vor allem aus den Städten – aus. In den Schulen wurde polnisch Unterrichtssprache und so bekam z.B. meine Großmutter ein Zeugnis, welches in polnisch verfasst war.

Die nächsten 20 Jahre waren für die Deutschen, welche blieben, geprägt von immer stärkeren werdenden Repressalien, mit dem Einmarsch deutscher Truppen am 1.09.1939 kippte diese Stimmung noch stärker und führte am 3.09.1939 zum Bromberger Blutsonntag

Von diesem Moment an nahm die Geschichte ihren verhängnisvollen Verlauf, aus Spannungen wurde der willkommene Auftakt zu einem sinnlosen Krieg, in dessen Folge nicht nur der polnische Staat praktisch bis 1945 aufhörte zu existieren, da die Gebiete Posen und Westpreußen wieder deutsch wurden, man eroberte Danzig-Westpreußen, Wartheland und Ost-Oberschlesien und wollte diese mit Deutschen aus dem Baltikum, Bessarabien, Wolhynien, Galizien und dem Ostpolnischen Raum neu besiedeln.

Quelle: Wikipedia – © Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild R 49 Bild-0705 / 1939

Originalbeschreibung im Bundesarchiv: Polen, Herkunft der Umsiedler, Karte

Nach dem Feldzug der 18 Tage begann die bisher großzügigste Umsiedlungsaktion der Weltgeschichte. Alle Volksgruppen, die Draußen ihre Aufgaben erfüllt haben, rief der Führer zurück in die Heimat ihrer Väter. Sie helfen jetzt mit beim Ausbau und der Fertigung des großdeutschen Reiches. In besonderem Maße werden beim Aufbau des Warthegaues ihre kolonisatorischen Fähigkeiten wirksam werden. [Karte- Übersicht zur Herkunft deutschstämmiger Umsiedler im Wartheland.]

Die einstigen Kolonisten folgten dem Ruf „Heim ins Reich“ und verloren dabei Familienangehörige, ihr Heim, Hab und Gut, der „Größenwahn“ eines Diktators führte zu einer in der Geschichte beispiellosen Umsiedlung, Vertreibung und Tötung von Menschen, auch noch nach dem Ende des 2. Weltkrieges! Es verloren bis zum Ende des 2. Weltkrieges 55 bis 60 Millionen Menschen ihr Leben !

16,9 Millionen Deutsche, deren Vorfahren einst die Heimat verließen, gerufen, um als Kolonisten bis dahin unwirtliche Landstriche zu erschließen, waren betroffen.

Allein 3,2 Millionen „verschwanden“ in Vernichtungs- und Internierungslagern oder blieben verschollen. 2 Millionen von ihnen verloren ihre staatsbürgerlichen Rechte und ihren Besitz, weil sie in ihrer Heimat blieben, das Schicksal von 1,4 Millionen Russlanddeutschen ist zum Teil noch heute ungeklärt. Ihre Deportationen nach Sibirien und Kasachstan begann im August 1941, und, obwohl zunächst auf die Wolgadeutschen bezogen (fast 366.000 wurden im September 1941 deportiert), folgten im August bereits 40 – 50.000 auf der Krim ansässige Deutsche, beim Einmarsch der Deutschen Truppen 1942 waren nur noch 960 von ihnen auf der Krim. Funktionärs- und Sympathisantenlisten wurden erstellt und die Betreffenden vor dem Deportationstermin liquidiert. Aus der Ukraine wurden 100.000 wehr- und arbeitsfähige Männer zwischen Juli und Oktober 1941, 25.000 aus dem Südkaukasus im Oktober nach Kasachstan deportiert. 350.000 wurden bei ihrer Flucht aus dem Warthegau von der Front eingeholt und deportiert, Unzählige, welche sich zu den Alliierten „gerettet“ hatten, wurden an die Sowjetunion ausgeliefert und zur Zwangsarbeit verurteilt.

Im November 1944 per Gesetz bereits aller staatsbürgerlicher Rechte und ihres Besitzes beraubt, kamen 200.000 deutschstämmige Jugoslawen in Lagern um, 50.000 wurden in die Sowjetunion deportiert. In Rumänien wurden 500.000 daheim gebliebene 1949 für „vogelfrei“ erklärt, und erlebten schwere Repressalien, man deportierte im Januar 1945 über 75.000 Menschen im Alter von 17 bis 45 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion, 425.000 wurden ab März 1945 vollständig enteignet. Etwa 80.000 in Ungarn verbliebene wurden zur Zwangsarbeit deportiert und 1/4 überlebte dies nicht. Im Frühjahr und Sommer 1945 kam es in der Tschechoslowakei zu Massenexekutionen und Blutbädern, ca. 400.000 Sudetendeutsche starben oder blieben verschollen.1

Quelle: Wikipedia – © Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 146-1990-001-30

Man möchte meinen, dann kehrte Friede ein, der Krieg war vorbei und alle fanden ihren Platz.

Bis Ende 1949 fanden sich im Osten Deutschlands 4,3 Millionen heimatlos gewordenen Menschen ein, das waren 1/4 der Gesamtbevölkerung der sich gründenden DDR !2

Die „Verbannung“ in die „Sondersiedlungen“ z.B. in Kasachstan wurde erst am 13.12.1955 nach dem Besuch Adenauers in Moskau aufgehoben !

Eine Teilrehabilitierung der Wolgadeutschen erfolgte am 29. 08.1964 mit dem Beschluss „Über die Abänderung des Erlasses vom 28. August 1941 über die Umsiedlung der Wolgadeutschen“ – in ihre Heimatorte zurück kehren durften sie jedoch nicht!


1) Heimatkalender der Bessarabiendeutschen, Bessarabiendeutscher Verein e.V. , Stuttgart

2) SBZ-Handbuch, Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949. Martin Broszat, Hermann Weber (Hrsg.): Im Auftrag des Arbeitsbereichs Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim, 2. Auflage 1993. VI, 1106 S.