Zur Erinnerung an unsere Vorfahren, die als Migranten aus Süddeutschland in die Welt zogen

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Wachspuppe

Vor langer – langer Zeit lebte in Ägypten ein berühmter Imker Saamon. Er – wie auch das ägyptische Volk – glaubte, dass der Honig und der Bienenwachs Tränen vom Gott Ra sind. Der Imker hatte als einziges Kind eine kleine Tochter Seti, die ihm seine Frau noch im reifen Alter schenkte, aber nach deren Geburt starb.

Die Zeit verging schnell… Der Imker wurde immer älter und, wenn er über sein faltiges Gesicht strich, machte er sich Sorgen, dass er vor seinem Ableben seine Tochter noch nicht großgezogen haben würde.

Er wusste aus alten Sagen, dass es in der Wüste einen Jungbrunnen gibt. Er überlegte kurz und machte sich auf den Weg dorthin. Er nahm nur das Notwendigste mit: Wasser in einem Lederbehälter, um den Durst unterwegs zu stillen. Die Tochter ließ er bis zu seiner Rückkehr bei guten Bekannten.

Nach kurzer oder langer Zeit – es weiß keiner mehr so genau –  sah er eines Tages eine Oase in der Wüste, mit frischem Grün und mit Wald umsäumt und in seiner Nähe eine Quelle plätschern. Er dachte, dass es der Jungbrunnen sei, trank aus der Quelle, wusch sich, fühlte seinen Behälter mit Wasser und machte sich auf den Rückweg.

Schnell verging ein Jahr und der Alte merkte, dass er noch mehr Stirnfalten hatte. Er war den ganzen Tag mit den Bienen beschäftigt gewesen und setzte sich abends sehr müde auf eine Bank, nahm etwas Wachs in die Hände und begann ihn zu kneten. Er war selbst erstaunt, als er merkte, dass dabei bei ihm eine Puppenfigur entstanden war. Da dachte der alte Imker: „Ich mache für mein Töchterchen eine Puppe“. Er war noch ganz fertig mit ihr und hatte sie auch noch nicht bemalt, als die kleine Seti um sie begann zu betteln, so sehr war sie von ihr begeistert.

Als die Dorfbewohner die Wachspuppe des Mädchens sahen, bestellten viele bei ihm solche Puppen für ihre Kinder.

Die Kunde über die Puppen des Imkers Saamon verbreitete sich in ganz Ägypten. Die bemalten Wachspuppen wurden zum Lieblingsspielzeug vieler Kinder. Der Alte verstand, dass in diesen Wachspuppen die ewige Jugend steckt, die man weiter an Kinder, Enkel und Urenkel geben könnte. In der ganzen Welt wurden Wachspuppen hergestellt. Die Kleinkinder spielen auch jetzt noch gern mit ihnen. Es gibt auch viele Puppenmuseen und Wachsmuseen. Das Andenken an die erste Wachspuppe des alten Imkers lebt im Volke bis zum heutigen Tag.

Hier ist des Märchens Ende, man muss das Blatt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Die Prinzessin Taube und der Prinz Strohhalm

Vor langer – langer Zeit, als es auf der Welt noch Zauberer und Zauberinnen gab, lebten in einem Königreich ein König und eine Königin. Und sie hatten eine Tochter Marianna. Sie war sehr schön und stolz.

Eines Tages kam in dieses Königsreich die Zauberin Amalteja zu Besuch. Sie wanderte durch die ganze Welt und jeder bekam von ihr, was er verdient hatte: Für gute Taten wurde man belohnt, für böse – bestraft. Sie machte es gewöhnlich so: Sie kam in einen Ort als alte buckelige Frau und Bettlerin. Jeder, der ihr bereit war zu helfen, der wurde reich belohnt, mit etwas, was man nicht für Geld kaufen konnte. Eheleute, die sich sehr lange ein Kind gewünscht hatten, bekamen es plötzlich, Behinderte, Taube oder Stumme wurden wieder gesund. 

Wer aber geizig und gierig war, wurde von Amalteja sofort in etwas verwandelt, was ihr als Erstes vor die Augen kam.

So geschah es auch dieses Mal, als sie das Königreich besuchte, wo die schöne Prinzessin Marianne lebte. Die Schöne spazierte gerade durch den Garten, als die Zauberin als alte Bettlerin verkleidet auf sie zukam und bat ihr Wasser zu geben, um ihren Durst zu stillen. Die Prinzessin schaute sie herablassend an und wollte sich einfach abwenden und weiter gehen, aber die Alte wiederholte ihre Bitte: „Gib mir wenigstens einen kleinen Becher mit Wasser. Ich habe solchen Durst!“ Die stolze Prinzessin antwortete: „Wasche und kämme dich erst, du alte Bettlerin, und dann bekommst du Wasser von mir!“

Amalthea war sehr wütend, aber ließ es sich nicht anmerken. Nur ihre Augen wurden etwas dunkler.

Die Prinzessin merkte es nicht, weil sie überhaupt den Gefühlen anderer Menschen wenig Aufmerksamkeit schenkte. Die

Zauberin sah sich um, fand erst nichts, aber dann fiel ihr Blick auf eine Taube mit einem Strohhalm im Schnabel, die gerade vorbeiflog.

„Verwandele dich in eine weiße Taube“, rief die Alte laut und fuhr fort mit ihrer Verwünschung: „Du sollst jeden Tag immer dasselbe machen, nämlich frische Strohhalme in dein Nest bringen. Es soll so lange dauern, bis eines Tages in dein Nest das Glück kommt. Wenn es nicht passiert, bleibst du für immer eine weiße Taube!“

Mit ihrem letzten Wort verwandelte sich die Prinzessin in eine Taube und die Zauberin in eine wunderschöne junge Frau. Sie sah ruhig der weg fliegenden Taube hinterher, die einige Kreise über den Garten und das Königreich flog und in der blauen Ferne verschwand.

Hat der Wind sie so weit gebracht oder hatte sie selbst etwas gesucht, aber sie landete in einem kleinen Dorf auf dem Dach eines kleinen Hauses am Ende der Dorfstraße. Nebenan war ein weites Weizenfeld mit schon reifem Korn.

Die Taube sah sich um, fand ein schönes Plätzchen unter dem Dach des gemütlichen Hauses und begann Strohhalme für das Nest zusammenzutragen. Jeden Tag brachte sie ins Nest frische Strohhalme in der Hoffnung irgendwann ihr Glück zu finden.

So verging ein Jahr. Die Zauberin Amalteja war wieder unterwegs. Diesmal beschloss sie das Königreich der Sieben Seen zu besuchen. Es befand sich in der Nachbarschaft zum Königreich, aus dem die Prinzessin Marianne stammte.

Die Arme war als weiße Taube ins Nachbarland geflogen und ihre Eltern waren sehr traurig und unglücklich. Sie konnten nicht verstehen, wohin und warum die Prinzessin plötzlich verschwunden war. Auch im Nachbarland gab es Trauer, weil der dortige Prinz Marcel sich in Marianne verliebt hatte. Der Königssohn dachte oft daran, wie er sie das erste Mal im Garten zwischen blühenden Sträuchern und Obstbäumen gesehen hatte und ihr entgegeneilte. Als er näher kam, sah er nur eine alte Bettlerin in schwarzen Lumpen. Seine Augen wurden dunkel vor Enttäuschung und Wut. Die alte Zauberin streckte ihm seine Hand entgegen und bat ihr ein Stückchen Brot zu geben.

„Wer hat dich hier hereingelassen?!“, rief der Prinz empört. „Weg mit dir, du alte Bettlerin, sonst werde ich die bösen Königshunde auf dich loslassen!“

In den Augen der Alten blitzen rote Funken auf, sie schaute sich um und sah nur einen verwelkten gelben Strohhalm auf dem Gartenweg liegen. Sie rief laut: „Du sollst dich in einen elenden Strohhalm verwandeln und so lange hier herumliegen, bis die Prinzessin Weiße Taube dich findet. Nur sie kann dich retten!“

Mit diesen Worten verließ die alte Zauberin das Königreich der Sieben Seen und keiner hatte sie dort je mehr gesehen.

Der Prinz lag lange als Strohhalm auf dem Gartenweg, dann wurde er vom Wind immer weiter getrieben. Als der Wind stärker wurde, hob er ihn in die Luft und wirbelte ihn hoch in die Berge. Dort landete er im Nest eines Adlers. Nur blieb er nicht lange dort haften. Der Wind schleuderte ihn herunter auf ein großes Feld mit frisch gemähtem Gras. Es duftete angenehm, bis es nicht ganz vertrocknet und gelb wurde wie der in einen Strohhalm verwandelte Prinz.

Bald kamen Bauern aufs Feld, die das Stroh zusammen mit dem Strohprinzen auf einen Wagen luden und ins Dorf brachten. Mit den Strohgarben deckten sie das Dach. So kam der Prinz aufs Dach.

Unter dem Dach saß die weiße Taube und weinte bitter. Sie sah in den Himmel und bat um Verzeihung, dass sie einmal die arme alte Frau beleidigt hatte, die nur nach Wasser gefragt hatte. Die in eine Taube verwandelte Prinzessin dachte, dass vielleicht der Wind ihr das Glück ins Nest hereinwehen konnte, wusste aber nicht, wie es sein würde. Sie weinte so lange, bis ihr Nest ganz feucht wurde. Dann beruhigte sie sich und flog wieder aufs Feld, um Strohhalme zu sammeln. Langsam verwandelte der Tag sich in die Nacht. Es war schon fast dunkel, als die Prinzessin Weiße Taube mit ihrem Schnabel den letzten Strohhalm schnappte und zu ihrem Nest flog. Sie fand für ihn ein Plätzchen unten in der Mitte und machte sich im Nest bequem. Wie immer begann sie dieselben Worte wie ein Gebet vor dem Schlaf zu wiederholen: „Wenn ich irgendwann wieder eine Prinzessin oder Königin werden sollte, wird mein Schloss von früh bis spät für alle Armen und Unglücklichen offen sein.“

Plötzlich hörte sie, dass jemand ihre Worte ganz leise wiederholte. Sie hörte aufmerksam zu und begriff, dass sie von einem Strohhalm kamen. Sie nahm ihn ganz vorsichtig und zart in den Schnabel und plötzlich passierte ein Wunder:  Der Zauber war gebrochen und eine unsichtbare Kraft brachte sie beide nach Hause – jeden in sein Königreich.

Als der Prinz in seinem Garen landete, ging er sofort zu Fuß ins Nachbarland, wo die Prinzessin lebte. Er fand sie auf derselben Stelle, wo sie damals der alten Zauberin Amalthea begegnet war.

So kam endlich wieder das lang ersehnte Glück ins Haus. Die Prinzessin und der Prinz heirateten und lebten lange und glücklich. Ihr Schloss war offen und gastfreundlich für alle Hilfsbedürftigen. Weit über ihr Reich verbreitete sich die Kunde über die Güte des jungen Königspaars. Ihrem Beispiel folgend, baute man Heime für Waisenkinder und alte, einsame Menschen.

Natürlich sind die Prinzessin Taube und der Prinz Strohhalm lange nicht mehr auf dieser Welt, aber sie sind nicht vergessen worden. Weil Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft die wunderbarsten Eigenschaften des Menschen sind.

Das Märchen ist zu Ende, aber der Leser und der Hörer können sich das alles noch einmal ruhig durch den Kopf gehen lassen.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Rotes Ahornblatt

Lange-lange ist es her, als die Welt von Königen und Königinnen regiert wurde, lebte ein sehr mächtiger Zauberer namens Nenaboscho. Er konnte die Menschen in irgendwelche Wesen und Dinge verwandeln. Zur selben Zeit lebte im weit entfernten Weißrussland ein Fürst, der rings um sein Schloss sehr viele Ahornbäume angepflanzt hatte. Der Volksmund sagt, dass Ahornbäume zum Wohlstand verhelfen und vor dem Bösen beschützen.

Der Fürst und die Fürstin hatten einen Sohn, der Vasil hieß. Er war sehr stur und eigensinnig.

Es war ein warmer Herbsttag. Die Ahornbäume in den Gärten des Fürsten standen in ihrer vollen roten Pracht. Der mächtige Zauberer Nenaboscho beschloss, das Land und das Schloss des Fürsten zu besuchen, wo der eigensinnige Junge aufwuchs. Es war mittlerweile viel Zeit vergangen und Vasil war schon fast erwachsen. Er hatte gerade seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert.

Der böse Zauberer war unterwegs mit seinen Zaubereien beschäftigt und suchte ein rotes Ahornblatt, das unbedingt von der Hand des Sohnes des Fürsten gepflückt werden sollte. Nur dann gab es dem Beschenkten eine sehr große Energie. Nur etwas freiwillig Geschenktes kann Wunder bewirken.

Vasil weigerte sich, für den Zauberer ein Ahornblatt zu pflücken. „Reiß es selber ab und nimm es mit in dein Land!“, sagte der eigenwillige junge Mann.

„Wie sprichst du mit mir, du ungehorsamer Fürstensohn! Du hast mir ein Ahornblatt verweigert, also wirst du selbst in ein Ahornblatt verwandelt!“ sagte der Zauberer und rief einen stürmischen Wind herbei, in dem er seinen schwarzen Mantel öffnete und begann sich um seine Achse zu drehen. Dabei wirbelte er das ganze Laub im Garten auf.

„Werde zum Ahornblatt und flieg’ in mein Land!“, rief der böse Zauberer und ergänzte mit düsterer Stimme: „Nur nachts wirst du wie ein Mensch aussehen, aber tagsüber dich immer wieder in ein Ahornblatt verwandeln und auf einem Waldweg liegen. Jeder wird dich treten können. Entzaubern kann dich nur ein liebendes Herz!“

Der Zauberer lachte laut und höhnisch, bevor er aus dem Garten verschwand: „Wer wird sich schon in ein Ahornblatt verlieben…“

Der Sturm brachte den in ein Blatt verwandelten Vasil nach Kanada. Es geschah sehr schnell. Das schöne Ahornblatt fiel bald auf eine sonnendurchflutete Waldlichtung. Dort sammelte gerade das sehr schöne und gutherzige Mädchen namens Luisa bunte Blätter für ihre Kollektion. Als sie das purpurrote Ahornblatt sah, konnte sie einfach die Augen nicht von ihm abwenden, da sie dachte, dass es nicht aus diesem Wald, sondern von sehr weit her gekommen sein musste. Sie freute sich sehr, dass sie es entdeckt hatte, hob das ungewöhnliche Blatt sehr vorsichtig auf und legte es zu den anderen.

Vasil fühlte alles, er war ja in ein Blatt verwandelter junger Mann. Nachts flog das Ahornblatt aus der Schatulle, die auf dem Nachtisch neben Luisas Bett stand. Er nahm in diesem Moment wieder eine menschliche Gestalt an. Er beugte sich leise über Luisa, beobachtete eine Weile ihr Gesicht und versuchte zu verstehen, was sie für ein Herz hatte.

„Wahrscheinlich ist sie sehr warmherzig“, dachte Vasil. Sie schlief leise und ruhig, auf ihren Wimpern glänzte silbern der Mondschein. Er küsste sie vorsichtig und ging sofort leise heraus in den Garten, um das Mädchen nicht zu wecken. Seitdem stieg er jedes Mal aus der Schatulle und küsste die wunderbare Luisa.

 Einmal träumte sie nachts, dass sie vergessen hatte, das Fenster zu schließen und ein Sturm hätte ihr schönstes Ahornblatt erfasst und weit weg getragen. Sie wurde wach, schaute nach und das rote Blatt fehlte tatsächlich. Sie begann zu weinen: „Wo ist wohl mein schönes Blatt?“  Und Vasil antwortete ihr: „Ich stehe hier, hinter der Tür. Hab nur keine Angst, Luisa!“ Das Mädchen sah den schönen, schlanken Jüngling und fragte nach seinem Namen.

„Ich bin dein Ahornblatt und heiße Vasil. Mich hat der böse Zauberer Nenaboscho verzaubert, weil ich ihm kein Ahornblatt aus meinem Garten geben wollte. Aber wenn sich jemand in mich verliebt, dann werde ich wieder ein Mensch“.

Luisa sah ihn an, hörte zu und wunderte sich, wie schön und leidenschaftlich er sprach. Sie dachte, dass es kein Zufall sein konnte, dass er in ein rotes Ahornblatt verwandelt wurde, das sofort ihre Aufmerksamkeit weckte. Ja, in demselben Augenblick hatte sie sich auch in es – in ihn – verliebt. Sie ging auf ihn zu und sagte: „Ich kann dich nicht bei mir lassen und in die Schatulle legen. Du musst selbst entscheiden, ob du bleiben willst oder nicht. Ich würde mich am liebsten nie von dir trennen. Wahrscheinlich liebe ich dich.“

So viel Wärme verströmte ihre Stimme, dass Vasili zu ihr schritt und sie umarmte. Hinter dem Fenster wurde es immer heller und in den Sonnenstrahlen begann das goldene Herbstlaub zu leuchten. Und… es passierte nichts. Es passierte nichts Schlechtes. Der Zauberbann verflüchtigte sich wie der Tau auf den Blättern.

Vasil verwandelte sich nicht mehr in ein Ahornblatt. Er blieb bei der lieben Luisa in ihrem Land. Und damit sie die roten Blätter nicht vermisste, befahl der junge Fürst aus seinem Land nach Kanada Ahornsetzlinge zu bringen. Und so verbreiteten sich Ahornbäume in ganz Kanada.

Den Kanadiern gefielen diese Bäume mit den schönen – wie ausgeschnittenen – Blättern sehr. So wurde ein Ahornblatt zum Symbol ihres Landes und schmückte sogar ihre Fahne.

Das Märchen ist zu Ende, aber der Leser und der Hörer können sich das alles noch einmal ruhig durch den Kopf gehen lassen.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Planet der Schmetterlinge

Es gab Zeiten auf dem Planeten Phaeton, da gab es dort nur Schmetterlinge, ihren König und Königin, einen Prinzen und eine Prinzessin – eine ganze Kolonie von Schmetterlingen mit verschiedenem Status. Der König hieß Machaon und die Königin Santurija  und sie regierten ihr Schmetterlingskönigsreich  nach den Gesetzen der Güte und Gerechtigkeit.

Den ganzen Frühling und den Sommer über lebten sie in der freien Natur. Im Winter siedelten sie ins Schloss um, das wie ein großer Kokon aussah. Es war so eingerichtet, dass es den Schmetterlingen für die kalte Jahreszeit die freie Natur ersetzen konnte, geschmückt aber nicht mit echten Blättern und Blumen, sondern mit Mosaiken aus Edelsteinen mit den schönsten und lustigsten Szenen aus dem Leben der Schmetterlinge und Festen, die sie gerne feierten.

Die lasurblauen Decken waren dem Himmel ähnlich und die Schmetterlinge  zeigten gerne einander ihre Kunst des Fliegens. Wenn die Nacht den Tag ablöste, funkelten die Diamanten wie Sterne und der Bernsteinmond strahlte ruhig das tagsüber getankte Sonnenlicht.

Alle Bewohner des Schlosses gingen friedlich mit einander um und jeder hatte seine Pflichten. Das weise Königspaar passte auf, dass die Allgemeinregeln eingehalten wurden und es allen gut ging. Jeder machte das, was er am besten konnte.

Die Schmetterlinge, die den leckersten Blumenstaub fanden, sammelten ihn und legten Vorräte für den Winter an.  Die Seidenweberinnen stellten wunderschöne Stoffe her. Dann kamen die Malerinnen, die sehr gut die Blumen malen konnten, die im Schloss wuchsen.

Im Sommer flogen sie weit weg und suchten die schönsten Gräser und Blumen für ihre Bildermotive heraus. Im Schlossgarten gab es so viele besondere Pflanzen, Beeren und Obstbäume, dass niemand all ihre Bezeichnungen sich merken konnte. Sie wurden im Winter nachgemacht aus verschiedenen Stückchen Stoffen. Jedes hatte seine Geschichte und wurde aus verschiedenen Teilen des Planeten ins Schloss gebracht.

So etwas gibt es, dass innerhalb von etwas Großem auch etwas Kleines lebt. Eins wohnt im anderen so, wie wir auf der Planeten und das Planet im Weltall, und unsere Gedanken sind grenzenlos.

Im Schlossgarten gab es eine besondere Blume, die Morgenröte hieß, weil sie immer mit den ersten Sonnenstrahlen wach wurde und nur am frühen Morgen aufblühte. Wer länger schlief, der bekam seine purpurrote Farbe und das süße Aroma gar nicht mit. Das war sehr stark und für die Schmetterlinge so etwas, wie für uns der Morgenkaffee oder der Geruch von frischem Gebäck für Leckermäulchen.

Die Glockenblume begann eine sehr schöne Melodie zu spielen. Die hohen Noten waren für die Schmetterlinge das Signal: Der Morgen ist wieder da. Wenn die Sonne ganz hoch am Himmel stand und seine Sonnenstrahlen die hohe Schlosskuppel erreichten, verkündeten die Glockenblumen „Ding-dong, ding-dong“ und die Schmetterlinge wussten, dass es Mittagszeit ist. Genau so versammelten sie sich auch zum Abendessen und zum Abendspaziergang. Sie brauchten nicht hektisch auf die Uhr zu schauen und Angst haben, etwas zu verpassen.

So lebten sie alle zusammen in voller Harmonie und Zufriedenheit. Keiner konnte ahnen, dass eines Tages sich alles plötzlich verändern würde. Aber in der Welt, über die wir glauben alles zu wissen, kann trotzdem etwas Unverhofftes passieren.

Der Planet Phaeton war sehr klein im Vergleich zum großen Universum. Was wissen wir über das Weltall? Wahrscheinlich viel zu wenig, um zu ahnen, was alles in der Zukunft passieren könnte, bevor es tatsächlich geschieht.

Also beschloss der Sonnengott, der viel mehr weiß über die Planeten und das Universum, die großen und kleinen Planeten anders aneinander zu reihen. Er beobachtete  lange den großen blauen  Planet, der Erde hieß, und genau so schön war wie der kleine Planet der Schmetterlinge.

Er dachte, dass in der Nähe von der Erde und dank deren Wärme, es den Schmetterlingen viel besser gehen würde und sie sich nicht im Winter in ihrem Kokonschloss zu verstecken brauchten.

Er machte aber einen Fehler, wie ihn jeder macht, der sich in lang bewährte Lebensabläufe einmischt.

Der näher von ihm zur Erde gerückte Planet Phaeton erreichte nicht ihre Atmosphäre und zerbrach in kleine Stücke, die durch das Weltall in verschiedene Richtungen flogen. Und nur ein größeres Stück,  auf dem das kokonartige Schloss sich befand, stürzte auf die Erde. Wahrscheinlich hatte man es nicht einmal auf der Erde bemerkt, aber es war kein Stern, sondern eine ganze Schmetterlingskolonie, die auf einer der schönsten Insel der Erde landete, auf Rhodos.

Die Königsfamilie der Schmetterlinge blieb unversehrt. Sie lebten sich langsam ein und bevölkerten immer neue Landstriche der Erde. Die Nachricht über die Schönheit der Schmetterlinge verbreitete sich unter vielen Völkern. Alle schwärmten davon, das Schmetterlingskönigspaar irgendwann einmal zu sehen, dessen Schönheit schwer zu überbieten war. Zu dieser Zeit lebten die Völker in Ländern, die auch von Königen regiert wurden und ihre eigene Sitten und Bräuche hatten.

Jeder Staat bewachte und schützte sein Territorium.  Doch die Menschen träumten schon immer von etwas, was ihnen fehlte.

In einem Königreich in den Alpen regierten König Karl und Königin Karoline. An einem warmen Sommertag kam ihre Tochter auf die Welt. Als die Prinzessin die Augen öffnete und sich umschaute, sah sie als erstes Schmetterlinge, die ganz nah über ihren Kopf  flatterten. Das Königspaar nannte ihre kleine schöne Tochter Alina. Dieser Name klang wie Musik.

Das Mädchen liebte die Musik, malte gern, aber am liebsten sammelte sie Schmetterlinge.

„Sie sind so wunderschön“, sagte sie: „Ich will in meiner Sammlung alle Schmetterlinge der Welt dabei haben.“ Und ihre Kollektion wurde tatsächlich mit jedem Jahr größer, nur fehlten ihr noch das Schmetterlingskönigspaar Machaon und Santurija.

„Ach wie glücklich wäre ich, wenn ich diese beiden  Schmetterlinge auch noch hätte“, schwärmte sie.

Sie war die einzige Tochter von König Karl und Königin Karoline, die versuchten jeden ihrer Wünsche zu erfüllen.

Das Königspaar verbreitete einen Erlass, nach dem jeder Bewohner des Alpenkönigsreiches für die schönsten von ihm gefangenen Schmetterlinge  eine Belohnung bekommen könnte. Den größten Preis sollte derjenige bekommen, der den Schmetterlingskönig und die Schmetterlingskönigin in den Königspalast bringt. Alle wussten, dass es fast unmöglich war. Dann versprach Alina, den Mann zu heiraten, der dies schafften würde.

Ach, es war eine sehr schwierige Aufgabe! Die ganze Schmetterlingskolonie beschützte den Machaon und die Santurija. Bei kleinster Gefahr verschwanden der König und die Königin der Schmetterlinge zwischen Gräser und Blumen.

Die Verkünder des Erlasses machten ihn auf dem Marktplatz bekannt, wie es in solchen Fällen üblich war: Nur ein Tauber hatte ihn nicht gehört. Alle Untertanen waren verwundert darüber und machten sich sogar über diese Kunde lustig.

„Was für eine launige Prinzessin wir doch haben“, sagte sie.

Und nur die alte Bettlerin Matilda und ihr Sohn Albert, die jeden Tag auf diesem Platz bettelten, wunderten sich über nichts. Es gibt Menschen, die nur daran denken, wie sie den heutigen Tag überleben können, dann den nächsten, ohne sich große Gedanken zu machen und nur hoffen, dass irgendwann etwas Gutes von selbst passieren wird.

Aber wenn dann etwas geschieht, dann gibt es eine Kettenreaktion, wobei viel anderes sich auch verändern wird, als man es sich vorher vorgestellt hatte.

Mittlerweile herrschte große Hektik am Stand des Verkäufers, der mit Schmetterlingsnetzen handelte. Im Nu waren sie alle verkauft, weil einige sich sogar zwei davon kauften.

Als die Menge sich langsam auflöste, sah Albert direkt vor seinen Füßen ein Schmetterlingsnetz liegen.

„Als ob das Schicksal selbst es für mich hier fallen ließ“, dachte Albert und machte sich auf den Weg  zu der Alm und war dort schneller als die anderen auf der Suche nach Schmetterlingen. Er kannte sich gut aus in den Wäldern und Wiesen, weil er mehr Zeit in der Natur verbrachte als in seiner armen Hütte.

Bald kam er zu einer Stelle, wo er oft viele fröhlich flatternde Schmetterlinge und Motten gesehen hatte, und sah sich um. Er beobachtete die Umgebung stundenlang. Es war nicht schwierig für einen Menschen, der so viel Zeit auf dem Marktplatz verbracht hatte. Albert verfolgte die Schmetterlingsspiele und dachte, dass jede von ihnen die Königin sein konnte.

Als diese tatsächlich auftauchte, war er sofort sicher, dass es sie ist. Die wunderschöne Königin Saturnija leuchtete in vielen schillernden Farbnuancen, welche nur die Natur zu verschenken hatte. Sie landete so graziös auf der größten und schönsten Blume, als ob sie ein natürliches Recht auf das Beste hätte.

Natürlich konnte es nur die Königin sein! Albert kroch vorsichtig näher, damit sein Schatten nicht auf ihre Blume fiel und die Schöne nicht aufschreckte. Eine Handbewegung und sie landete im Schmetterlingsnetz! Was für ein Glück! Jetzt könnte er von einer unbeschwerten Zukunft träumen. Jetzt wird alles gut!  Da hörte er plötzlich eine leise zarte Stimme: „Lass mich bitte los!“

Erst dachte Albert, dass er sich verhört hätte. Er löste vorsichtig die Schmetterlingskönigin aus dem Schmetterlingsnetz heraus und bedeckte sie mit den Händen.

„Lass mich los! Ich werde dir ein Zauberamulett geben, dass dich reich und glücklich machen wird.“

Er öffnete die Hände, um sie besser zu sehen. Sie flatterte nach oben und verschwand in der Luft. Auf Alberts Handfläche lag ein Anhänger in Form eines Schmetterlings, bestückt mit glitzernden Steinen. Nie hatte er ein so schönes Schmuckstück in den Händen gehalten und war stumm vor Begeisterung. Er hörte immer noch diese helle Stimme, die wie eine kleine Glocke klang: „Es ist kein einfacher Anhänger, er wirkt Wunder. Er wird dich vor jeder Gefahr beschützen: Wenn du dich verirrst, berühre leicht die Flügelchen und sofort kommen die Schmetterlinge aus meiner Leibgarde und zeigen dir den Weg.  Doch es ist nicht das Wichtigste…“

Die Stimme klang wie ein Echo: „Der Zauberanhänger gehört dir allein! Bewahr ihn gut auf und trage ihn immer bei dir. Im Schicksalsbuch der Könige steht, dass du uns vor dem bösen Spinnenzauberer Karakurt aus dem Spinnenreich retten wirst.“

„Wie erfahre ich, dass euch Gefahr droht?“ rief Albert laut und hörte dieselbe Stimme weit abseits: „Wenn die Smaragde in den Augen des Talisman-Schmetterlings matt werden. Dann sag nur: „Zeig mir, wohin ich gehen soll und beschütze mich unterwegs“.

Wenn du wirklich bereit sein solltest uns zu helfen, wird der Zauberanhänger dich zu unserem Schloss führen. Es ist weit weg von hier, dort, wo es keine Menschen gibt.“

Als die Stimme verstummte, dachte Albert, ob er nicht vielleicht alles  nur geträumt hätte…! Aber in seiner Hand lag der Anhänger, der in allen Regenbogenfarben glitzerte. Er überlegte noch kurz, warum ausgerechnet ihm die Ehre und Verantwortung übertragen wurde und wie die Schmetterlingskönigin hier auf die Alm gelang.

Es war die Vorsehung. Nach einiger Zeit ging Albert wieder mit dem Schmetterlingsnetz in die Berge, um Schmetterlinge für die Prinzessin Alina zu fangen. Er brachte ihr die schönsten Schmetterlinge, die es in der Gegend gab, und sie wurde auf ihn aufmerksam. Auf ihren Befehl hin wurde er in den Königsgarten gebracht und die Prinzessin begann ihn neugierig über Schmetterlinge und sein Geschick beim Fangen auszufragen:

 „Wieso hast du bis jetzt für mich nicht die Schmetterlingskönigen  gefangen?“ fragte Alina. Albert erzählte ihr die ungewöhnliche Geschichte vom Zauberanhänger, den er unter dem Hemd auf der Brust trug.

Alina schaute sich ihn lange an und sagte: „Du hast ein Schmuckstück, dass der Schmetterlingskönigin ähnlich ist, aber ich will sie lebendig für meine Sammlung!“

Albert antwortete der überheblichen Prinzessin: “Ich denke, man muss das, was man liebt, beschützen und nicht in einen Goldkäfig einsperren“.

Als Antwort auf seine Worte hörte er plötzlich einen Donner aus am klaren Himmel, der sich rasch verdunkelte. Die Augen des Schmetterlings auf dem Anhänger, den die Prinzessin immer noch in der Hand hielt, wurden matt.

„Die Kolonie der Schmetterlinge ist in Gefahr! Nur ich kann sie retten!“ rief Albert aufgeregt.

„Du musst mich mitnehmen!“ erwiderte die Prinzessin bestimmend, aber dann bat sie etwas weicher: „Ich kann doch wenigstens das Schloss der Schmetterlingskönigin und sie selbst einmal sehen?“

Albert willigte ein. Sie ließen die königlichen Pferde satteln und alles Notwendige wurde schnell eingepackt. Als sie aus dem Schloss heraus waren, stieg Albert vom Pferd, legte seinen Zauberanhänger auf die Erde und flüsterte: „Zeig mir, wohin ich gehen soll und beschütze mich unterwegs“, und sofort sah er einen Weg, der wie ein blaues Band in die Ferne führte. Er war von einem leichten Nebel umhüllt und sah so luftig und durchsichtig wie Flügel der Schmetterlinge aus.

Der böse Zauberer aus dem Spinnenreich hatte mittlerweile schon begonnen, das Königsschloss der Schmetterlinge mit seinem Spinnennetz zu umgarnen. Als Albert und Alina näher kamen, merkte er es sofort.

Karakurta unterbrach seine schwarze Tat und schickte den Rettern der Schmetterlinge eine ganze Wolke von Spinnen entgegen. Der Anhänger schützte sie aber und bildete um die Reiter eine kokonartige Schutzzone. Albert und Alina konnten eine ganze Spinnenarmee sehen, die sie auf Spinnenfäden umringte. Der Schutzkokon aber bewegte sich sehr schnell kreisartig zum Schmetterlingsschloss und war schon ganz in seiner Nähe. Plötzlich tauchte vor ihnen ein Meer auf. Der böse Zauber von Karakurt versperrte ihnen den Weg.

„Beschütz uns, Anhänger, auf dem Wasser und auf der Erde!“ rief Albert und eine Welle trug sie zum Ufer der Insel Rhodos in Griechenland. Die beiden sahen, dass die ganze Insel schon mit Spinnengewebe umwoben war. Albert und Alina begannen es mit Messern durchzuschneiden. Das gefiel Karakurt nicht, er verließ das Schmetterlingsschloss und eilte ihnen entgegen. Als er das Glitzern des Zauberanhängers bemerkte, war er geblendet von seiner Schönheit, den Albert in die Mitte des großen Kokons gelegt hatte. Der Zauberer merkte nicht, dass Albert vorsichtig ein paar Schritte nach hinten gemacht und den Kokon verlassen hatte. Karakurta starrte auf den Anhänger, der immer heller leuchtete.

Der Spinnenzauberer kroch in die Mitte des Kokons. Sein Licht verwandelte sich in Feuer, die Funken sprühten wie Motten, der Kokon drehte sich wie in einem Tanz im Kreis und ging zusammen mit Karakurt in Flamen auf. Er flog weit nach oben und zog das ganze Spinnennetz mit sich, das auch Feuer fing und sofort verbrannte, wenn die Funken sie berührten.

Unten blieben nur die zwei Retter und der Anhang, der etwas mit Asche bestaubt war.

 Das Schloss war bald frei vom Spinngewebe und die Prinzessin und Albert konnten es endlich in seiner ganzen Pracht sehen. Die Bewohner versammelten sich um sie herum und bedankten sich bei ihren Rettern.

„Das war doch der Zauberanhänger, der euch geholfen hat“, sagte der entzückte Albert. „Ich habe doch nur…“

„Du hattest den Mut, dich auf den unbekannten Weg zu begeben, um uns zu helfen und hast dabei keine Minute gezögert. Der Anhänger hat nur deinen Wunsch den Notleidenden zu helfen erfüllt und jetzt wirst du reich belohnt. Du kannst dir so viele Edelsteine mitnehmen, wie du willst.“

Die Schmetterlinge beschenkten ihre Retter reichlich. Albert und Alina hatten sich ineinander verliebt und eine reiche Mitgift zur Hochzeit erworben. Alina hörte auf, Schmetterlinge zu sammeln. Sie hatte begriffen, dass die Schönheit nur in der Natur selbst schön bleibt, in Gefangenschaft stirbt sie oder verliert ihre Farbenpracht. Die Blumen sollen die Sonne genießen, die Schmetterlinge von einer Blüte zur anderen in schönen Gärten flattern, und der Mensch soll ein Zuhause haben, in dem er sich gut und geborgen fühlt.

Das Märchen ist zu Ende, aber der Leser und der Hörer können sich das alles noch einmal ruhig durch den Kopf gehen lassen.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Die goldene Quelle

Es war sehr-sehr lange her in einer syrischen Wüste. Damals beteten die Menschen noch die Götzenbilder an. Auf der noch fruchtbaren Erde herrschte der weise Zar Amr. Er lebte in einem Marmorpalast, der mitten in großen Gärten mit vielen Quellen und Springbrunnen stand. Dort sangen Vögel, dufteten wunderschöne Blumen, es roch nach feinem Gewürz und Balsam.

Eines Tages dachte der Zar darüber nach, wie ihn sein Reichtum noch weiter vermehren könnte, aber es kam ihm nichts Neues in den Kopf. Schon sieben Jahre hatte es keinen Tropfen Regen gegeben.

Der Zar ging zum Tempel die Baal-Scham in und betete diesen Götzen an. Er bat ihn, dass er schneller Regenwolken in sein Reich schicken möge. Doch er bekam keine Antwort. Dann beschloss der Zar, zu versuchen bei dem Götzen einen goldenen Brunnen und eine Wasserquelle zu bekommen. Der Herrscher erinnerte die Statue daran, dass er das ganze Gold in seinem Land dafür verwendet hatte, um ihn, seinen Lieblingsgötzen, zu vergolden.

Da willigte der Götze plötzlich auf diese Bitte ein und sagte: „Gut, ich zaubere dir einen Goldenen Brunnen und gebe dir eine Wasserquelle dafür, dass du mir so treu gewesen bist. Aber du musst wissen, Zar, dass du dein Volk damit glücklich und reich machen sollst. Wenn du dein Volk betrügst, wird der Goldene Brunnen versanden und ein starker Wind wird diesen Sand in der ganzen Welt verstreuen. Von dem Goldenen Brunnen wird bei den Menschen nur der goldene Sand in Erinnerung bleiben.“

 Dann verstummte der Götze, so wie bei seinesgleichen üblich ist.

Der Zar sah sich nach diesem Gespräch um und bewunderte die Schönheit seiner Oase, wo rund ums Jahr wunderschöne Blumen blühten. Er stand neben einem großen Teich, in dem goldene Fische ihre Kreise zogen. Mitten in der Oase stand ein Wunderbaum, der aus einem Kürbiskern gewachsen war. Sein Stamm hatte eine außergewöhnliche Borkenschicht, in der sich verschiedene Baumarten mit Blättern unterschiedlicher Form spiegelten. An einem anderen riesengroßen Kürbis wuchsen Wassermelonen, die überall auf grünem Gras lagen.

Der Wunderbaum war von Blumen umrankt. An seinen Zweigen reiften verschieden Früchte:  Äpfel, Birnen, Granat-, Kokos- und Ananasfrüchte, Apfelsinen und Mandarinen. Und unten am Stamm räkelten sich nach oben Setzlinge von Gurken und Tomaten verschiedener Sorten.

Ganz oben war eine riesige Möhre mit viel Kraut gewachsen, auf dem die Singvögel saßen. Sie hatten sich dort Nester gebaut. Und ganz unten hatte ein weißes Mäuschen sich ein Loch durch genagt und hatte drinnen eine märchenhafte Wohnung. Rings um den Wunderbaum grasen Elche und Antilopen als glücklichste Wesen der Welt. Im Gras gab es viele Insekten und Schmetterlinge. Auch der Pfau und der Feuervogel stolzierten auch um den Wunderbaum herum.

Neben der Goldenen Quelle wuchsen goldene Rosen und goldene Bienchen sammelten in ihren Kelchen goldenen Nektar. Es gab so viele im Wald in dieser Oase! Es gab eine goldene Gans mit goldenen Küken. Im Wald wuchsen goldene Pfirsiche, goldene Äpfel. Der Feuervogel mit roten Federn saß mit seinen Küken im goldenen Nest. Neben der Goldenen Quelle schwimmen Goldfische und lärmten die Wasserfälle.

Durch das Zarenreich zogen Karawanen mit vielen Kamelen, auf denen die Kaufleute ihre Waren transportierten und verkauften: Seide, Porzellan und vieles mehr. Der Zar hatte eine gute Idee, die er auch sofort umsetzen ließ. Für die Begleiter der Karawanen wurden Erholungsplätze und Übernachtungshöfe gebaut, es wurde ein Kassenwart mit Beschützer für die Kaufleute abgeordnet. Für die Waren bezahlte man mit Gold aus der Goldenen Quelle und es wurde viel Gold als Vorrat extra aufbewahrt. Einen kleinen Teil davon bekamen die Kaufleute und brachten sie mit den Karawanen in ihre Länder. Nur es blieb nicht lange alles so gut.

Der Kassenwart war nicht ehrlich. Er hat sich heimlich bereichert und viel Gold gehortet. Dann begann er sich einen Palast in der Oase zu bauen. Er war noch nicht ganz fertig, als sich die Prophezeiung des Götzen erfüllte. Der Zar und das ganze Volk wurden bestraft. Den ganzen Sand von den naheliegenden Meeren hatte ein starker Sturm aufgewirbelt und wütete sieben Tage und sieben Nächte.

Deshalb begannen die Zaren später ihre Reichtümer in Tempeln und heiligen Orten zu verstecken, aber auch das dauerte nicht ewig. Die Menschen erinnerten sich an den alten Zaren, der eine gemeinsame Kasse für alle eingeführt hatte und begannen für und zum Wohl der Allgemeinheit Banken zu bauen.

Seit der Zeit wurde immer wieder der Zar und seine Goldene Quelle, die tief unter dem Wüstensand verschüttet sei, in Erinnerung gerufen. Und im Unterbewusstsein der Menschen blieb der Gedanke, dass sie nur jemand mit reinem Herzen und ehrlichen Gedanken finden kann, wenn es jemanden, der für die anderen viel Gutes tut. Nun scheint es so, dass ein solcher Mensch sich noch nicht gefunden hat.

Das Märchen ist zu Ende, man muss das Blatt jetzt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Ivan und die Meerjungfrau

Es war einmal in einer sehr alten Siedlung am Schwarzen Meer in einem uralten Ort am Schwarzen Meer, den die Griechen gegründet hatten und Olivia nannten, was bedeutete  „die Glückliche“. Die Stadt befand sich am rechten Ufer der Bugbucht, was sehr günstig war, daher die Bezeichnung.

Sehr große Weideflächen fürs Vieh, warmes Klima und  weites flaches Land ringsum – all dies machte Olivia zu einem Paradies. Dort lebte ein Hirte Namens Ivan. Er saß oft am Ufer der Bucht, beobachtete die schöne Natur und lernte sehr gut auf der Hirtenflöte zu spielen. 

Eines Tages lockten seine Melodien ein besonderes Wesen in menschlicher Gestalt ans Ufer – eine Meerjungfrau. Sie war zum flachen Wasser geschwommen, um sich auf einem Stein auszuruhen. Als sie die Hirtenflöte hörte, vergaß sie ihre Angst vor den Menschen. Sie kam immer näher zu dem Platz am Ufer, wo Ivan saß. Er entdeckte sie auch, aber ließ es sich nicht anmerken, um sie nicht aufzuschrecken. Ivan beobachtete sie und dachte: „Wie schön sie ist. Das Haar mit einer eingesteckten weißen Lilie den Wellen ähnlich. Die grünblauen Augen sind wie das Meer“.

Die Meerjungfrau schüttete indes den Sand von ihren runden kleinen Schultern, die silbern glänzten. Er rieselte ins Wasser und in diesem Moment fiel ihr Blick auf Ivan. Sie blickte noch mal verlegen zu ihm und sprang zurück ins Wasser. Er sah nur noch kurz einen smaragdgrünen Schwanz, der rhythmisch das Wasser bewegte. Die Abendröte spiegelte sich darin rubinrot wie verschütten Edelsteine.

Am nächsten Tag kam Ivan wieder zum Ufer, spielte lange auf der Hirtenflöte, aber die Meerjungfrau zeigte sich nicht. Als er aufhörte zu spielen, hörte er plötzlich ein Plätschern. Sie stand im von den letzten Sonnenstrahlen kirschrot gefärbten Wasser und schien keine Angst mehr vor ihm zu haben. Sie beeilte sich, nicht mehr schnell wieder zu verschwinden.

Seit diesem Abend kam er immer wieder ans Meeresufer, um sie zu sehen und spielte nur noch für sie. Die Meerjungfrau hörte ihm zu, schaute sich die schönen Pflanzen und Blumen in der Umgebung an, hörte auf das Vogelgezwitscher auf den Bäumen und dachte darüber nach, wie schön es auf der Erde ist.

Dann kehrte sie in ihr Unterwasserreich zurück. Es war ein riesengroßer, mit Meerespflanzen geschmückter Palast. Die Königstochter war handwerklich sehr geschickt. Sie strickte bunte Stoffe mit goldenen Fäden, die von Mollusken fertiggestellt wurden. In wunderschönen Gewändern trat sie vor dem Meereskönig und seinen Begleitern auf, und er war stolz auf seine Tochter. Sie konnte sehr gut tanzen und singen, sie schmückte mit ihrer Anwesenheit jedes Fest und erfreute damit die Palastbewohner und ihre Gäste.

Sie tauchte oft auf der Meeresoberfläche auf und glitt über die schaumgekrönten Wellen wie über Schneehügel und ihre besten Freunde – die Delfine trieben ihre lustigen Spiele mit ihr.  Sie versteckten sich und tauchten dann wieder aus der Tiefe auf. Die Meeresjungfrau hörte ihre gurrenden Stimmen und freute sich.

Eines Tages war sie sehr traurig. Nicht mal die Delfine konnten ihre Stimmung verbessern. Auch der Meerespalast aus Kristallen, die so wunderbar das Sonnenlicht spiegelten, schien ihr nicht mehr so schön zu sein wie früher. Sie wollte lieber mehr Zeit am Ufer verbringen. Sie wusste, dass dort der junge Hirte mit seiner Zauberflöte auf sie wartete.

Manchmal sah sie am Ufer junge Männer und Frauen, beobachtete ihre lustigen Spiele und bewunderte die schönen Blumenkränze auf ihren Köpfen. Wie verführerisch lachten die Schönen, wenn ihre Kavaliere sie in die Hände nahmen und um sich drehten, wie auf einem Karussell!

„Lass mich zu den Menschen gehen, Vater! Ich will so leben und mich freuen wie sie“, flehte die Meeresjungfrau.

„Du wirst nicht so leben können wie sie. Die Liebe der Menschen ist schön wie die Blumen, aber es gibt nicht nur sie auf der Erde. Es gibt auch Tränen im Leben der  Menschen. Du hast noch nie geweint und weißt nicht, was das ist“, antwortete der Herrscher der Meere und wurde auch traurig. Er wollte nicht seine Tochter zu den Menschen gehen lassen. Er hatte aber ein Gewand, das eine Meereshexe seiner Tochter am Tag ihrer Geburt geschenkt und gesagt hatte, dass es die Meeresprinzessin im fremden Land retten würde.

„Gut, liebe Tochter, du kannst gehen!“, sagte der Meereskönig und verwandelte ihren Fischschwanz in Menschenfüße mit Schuhen voller Diamanten. „Vielleicht findest du tatsächlich dein Glück auf der Erde. Aber du musst wissen, dass du immer zu uns zurückkommen kannst,“ und reichte ihr ein Kleid, das mit Smaragden bestückt war, die Schuppen schimmerten goldig und silbern. Weiße Flossen schmückten wie Spitzen die Ärmel und den Rücken des Kleides.

Die Delfine ahnten, dass die Meeresjungfrau sie verlassen wollte.

 „Wieso willst du uns und das warme Meer verlassen. Du gehst aus diesem Palast, wo du alles hast. Die schönsten Frauen der Erde hatten nie so viele Diamanten in den Haaren und Kleider, die mit Goldgarn genäht wurde. Und die zarten Wellen werden dich nachts nicht mehr in den Schlaf wiegen“.

Alle Meeresbewohner versuchten die Meeresprinzessin zu überreden in gewohnter Umgebung zu bleiben. Was würde sie in einer Hirtenhütte finden?  Ein bescheidenes Dasein, ein Nachtlager aus stacheligem Stroh? 

Doch die schöne Meeresprinzessin wollte nichts hören und eilte zu einem wunderbaren Ort am Meeresufer – die Stadt Olivia. Als Ivan wieder zu seinem Lieblingsplatz am Meer kam, saß die Meeresjungfrau da. Er gab ihr seine Flöte und trug sie auf Armen in seine Hütte hinein, die wunderbar leuchtete vom Glitzern der Smaragde auf ihrem Kleid. Es war schön, aber nicht sehr praktisch. Ivan gab ihr ein anderes Kleid, das von seiner Mutter. Es war auch sehr schön und mit Stickereien geschmückt.

Die Meeresprinzessin zog es an und begann alle Hausarbeit zu machen. Sie war handwerklich begabt und alles ging ihr leicht von der Hand. Bald erfuhren die Menschen von ihr und versuchten so nah wie möglich an sie heranzukommen und beobachteten sie heimlich. Junge Männer waren auf Ivan neidisch. Die Neugierigen merkten, dass die Meerjungfrau manchmal das Kleid von Ivan ablegte und sich ihr Kleid mit Smaragden anzog. Als ob es ihr neue Kraft gäbe. Sie saß dann einige Zeit am Meer, schaute in die Ferne, dann kam sie zurück und zog sich wieder um. Und sie arbeitete wieder im Haus – von der Müdigkeit keine Spur. Da beschlossen die Neider Ivan zu schaden. Das Kleid mit Smaragden hielten sie für verzaubert und hatten Angst es zu berühren, aber das Kleid mit den Stickereien stahlen und verbrannten sie. Ivan hatte es nicht geschafft, seine Hütte von Fremden zu beschützen.

Die Meerjungfrau bekam Angst, dass auch ihr Meereskleid vernichtet wird. Wahrscheinlich hatte der Vater recht, als er sagte, dass sie nicht mit Menschen klarkommen würde. Sie schaute sich das fast verbrannte Kleid an und rief zum Abschied laut: „Lebe wohl, mein Lieber! Es sollte nicht sein, dass ich hier lebe.“

Ivan war in dieser Zeit auf der Jagd. Als er zurückkehrte, erzählten ihm die Menschen, was sie gesehen und gehört hatten. Mehrere Tage und Nächte suchte Ivan seine Braut. Er kam immer wieder ans Ufer des Schwarzen Meeres, stand dort lange in seine Tiefen schauend und verbrachte die Nächte am Ufer der Seemündung.

Eines Tages beschloss er, eine Meeresreise zu unternehmen. Er hoffte, wenigstens irgendetwas über seine Meerjungfrau zu erfahren. Er fand ein großes Schiff und war lange mit der Mannschaft unterwegs. Als er sich sehr müde fühlte, verließ er das Schiff auf einer unbekannten Insel, setzte sich ans Ufer und beobachtete den Sonnenuntergang. Es sah, wie die Sonne langsam ins Meer versank und die Dunkelheit umhüllte die Insel.

Da fühlte er, dass er immer tiefer zum Meeresgrund sinkt, aber verspürte dabei keine Angst. Als ob es alles im Traum geschah.

Auf der Suche nach der Meeresprinzessin durchquerte er unter dem Wasser einige Grotten und Tunnel und gelang in den Meeresgarten. Er schien tot zu sein, die Korallen zerbrachen wie Glas bei der Berührung.

Endlich sah Ivan in der Tiefe des Gartens ein leeres Haus. Er rief nach seiner Geliebten, aber es herrschte Stille ringsum. Er wanderte noch lange über den Meeresgrund, bis durch die Wassertiefe ein Sonnenstrahl durchkam.

Ivan kam wieder zu sich am Strand sitzend. War er tatsächlich im Meeresreich gewesen oder übermüdet eingeschlafen? Er konnte nicht verstehen, was geschehen war. Er schaute sich um und erblickte den höchsten Berg der Insel. Als er seinen Gipfel erreicht hatte, setzte er sich auf einen Felsvorsprung und begann das Meer zu beobachten.

Die Matrosen eines Schiffes entdeckten auf der Rückreise aus der Ferne eine Gestalt auf dem Fels. Als sie näher kamen, stellte sich heraus, dass es kein Mensch war, sondern ein steinerner Götze. Sie überlegten, ob sie weiter nach Ivan auf der Insel suchen sollten, oder sei er vielleicht aus Sehnsucht nach seiner geliebten Meeresjungfrau versteinert worden…

In unserer Zeit ist diese Geschichte fast vergessen. Nur das Meer und der Wind, der Mond und die Sonne erinnern sich daran, was vor langer Zeit hier passierte. Und der einsame steinerne Götze auf dem Fels über dem Meer lässt uns die Geschichte über die Meerjungfrau, die so gerne unter Menschen leben wollte, nicht vergessen.

Das Märchen ist zu Ende, aber der Leser und der Hörer können sich das alles noch einmal ruhig durch den Kopf gehen lassen.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Das Grüne Königsreich

Märchen

Vor langer-langer Zeit lebten in einem Königreich König Heinrich mit seiner Gemahlin Hilde. Sie regierten das Grüne Königreich, das wegen der vielen grünen Nadelwälder so genannt wurde. Das Volk möchte sein Grünes Königreich und das Königspaar, das drei Söhne und eine Tochter hatte. Der älteste Sohn hieß Otto, der mittlere – Artur und der jüngste Waldemar. Die Tochter nannten sie Regina.

Im Grünen Königreich lebten auch der Förster Friedrich und seine Frau Frieda. Sie hatten einen Sohn und drei Töchter. Der Sohn hieß Richard, die älteste Tochter – Margerita, die mittlere Lilie, die jüngste – Rose. In beiden Familien hatten die Elternihre Kinder alle  gütig und hilfsbereiterzogen.

König Heinrich und Königin Hilde waren mit der Försterfamilie befreundet. Die Söhne des Königs wurden schon als Kinder mit den Töchtern des Försters schon als Kinder verlobt. Die Prinzessin Regina wurde dem Förstersohn Richard versprochen. Den Mädchen schenkte der König goldene Anhänger, um dieses Versprechen zu besiegeln.

Unter den Ministern und Ratgebern des Königs gab es sehr treue, die das Königspaar liebten und ehrten, aber es gab auch ausgesprochen böse und hinterhältige. Es ist bekannt, dass nicht schöne Kleider, sondern gute Taten die Zierde eines Menschen sind. Tagsüber lächelten und taten die falschen unter den Höflingen scheinheilig, aber nachts verwandelten sie sich in Räuber und überfielen Menschen auf den Grenzstraßen des Königreiches. Sie wussten genau, von wo die Kaufmänner und Gesandten aus anderen Ländern mit reichen Geschenken für den König kommen würden. Einige ließen sie passieren, die anderen, mit besonderen Geschenken und Schätzen, raubten sie aus und töteten. Das Diebesgut versteckten sie im Wald. Den genauen Ort kannte nur der Finanzminister: Es war ein großer Raum unter einer alten dicken Eiche auf einer Lichtung ausgehoben worden.

Der Förster  des Königs machte seinen Dienst sehr gewissenhaft. Er liebte den Wald. Er fällte und verarbeitete sie zu Brennholz nur alte vertrocknete Bäume oder solche, die vom Blitz getroffen oder während eines Sturmes entwurzelt worden waren. Danach pflanzte er an ihrer Stelle sofort neue junge Bäumchen.

Zu Weihnachten suchte der Förster immer den schönsten Tannenbaum auf einer Waldlichtung aus. Nicht nur die Höflinge, sogar der König und die Königin schmückten ihn mit bunten Stoffstreifen, Süßigkeiten und Geschenken. In der Weihnachtsnacht wurden an allen Ecken der Lichtung Feuer zum Aufwärmen gemacht und getanzt, gelacht und Spiele gespielt. Danach bildeten die Kinder einen Reigen um den Tannenbaum und jedes Kind bekam ein königliches Geschenk. Ihm wurden die Augen verbunden, es musste sich drei Mal herumdrehen und durfte sich dann ein Geschenk vom Tannenbaum „pflücken“.

Am ersten Tag des neuen Jahres verteilten der König Heinrich und die Königin Hilde unter dem ganzen Volk des Grünes Königreiches Geschenke.

Sie wünschten allen Untertanen Glück, Gesundheit, Liebe und ein langes Leben. Das Volk liebte diese Feste und freute sich jedes Jahr auf sie.

So vergingen Tage, Monate und Jahre. Die Kinder wurden erwachsen und immer hübscher. Besonders schön waren die drei Töchter des Försters geworden.

Doch eines Tages passierte im Königreich ein Unglück. An einem und denselben Tag, Monat und Jahr starben plötzlich der alte König und die Königin. Nach ihrem Tod wurde der junge Prinz Otto zum König.

Den Förster Friedrich und seine Frau Frieda besuchte danach der böse Zauberer Schwarzen stein. Er hatte einen sehr bösen, furchterregenden Blick. Der Zauberer sagte:“Forster, ich habe gehört, dass du drei Töchter hast, die alle drei ausgesprochene Schönheiten geworden sind. Ich möchte eine von ihnen heiraten.“

Der Forster erklärte, dass seine Töchter schon bei ihrer Geburt mit den Söhnen des Königs mit Gottes Beistand verlobt worden sind.

Der böse Zauberer konnte den Namen Gottes nicht hören, ärgerte sich über den Förster und seine Frau, verwandelte sie beide in einen Tertiärs Nadelbaum und fügte hinzu:„Ihr werdet euer ganzes Leben am Rande einer Schlucht bei der Ostsee verbringen und keine Freude mehr haben, dafür aber viel Grund zu weinen!“ Danach sprach er seinen stärksten Fluch aus: „Kek, Mek, weg – Mu, Fu, Tu“. Seitdem sammelten Friedrich und Frieda tagsüber ihre Tränen und die ganze Nacht flossen sie ins Meer und verwandelten sich dort in Bernsteinsteine.

Die Töchter des Försters verwandelte der böse Zauberer in Rehe mit weißen Punkten auf dem Rücken und sagte ihnen: „In dieser Gestalt werdet ihr drei Jahre, drei Monate und drei Tage leben müssen. Meinen Fluch kann nur die Liebe von jungen Prinzen brechen. Wenn es nicht geschieht, bleibt ihr für immer Rehe!“

Richard, der jüngste Sohn des Forsters, war zu dieser Zeit im Wald und wurde von dieser bösen Tat des Zauberers verschont, weil er ihm nicht unter die Augen gekommen war. Er hatte auch den Fluch nicht gehört.  Der Zauberer hatte seine Schwestern nur äußerlich verwandelt, aber ihre innere Schönheit, Güte und Menschlichkeit konnte er nicht zerstören. Sie konnten auch in ihrer neuen Gestalt die Sprache von Menschen und Tieren verstehen.

Einmal im Jahr, bei der Mittsommerwende, am längsten Tag und der kürzesten Nacht des Jahres verwandelten sich die weißen Punkte auf dem Rücken der Rehe-Mädchen in Blumen, die ihre Namen symbolisierten: Margeriten, Lilien und Rosen. Drei Tage lang kreisten um ihren Rücken verschiedene bunte Schmetterlinge. Ringsum auf den Bäumen saßen Singvögel und trällerten ihre Lieder: „Wir kennen euch, wir kennen euch und diese Lieder hört ihr nur von uns!“

Besonders schlimm war für die Rehe-Mädchen der Winter, der starke Frost und die Schneestürme.  Sie zogen sich dann in eine Höhle zurück, die ihnen der Vater gezeigt hatte, als sie noch kleiner waren. Er meinte damals, dass sie sich dort vor dem Unwetter verstecken könnten, falls es sie mal im Wald überraschen würde. Keiner außer ihm würde von dieser Höhle wissen.

Sie gingen im Winter nicht hinaus in den Wald, um keine Spuren zu hinterlassen. Es gab dort zu viele Raubtiere, Räuber und Jäger. Mit Futter wurden die Mädchen von den Vögeln versorgt, die nicht nach Süden geflogen waren und auch im Wald überwinterten.

Nur wenn es wärmer im Wald wurde und die Bäume wieder grün wurden, kamen die Rehe-Mädchen aus der Höhle heraus, die mit grünen Sträuchern verdeckt war. Sie freuten sich wieder auf den Vogelgesang, die grünen Waldlichtungen, die Bäume und die blühende Sträucher.

Sie beobachteten die Tiere und Vögel im Wald und konnten wieder ohne Angst sich im Wald bewegen. Es war so wunderschön im Frühlingswald und sie fanden genug Futter bis in den Herbst hinein. Eines Tages sahen die Rehe-Mädchen, wie die Räuber auf der Waldlichtung unter der alten Eiche ihre Beute versteckten. Sie verstanden auch alles, was sie untereinander gesprochen hatten. Auch die wunderschönen Blumen unter der Eiche unterhielten sich in ihrer Blumensprache über die Neuigkeiten im Wald, lachten, schaukelten sich im Wind und freuten sich des Lebens. Ihr schöner Duft lockten Insekten an, die Nektar sammelten und sie bewunderten. Die schönen Rehe-Mädchen mochten den grünen Wald, den sie sehr gut kannten.

Ihr Bruder Richard wurde Förster. Er schoss nie auf ein Tier aus reinem Jagdtrieb, sondern nur, wenn das Tier krank oder von Wölfen verwundet worden war. Genau wie sein Vater liebte er den Wald und pflanzte junge Bäumchen dort, wo einige alten gefällt werden mussten.

Eines Tages kam er auf die Waldlichtung und entdeckte die Rehe mit den weißen Flecken. Sie liefen nicht weg und schauten ihn so zärtlich an, als ob sie ihm etwas sagen wollten. Richard schaute sich um – auf die Bäume, Blumen und Rehe und sagte: „Das sind auch meine Freunde“. Nur wurde er wieder traurig bei dem Gedanke an seine verschwundenen Schwestern und Eltern.

So vergingen drei Jahre, drei Monate und drei Tage. Es kam wieder die Mit Sommersonnenwende mit dem längsten Tag und der kürzesten Nacht des Jahres. Plötzlich tauchte im Wald die Regenbogenfee auf. Sie erschien immer dort, wo jemand ihre Hilfe brauchte. Nur einmal in hundert Jahren besuchte sie eines der Länder, in dem die gütigsten Menschen mit reinen Herzen lebten.

Die Rehe sahen, wie sie vom Regenbogen auf die Wiese stieg und ihnen zur Hilfe kam. Obwohl die Fee alles über sie wusste, fragte sie trotzdem, was ihnen zugestoßen war. Die Rehe-Mädchen erzählten unter Tränen in ihren schönen Augen, dass der böse Zauberer Schwarzenstein sie in Rehe verwandelt hatte, und  auch was mit ihrer Eltern geschah.

Die Regenbogenfee beschloss den Mädchen zu helfen und ließ die Königssöhne und ihre Schwester Regina zur Jagd in den Wald reiten. Als sie auf die Waldlichtung kamen, sahen sie die drei schönen Rehe. Dem jungen König Otto gefiel das Rehmädchen Margerita, weil er die Margeriten sehr mochte.  Der mittlere Königssohn bevorzugte von allen Blumen die Lilien und verliebte sich in die Lilie. Ihr jüngster Bruder Waldemar hatte schon seinen Bogen erhoben, um zu schießen, aber ließ ihn sofort sinken, als er die schöne Rose sah und sich auf den ersten Blick in sie verliebte. Der Förstersohn Richard konnte den Blick nicht von der Prinzessin Regina abwenden. In diesem Moment verlor der Fluch der bösen Zauberer seine Kraft und die Prinzen sahen drei wunderschöne Mädchen vor sich stehen.

Die Regenbogenfee holte ihren Zauberstab hervor und sagte ihren Zauberspruch: „Sarse-Wirse-Horse. Ich möchte, dass sich der Baum, in dem Friedrich und Frieda eingeschlossen wurden, immer um Mitternacht aus der Ferne mit euch, euren Kindern und Großkindern unterhalten kann.“

Die Regenbogenfee konnte leider nicht die Verwünschung des bösen Zauberers brechen, aber sie sagte den Försterkindern, dass die Menschen sich immer auf die Bernsteinsteine freuen werden. Sie bekamen von ihren Eltern die schönsten Bernsteintränen und bewahrten sie in Schatullen. Es waren keine einfachen, sondern feine Zaubersteine. Wenn man durch sie schaute, konnte man nicht nur das Grüne Königreich, sondern die ganze Welt sehen. Man musste vorher nur sagen: „Spieglein, erweise mir den Dienst, zeig mir mein Zuhause und die ganze Welt!“

Die gute Fee war wieder verschwunden. Die Förstertöchter erzählten dem jungen König Otto, wie falsch einige seiner Minister waren, tagsüber so taten, als ob sie ihm ehrlich dienten, und nachts wie Räuber die Menschen ausraubten. Sie und zeigten ihm, wo die Räuber ihre Beute versteckt hatten. Sie sagten, dass der Finanzminister den König und seine Brüder sogar töten wollte. Sein eigener Sohn sollte dann die Prinzessin Regina heiraten und die Macht übernehmen.

Der junge König sagte, dass solange es das Grüne Königreich geben wird, sollten es nur ehrliche Minister regieren. Die Bewohner freuten sich auf den Bernsteinschmuck und nannten die Küste der Ostsee Bernsteinküste. Wer dort gewesen ist, hat bestimmt auch Bernstein gefunden. Wer noch nicht da war, träumt vom Reich der Wälder und vom Bernstein.

Im Grünen Königreich wurden gleichzeitig vier Hochzeiten gefeiert. Es wurde viel gegessen, getrunken, getanzt, gelacht und gesungen. Einmal im Jahr richtete der König ein großes Fest für das ganze Volk aus. Otto war ein sehr weiser König und tat alles, damit seine Untertanen glücklich und zufrieden waren. Die Schätze der Räuber ließ er unter den Armen verteilen.

Jetzt ist das Märchen zu Ende und man kann das Blatt jetzt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Мышонок белый горошек

Мышонок белый горошек

Детский рассказ

Этот рассказ-сказка

посвещается любителям

природы и животного мира.

Жила на свете одна умная, мудрая мышка.

На головном покрове головы она имела белый оттенок в ввиде горошка

Ночью она спала в своей норке, чтобы филины, совы и лисы её не сватили и не сьели.

Мышка белый горошек имела две норки,одну для своей летней квартирке, другую для зимней.

Вот пришла весна и на улице везде веет теплом, певчие птицы открывают свой первый концертный сезон.

Услышав это мышка стала собираться из своей зимней квартирке в летнею.

Ранним утром, когда в небе вышел алый свет зари мышка вышла из

своей зимней квартирке летнею и стала её обустраивать.

Летняя норка ноходилась в одном лугу, которая принадлежала одной фирме.

В середине этого луга стояла дерево вишня, возле которой милая мышка  белый горошек построила свою норку.

У белой горошки были красивые мышинные глазки,её серая красивая шкурка ( наряд)была опрятно ухоженна,

Прелесть весны, которую мышонок теперь познавал принесли ей самые сильные впечатление.

Луг, который ещё месяц назад лежал спящим он от весенней теплоты и солнечных лучей вдруг ожил.

Трава стала салатно зелёной, на дереве вишни набухали почки.

С каждым днём на лугу стали больше появлятся всё новые и новые цветы.

Перед мышкой расскинулся луг со своим душистым цветочным ковром.

Белый горошек радостно закружилась в обилии песен птиц и весело смеясь по мышинному.

В воздухе стали кружатся пчёлки и бабочки от обильной цветении и запах цветов.

Чудесно было смотреть мышке на этот луговой рай.

В густой траве ползали черви и гусеницы, на стеблях, травах сидели кузнечики, начали стрекотать срекозы.

Всё было мышонку очень интересно.

Воздух с каждым днём стал всё  теплее, везде расспространялся  ороматом цветов и трав.

Воздух наполнял ароматом цветов и трав мышинную норку.

Один раз в день проникал яркий луч солнца в мышинную норку и освещала её.

В эти прекрасные солнечные дни мышка наслождалась природой и питалась вдоволь и готовила себе припасов для плохих ненастных дней.

Каждый день милая мышка вышла из норки, чтобы погулять и показать себя.

На фирме белого горошка все ( сразу) приметили.

Кагда на фирме был утренний и дневной перерыв мышка силела возле своей норки, которая была рядом с деревом вишни и смотрела на рабочих и от радости лапками на месте пританцовывала.

На этом небольшом лугу мышонок питался кузнечиками, семенами и кореньями.

Ночью берый горошек слышал крик совы,филина и других птиц.

Мышонок спал один на своей мягкой сухой травенной постельке в норке и каждую ночь его сопровождали прекрасные сны.

Только зарево в небе покажется а мышонок, тут как тут, уже сидит возле своей норки а певчие птицы дают ему свой утренний концерт.

Везде уже на лугу цветут одуванчики, ихние желтые головки стоят , как буд-то их мокнули в топлённое масло.

Пчёлы и шмели расселись на головках одуванчиков и собирают нектар для мёда.

В начале июля начала созревать земляника, белый горошек стала их кушать и таскать себе в норку.

Как милостива была природа, которая дарила мышке, такой большой земляничный подарок.

После земляники созревали ягоды вишни, ветер расскачивал ветки вишни, спелые вишни падали вниз и осыпали норку мышки сочными тёмно-красными ягодами.

С вишни, то упадёт чевячок, то гусеница и стол для мышки на земле был накрыт вкусной пищи.

Столько много вишни упало, что мышке хватили семена-косточек до самой поздней осени.

В начале осени белый горошек увидела возле себя, такую картину, листва вишни от обильных солнечных дней осени, всё ярче и ярче начала румянится и осываться.

Воздух нополнял норку мышке запахами прелой листвы вишни.

С грустью, тревогой и печальными мышичными мыслями думала мышка о предстоящей зиме.

В конце октября во время тумана белый горошек перебралась в свою зимнею квартирку, которая находилась в одном цеху фирмы.

 Теперь каждый день мышонок с большой опаской во время пауз выбегала из своей норки и села возле неё.

Один рабочий додумался её кормить хлебными крошками и кусочками банана и всякой вкуснятиной.

В один из нояберских дней мышкин кормилец заболел, его небыло чуть больше недели.

Изо-дня в день мышонок всё меньше и меньше нашёл для себя в цеху, что нибудь сьедобного.

Белый горошек заметно худел и слабел изо дня в день.

Вовремя вышел с больничного мышкин кормилец на работу.

И видит ранно утром, когда работа на фирме ещё не началась сидит посреди цеха белый горошек и шатается от голода.

Мышкин спаситель взял совок и оккуратно щёткой смёл его в совок и отнёс его подальше от всяких глаз в один дальний угол и угостил своего мышонка маленькими кусочками бананами.

Слабый мышонок сьел два маленьких кусочка, посидел минут пять и побежал в свою норку.

Во время первой паузы белый горошек вышла из своей норки и своими маленькими глазёнками смотрела пристально на своего кормильца-спасителя.

Теперь мышонок на каждой паузе получала от своего кормильца, что-нибудь вкусненького.

Так белый горошек прожил всю зиму в своей норке в цеху,пока не пришла долгожданная весна.

Тут и история про маленькой мышке“Белый горошек» закончилась, но её жизнь продолжалась.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Der scheckige Edelhirsch

Ein Märchen von Alexander Weiz

Vor langer – langer Zeit lebte auf der Welt ein Edelhirsch, den das einfache Volk „ein Hirsch mit reiner Seele“ nannte. Die Reichen nannten ihn „strahlender Goldhirsch“, weil er einer Sage nach, den Weg zum Reichtum zeigen konnte.

Die Reichen wollten ihn daher unbedingt fangen und einsperren. Sie wollten, dass er alle ihre Wünsche erfüllte. Der Edelhirsch versteckte sich vor bösen und gierigen Menschen in den Tiefen der dunklen Wälder, weit weg von Menschenaugen. Nur selten konnten die Menschen sehen, wie sein Geweih in der Sonne glänzte und Lichtfunken verbreitete. Es waren die sich widerspiegelnden Sonnenstrahlen, die durch seinen Glanz noch hundertmal stärker wirkten. 

Die Menschen, geblendet von diesem Glanz, konnten nicht sehen, ob er weit oder nah war und ob man ihn fangen konnte. Der Hirsch spürte aus Entfernung, ob von den Menschen Böses oder Gutes zu erwarten sei. Auf die Menschen ohne böse Absichten ging er manchmal von sich aus zu und erlaubte ihnen sogar ihn zu streicheln.

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weidete er in der Nähe von einfachen Menschen. Sie bestellten ihre Felder oder sammelten Brennmaterial im Wald und erfreuten sich seines Anblickes. Wenn es jemandem nicht gut ging, halfen sie gern.

Auf die Reichen wirkte der goldene Schein des Edelhirsches ganz anders. Sie wollten den „strahlenden Goldhirsch“ unbedingt besitzen und einfangen – koste es was es wolle.

Einmal verirrte sich ein armer Junge beim Sonnenaufgang im Wald, als die ersten Sonnenstrahlen seine Weiten streiften und Sonnenhäschen über das schöne Geweih des Hirsches hin und her sprangen. Plötzlich hörte er hinter dem dichten Gebüsch laute Geräusche von knackenden Zweigen. Es war der Edelhirsch, der auf ihn zukam. Der schöne Waldbewohner nickte mit seinem stolz erhobenen Haupt, als ob er ihn begrüßen wollte. Er kam noch näher und leckte die Hand des verzweifelt weinenden Jungen. Er umarmte den Edelhirsch und streichelte ihn. Er war sicher, dass er jetzt gerettet wird.

Doch dann hörte er Menschenstimmen und Hundegebell. Es könnte nur eine Hundemeute von sehr reichen Menschen sein. Der Hirsch zuckte und verschwand im nächsten Augenblick in der Tiefe des Waldes. Der Junge kniete nieder und begann zu beten: „Lieber Gott, hilf dem guten Hirsch. Soll er doch aussehen wie ein gewöhnlicher scheckiger Hirsch, damit die Reichen aufhören ihn zu jagen, um ihn in einen Käfig einzusperren. Soll er frei in seinem Wald leben und keine Angst vor der Gier böser Leute haben.“

Er betete so in brünstig, dass sein Gebet erhört wurde. In diesem Moment hatte der Edelhirsch weiße Flecken auf seinem Rücken bekommen und von seinem Geweih, Ohren und Körper verschwand der goldene Glanz. Die Menschen hatten bald seinen früheren Namen vergessen.

Seit jener Zeit konnte der Edelhirsch sein eigenes Hirschleben führen. Man konnte ihn oft auf einer Waldlichtung oder am Waldrand sehen. Er war ein sehr schneller Läufer und sobald er seine Feinde bemerkte, lief er in Windeseile weg. Nur seine weißen Flecken konnte man noch kurze Zeit zwischen den Bäumen erkennen. Es war auch ein Signal für andere Hirsche, dass ihnen eine Gefahr drohte. Die Menschen konnten dann den graziösen Lauf der schönen Waldbewohner beobachten. Seitdem sind im Volk viele Sagen und Märchen, Erzählungen und Gedichte entstanden und viele Bilder wurden von dem ungewöhnlichen scheckigen Edelhirsch gemalt.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Der Nebel

Vor langer – langer Zeit als die Finsternis noch die Himmelsleere füllte, wurde sie durch eine Lichtexplosion gespalten und siedelte sich auf der Erde an. Nachts spazierte die Finsternis über die Erde und tagsüber versteckte sie sich tiefe Höhlen, Tunneln und Erdspalten.

Eines Tages landete der Nebel auf dem Planeten Erde. Unterwegs war er einfach bezaubert von der Schönheit dieses Planeten. Er wollte so gerne, dass es hier weniger Finsternis geben sollte.

Als die Erde ihn das erste Mal sah, fragte sie: „Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“ Er antwortete ihr: „Ich bin der Nebel – die echte sauberste Himmelsfeuchtigkeit.“

Die Erde und der Nebel reichten sich die Hände und wurden Freunde.

Der Nebel ging für den Tag in die Tiefe des dunklen Waldes, um sich in der Nacht auf die Felder, See und Wälder legen. Nachts kam die Dunkelheit aus der Hölle und machte einen langen Spaziergang. Sie kam in das Walddickicht, legte sich ganz unten übers Gras. Dann begegnete sie dem Nebel und fragte: „Warum benebelst du alles mehr nachts als tagsüber?“

Er antwortete ihr: „Ich habe Angst vor Sonnenstrahlen. Ich kann ja so schnell verdunsten. Nachts aber kann ich bis zum Morgen schöne Wasserperlen auf die Gräser verteilen. Jeder Vogel, jedes Tier und auch kleine Pflanzen können so ihren Durst stillen.“

Der Nacht gefiel diese Gütigkeit des Nebels nicht und auch, dass er sich in ihr Reicht nachts begab. Sie empörte sich besonders darüber, dass sie selbst nicht durch den weißen Nebelteppich nicht nah genug an die Erdoberfläche herankam. So konnte sie die Erde nicht verschlucken. Sie zerstritt sich mit dem Nebel und meidet ihn seit dem.

Der Nebel machte sich an die Arbeit und legte sich wie ein weißer Wolkenteppich über Flüsse, See und Meere. Für die Wasser- und Erdbewohner wurde der Nebel zu einem märchenhaften Sandmännchen, der allen den Schlaf brachte und Augen schloss, damit der Mond und die Sterne ihren Schlaf und die schönen Träume nicht stören.

Der Nebel lag oft so gemütlich bis zum Sonnenaufgang, bis die Sonne durch die Nebelmilch drang und die Dunkelheit zurück in die Höhlen vertrieb. Breite Sonnenstrahlen trennten den Nebel und die Finsternis. Der Nebel stritt nicht mit der Sonne. Er nahm sie an wie sie wahr: Mit in allen Farben funkelnden Wassertropfen, die so klein waren, dass man sie nur dank der Sonnenstrahlen wahrnehmen konnte. Er war wie eine Milchstraße über der zauberhaft schönen Erde!

Das ist auch der Nebel! Das ist seine schöne Seite. Soll er doch hier und dort sich ausbreiten und uns die Morgenfrische im Sommer schenken oder den warmen Spätsommer und den Beginn des Herbstes ankündigen. Soll er doch auf den Spinnennetzen glitzern zur Altweibersommerzeit. Soll er mit seinem hellen Licht die Wiesen und Felder füllen und unsere Augen erfreuen. So ist es – der Nebel…

  • Das Sandmännchen ist ein traditioneller Folkloreheld, der in Westeuropa sehr verbreitet ist. Man sagt, er streut den schläfrigen Kindern Zaubersand in die Augen und lässt sie einschlafen. Es ist eine gütige Gestalt, welche die Kinder beruhigt und ihnen schöne Träume schenkt, aber es kann auch ungehorsamen Kindern Alpträume schicken. Diese Gestalt ist also überwiegend positiv, ist aber manchmal auch negativ gefärbt.

Hier ist des Märchens Ende, man muss das Blatt wenden.

Autor: Alexander Weiz

Titelbild: Jutta Rzadkowski

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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Deutsche Kolonisten

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