Gebrüder Vohrer

Der Sohn des Einwanderers Johann Christoph Vohrer (1779-1830), Christopher Vohrer (1827-1916)13) 26), ein Schneider, begann neben seinem Beruf um 1847 auf auf etwa einer Deßjatie gepachteten Flächen mit dem Weinbau.

ab 1892 „Gebrüder Vohrer“ 12)

Bis 1856 den üblichen herben kaukasischen Wein anbauend, machten ihn durchreisende französische Seidenhändler auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam. Vohrer übernahm die Vorschläge und der Ausschwung führte zur Namensgebung „Wirtschaft von Christopher Vohrer und Söhnen“ 1860. Mangels ausreichend eigenem Kapital gründete er 1862 eine Aktiengesellschaft für die Produktion von Wein und anderen Spirituosen in Helenendorf, es folgten Filialen in Elisabethpol, Baku, Tiflis und Batumi.

Noch im Jahr 1868 baute Vohrer, aus nationaler Vorliebe fürs Bier, eine Brauerei in Helenendorf, die im Gebiet Elisabethpol,10) die erste war, jedoch stets ein Nebenerwerb blieb. Die durchschnittlich in Helenendorf produzierten 12.000 Liter pro Jahr wurden vor allem nach Baku geliefert, wo sich die Gastwirtschaft „Vohrersche Gärten“ nahe des Bahnhofs befand. Gerste und Hopfen wurden zum Teil auf eigenem Land, hauptsächlich jedoch aus Kars, Alexandropol und Wolin eingeführt. Das Wasser lieferte der vorbeifließende Fluss Gandschatschaj, später Gebirgsquellen.

Im Jahre 1870 wurde die Stammfirma mit den Söhnen Christoph, Gottlob, Friedrich und Heinrich als „Christopher Vohrer und Söhne“ gegründet, erst 1872 kaufte Vohrer 4 Deßjatien Eigentumsland.

Die Wirtschaft der Familie wurde stetig durch Landkäufe erweitert. In den Tälen der Flüsse Gandschatschaj, Schamkir und Kuraktschaj fanden sich die idealen Weinbaubedingungen.

Die Vohrer kauften ihre Rebsorten Gara Schire, Saperawi, Rkaziteli, Mzwani, Lokani, Tawkweri, Medrese und Agschire in Kachetien und im Kreis Schamacha . Daneben standen europäische Sorten wie Riesling, Aligoté, Tokai, Muskat, Merlot, Bordeaux, Cabernet u.a.11) Die Reben wurden intensiv gepflegt, bewässert, und der Mehltau bekämpft, so wurden teilweise doppelt so hohe Erträge erzielt wie bei den benachbarten Weingärtnern. Daneben begann man, die Verarbeitungs -und Lagerungsbedingungen stetig zu verbessern. Das Fassungsvermögen der Weinkeller und ihre Zahl wurden erhöht. Der Wein wurde nun in großen Fässern gelagert, ab 1882 wurden Wein und Spirituosen in Flaschen aus Baron von Kutschenbachs Glasfabrik abgefüllt. Ab 1892 wurde die Weinwirtschaft in „Gebrüder Vohrer“ umbenannt, da Christopher in den Ruhestand ging. Im Jahre 1904 wurde Christopher Vohrer in den Rang des erblichen Ehrenbürgers erhoben und erhielt die „Goldene Medaille am Andreasband„.

Enwicklung des Landbesitzes der Vohrer

Zweites Standbein in der Produktion sollte neben der Weinspritdestillationen die Kognak-Herstellung werden. 1892 bauten die Gebrüder Vohrer in Helenendorf die erste Kognakfabrik in Aserbaidschan mit zwei Destillationsanlagen. Zur Destillation kauften sie Trauben und Weißwein aus umliegender Herstellung auf und brannten daraus 50-60%. Kognakspiritus.

Christopher Vohrer und Söhne 6)

Die Tagesproduktion lag bei 100 Vedro 15) (rund 1230 l), 1896 baute man eine neue Kognakfabrik mit deren Hilfe es nicht nur gelang, die Überproduktionskrise von 1895-1896, die mit einem starken Preisverfall für Wein einher ging, zu überbrücken, sondern sie sogar zum Ausbau einer Monopolstellung zu nutzen, die 1906 zum Verkauf von über 6000 Vedro Kognak in 38 Gouvernements Russlands führte.

Um Traghölzer für die Rebstöcke zu gewinnen, begannen die Vohrer 1897 mit der Anpflanzung von Robinien auf etwa 20 Deßjatien Fläche. Die Bäume wachsen nicht nur schnell, das Holz ist auch besonders resistent gegen Pilz- und Wurmbefall und sehr langlebig im Gebrauch. Bereits 1901 waren über die Hälfte der bisherigen Stangen aus Eiche, Wacholder und Schilf ersetzt.

International seit 1894 Weine ausstellend, gewannen sie Goldmedaillen in London (1897) Hamburg (1898), Magdeburg (1899), Paris (1900) und viele weitere. Die vier internationalen Preise trug Christopher Vohrer mit Stolz zu besonderen Anlässen am Hals. Im Jahre 1898, auf der 2. Kaukasischen Messe für Gartenkulturen wurde ihr Wein mit der ersten nationalen Goldenmedaille ausgezeichnet.

Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges verkaufte das „Handelshaus der Gebrüder Vohrer„, am 30. August 1913 als Aktiengesellschaft gegründet, jährlich etwa 350.000 Liter Wein. Die Vohrer besaßen mehrere Branntwein- und Kognakbrennereien, Weinspritdestillationen, eine Wassermühle, die Bierbrauerei und ein Gestüt. Das Handelshaus hatte Filialen in Elisabethpol, Baku, Tiflis, Tomsk und Krasnojarsk.

 



1) 1 Deßjatie = heute 1,092 ha, aber es gab auch Einteilungen in den Größen von 1,457 ha, 1,639 ha, 3,642 ha und 4,552 ha
2) 2 Tuni = 1 Litra = 3,25 kg
3) Dr. Friedrich August Kolenati:Reiseerinnerungen, Dresden 1858, S.60-64
4) Mathias Beer; Dittmar Dahlmann: Migration nach Ost- und Südosteuropa vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts : Ursachen, Formen, Verlauf, Ergebnis, Stuttgart : Thorbecke, 1999. Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, 4.
5) Marthin Friedrich Schrenk: Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien: zum Gedächtnis des fünfzigjährigen Bestehens derselben, Verlag Pfälzer Kunst, 1997
6) Fotos: State Historical Archive of Azerbaijan, Azerbaijan State Cinema Photo Archive, taken before 1900
7) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA Tbilissi, f.2, op.l, d.658; ZGIA Baku, f.508, op.l, d.370, 297, 77,63; Kavkaz, Tiflis 1850, Nr.40, S.159ff; P. Dzjubenko, Nemeckie kolonisty na Kavkaze. In: Kavkaz 1882, Nr. 313, S.3f; AKAK, t.VI, S.332f.; Hummel, Th.: 100 Jahre Erbhofrecht der deutschen Kolonisten in Rußland, Berlin 1936]
8) Gesellschaftsreise nach Südrußland und dem Kaukasus v. 12.August bis zum 9.0ktober 1913 veranstaltet von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Berlin 1913, S.62-66; ZGIA Baku, f.58, op.l, d.33, Bl.19-35, sowie Auszug aus den Lebenserinnerungen von Theodor Hummel, in: Heimatbuch der Deutschen aus Rußland, Stuttgart 1956, S.49
9) Ibragimov, N.A.: Nemeskie stranicy istorii Azerbajdana, Baku 1995
10) noch 1916 die einzige Brauerei im Gouvernement mit einer Produktion von 42.000 Litern; der Wert wurde 1898 mit 13.000 Rubel bei 7 Arbeitskräften angegeben (Kavkazkij kalendar‘ na 1900, Tiflis 1900, S.50)
11) Professor Rauf Gussejnow, Taira Alijewa: Weinrebe von Elisawetpol (masimov.net)
12) Н. А. Ибрагимов: Немецкие страницы истории Azerbajdžana, Баку: Издать. Azerbajdžan, 1995
13) Gebrüder Vohrer; Deutsche Winzer im multikulturellen Umfeld Aserbaidschans. Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887-1979); Kommentiert und herausgegeben von Eva-Maria Auch
14) Kaukasische Post, Tiflis, diverse 1906 Hrsg. Kurt von Kutzschenbach, Artur Leist
15) 1 Vedro = 12,3 l
16) Hrsg. Alexander Mosler, Tiflis: Kaukasischer Kalender 1912 (Zur Gründung der deutschen Kolonien in Transkaukasien S. 79-89)
17) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [ZGIA StPetersburg, f.595, op.3, d.266,1.53-54]
18) Lorenz Kuhn starb nach seiner Verhaftung 1938 in der Verbannung um 1942, Dr. med. Hurr wurde verhaftet und am 29.10.1937 erschossen, beide waren mit Vohrer – Frauen verheiratet
19) Vypiska iz dogovora ob obrazovanii polnogo tovariščestva pod firmoju torgovyj dom „Brat’ja Gummel’“ ot 16go dekabrja 1900 (Auszug aus dem Vertrag über die Gründung des Handelshauses „Gebrüder Hummel“ vom 16. Dezember 1900). In: Konkordija (2001), S. 225 227. Als Gründer agierten: Gottlob Georg Hummel, die Brüder Heinrich und Gottlieb Johannes Hummel, die Brüder Theodor und Hermann Heinrich Hummel sowie Eduard Andreas Hummel.
20) Eva Maria Auch: An der Wiege der Aserbaidschanischen Archäologie. Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe – Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl
21) Matthias Theodor Vogt (Hrsg.), Jürgen Neyer (Hrsg.), Dieter Bingen (Hrsg.), Jan Sokol (Hrsg.): Der Fremde als Bereicherung ; Verlag: Lang, Peter Frankfurt; 2010
22) Beschluss Nr. GKO-744ss vom 8. Oktober 1941 des Staatlichen Verteidigungskomitees der UdSSR „Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Georgischen, Aserbaidschanischen und Armenischen SSR“
23) V. Herdt: Die Neuordnung des Sondersiedlungsregimes und das Dekret vom 26. November 1948. In: Von der Autonomiegründung zur Verbannung und Entrechtung. Die Jahre 1918 und 1941 bis 1948 in der Geschichte der Deutschen aus Russland. Hrsg.: Alfred Eisfeld. Stuttgart 2008, S. 204-211.
24) Eva Maria Auch: Deutschsprachige Quellen zum Schicksal der Deutschen in Aserbaidschan (in den 20er und 30er Jahren), Khazar University Press, Vol. 1; No 3 [DA 1921.S.145]
25) Meldung des Generalkonsulats in Tiflis vom 11.12.1935, der Vorsitzende der „Union“ Katharinenfeld hatte sich nach dem Prozess im Gefängnis das Leben genommen
26) Hans-Hermann Graf von Schweinitz: Helenendorf, eine deutsche Kolonie im Kaukasus, Vossische Buchhandlung Berlin, 1910
27) Nationales Historisches Museum Aserbaidschan (NMGA), Baku
28) Главное- Političeskoe УПРАВЛЕНИЕ / Политическая Штаб-квартира 1934 – 1946 НКВД / Народный комиссариат внутренних дел СССР
29) Prof. Dr. Eva-Maria Auch: Jakob Hummel: Lehrer – Archäologe– Museumsgründer in Helenendorf/Göy Göl
30) Foto: Г. Гуммель – скульптор. 2002г., Германия. Газета „Heimat – Родина“
31) Kollektivierung der deutschen Kolonien Transkaukasiens. Rigasche Rundschau 3. April 1930 Nr. 77 p.6
32) Wirtschaftlicher Todeskampf der deutschen Kolonien in Sowjetrussland. Libausche Zeitung 21. April 1931 Nr. 87
w) Wikipedia, Wikimedia

 

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